allTEIL C

Andere elektrische Fahrzeuge


In diesem Kapitelteil geht es in erster Linie um den Öffentlichen Personennahverkehr mit verschiedenen Transporttechnologien, die teilweise aber auch für den Warentransport eingesetzt werden. In den meisten Fällen werden sie elektrisch betrieben – es gibt jedoch Ausnahmen –, ebenso wie es Systeme gibt, die sich nicht ausschließlich auf den Nahbereich beschränken. Ich präsentiere sie in ihrem historischen und technischen Kontext, der häufig in die vor-elektrische Zeit zurückreicht.

Die Wichtigkeit der Präsentation dieser vielen verschiedenen Mobilitätskonzepte sehe ich darin, dem noch immer marktbeherrschenden ,Ideal der individuellen Blechkiste - das sich gerade wieder als Elektroauto (eines für jeden!) manifestiert - eine Reihe von innovativen, intelligenten, wirtschaftlichen und auch ökologisch wesentlich sinnvolleren Alternativen entgegenzusetzen. Man sollte sie jedenfalls kennen, wenn man im Bereich der Mobilität mitreden möchte.

Für alle Einsatzfälle sollte allerdings gelten, was so gut wie immer als ‚wirtschaftlich nicht machbar’ betrachtet wird: Den Nahverkehr kostenlos zu machen! Hier ist nicht der Ort, um das Für oder Wider auszudiskutieren, weshalb ich mich auf ein einzige Beispiel beschränke, das diesen Ansatz unterstützt (es gibt noch andere):

Mitte der 1990er Jahre hat die belgischen Stadt Hasselt ein Verkehrsproblem, jedoch kein Geld für den dringenden Bau einer Umgehungsstraße. Die ungewöhnliche Lösung ist, den Personennahverkehr kostenlos anzubieten. 1997 gibt es in der Stadt mit 70.000 Einwohnern nur zwei Buslinien mit acht Stadtbussen. Entsprechend gering ist das Interesse der Bürger, auf das öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Nun wird das Bus-Netz umfassend ausgebaut und siehe da, die Anzahl der Fahrgäste verzehnfacht sich nahezu innerhalb weniger Jahre. Zusätzlich werden viele Straßen zu Fußgängerzonen umgewandelt, Parkplätze in der Innenstadt abgeschafft und dafür kostenpflichtige Stellplätze am Stadtrand geschaffen. Allen Befürchtungen zum Trotz erweist sich das Konzept als großer Erfolg, auch wirtschaftlich. Die Anzahl an Arbeitsplätzen in der Innenstadt hat sich seit der Einführung des kostenlosen Nahverkehrs verdreifacht, ebenso der wirtschaftliche Umsatz. Und auch für Touristen ist Hasselt nun wesentlich attraktiver: Statt ehemals 200 Hotelzimmer gibt es inzwischen schon 1.500 Übernachtungsmöglichkeiten.

Es stellt sich die Frage, ob die Teilnehmer des weiterbildenden Masterstudiengangs Energieeffiziente urbane Verkehrssysteme, das die Technische Universität Berlin ab dem Sommersemester 2012 anbietet, auch etwas von Hasselt erfahren werden. Es ist einer von drei disziplinübergreifende Masterstudiengängen aus dem Bereich ‚Stadt und Energie’, für deren Studenten der 1.700 m2 große Wasserturm auf dem Euref-Gelände in Berlin-Schöneberg umgebaut wird. Geplant ist, 30 Studenten pro Studiengang pro Jahr aufzunehmen, und die Studiengebühren betragen 5.000 € pro Semester! Ich denke, da bekommt man in den folgenden Übersichten mehr fürs Geld.

Fachlich tiefergehende Informationen über Einschienenbahnen, Podcars und PRT-Systeme finden sich auf der Seite der 1989 gegründeten und seitdem äußerst aktiven Monorail Society, sowie auf den Seiten der Advanced Transit Association (ATRA).


Elektrozüge bis PRT-Systeme


Der Einsatz elektrischer Zugmaschinen im Industriebereich sowie unter Tage beginnt schon früh, bald darauf kommen elektrische Straßenbahnen hinzu, und inzwischen ist der elektrische Schienenverkehr weltweit verbreitet. Dieser ‚Sonderfall’ einer erfolgreichen großtechnischen Umsetzung der elektrischen Mobilität, der auch Verkehrsmittel wie Oberleitungsbusse sowie U- und S-Bahnen umfaßt, erklärt sich durch die Stromversorgung mittels Stromschienen oder Oberleitungen. Denn die Energie ist damit an jedem Punkt der Strecke verfügbar und muß nicht gespeichert und mitgeführt werden.

Der Ausdruck PRT-Systeme wiederum stammt aus dem Englischen, bedeutet Personal Rapid Transit und wird als Oberbegriff für viele verschiedene Systeme des urbanen Öffentlichen Nahverkehrs genutzt. Aus Gründen der besseren Übersicht unterteile ich diese nachfolgend in die eher allgemeinen Systeme, sowie daran anschließend in folgende Unterkapitel:

Oberleitungssysteme

Kapsel-Pipelines

Einschienenbahnen (Monorail)

Spurgeführte Luftkissenbahnen

Magnetschwebebahnen (Maglev)

Vakuumröhren-Maglevbahnen

Podcars und People Mover

Gravitationsbahnen

Innerstädtische Seilbahnen

Weitere Technologien


Das erste Modell einer elektrischen Lokomotive mit Batteriebetrieb scheint auf den Schmied Thomas Davenport aus Vermont im Jahr 1834 zurückzugehen. Sein 1,20 m langer Wagen, nur etwas größer als ein Modellfahrzeug, fährt auf einer Schiene mit einer Spurweite von 45 cm. Funktionierende Elektromotoren werden ab 1833 gebaut, und nachdem Davenport einer entsprechenden Demonstration zuschaut, gelingt ihm auch selbst der Bau eines derartigen Motors, den er 1837 zum Patent anmeldet.

Siemens Elektro-Lok

Siemens Elektro-Lok

Zehn Jahre später, 1847, entwickelt Moses Farmer aus Massachusetts eine elektrische, von 48 Batterien betriebene E-Lok, mit der zwei Personen transportiert werden können, während Prof. Charles Page aus Washington, D.C., zur gleichen Zeit eine von 100 Zellen angetriebene Lokomotive baut, die mit ihrem 16 PS Elektromotor 12 Personen mit der sensationellen Geschwindigkeit von 30 km/h befördert. Die erste elektrische Lokomotive, die ihre Energie über eine elektrische Schiene erhält, wird 1847 von Lilly & Colton aus Pittsburgh gebaut. Der Durchbruch wird der elektrischen Lokomotive von Werner Siemens in Berlin im Jahr 1879 zugeschrieben, einer umgebauten Grubenbahn, die nun rund um die Welt auf Ausstellungen gezeigt wird - dicht gefolgt von der Elektro-Lok, die Thomas Edison 1880 in den USA vorstellt.

Im August 1883 wird die erste öffentliche elektrische Eisenbahn in England eröffnet. Sie ist älteste heute noch betriebene elektrische Straßenbahn der Welt. Die Volk’s Electric Railway in Brighton erstreckt sich etwa 400 m weit entlang der Strandpromenade zwischen dem Aquarium und dem Old Chain Pier. Die Strecke ist etwas erhöht und führt bei Flut über das Wasser. Erfunden und gebaut hat sie Magnus Volk, ein deutschstämmiger Elektroingenieur an der Brighton Corporation. der als Pionier im Bereich der elektrischen Telegraphen, dem Telefon, der elektrischen Beleuchtung und elektrisch angetriebener Kraftfahrzeuge gilt. Die ohne Oberleitung konstruierte Bahn wird über die beiden 610 mm auseinander liegenden Fahrschienen mit 50 V Spannung versorgt.

Volk baut auch die sehr besondere und sonderbare, aber nur kurz betriebene Brighton and Rottingdean Seashore Electric Railway. Es handelt sich um eine bei Flut durch das Meer führende Eisenbahnlinie für den öffentlichen Personennahverkehr, die im November 1896 eröffnet wird und die Seebäder Brighton und Rottingdean verbindet. Der offizielle Name des einzigen Triebwagens ist Pioneer, im Volk wird das ungewöhnliche, etwa 45 t schwere bootsähnliches Fahrzeug aufgrund seiner ca. 7 m hohen Stelzen allerdings Daddy Long Legs genannt (Weberknecht). Die Stelzen sitzen auf vier großen vierrädrigen Drehgestellen, die auf zwei parallel verlegten Gleisen laufen, während der Strom aus einer zweipoligen Oberleitung bezogen wird. Aufgrund der Untermotorisierung des Fahrzeugs ist der Wasserwiderstand bei Hochwasser jedoch so groß, daß nur mit Schritttempo gefahren werden kann – sicherlich zur Freude der maximal 160 Passagiere, sofern es nicht gerade regnete.

Knapp eine Woche nach der Eröffnung zerstört ein Sturm das Fahrzeug und Teile der Strecke. Die Bahn wird jedoch wieder aufgebaut und im Juli 1897 wiedereröffnet. Als der Stadtrat 1901 entscheidet, eine Strandschutzbarriere zu bauen, welche die Gleisanlage durchschnitt, hätte der Betreiber die Gleise um die Barriere herum tiefer ins Wasser verlegen müssen, wozu aber das Geld fehlt. Obwohl die Bahn nur vorübergehend stillgelegt werden soll, bis genügend Kapital für die Umbauarbeiten vorhanden ist, läßt der Stadtrat die Gleise entfernen, was zur endgültigen Schließung dieser einmaligen Strecke führt.

Drumm Battery Train auf US-Briefmarke

Drumm Battery Train

Einer der Pioniere, die hier nicht vergessen werden dürfen, ist der Erfinder der ‚Drumm Traction Battery’, Dr. James J. Drumm. Seine Zink-Nickel-Alkaline Batterien betreiben zwischen 1932 und 1948 erfolgreich einen Elektrozug in Irland, der es Jahrzehnte später sogar auf eine Briefmarke schafft. Mit 140 Passagieren an Bord erreicht der Drumm Battery Train (auch als Pullman Battery Train bekannt) ein Gesamtgewicht von 85 t, läßt sich aber trotzdem schnell auf eine Maximalgeschwindigkeit von 80 km/h beschleunigen. Der Zug, der auf der Strecke Dublin – Bray verkehrt, besitzt sogar schon ein System zur Rückgewinnung von Bremsenergie!

Über diese Anfänge hinaus werde ich das Thema ‚Elektrischer Zugverkehr’ hier jedoch nicht weiter vertiefen, da es schon unzählige Veröffentlichung darüber gibt. Über diverse andere Konzepte und Umsetzungen gibt es jedoch viel zu wenig Informationen, die ich deshalb versuche abzudecken - wobei ich aber auch eine Reihe von Ausnahmen machen werde.

So sei beispielsweise auf einige neue Konzepte verwiesen, bei denen die Züge mittels Solarenergie betrieben werden, wie die kleine Solarbahn des ELSE-Teams um Ulrich Ottensmeyer, der seine Bahn seit dem Jahr 2000 schon häufig auf Solarfesten vorgeführt hat.

Dem Initiator zufolge soll es sich bei ELSE (ELektrische Solar Eisenbahn) um den ersten Solartriebwagen der Welt handeln. Dieser hat die Maße 4,2 x 1,45 x 2,1 m, ist mit 3,6 m2 PV-Paneelen (360 W) auf dem Dach, einem 3 kW Motor sowie 2 x 120 Ah Traktions-Akkus ausgestattet und besitzt ein Bremsenergie-Rückgewinnungssystem. Das Leergewicht wird mit ca. 800 kg angegeben. Mit einer Akkuladung beträgt die Reichweite etwa 55 km, wobei an sonnigen Tagen aber auch schon bis zu 90 km zurückgelegt werden können - samt 70 Mal Anfahren und Bremsen. Die Geschwindigkeit ist auf 15 km/h gedrosselt, wobei mit 3 kW theoretisch auch 50 km/h erreicht werden könnten.

Ausschlaggebend für den Bau war die Mitarbeit am Erhalt einer alten Ziegeleibahn - worauf auch die Spurweite von 60 cm zurückzuführen ist. Im Sommer 2001 werden auf dem Berliner Messegelände 240 m Gleis verlegt, auf denen ELSE jeweils 6 - 8 Besucher der Weltmesse Solar Energy herumfährt - ausschließlich mittels Solarenergie. Ab 2002 kann Ottensmeyer auch eine Kutsche präsentieren, die nach dem gleichen Prinzip der ELSE umgebaut ist - sowie ab 2005 eine kleine Solarlok namens SUSE.


Einen interessanten Ansatz aus dem Jahr 1996 bildet die UltraLight Rail for Santa Cruz, bei der es sich um ein ebenfalls solarbetriebenes schienenbasiertes Nahverkehrssystem handelt, das bislang jedoch nicht über das Konzeptstadium hinausgekommen zu sein scheint.


Tatsächlich umgesetzt worden ist ein mit Solarpaneelen ausgestatteter ,Elektrozug’ in Italien, der im Oktober 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Der Zug der Bahnfirma Trenitalia wird zwar nicht solar betrieben, aber die PV-Anlage auf den Wagondächern versorgt immerhin die Klimatisierung, die Beleuchtung und das Sicherheitssystem. Solarpaneele sollen auch zum Betrieb eines Elektrozuges in Japan beitragen, über den mir jedoch keine weiteren Daten vorliegen - während es in Wales eine Kleinschienenbahn geben soll, die sogar komplett mit Sonnenenergie betrieben wird. Andere Ansätze werden uns weiter unten begegnen.

Im Juli 2010 präsentierte die nationale französische Eisenbahngesellschaft SNCF den ersten regionalen Schnellzug (Train Express Régional, TER), der mit Photovoltaik-Modulen auf dem Dach ausgestattet ist und nun drei Jahre lang getestet werden soll um zu entscheiden, ob es sinnvoll ist das System auch auf den anderen Zügen der Gesellschaft zu installieren. Mit den 2.500 bis 3.000 kWh Solarstrom wird die auf LEDs umgestellte innere und die äußere Lichtanlage versorgt – und bei Fahrtunterbrechungen werden die Batterien aufgeladen. Die Kosten des Pilotprojekts von 400.000 € werden von der SNCF (250.000 €) und von der Region Poitou-Charentes (150.000 €) finanziert, wo der Zug zum Einsatz kommt.


Daneben gibt es eine weitere Entwicklung, auf die ich kurz eingehen möchte, da sich hier konventionelle Technik mit den neuen Technologien vermischt.

Japanischer Hybrid-Zug

Hybrid-Zug

Im April 2006 meldet die East Japan Railway Co. (JR East), daß sie im Sommer 2007 den weltweit ersten Hybrid-Zug in Betrieb nehmen wird. Bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h fährt dieser Zug mit Hilfe von Lithium-Ionen Batterien, für höhere Geschwindigkeiten bis 100 km/h schaltet sich dann ein Dieselmotor ein, der die Batterien gleichzeitig nachlädt. Außerdem ist der Zug mit einem Bremsenergie-Rückgewinnungssystem ausgestattet.

Der auf dem Dach untergebrachte Li-Io-Akku entspricht einer Menge von 3.000 – 4.000 Handy-Akkus. Der Zug wird schon während der Entwicklungsphase so konzipiert, daß der Dieselmotor zu einem späteren Zeitpunkt durch Brennstoffzellen ersetzt werden kann. An dem Projekt wird seit 2003 gearbeitet, die Hybrid-Antriebssektion wird von Hitachi entwickelt. Eingesetzt wird der Zug auf der bislang noch nicht elektrifizierten Strecke zwischen Obuchizawa in der Präfektur Yamanashi, und Komoro in der Präfektur Nagano.

Die Inbetriebnahme erfolgt im August 2007; zu diesem Zeitpunkt befindet sich auch die Brennstoffzellen-Version schon in der Testphase. Doch auch in Japan scheint es nicht so schnell zu gehen, wie erhofft. Die ersten Tests mit einem Fahrzeug, das mit neuen Li-Io-Akkus (600 V / 163 kWh) ausgestattet ist, beginnen erst im Oktober 2009 und das Konzept sieht nun einen Hybridantrieb vor, der den Betrieb des Zuges wahlweise über das Eisenbahnstromnetz oder die eingebauten Batterien ermöglicht, die während des laufenden Betriebes über den Stromabnehmer aufgeladen werden können. Auflademöglichkeiten bei Bahnhöfen sollen dafür sorgen, daß der Zug auch auf Strecken ohne elektrische Oberleitungen größere Distanzen zurücklegen kann. Als Höchstgeschwindigkeit werden 100 km/h angepeilt, und der Einsatz auf ausgewählten Bahnstrecken ist ab Januar 2010 vorgesehen. Bis 2011 soll die Testphase abgeschlossen sein.


Wie häufig der Fall, haben auch diese Züge ihre Vorläufer. Das im kanadischen Vancouver beheimatete Unternehmen RailPower Technologies Corp. beispielsweise stellt schon 2001 mit den Modellen ,Green Goat’ und ,Green Kid’ zwei mit Bleibatterien ausgerüstete Hybrid-Diesel-Lokomotiven vor, deren Stromspeicher von einer kleinen und wartungsarmen Mikroturbine ständig nachgeladen wird. Trotz der Brennstoff-Einsparung von 15 % bis 45 % setzt sich diese Technik auf dem nordamerikanischen Kontinent nicht so schnell durch wie erhofft.

Erst 2005 bestellt Union Pacific 10 Stück der jeweils 8,2 Mio. $ teuren ,Green Goat’ Hybrid-Lokomotiven, die im Gegensatz zu der o.g. japanischen Entwicklung allerdings nur für den Gütertransport eingesetzt werden.

Im September 2008 präsentiert auch General Electric einen ‚Evolution Hybrid’ Lokomotiven-Prototypen, der ähnliche Spezifikationen aufweist wie die kanadischen Loks, mit allerdings nur 15 % Brennstoff-Einsparung im Maximalfall.

Weitere Beispiele sind der Prototyp einer vollelektrischen 1.500 PS Lokomotive von Norfolk Southern aus Altoona, Pennsylvania, die ihr Debüt im Oktober 2009 macht. Die NS 999 bezieht ihre Energie aus 1.080 Stück 12 V Blei-Säure-Batterien und besitzt ein Bremsenergie-Rückgewinnungssystem der Brookville Equipment Company. Entwickelt wurde die Lokomotive als Joint Venture zwischen dem US-Department of Energy, welches das 4 Mio. $ Projekt mit 1,3 Mio. $ mitfinanziert hat, der Penn State University, Norfolk Southern und Brookville. Bis 2011 soll aus dem Prototyp eine marktreife Langstreckenlokomotive werden.

Seit dem Frühjahr 2012 betreibt die Mitteldeutsche Eisenbahn, eine Tochter der Bahn-Logistik-Sparte DB Schenker Rail, im sächsischen Zschopau vier Rangierlokomotiven mit Hybridantrieb. Dabei wird die beim Rangieren anfallende Bremsenergie gespeichert und mittels eines zusätzlichen Elektromotors erneut eingesetzt. Die Lokomotiven werden nun acht Jahre lang auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Hergestellt werden sie von der Firma Alstom auf Basis früherer Reichsbahn-V-100-Lokomotiven. Ab dem Jahr 2015 sollen auch in Nürnberg fünf Alstom-Rangierlokomotiven mit Hybridantrieb zum Einsatz kommen. Neben Alstom bietet mittlerweile auch der Technologiekonzern Vossloh Rangierloks mit Hybridantrieb an. In beiden Fällen handelt es sich um Neubauten und nicht um die Umrüstung bestehender Lokomotiven.

Alstom Hybridlok

Alstom Hybridlok

Ab Dezember 2012 verkehrt auf einer 37 km langen Pilotstrecke mit 14 Stops im Maintal, zwischen Aschaffenburg und Miltenberg, ein neuer Hybrid-Triebwagen der Westfrankenbahn, einer Regionalbahntochter der Deutschen Bahn. Dabei handelt es sich um einen von Siemens gemeinsam mit der MTU Friedrichshafen GmbH gebauten Triebwagen Desiro Classic (Baureihe VT 642), dessen zwei diesel-mechanische Antriebsanlagen mit einer Leistung von jeweils 275 kW durch zwei dieselelektrische 315 kW Powerpacks des Motorenherstellers MTU ersetzt worden sind. Die elektrische Energie wird durch ein regeneratives Bremssystem gewonnen und fließt vom Rekuperator in Lithium-Ionen-Akkus auf dem Dach des Triebwagens, wo sie durch den Fahrtwind gekühlt werden. Die gespeicherte Energie wird zum Anfahren und Beschleunigen genutzt, außerdem versorgt sie das Bordnetz des Zuges. Gegenüber dem konventionellen Modell wird ein um 25 % verringerter Kraftstoffverbrauch gemessen.

Im Rahmen dieses mit 1,9 Mio. € Fördergeldern des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung finanzierten Projekts ist auch zu erfahren, daß in Deutschland ein weitaus geringerer Teil des Schienennetzes elektrifiziert ist als man annehmen würde: Einer Untersuchung der Allianz pro Schiene zufolge ist das Bundesschienennetz bislang nur zu 58,8 % mit elektrischem Strom versorgt, womit auf über 40 % aller Strecken Diesellokomotiven eingesetzt werden müssen – wo die Hybrid-Technologie erhebliche Einsparpotentiale eröffnen könnte. Das Bundesverkehrsministerium hat die Entwicklung des Hybridzuges deshalb mit 1,9 Mio. € gefördert, denn bewährt sich das System, sollen schon bald hunderte Triebwagen auf dieselelektrische Hybridantriebe umgerüstet werden.

Eine weitere interessante Entwicklung stammt von der Firma LaunchPoint Technologies in Goleta, Kalifornien. Bei dem Rail Motor handelt es sich um einen neuen Linear-Elektromotor, der Standard-Schienenfahrzeuge, einschließlich Lokomotiven und Güterwagen, ohne Modifikation der Fahrzeuge antreiben kann. Der Motor ist in der Spur installiert, erfordert keine mechanische Verbindung zu den Fahrzeugen, und seine Steuerung durch den Lokführer erfolgt über eine drahtlose Funkverbindung.

An einem urbanen Projekt arbeitet das Railway Technical Research Institute of Tokyo. Nach Testfahrten in Sapporo wird Ende März 2008 die Entwicklung einer hybriden light-rail transit-Straßenbahn beendet, die keine Oberleitungen mehr benötigt. Statt dessen erfolgt die Aufladung der bordeigenen Lithium-Batterien innerhalb von 60 Sekunden mittels Stromabnehmern jeweils an den Haltestellen. Die Bahn kann mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 65 km/h über eine Strecke von 15 km Länge fahren, wobei 70 % der beim Abbremsen freiwerdenden Energie wieder in die Akkus zurückgespeist wird.

Im März 2009 präsentiert wiederum Siemens auf der UITP-Fachmesse in Wien sein neues Hybrid-Energiespeichersystem Sitras HES, das aus einem mobilen Energiespeicher Sitras MES und einer Traktionsbatterie besteht. Das ‚Complete mobility’ Verkehrskonzept erlaubt es Straßenbahnen, bis zu 2,5 km weit oberleitungslos zu fahren – was beispielsweise im Stadtkern die historische Architektur schont und das Stadtbild verschönert. In Portugal läuft das Hybrid-Energiespeichersystem bereits seit November 2008 erfolgreich im Fahrgastbetrieb.

Wie signifikant technische Fortschritte in die Stadtplanung eingreifen können, läßt sich gut an folgendem Beispiel erkennen. Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) strebt seit langem eine ‚Tram-Nordtangente’ an, die mit einem 2 km langen Lückenschluß Neuhausen und Bogenhausen verbinden würde. Ein Kilometer davon verliefe durch den Englischen Garten. Bislang wollte der Freistaat, dem der Park gehört, von dem Projekt nichts wissen, weil die Tram-Oberleitungen den Garten verschandeln würden. Der Streit ging 2006 sogar vor Gericht.

CarGo Tram

CarGo Tram

Im Mai 2011 stellt eine Akku-Tram der MVG in Velten, im Norden Berlins, jedoch einen Rekord auf, der es sogar ins Guinness-Buch schafft. Bei der Testfahrt mit einem auf dem Zugdach versiegeltem Akku schafft die 40 t schwere Tram des Herstellers Stadler Pankow GmbH eine Strecke von 16 km in 57 Minuten – nur angetrieben von einer 830 kg wiegenden Lithium-Ionen-Batterie. Von dem Ergebnis ermutigt will die MVG nun zusammen mit der Stadtspitze einen erneuten Vorstoß für die Trambahnlinie durch den Englischen Garten wagen, da die neue Technologie den bisherigen Streitpunkt entkräftet. Wenn der Zug anschließend wieder unter Leitungen fährt, lädt er sich automatisch wieder auf.

Völlig überrascht hat mich, daß es sogar eine Fracht-Straßenbahn gibt - die CarGo Tram in Dresden!

Eine weitere Straßenbahn (fast) mit Alleinstellungsmerkmal ist die bereits im September 1885 eröffnete Blackpool Straßenbahn in der Grafschaft Lancashire in England – die noch heute in Betrieb ist und auf ihrer 17,7 km langen Strecke jährlich 6,5 Mio. Passagiere befördert. Nicht nur, daß es sich um Doppeldecker-Bahnen handelt, wie es sie ansonsten nur noch in Hong Kong und Alexandria gibt, sondern der Strom wird aus einer Stromschiene im Boden entnommen.

Erst eine zweite Straßenbahnlinie zwischen North Station und Fleetwood, die 1898 eröffnet wird, ist mit einer Oberfahrleitung ausgestattet – auf die 1899 dann auch die übrigen Straßenbahnlinien umgerüstet werden.


Die neuartige elektrische Straßenbahn Primove von Bombardier ist eine fahrdrahtlose Stadtbahn, die ohne Oberleitungen und Masten auskommt. Statt dessen erfolgt die kontaktfreie Energieübertragung durch induktive Komponenten unter dem Fahrzeug sowie im Boden unter der Oberfläche. Die Vorteile sind kein Verschleiß und eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Witterungseinflüssen. Es gibt das System auch für schienenlose Fahrzeuge.

Im Berlin (wo schon 1935 O-Busse fuhren) gibt die BVG im Februar 2013 bekannt, daß sie ab dem Herbst 2014 auf der relativ kurzen Linie 147 zwischen Ostbahnhof und Hauptbahnhof mehrere der neuen Elektrobusse von Bombardier in Betrieb nehmen wird, die sich an den Haltestellen kabellos aufladen lassen. Auch hier wird die Technik für die induktive Stromübertragung unsichtbar unter der Fahrbahnoberfläche und unter dem Fahrzeugboden angebracht, wo eine Aufnahmespule das von den Kabeln erzeugte magnetische Feld in elektrischen Strom umwandelt, der dann den Motor speist. Der Ladevorgang startet automatisch, wenn der Bus das Ladesegment vollständig überdeckt, ansonsten bleibt das System unter der Fahrbahn inaktiv. Ladestationen soll es an den Endstellen Hauptbahnhof und Ostbahnhof sowie am Zwischen-Endpunkt Märkisches Museum geben, wo die Batterien von den Aufladeschleifen innerhalb von vier Minuten berührungslos nachgeladen werden.

Panotram Modell

Panotram (Modell)

Das Projekt wird aus dem Programm ‚Schaufenster Elektromobilität’ des Bundes gefördert. Ein ähnlicher Versuch mit zwei Bussen, die in eine Linie integriert sind, läuft zu diesem Zeitpunkt bereits in Mannheim. Auch in Südkorea fahren schon Elektrobusse auf einem Rundkurs durch ein Parkgelände, die ihre Energie aus der Straße erhalten und eine Effizienz von rund 80 % erreichen sollen. Mehr über diese Technologie und ihre Umsetzungen findet sich im Unterkapitel Ladestationen.

Bislang erst als Design gibt es eine elektrische Straßenbahn namens Panotram, die Passagiere und Umwelt einander wieder näher bringen will, weshalb sie geschlossene interne Nischen sowie Balkone hat, von denen aus man die Fahrt - sogar rauchend - genießen kann.

Die Idee dazu hat der tschechische Designer Dimkabimka, der sich damit an dem YouRail Wettbewerb der Firma Bombardier im Jahr 2009 beteiligt.

Noch futuristischer ist das Konzept eines computergesteuerten Bombadier Eco-4 des Designers Francisco Lupin aus dem Jahr 2011, da dieser Zug mittels Solarstrom fahren soll, der von PV-Paneelen auf dem Zugdach kommt – die sogar mit einer Sonnennachführung ausgestattet sind. Es ist allerdings fraglich, ob eine Umsetzung dieses Konzepts jemals ernsthaft in Betracht gezogen wird.

Eine Chance hat möglicherweise das Projekt Solar Bullet, das im Mai 2009 in die Presse kommt. Dabei handelt es sich um einen solarbetriebenen Hochgeschwindigkeitszug auf vier Schienen, der die Städte Phoenix und Tucson im US-Bundesstaat Arizona verbinden und mit seinen 350 km/h die Distanz von rund 185 km in einer guten halben Stunde bewältigen soll.

Solar Bullet Grafik

Solar Bullet (Grafik)

Die 110 MW Strom, die der Zug dafür benötigt, sollen von über den Gleisen montierten Solarpaneelen erzeugt werden. Die Kosten dieses Projekts werden allerdings auf satte 28 Mrd. geschätzt, was bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage der USA wohl kaum zu stemmen ist.

Der Vorschlag der von Bill Gaither und Raymond Wright gegründeten Solar Bullet LLC in Tucson geht aber noch weiter, so daß die Strecke eines Tages vielleicht bis nach Mexiko City reichen könnte. Das Projekt befindet sich bisher noch in einem sehr frühen Stadium, auch wenn bereits eine SolarBullet Campaign gestartet wurde, die mit Hilfe von Facebook und Twitter ein Team von Universitätsexperten, Ingenieuren und Spezialisten zusammenbringen soll, um die Kampagne zu unterstützen. Immerhin kann im März 2011 gemeldet werden, daß ein Team von Studenten an der Universität von Arizona die Bedingungen analysiert, unter denen das Projekt wirtschaftlich Sinn machen würde. Weitere Neuigkeiten gibt es seitdem nicht.


Neben den bereits erwähnten Konzepten und Technologien sind aber noch viele weitere Ansätze erwähnenswert, die sich darum bemühen die Elektromobilität im Öffentlichen Nahverkehr und beim Transport weiter voranzubringen.


Als Beispiel hierfür seien die sogenannten Ultracapacitor Buses genannt, die sich seit 2006 am Rande von Shanghai im Einsatz befinden. In einem Bericht vom Oktober 2009 heißt es, daß die 17 Stadtbusse seit drei Jahren ohne jeglichen Zwischenfall oder Ausfall betrieben werden – was in der Bus-Industrie als phänomenal gilt.

Ultracapacitor Bus

Ultracapacitor Bus

Einige der Haltestellen entlang der Pilotstrecke sind mit Ladestationen ausgestattet. Erreicht einer der Busse eine solche Station, die auch mit PV-Paneelen ausgestattet werden kann, steigt ein Stromabnehmer auf dem Dach des Busses ein paar Meter in die Höhe und berührt eine Oberleitung, wodurch die unter den Bussitzen installierten Super-, Ultra- oder Doppelschichtkondensator genannten Speicher innerhalb von 5 Minuten vollgeladen werden. Die Busse benötigen im Vergleich zu einem elektrischen Trolleybus 40 % weniger Strom, weil sie leichter sind und über ein regeneratives Bremssystem verfügen. Allerdings verlieren die Fahrzeuge auf Basis der aktuellen SuperCaps-Technologie 35 % ihrer Reichweite von knapp 9 km, wenn die Klimaanlage eingeschaltet ist, was in Zukunft durch bessere Kondensatoren kompensiert werden soll.

Entwickelt wurden die 50 km/h schnellen Busse, die mit einundvierzig Sitzen ausgestattet sind, von der Sinautec Automobile Technologies in Arlington, Virginia, gemeinsam mit dem chinesischen Partner Shanghai Aowei Technology Development Co., und hergestellt wurden sie von Sunwin Bus, einem chinesischen Joint-Venture-Unternehmen mit Volvo in Schweden. Die Ultrakondensatoren stammen von der Firma Shanghai Aowei. Ultra-Busse, die in den USA verkauft werden, sollen von der Firma Foton America Bus in Germantown, Tennessee, hergestellt werden.

Eine beeindruckende Erfolgsgeschichte hat auch der Tindo Solarbus in Adelaide, Australien – der nach einem Kaurna-Aboriginal-Wort für Sonne benannt ist. Nicht nur, daß es sich um den weltweit ersten zu 100 % solarbetriebenen öffentlichen Elektro-Bus handelt – sein Service wird ab seiner Inbetriebnahme im Dezember 2007 auch noch kostenlos angeboten!

Das 10,42 m lange Fahrzeug mit Platz für bis zu 40 Personen, das der Stadtrat bei der neuseeländischen Firma Designline International in Auftrag gegeben hatte, bezieht seine elektrische Leistung von PV-Paneelen der BP Solar, die auf dem zentralen Busbahnhof installiert sind. Ein Großteil der Mittel in Höhe von 550.000 $ für die derzeit größte netzgekoppelte Anlage in Adelaide, die pro Jahr fast 70.000 kWh generiert, werden von der australischen Regierung bereitgestellt.

Die Reichweite des Solarbusses zwischen den Ladezyklen seiner 11 Zebra-Batteriemodule beträgt über 200 km, und das 70 kW Booster Schnell-Ladegerät pumpt pro Minute das Äquivalent von 1 km in die Akkus. Außerdem spart das regenerative Bremssystem 30 % des Energieverbrauchs. Es wird geschätzt, daß schon während des ersten Einsatzjahres 2008 rund 14.000 Liter Diesel eingespart werden konnten. Unschlagbar ist ferner, daß der Bus seinen Passagieren auch freien und drahtlosen Zugriff auf das Internet gewährt. Was will man mehr?!

Es gibt auch noch ein paar nicht ganz so 100 %-ige Projekte: In den österreichischen Gemeinden Perchtoldsdorf und Hornstein beispielsweise beginnt im Herbst 2011 die Erprobung von Elektrobussen mit Solarpaneelen auf ihren Dächern, die im Rahmen eines vom BMVIT, Land Niederösterreich und Land Burgenland geförderten Forschungsprojektes von einem österreichisches Entwicklungskonsortium realisiert wurden: ein Citybus mit 35 Plätzen für den Linienverkehr, und ein Gemeindebus mit 9 Sitzplätzen für bedarfsgesteuerte Verkehrssysteme. Im Juni 2012 werden die ersten Solar-Hybrid-Busse Chinas in der Stadt Qiqihar in Betrieb genommen, deren Lithium-Ionen-Batterien ebenfalls von PV-Paneelen auf dem Dach mit Strom versorgt werden. Und die University of Glamorgan, Wales, entwickelt für den Transport zwischen verschiedenen Standorten der Universität einen Hybrid-Elektro-Bus namens Tribrid, der von Wasserstoff-Brennstoffzellen oder Solarzellen, Batterien und Superkondensatoren versorgt werden kann. Und schließlich hat auch die Regierung in Indien verschiedene Projekte ins Leben gerufen, um neue und effiziente Solarenergie-Busse in den Städten Pune, Mumbai und Bangalore einzuführen.

 

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