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WASSERENERGIE

 

„Wasser ist die Kohle der Zukunft!“

Jules Verne (1874)

 

Wasserkraft ist die einzige sich erneuernde Energiequelle, die schon länger großtechnisch genutzt wird und nennenswert zur Versorgung der Erdbevölkerung beiträgt. Die Art und Weise dieser Ausnutzung ist sehr unterschiedlich, zu Energiezwecken wird aber meistens ein natürlicher oder künstlich hervorgerufener Wasserstrom bzw. Wasserfall durch Turbinen geleitet, welche – unabhängig von Ihrer Art – die Strömungsenergie oder die Fallenergie des Wassers in mechanische Rotationsenergie umwandeln, wobei nachgeschaltete Generatoren aus dieser Rotationsenergie wiederum elektrischen Strom erzeugen. Sämtliche Transformationsprozesse dieses Vorgangs laufen mit sehr hohen Wirkungsgraden ab, auch haben die Installationen im allgemeinen eine recht lange Lebensdauer und die potentielle Gefährdung der Umwelt ist relativ gering.

Die Erneuerung der Wasserenergie ist in der Hauptsache auf die Sonneneinstrahlung und die damit zusammenhängende Verdunstungsrate zurückzuführen, obgleich auch Erdrotation, Erdkernwärme, Gravitation, Mondanziehung usw. wichtige Rollen dabei spielen.

Das wirtschaftlich ausbaubare Wasserkraftpotential der Welt umfaßt 15 Milliarden MWh jährlich. Davon werden erst rund 20 % genutzt, obwohl Wasserkraft unter den erneuerbaren Energien bereits eine herausragende Stellung einnimmt: Etwa 19 % des gesamten weltweiten Nettostromverbrauchs stammen im Jahre 2000 aus dieser Energiequelle, während alle anderen regenerativen Energien zusammen lediglich 1 % betragen!

Während der Arbeit an dieser Untersuchung habe ich in der Literatur kaum Kritik am Konzept der Wasserenergienutzung gefunden, eine Ausnahme bildet hierbei die Behauptung, daß das ‚lebendige’ Wasser in Schnelläuferturbinen sozusagen ‚totgeschlagen’ wird. Dem interessierten Leser sei mitgeteilt, daß besonders die ‚Schauberger-Schule’ diese Meinung vertritt und darüber auch wiederholt publiziert hat. Als Alternative zu den genannten Turbinen schlagen die Vertreter der Theorie des ‚lebendigen’ Wassers vor, von ihnen selbst entwickelte Wirbelturbinen einzusetzen, die auch einen höheren Wirkungsgrad besitzen sollen. Über Schauberger selbst habe ich bereits 1981 eine Kurzbiographie veröffentlicht, außerdem wird er in der Datenbank der neuen Energie genannt.

2005 habe ich erfahren, daß Voith Siemens Hydro für amerikanische Kunden Turbinen entwickelt hat, die durch spezielle Kanäle Luft ins Wasser blasen. So ergänzen sie den schlechten Sauerstoffhaushalt eines Flusses. Sogar fischfreundliche Turbinen hat das Unternehmen im Programm. Ihre Schaufeln sind so geformt, dass sie den Fischen ein sicheres Durchschwimmen ermöglichen.

Es kann in jedem Fall konstatiert werden, daß trotz der inzwischen Jahrhunderte langen Erfahrung im hydro­mechanischen und hydroelektrischen Bereich die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist; die in diesem Teil sowie im darauf folgenden Teil D erwähnten Systeme zeigen eindrucksvoll, daß wir sogar erst am Beginn dieser Entwicklung stehen. Über das Wasser an sich habe ich bereits im Teil A berichtet (Wasserkreislauf, Wasserfunktion usw.), das ich hier nicht wiederholen möchte, da die Priorität dieses Teiles ja bei der energetischen Nutzung liegt.

Schauen wir uns deshalb zuerst einmal die gegenwärtige Lage an: Die weltgrößten Potentiale der Wasserenergie liegen fast ausnahmslos fernab der Verbrauchszentren – was durch die Transportverluste der derzeitigen Übertragungssysteme äußerst problematische Folgen hat. 1979 betrug die Weltkapazität 340.000 MW, im Jahr 1980 war sie bereits auf 363.000 MW angewachsen. Zu dieser Zeit befanden sich 123.000 MW im Bau und 240.000 MW in Planung. 2005 lieferte die Wasserkraft knapp 18 % der weltweit erzeugten elektrischen Energie und lag damit fast gleichauf mit der Kernkraft.

1974 wurden in der BRD rund 231.410 GWh Strom erzeugt, der Anteil der Wasserkraft daran betrug jedoch nur 6,7 % (15.347 GWh). Noch 1964 lag der Anteil bei 10,3 %, und die Kapazität wurde inzwischen sogar um 45 % erweitert, dennoch haben die anderen Energieträger die Wasserkraft anteilmäßig weit überholt. Vom Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke e.V. in München verlautete, daß im Jahr 1999 in Deutschland rund 22 Mrd. kWh aus Wasserkraft erzeugt wurden, und daß sich dieser Betrag auch unter der Beachtung ökologischer Gesichtspunkte um 50 % steigern ließe.

Wasserkraft ist jedenfalls noch immer die wichtigste erneuerbare Energiequelle in Deutschland. Insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg wird das natürlich Gefälle von Fließgewässern für die Stromerzeugung ausgenutzt. Das Potential sei laut einer Schätzung des Bundesumweltamtes aber schon zu 70 % ausgeschöpft. Nach Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft Wasserkraftwerke Baden-Württemberg e.V. von Anfang 2003 läßt sich die Stromgewinnung aus Wasserkraft trotzdem um 60 % steigern: Zur Zeit werden jährlich 25 Mrd. kWh aus Wasserenergie erzeugt, weitere 15 Mrd. kWh seien zusätzlich möglich. Das entspräche der Leistung von zwei Atomkraftwerken oder dem Elektrizitätsbedarf von ca. 10 Millionen Menschen. Für diese Analyse gibt es gute Argumente, denn u.a. sind heute in Deutschland mit etwa 10.000 Anlagen nur noch rund ein Zehntel der Wasserkraft-Werke der Zeit um 1900 aktiv, einer Epoche mit vielen dezentralen Mühlbetrieben.

Auf dem Niveau Westeuropas war die Wasserkraft im Jahre 1977 mit 8 % an der Energieversorgung beteiligt, und ohne grundlegend neue Konzepte ließe sich dieser Prozentsatz auch kaum mehr anheben, wurde damals behauptet. Dieser Aussage zum Trotz erreichte der Anteil der Wasserkraft an der gesamten Stromerzeugung der EU im Jahre 2000 bereits 13,9 %, was eine bemerkenswerte Steigerung darstellt.

Mehr als 20 Länder der Erde decken ihren Strombedarf zu über 90 % aus der Wasserkraft. Spitzenreiter sind Norwegen, Island und Paraguay (100 %), Brasilien (84 %), Österreich (64 %), Kanada und Venezuela (62 %), Schweiz (58 %), Schweden (51 %) und Chile (50 %). Deutschland liegt mit 4,8 % im internationalen Maßstab ziemlich weit hinten (Stand 1995).

Von der weltweit geschätzten Wasserkraft (Flüsse) von ca. 30 · 1012 kWh pro Jahr werden derzeit etwa 8,5 % genutzt (Stand 1983). Im Jahr 1999 werden weltweit pro Jahr rund 2.300 Mrd. kWh erzeugt – und riesige Wasserkraftreserven mit rund 15.000 Mrd. kWh/a liegen brach. Mit diesem Gesamtpotential könnte der Weltstrombedarf theoretisch vollständig gedeckt werden.

Weltweit sind nur noch ein Drittel der 177 großen Flüsse (ab 1.000 Kilometer Länge) und ihrer Nebenflüsse frei von Dämmen, Staustufen und Sperrwerken. Laut einer WWF-Studie vom 13.03.2006 fließen nur noch 21 Flüsse und 43 Nebenflüsse uneingeschränkt von der Quelle bis zur Mündung. Die meisten der letzten frei fließenden Flüsse fand der WWF in Asien (z.B. Brahmaputra, Irawadi, Salwin), gefolgt von Süd- und Nordamerika (Amazonas, Orinoco, Mackenzie). In Europa westlich des Uralgebirges gibt es einzig den Fluß Petschora in Russland, der von menschlischer Hand bislang unbeeinflusst in seinem Bett fließt.

Die größten Möglichkeiten für die Errichtung zusätzlicher Anlagen (insbesondere Staudämme) bestehen in Afrika, in Südamerika und in Südostasien, wo auch schon verschiedene Großprojekte im Gange sind. Denn gerade die Hydroelektrische Energieerzeugung ist wie kaum eine andere sauber, sicher, billig und wirtschaftlich. Das macht eine weitere Erforschung und Ausnutzung dieses Bereiches so wünschens- und erstrebenswert... und auch so wahrscheinlich. Immerhin ist Wasser die am meisten vorkommende Substanz auf unserem Planeten.

Außerdem geht die Nutzung der Kraft des fließenden Wasser – also im Grunde der Gravitation – auf die schon sehr früh erfolgte Anwendung von Wassermühlen zurück. Der Mensch hat tatsächlich eine Jahrtausende lange Erfahrung in diesem Bereich. Bevor wir nun die zeitgenössischen Formen dieser Nutzung betrachten, möchte ich einen kleinen historischen Abriß geben.

Zuvor sollte jedoch noch der Hinweis auf eine aktuelle und überaus innovative Umsetzung erfolgen, die ich hier im Absatz über Laufwasserkraftwerke sowie (und sogar noch ausführlicher) im Absatz über Wirbelströmungen im (Teil D) präsentiere: Das Gravitationswasserwirbelkraftwerk!

Doch nun geht es zuerst einmal zurück in die Vergangenheit...

Geschichtlicher Rückblick

Wassermühlen


Historisch dokumentiert ist das von Menschen betriebene Schöpfrad in einem Schadensbericht, der sich vor etwa 3.200 Jahren in Mesopotamien zugetragen hat. Auf einer Tontafel ist vermerkt, daß ein Mann für ein 17-stufiges, 6 m hohes Tretrad eines Wasserschöpfrades Ersatz zu leisten habe.

Norias am Orontes

Norias am Orontes

Nachdem Schöpfräder Jahrhunderte lang mit Muskelkraft betrieben wurden, indem der Bauer auf die außen oder seitlich angebrachten hölzernen Speichen tritt, übernehmen um 300 v. Chr. erstmals Esel und Ochsen diese Arbeit. In Ägypten beginnt man, den waagerechten Zug der Tiere über ein hölzernes Zahnradgetriebe in die senkrechte Drehung des Rades umzusetzen.

Die wahrscheinlich ältesten Maschinen dieses Planeten, die sich seit etwa 2.500 Jahren (!) mehr der minder ununterbrochen in Bewegung befinden, sind die römischen Wasserräder am Orontes in Syrien. Diese zum Teil über 20 m durchmessenden Schöpfräder, die an kilometerlange Viadukte angeschlossen sind, werden von der Strömungsenergie des Flusses selbst angetrieben, ihr Wasser diente lange Zeit zur Wasserversorgung der Stadt Hama. Heute wird es nur noch zur Bewässerung genutzt.

Die einzelnen Elemente der als ‚die singenden Wasserräder’ bezeichneten Anlagen – vor Ort heißen sie nawa'ir (Norias) – werden zwar von Zeit zu Zeit erneuert, schließlich ist das gesamte Schöpfrad ja aus Holz, aber das System an sich blieb seit seiner frühen Installation im Grunde unverändert. Der ‚Gesang’ stammt übrigens aus der in Stein gelagerten Holzachse, die von dem überall herablaufenden und –tropfenden Wasser geschmiert wird. Am leichtesten kann man ihn mit dem Gesang der Wale vergleichen, wo sich die Töne sprungartig und trotzdem gleitend zwischen sehr weit auseinander liegenden Oktaven bewegen – zwischen tiefem Knarzen und hohem Singen.

Ähnliche, kleinere Versionen dieser Wasserräder lassen sich auch im Süden der Türkei, z.B. am Göksu finden. Wirtschaftlich sind derartige Systeme durch ihre permanente und kostenlose Förderleistung, die allerdings von Rad zu Rad sehr unterschiedlich sein kann. Außerdem haben die Räder eine zunehmende Rolle als Touristenattraktion übernommen.

Mit welchen Mitteln die über 100 m hoch gelegenen ‚Hängenden Gärten’ des Königs Nebukadnezar bewässert worden sind, ist mir leider nicht bekannt. Dafür hat der ehemalige irakische  Präsident Saddam Hussein 1990 einen Wettbewerb unter den Bewohnern des Irak ausgeschrieben, dessen Hauptpreis mit immerhin 1,5 Mio. $ recht hoch angesetzt war – es ging darum, eine umsetzbare Lösung zu finden, aber nur mit den Mitteln des 6. Jahrhunderts v. Chr.! Bedauerlicherweise ist mir nichts über die Ergebnisse dieses Wettbewerbs bekannt.

Wasserräder mit archimedischer Spirale als Modell

Wasserräder mit archimedischer Spirale
(Modell)

Es gibt Hinweise dafür, daß die Wasserkraft vor ca. 2.600 Jahren im Fernen Osten genutzt wurde – und verschiedene Forscher gehen davon aus, daß sich mindestens drei verschiedene Konstruktionen des Wasserrades unabhängig voneinander an geographisch verschiedenen Orten entwickelt haben.

Die einfachste und früheste Art waren Schaufelräder wie die Norias in Syrien und deren Weiterentwicklung durch Philon von Byzanz – sowie die Kombination von Wasserrädern mit Schraubenpumpen.

Diese häufig als archimedische Schrauben bezeichneten Wasserhebewerke werden noch heute in Ägypten genutzt – und dort soll sie Archimedes von Syrakus (287 – 212 v. Chr.) während einer Reise um 230 oder 220 v. Chr. auch kennengelernt haben. Anderen Quellen zufolge hätte schon rund 500 Jahre zuvor der assyrische König Sanherib (ca. 745 – 681 v. Chr.) derartige Wasserförderanlagen eingesetzt.

Das hier abgebildete Modell ist im Institut für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt ausgestellt. Den dortigen Modellbauern ein großes Lob an dieser Stelle!

Bei der Noria des Philon von Byzanz, die der Erfinder um 200 v. Chr. beschreibt, wird das Drehmoment des Schaufelrades auf eine Kette auf einer Welle mit einer dreieckigen Trommel übertragen. Die Drehung der Trommel befördert die wassergefüllten Behälter nach oben, wo sie sich in eine Leitung entleeren.

Horizontale Wassermühle mit senkrechter Achse

Horizontale Wassermühle
mit senkrechter Achse

Ähnlich waren auch die zumeist von Tieren angetriebenen Göpelwerke gebaut, mit einer Kette von Tonkrügen (Sakiah). In Illyria (dem späteren Jugoslawien und Albanien) sowie in Westanatolien soll es bereits 100 v. Chr. wasserbetriebene Kornmühlen gegeben haben. Der  griechische Historiker und Geograph Strabo (63 – 26 n.Chr.) berichtete, daß König Mithradates VI aus Pontos in Asien bereits eine wasserbetriebene Mühle besessen habe.

Die zweite Form der Wassermühlen ist das horizontale Wasserrad mit senkrechter Achse, das die erste ‚Automation’ in Werkstätten und im Haushalt ermöglichte.

Eine dieser Vorrichtungen ist ein Wasserrad, das oft dem römischen Architekten Vitruv (o. Vitruvius) zugeschrieben wird, und das sich in den ersten Jahrhunderten nach Christus schnell verbreitete. In seiner Schrift De architekture sind die senkrechte Achse und die gebogenen Schaufeln genau beschrieben.

Die Anlagen wurden als Antriebe für Getreidemühlen verwendet und werden im Balkan auch heute noch benutzt. Die Löffelräder – eigentlich Vorläufer der Freistrahlturbinen – sind besonders für kleinere Wassermengen mit größerem Gefälle geeignet und waren vor allem in Gebirgsgegenden verbreitet. Die Leistung eines Löffelrades beträgt bei einem Wasserzulauf von 20 l/s und 10 m Gefälle etwa 0,5 kW.

Ihre älteste poetische Erwähnung findet die Wassermühle in dem Gedicht des griechischen Dichters Antipater von Thessaloniki, in dem er um 85 v. Chr. die Befreiung der jungen Frauen von der mühevollen Arbeit mit primitiven, handbetriebenen Kornmühlen feiert:


„Hört auf, Mehl zu mahlen ihr Frauen, ihr plagtet euch an Handmühlen.
Bleibt liegen, auch wenn der Schrei des Hahnes den frühen Morgen ankündigt.
Demeter hat den Wassernymphen befohlen
Die Arbeit eurer Hände zu vollbringen.
Sie springen an das Rad, sie drehen die Achse,
die das Getriebe, und die schweren Mühlsteine bewegt.“


Oberschlächtiges Wasserrad

Oberschlächtiges Wasserrad

Große Wasserräder sind meist unterschlächtig, während die Wasserräder von Mühlen in Mitteleuropa zumeist oberschlächtig waren bzw. sind. Letztere erzielten einen größeren Nutzeffekt, da nicht nur die Strömungs-, sondern auch die Fallenergie des Wassers ausgenutzt wurde.

In den ersten Jahrhunderten n. Chr. verbreiteten sich Wassermühlen jenseits der Grenzen des römischen Imperiums verhältnismäßig langsam. Dem dänischen Archäologen A. Steenberg zufolge war die Wassermühle in Dänemark um die Zeitenwende schon bekannt. Im 4. Jahrhundert n. Chr. bauten die Römer eine große wasserbetriebene Mühlenanlage in Barbegal bei Arles in Frankreich. Dort erzielten acht Paar oberschlächtige Wasserräder (Durchmesser 220 cm, Breite 70 cm), von denen jedes zwei Mühlsteine antrieb, eine Mehlproduktion von täglich 2,8 Tonnen!

Überhaupt war man damals technologisch schon viel weiter fortgeschritten, als sich das heute Viele vorstellen. 1971 wurde bei Wederath im Hunsrück z.B. eine hölzerne Doppelkolben-Druckpumpe gefunden, die in 16 m Tiefe im Grundwasser der römischen Siedlung Vicus Belgium montiert war und aus einer Zeit um 300 n. Chr. stammt. Ein Steigrohr und das Gestänge für den Kolbenantrieb führten nach oben zur Brunnenzapfstelle. In den hölzernen Pumpenstock sind zwei bleigefütterte Zylinder gebohrt, als Ventile dienten die bleibeschwerten Lederklappen, während die hölzernen Kolben mit Leder abgedichtet waren. Sie wurden gegenläufig auf und ab bewegt, vermutlich mit einem gemeinsamen Hebel. Der aufwärtsgehende Kolben saugt Wasser in den Zylinder, der abwärtsgehende drückt es in die Ventilkammer und in das Steigrohr.

Neben diesen hölzernen Brunnenpumpen (bei dem Foto handelt es sich um eine Nachbildung aus dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz) besaßen die Römer auch präzise gefertigte Bronzepumpen, die nach dem gleichen Prinzip arbeiteten.

Unterschlächtiges Wasserrad

Unterschlächtiges
Wasserrad

Als im Jahre 1066 Wilhelm der Eroberer England in Besitz nahm, soll es dort – bei einer Bevölkerung von knapp 1 Million Menschen – rund 8.000 Wassermühlen gegeben haben. Die große Volkszählung 1086 in England vermerkt in dem ‚Doomsdaybuch’ jedenfalls, daß im Land südlich des Trent River 5.624 Wassermühlen betrieben wurden – was etwa einer Mühle pro 400 Einwohner entsprach. Zu dieser Zeit betrieben die Wasserräder nicht nur Getreidemühlen, sondern auch Erzzerkleinerungsanlagen und Schmiedehämmer.

Am Ende des Mittelalters trieben Wasserräder auch Blasebälger und Erzförderanlagen an – sowie Maschinen zum Drahtziehen, Gerben, Walken, Sägen, Zerkleinern, um nur einige zu nennen. Die Automation ihrer Werkstätten durch Wasserenergie betrieben im Mittelalter in erster Linie die Mönche des Benediktinerordens. Verschiedene Quellen erwähnen den ‚Technologietransfer’ von Wasser- und Windmühlen, der zu jener Zeit zwischen dem arabisch geprägten Andalusien und dem europäischen Kontinent stattfand.

Eine interessante Anwendung des Wasserrades findet man in den schwimmenden Mühlen. Erfunden wurden sie während der Belagerung Roms durch die Goten 537 n. Chr. durch den byzantinischen Feldherrn Belisarius (Balisar), der ein Jahr zuvor die meisten römischen Provinzen auf der italienischen Halbinsel besetzt hatte.

In jener Zeit wurden die meisten Wassermühlen in Rom durch Wasser aus den Aquädukten betrieben. Die Belagerer zerstörten diese Wasserzufuhr, um die Römer auszuhungern. Daraufhin ordnete Belisarius an, Getreidemühlen mit Wasserrädern auf Schiffen zu bauen, die im Tiber verankert wurden. Belisar soll auch auf die Idee gekommen sein, Schaufelräder zu nutzen, um gegen die Strömung zu fahren. Dabei wickelten die vom strömenden Wasser angetriebenen Räder ein Seil auf, und zogen das Schaufelradboot flußaufwärts. Kleine Modelle werden noch heute als Spielzeug hergestellt (Forelle – Schiffsbausatz).

Im Laufe der Jahrhunderte verbreitete sich die Erfindung, und man betrieb schwimmende Mühlen in Venedig wie auch in Bagdad. Der Geograph Ibn Hauqal berichtet im 10. Jahrhundert, daß auf dem Tigris bei Mosul Schiffsmühlen aus Holz und Eisen existierten, die von Eisenketten gehalten in der Mitte des Flusses lagen. Im 12. Jahrhundert wurden drei schwimmende Mühlen unter dem Brückenbogen des Grand Pont in Paris installiert.

da Vinci Spiraleals Modell

da Vinci Spirale (Modell)

Es muß wohl gegen Ende des 15. Jahrhunderts gewesen sein, als Leonardo da Vinci die ‚archimedische’ Spirale weiterentwickelte. Statt einer starren, inneren Schraube wickelte er Schläuche um die schrägliegende Rundachse – und löste damit nebenbei das Problem der Undichtigkeit. Wenn man das Synergetische Modell aus Teil D bereits kennt, könnte man hier den Versuch sehen, Wasser mittels einer Spiralbewegung und der möglichst ‚senkrechten’ Ausrichtung der Achse hoch zu fördern. Mir ist allerdings nicht bekannt, ob später irgendwo auf dieses System zurückgegriffen wurde. Die ersten wasserbetriebenen Kolbenpumpen gehen bereits auf das 11. Jahrhundert und den arabisch-islamischen Kulturraum zurück, wie zum Beispiel eine Zweizylinder-Anlage, die um 1200 von al-Gazari (eigentlich: Ibn Ismail Ibn al-Razzaz Al-Jazari, 1136 - 1206) beschrieben wurde. Dieser aus dem heutigen Syrien stammende Technologe entwickelte neben diversen Hebewerken, Pumpen und anderen Maschinen auch humanoide Roboter – ganz im Stil der damaligen ‚Moderne’.

In einem von dem osmanischen Astronom und Ingenieur Taqiyaddin Muhammad bin Ma’ruf 1553 verfaßten Buch über pneumatische Vorrichtungen wird sogar eine Pumpe mit sechs Kolben beschrieben, deren Modell man ebenfalls in der Frankfurter Universität anschauen kann.

Vom 16. bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert wurden Wasserkraftmaschinen mit immer größeren Leistungen gebaut. Einige eindrucksvolle Maschinen dieser Art wurden von dem Deutschen GeorgAgricola (1494 – 1555) in seinem Werk De re metallica beschrieben, das ein Jahr nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Dort findet man auch das Konzept einer wasserbetriebenen Grubenbelüftung.

Das Rednitz- bzw. Regnitztal mit seinen eiszeitlichen Sandböden gehört zu den niederschlagsärmsten Zonen Bayerns. Vor über 500 Jahren wurde dort deshalb die Wiesenbewässerung mit Wasserschöpfrädern eingeführt.

Europäische Wassermühle

Europäische Wassermühle

Zur Blütezeit im 18./19. Jahrhundert drehten sich mehr als 200 Schöpfräder and der Flußstrecke von Schwabach bis Forchheim. Nördlich von Erlangen, bei Möhrendorf, drehen sich noch jeden Sommer die letzten acht der Regnitz-Wasserschöpfräder an ihrem historischen Standort.

Wer diese fränkische Variante der arabischen Norias ins Frankenland brachte, ist unbekannt. Urkundlich nachgewiesen sind die Wasserschöpfräder an der Regnitz seit 1413, in Möhrendorf seit 1486. Erstmals versuchte Hans Gießberger im zweiten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts Licht in die Verbreitung und dunkle Herkunft der Wasserschöpfräder in Bayern zu bringen. Die bisher umfassendste Dokumentation über Wasserschöpfräder – mit dem Schwerpunkt fränkische Wasserschöpfräder an Rednitz/Regnitz und Pegnitz – stammt von Konrad Kupfer (1931, mit einem Nachtrag von 1958).

Alte Senkrechtachsen-Wassermühlen aus Holz (gharats), die für Fallhöhen von 2 – 6 m installiert werden und bei 100 U/m umgerechnet etwa 0,3 kW erreichen, werden aber noch heute in großen Zahlen eingesetzt. Diese sehr einfachen Mühlen werden wie schon seit Jahrhunderten lokal aus Holz und in Handarbeit hergestellt, sie können pro Stunde etwa 5 – 10 Kg Korn mahlen.

Man schätzt, daß es auch nach der Jahrtausendwende noch etwa 200.000 derartige Mühlen im Indischen Himalaja gibt, 25.000 in Nepal, sowie weitere in Pakistan, China, Afghanistan, Myanmar und in Teilen der Türkei.

Den ersten Anstoß zur Nutzung der Druckenergie des Wasser gab der Göttinger Arzt und Physiker Johann Andreas von Segner (1704 – 1777), als er im Jahre 1750 sein ‚Rückstoßwasserrad’ vorstellte.

1775 soll ein Pierre-Simon Girard ebenfalls eine frühe Form von Wasserturbine erfunden haben.

In diesen Jahren entwickelte der Mathematiker Leonhard Euler (1707 – 1783) auch die ersten  Grundgleichungen der Hydraulik, und nach Erfindung des elektrischen Generators beginnt man, die wassererzeugte Rotation zunehmend zur Stromgewinnung einzusetzen.

Eine Wasserturbine, die allerdings mehr den Wasserrädern zuzuordnen ist, heißt Staudruckturbine. Eine Frühform stammt von dem Schweizer Ingenieur und Industriellen Walter Zuppinger. Er entwirft das Rad, während er zwischen 1838 und 1844 für Escher-Wyss an der Entwicklung neuartiger Wasserturbinen arbeitet. Die Patentierung erfolgt 1849.

Das Zuppinger-Rad ist ein mittel- bis unterschlächtiges Kropfrad mit evolventenförmig gekrümmten Schaufeln, die nicht nur den hydrostatischen, sondern auch den dynamischen Druck des Wassers ausnutzen und dadurch einen höheren Wirkungsgrad erreichen. Technisch stellt das Rad eine Übergangsform vom klassischen Wasserrad zur modernen Wasserturbine dar.

Laxey Wheel

Laxey Wheel

Als das größte Wasserrad Europas gilt das 1854 von dem Ingenieur Robert Casement errichtete Great Laxey Wheel, das bis 1929 dazu diente, Wasser aus dem Bergwerk der Blei und Zink abbauenden Great Laxey Mining Company zu pumpen. Mit seinem Durchmesser von rund 22 m gilt es heute als eine der wichtigsten Touristenattraktionen im Nordosten der Isle of Man. Es ist auch auf der britischen 20 Pfund Note abgebildet.

Man sollte nun aber nicht denken, daß die Entwicklung des Wasserrades schon abgeschlossen ist – auch nach über 2000 Jahren nicht. Der Ingenieur Hartmuth Drews aus Pinneberg hat beispielsweise ein Segmentkranz-Wasserrad mit optimierten Schaufeln entwickelt. Die Laser-gefertigten Edelstahl-Schaufeln sitzen auf Radarmen aus Lärchenholz. Kleine Luftschlitze in den Wasserkammern verbessern zusätzlich die Energieausbeute.

Ein 25 kW Kleinwasserkraftwerk kostet komplett montiert, inkl. Generator und Schaltschrank knapp 80.000 € (Stand 2008). Inzwischen wird das Segmentkranz-Wasserrad unter dem pragmatischen Namen ,Water-Wheel’ von der Züricher Firma Clearstreams-Linello AG angeboten, und im November 2009 berichten sogar Spiegel-Online und das manager magazin darüber (was ja wirklich selten genug geschieht!). In Deutschland sollen etwa 25.000 Standorte für diese Form der Stromerzeugung geeignet sein.

Wasserrad mit Spiralschlauch

Spiralschlauch-
Wasserrad

Bereits 1991 wird der erste Prototyp des Pedley Wheel hergestellt, ebenfalls ein modernisiertes Wasserrad, das der Brite Paul Bromley erfunden hat. Nachdem 1997 ein Metallrad entwickelt wird, das sich mit 10 U/min dreht und den Generator über ein Traktorgetriebe in Rotation setzt, folgen Ende der 1990er die ersten Installation in Matigahatanne und Amanawella auf Sri Lanka.

Das Rad Nr. 1 kostete 7.000 $ und produziert 2,5 kW. Bis 2004 werden dort noch mehrere weitere Pedley Wheels in Betrieb genommen, danach auch die ersten Räder in Großbitannien.

Ein stromerzeugendes Wasserrad mit Holzschaufeln, das alte und neue Technik auf sehr ästhetische Art und Weise verbindet, wird in dem japanischen Städtchen Tsuru errichtet, das sich ab 2001 intensiv mit Projekten zur Reduzierung von CO2-Emissionen beschäftigt.

Um 2003 wird erstmals ein modernes Wasserrad des französischen Ingenieurs Michel Fonfrede aus Clermont vorgestellt. Das Roue Barrage ist für Fallhöhen von 0,5 bis 5 m geeignet und kann bis zu 1 MW erzeugen, die Effizient soll 67 % betragen. Die Nabe der bis zu 6 m breiten Maschine aus Edelstahl und verzinktem Stahl wirkt gleichzeitig als Stau, was Vorteile für Tragstruktur und Leistungsabnahme hat, da die sonst an den Achsen entstehenden sehr hohen Torsionsspannungen vermieden werden. Außerdem ist das Rad mit einer Schwungscheibe ausgestattet, die das Getriebe unterstützt. Das hier abgebildete Modell hat einen Durchmesser von 4,2 m und ist 2 m breit.

Die Patentierung der Turbine Fonfrede erfolgt 2004, als Erfinder treten neben Fonfrede selbst auch seine beiden Söhne Stephane und Christophe auf. Im selber Jahr erhält die Innovation die große Goldmedaille der Erfindermesse L’Innovation 2004. Die Leistungsanalyse der Wasserrad-Turbine wird in Zusammenarbeit mit CREMHyG und LEGI realisiert, zwei Laboratorien der INP Universität Grenoble.

2006 wird in Cournon-d'Auvergne nahe Clermont-Ferrand das Unternehmen H3EIndustries gegründet und an einem 50 kW Modell der Schaufelradturbine gearbeitet. Die Firma ist irgendwie mit der ISI, einer Tochtergesellschaft von Vinci Energies, verbandelt.Ein weiterer Partner ist die  Slicom Group. Das Wasserrad läuft hier unter dem Namen Aqualienne ‚The ecological turbine’.

Ein weiteres Wasserrad zur Wasserförderung wird von John Hermans aus Clifton Creek, Victoria, gebaut. Es kommt 2007 in die Presse und zeichnet sich durch absoluten Minimalismus aus: Zwischen den zwei Schaufelsätzen sitzt ein spiralförmig aufgewickelter Schlauch, dessen äußere offene Seite bei jeder Drehung durch das Wasser geführt wird und dabei einen Teil aufnimmt. Im Laufe der Drehungen fließt das Wasser immer weiter zum Zentrum hin, wo es über eine Flanschkupplung weitergeleitet werden kann.

Staudruckmaschine

Staudruckmaschine

Eine Entwicklung aus Österreich ist die Staudruckmaschine (SDM) des 2008 verstorbenen Adolf Brinnich. Sie ist auch bei niedrigen Wasserständen einsetzbar, kann mit einem oder mehreren Laufrädern nebeneinander ausgestattet werden und besitzt eine hohe Umweltverträglichkeit. 

Der Wirkungsgrad soll bei 90 % liegen. Angeboten wird die Innovation von der Firma Wicon-Generatoren in Wien.

Seit 2007 testet der Österreicher Karl Bruckgraber aus Gartenstadt in der Erft bei Neuss sein Mini-Wasserkraftwerk, an dem er in seinem Keller zehn Jahre lang gebaut hatte.

Herzstück der Konstruktion ist ein aus Schneeschaufeln gezimmertes Wasserrad, das in eine hölzerne Tragkonstruktion integriert ist, die per Anhänger transportiert und einfach auf die Wasseroberfläche eines Baches oder Flusses aufgesetzt werden kann.

Über ein großes Räderwerk wird ein Generator angetrieben, wobei das Kleinstkraftwerk je nach Fließgeschwindigkeit bis zu 2 kW produzieren soll. Selbstbewußt nennt Bruckgraber seine Erfindung Kawakraft aka ,Karls Wasserkraft’.

Ab dem Sommer 2009 arbeitet Walter Lösch vom CBK-CAD Büro Kuntscher aus dem Österreichischen Timelkam an schwimmenden Wasserrädern mit einem Raddurchmesser von 2 m und einer Breite von 1 m.

EMill2000M5

EMill2000M5

Dieses Modellformat erreicht 0,5 kWh, sein Name lautet EMill2000M5. Inzwischen wird auch an einer Adaption des GWWK gearbeitet (s.u.). Ich möchte mich bei Herrn Lösch an dieser Stelle für seine Informationen und Korrekturen bedanken, die ich gerne aufgenommen habe.

Im März 2011 geht ferner ein River Rider (auch: Flußreiter 1) der Firma Bänecke Industrieservice & Wasserkraft aus Königshütte/Harz in den Testbetrieb, dessen Raddurchmesser 2 m und dessen Breite sogar 4 m beträgt.

Dieses zum Patent angemeldete Wasserrad, das eigentlich den Schiffsmühlen zugeordnet werden kann, leistet 1 - 2 kWh und ist dort installiert, wo die Bode aus der Talsperre Wedefurth herausfließt. Gekostet hat das Projekt rund 38.000 €.

Der amerikanische Designer Michael Jantzen, der uns schon ausführlich im Bereich der Solar- und Windarchitektur begegnet ist, will sich jetzt auch dem Wasser widmen. Schon im August 2010 stellt er das Konzept einer großen Edelstahl-Wasserturbine vor, die in Form eines gigantischen Wasserrades (nach altem Vorbild) die Strömung von Flüssen nutzen soll.

Great River Turbine von Jantzen Grafik

Great River Turbine
(Grafik)

Die Great River Turbine mit ihrem Durchmesser von etwa 30 m soll genug Strom für eine ganze Stadt erzeugen. Das Rad ist mit 12 massiven Schaufeln ausgestattet und befindet sich auf einem festgemachten Lastkahn, mit Zugang für die Öffentlichkeit, um auch als touristische Attraktion benutzt werden zu können.

 

Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle, daß es in Tibet und Nordindien auch wasserbetriebene Gebetsmühlen gibt, wie ich sie im Teil E am Ende des Kapitels Informationen beschreibe.

In Deutschland wird seit 1994 der 2. Pfingstfeiertag eines jeden Jahres als ‚Mühlentag’ gefeiert. Um die fachgerechte Erhaltung und Nutzung historischer Mühlen als Zeugen der Technikgeschichte bemüht sich die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung (DGM) e.V.


Als nächstes folgen die verschiedenen Formen der primär elektrischen Wasserkraftnutzung, beginnend mit der Entwicklung von Wasserturbinen und dem Bau der ersten Wasserkraftwerke.


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