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Weitere Formen niederthermischer Solarenergienutzung

Solararchitektur

 

„Um zu überleben, müssen wir alle Aktivitäten an den natürlichen Rhythmus der Erde anpassen.

Sir Norman Foster


Die passive solare Architektur ist nicht neu, sie wird in allen Teilen der Erde schon seit Jahrtausenden angewandt. Ein Beispiel mag das antike Griechenland vor rund 2.500 Jahren sein, das damals ebenfalls in einer Energiekrise steckte. Als Lösung für das Problem des immer knapper und teurer werdenden Brennholzes wurde die verglaste Südfläche mit weitüberstehendem Vorbau entwickelt. Sokrates beschrieb dies so: „In Häuser, die nach Süden blicken, dringt die Sonne im Winter durch die Vorhalle bis in die Wohnräume vor und wärmt sie. Im Sommer jedoch hält das Dach der Vorhalle die Sonne ab und spendet kühlenden Schatten.“

Die massigen Mauern und die dicken Platten des dunklen Steinfußbodens saugten sich tagsüber mit Sonnenwärme voll und strahlten diese nachts wieder ab – womit die ‚Speicherheizung’ erfunden war. Innerhalb nur eines Jahrzehnts soll sich der neue Baustil bis in die fernste Kolonie durchgesetzt haben!

Die weltweit verbreitete Lehmbauarchitektur ist außerdem in mehr als einer Form mit der Sonnenenergie verbunden – schließlich werden die Lehmziegel ja zumeist auch von der Sonne getrocknet und ausgehärtet.

Eine frühe Form der passiven Solarnutzung kenne ich persönlich aus Syrien. Die sogenannten Bienenstock-Häuser (Beehvie Houses) aus aus Lehm, Stroh und Steinen, die insbesondere in den nahe Aleppo gelegenen Dörfern verbreitet sind, basieren auf einer seit 3.700 v.Chr.  verwendeten Bautechnik und werden als Wohn- und Lagerräume genutzt.

Durch ihre konische Form wird ein Teil des Daches immer stärker bestrahlt als der andere, wodurch sich im inneren eine Luftzirkulation bildet, welche die warme Luft durch ein Loch im oberen Teil nach außen saugt. Außerdem isolieren die dicken Lehmmauern vor der Sonne und die Form widersteht auch den heftigen Stürmen der Region. Viele der Dorfbewohner, die diese Häuser bewohnten, sind aber seit 2011 Flüchtlinge, die durch den Krieg des Westens gegen die syrische Gesellschaft vertrieben wurden.

Ebenfalls aus Syrien kenne ich relativ einfache Lehmbautechniken, die trotzdem erhebliche Vorteile gegenüber der inzwischen leider auch dort schon weit verbreiteten Betonbauweise bieten, denn das atmungsaktive und isolierende Material heizt sich im Sommer kaum auf, während es im Winter genauso langsam auskühlt.

Klassische Fassadenbegrünung

Klassische Fassadenbegrünung

Und wenn Sie einmal morgens in einen unbelüfteten Betonraum gekommen sind, in dem acht Landarbeiter geschlafen haben, dann wissen Sie, welchen immensen olfaktorischen Unterschied es macht, wenn Sie die acht in einem Lehmbau-Raum schlafen lassen, wie es mein Vater damals auf seinem Landgut gemacht hat.

Und schließlich kann so gut wie jedes Haus ein wenig zu einem Solarhaus werden, wenn es eine begrünte Fassade oder ein begrüntes Dach erhält. Auch in diesem Bereich tut sich im Moment sehr viel (Stichwort: Vertikale Gärten), was über Kletterpflanzen und Balkonbegrünung weit hinausgeht, den Umfang dieser Veröffentlichung aber schnell sprengen würde. Deshalb nur zwei periphere Anmerkungen dazu:

Die Fassadenbegrünung bildet einen weiteren Beweis dafür, daß positive Ansätze auch positive Nebeneffekte haben. Denn Efeu oder andere Kletterpflanzen erweisen sich als der bislang wirksamste Schutz vor Schmierfinken. Ob allerdings der 2014 verfolgte Gesetzentwurf zur Änderung der Landesbauordnung (LBO) in Baden-Württemberg mit der Pflicht zur ‚Begrünung von Grundstücken‘, die an Häusern ohne (oder mit einem sehr kleinen) Garten durch Dachgärten und begrünte Fassaden umgesetzt werden soll, der richtige Weg ist, sei einmal dahingestellt.

Eine sogar noch einfachere Umsetzung der passiven Nutzung sind transparente Folien, die – vor Fensterscheiben geklebt – Sonnenwärme hinein, aber nicht so leicht wieder herauslassen. Die Technologie ist schon lange bekannt und wird besonders von Armen genutzt, und trotzdem erhält die US-Firma Indow Windows aus Portland, Oregon, im Jahr 2011 einen der mit 250.000 $ dotierten Hauptpreise der Cleantech Open Business Competition für eine entsprechende Technologie.

Allgemein gesagt: Man stelle sich vor, welche enormen Energieeinsparungen an fossilen Brennstoffen der frühe Einsatz optimierter Solarenergiehäuser gebracht hätte. Da Gebäude in der Regel für eine Zeitspanne von 100 Jahren und mehr gebaut werden, hat das weitgehende Fehlen von Energiebewußtsein in der Architektur des 19. und 20. Jh. demgegenüber einen nicht unbeträchtlichen Beitrag zur Umweltzerstörung durch fossile Brennstoffe geleistet.


Das erste wirklich funktionsfähige und vollwertige Passivhaus der Welt war allerdings kein Haus, sondern ein Schiff: Die Fram des norwegischen Forschers Fridtjof Nansen im Jahr 1893. Und es wurde nicht von der Sonne, sondern von den Insassen selbst erwärmt. Nansen schreibt in seinem Buch In Nacht und Eis von 1897:

„Die Wände sind mit geteertem Filz bedeckt, darauf folgt Korkfüllung, dann eine Vertäfelung aus Tannenholz, dann wieder eine dicke Filzlage, dann luftdichtes Linoleum und schließlich wieder eine Täfelung. Die Decken (...) haben alles in allem eine Dicke von ungefähr 40 cm. Das Fenster, durch das die Kälte besonders leicht eindringen konnte, wurde durch dreifache Scheiben und auf andere Weise geschützt. (Hier) ist ein warmer, gemütlicher Aufenthaltsort. Ob das Thermometer 5° oder 30° unter dem Nullpunkt steht, wir haben kein Feuer im Ofen. Die Ventilation ist ausgezeichnet, da sie geradezu frische Winterluft durch den Ventilator hinabtreibt. Ich gehe daher mit dem Gedanken um, den Ofen ganz wegnehmen zu lassen; er ist nur im Wege.“


Anzumerken wäre noch, daß die Nordpol-Expedition, die während dreier Winter (1893 - 1896) im Polareis festsaß, ihren Strom mit einem Windgenerator erzeugte (s.d.). Die Mannschaft hatte auch das Material zum Bau einer Tretmühle dabei, mit der ebenfalls Strom erzeugt werden sollte. Es wurde allerdings nie erforderlich, diese Alternative tatsächlich zu montieren. Nansens Entwurf der Fram war seiner Zeit jedenfalls so weit voraus, daß er sogar unserer Zeit noch voraus ist.

Ein ähnlicher, neuer Ansatz wird erst im Dezember 2017 mit der Segelyacht Nanuq bekannt, die sich den der PolarQuest 2018 beteiligt – der Suche nach dem Wrack des Luftschiffes Italia zum 90. Jahrestag des Absturzes in der Nähe von Svalbard, der einen wichtigen Punkt der Geschichte der Polarforschung darstellt.

Auch die vom Genfer Architekten Peter Gallinelli entworfene und gebaute Nanuq, die im Juli 2018 auf die Polarfahrt geht, zeigt alle Vorzüge des Passivhaus-Designs, das den Einsatz einer Heizung nahezu überflüssig macht. Wobei natürlich nur erneuerbare Energien (Sonne, Wind, Umweltwärme) verwendet werden, gekoppelt mit modernen Wärmedämmungs- und Wärmerückgewinnungssystemen sowie einem optimierten Energiemanagementsystem. Das auch ‚Passiv-Iglu‘ genannte Boot ist z.B. mit 25 cm Schaumstoff isoliert.


In unserer Zeit beschäftigt sich die Architektur schon viel intensiver sowohl mit der passiven als auch der aktiven Nutzung der Solarenergie – und es schwirren diverse Begriffe herum, mit denen diese Bauten bezeichnet werden: Sonnenhaus, Energiesparhaus, Passivhaus, Niedrigenergiehaus, Solarhaus, Nullenergiehaus, Plusenergiehaus, energieautarkes Haus, Energie-Überschuß-Haus, Passiv-Energie-Haus, Bio-Solar-Haus, Drei-Liter-Haus usw. usf.

Es gibt jedoch einige Vorläufer und Pioniere, die nicht vergessen werden sollten. Beginnen werde ich mit den Protagonisten einer ganz bestimmten Art von Bauwerken, von denen die meisten Menschen noch nie etwas gehört haben.


DrehhÄuser (1)


Die Idee der Sonnennachführung hat sich im Laufe der letzten Jahre insbesondere in Verbindung mit der Photovoltaik verbreitet. Dazu findet sich auch viel in den entsprechenden Kapitelteilen (s.d.). Doch mittels kinetischer Architektur ganze Häuser dem Lauf der Sonne folgen zu lassen, ist ein eindeutiges Zeichen dafür, daß jemand – zumeist der Bauherr – wirklich groß denken konnte. Von der Übersicht ausschließen werde ich die rotierenden Restaurants, die überall auf der Welt zu finden sind und eher touristischen Zwecken dienen.

Maison tournante 1904

Maison tournante
(1904)


Eine Art Vorläufer sind kleine, rotierbare Kioske im 19. Jahrhundert im französischen Eaux-Bonnes, die – von drehbaren Windmühlen inspiriert – auf einem Drehpunkt montiert waren.


Im Jahr 1904 wird die Idee von Dr. Pellegrin, einem Arzt im Ruhestand, und E. Klein, einem Architekten, aufgenommen, um nach diesem Prinzip ein komplettes Haus aus den damals verfügbaren Leichtbaumaterialien zu bauen.

Das Ziel ist es, die Sonne oder die Landschaft nach Belieben von jedem Raum aus genießen zu können. Leider ließen sich bislang keine weiteren Informationen darüber finden.


Legendär ist die drehbare Schreibstube des irischen Literaturnobelpreisträgers George Bernard Shaw (1856 – 1950), in welcher er – ungeachtet seines hübschen Landhauses in der kleinen britischen Ortschaft Ayot St Lawrence – ab 1906 seine beste Arbeiten vollbrachte.

Die von ihm selbst selbst entworfene Hütte war für ihre Zeit unglaublich anspruchsvoll. Sie war auf einem Drehtisch aufgebaut, damit er sie manuell herumdrehen konnte, um der Sonne zu folgen wenn es kühl war, und weg von ihr, wenn es zu heiß wurde. Die Konstruktion erlaubte ihm auch in seiner Hütte zu schreiben, ohne eine künstliche Lichtquelle benutzen zu müssen.

Durch die Begrenzung der Fenster auf nur eine Seite war es zudem möglich, die Stube mittels der passiven Solarheizung auch in kühleren Monaten zu nutzen. Das Öffnen des einzigen funktionsfähigen Fensters gegenüber der offenen Tür sorgte wiederum für eine natürliche Belüftung. Zudem hatte die Stube Strom, einen Telefonanschluß und eine Summeranlage.

Shaw arbeitete allein und liebte seine Privatsphäre; er stellte sogar sein Telefon nur für ausgehende Anrufe ein. Um Besucher zu vermeiden nannte er sein verborgen am Ende des Gartens liegende Refugium ‚London‘, wodurch seine Mitarbeiter auf entsprechende Ersuchen antworten konnten: „Er ist nicht hier, er ist in London.“ Der flach gedeckte Kubus ist heute in den britischen National Trust eingegliedert.


Das erste ,richtige’ dieser beweglichen Bauwerke ist die äußerst beeindruckende Villa Girasole (Villa Sonnenblume) der Architekten und Bauingenieure Angelo Invernizzi (1884 – 1958) und Ettore Fagiuoli (1884 - 1961).

Villa Girasole Plan

Villa Girasole
(Grafik)

Erste Skizzen entstehen ab 1929, der Bau mit Hilfe von Künstlern, Bildhauern, Möbelmachern und befreundeten Architekten beginnt 1931 – jeweils in den Sommermonaten –, bis die futuristische Villa 1935 eingeweiht werden kann. Sie steht an einem sanften Hügel in der italienischen Region Marcellise am nördlichen Rand der Po-Ebene nahe Verona.

Die silbrig glänzende, moderne Villa inmitten eines Parks ist zweigeteilt: eine untere, runde und in den Hügel hineingebaute Basis, die wie ein riesiger, rötlicher Stein wirkt, und ein darüber liegendes, zweiflügliges und zweistöckiges Wohnhaus mit Flachdächern und einem 42 m hohem Aussichtsturm.

Dieser rund 5.000 Kubikmeter große Teil kann sich einschließlich seines Innenhofes 360° um seine eigene Achse drehen und auf seiner kreisförmigen Basis dem Lauf der Sonne folgen. Hierzu wird er von zwei Dieselmotor mit insgesamt 3 PS angetrieben.

Das 1.500 Tonnen schwere Haus bewegt sich auf 15 Wagen und drei Kreisbahnen, deren größte einen Durchmesser von mehr als 44 m hat, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 4 mm pro Sekunde. Für eine volle Drehung braucht es 9 Stunden und 20 Minuten. Zur Erleichterung notwendiger Reparaturen sind die Räder deutlich sichtbar an der Unterseite der rotierenden Villa angebracht.

Villa Girasole

Villa Girasole

Auch andere Technologien werden neu eingesetzt, wie Stahlbeton, eine Aluminiumfassade, überall elektrisches Licht, elektrische Rolläden und eigens entworfene Anschlüsse. Im Zentrum führt eine spiralige Treppe über die gesamte Bauhöhe bis nach oben, in deren Mitte sich zudem ein Fahrstuhl befindet.

Die Villa Girasole gehört derzeit der Invernizzi Stiftung und der Akademie für Architektur im schweizerischen Mendrisio. Nachdem dieses Bauwerk lange Zeit fast unbekannt war, gibt es inzwischen einen stimmungsvollen und preisgekrönten Architekturfilm von Christoph Schaub und Marcel Meili, in dem das gemächlich rotierende Gebäude vorgestellt und seine Entstehungsgeschichte nacherzählt wird.

Es gibt einen 17-minütigen Film von Marcel Meili und Christoph Schaub namens Il Girasole – Una casa vicino a Verona, in welchem die Geschichte des rotierenden modernistischen Hauses erzählt wird. Der 1995 erschienene Film stellt die Enthüllung der technischen Details und der Geschichte des imposanten Hauses den intimen Inszenierungen des Architekten und seiner Frau gegenüber, die mit dem Raum interagieren, erzählt von der Tochter Meilis.


An dieser Stelle soll kurz auf eine andere Variante hingewiesen werden, die m.W. jedoch nie umgesetzt wurde, nämlich rollende Häuser. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schien fast alles möglich. Das stromlinienförmige Design und die Architektur der damaligen Zeit deuteten darauf hin, daß Objekte immer runder werden würden, bis unsere Häuser und Fahrzeuge schließlich die Form von Kugeln annehmen würden.

In einer Ausgabe von 1934 des US-Magazins Everyday Science and Mechanics wird eines dieser futuristischen kugelförmigen Häuser ezeigt, das auf sein neues Grundstück transportiert wird. Nach dem dazugehörigen Artikel ‚When Home Owners Roll Their Own‘ müssen Hausbesitzer nur spezielle Schutzreifen anbringen und ihre Häuser an Traktoren anhängen, um an einen neuen Standort umzuziehen. Wobei zumindest beim erneuten Aufstellen gewählt werden kann, welche Seite die volle Sonne abbekommen soll.

Migrant Skyscraper Grafik

Migrant Skyscraper
(Grafik)


Die Idee taucht übrigens im Jahr 2012 wieder auf, als die polnischen Designer Damian Przybyła und Rafał Przybyła ihren Vorschlag namens Migrant Skyscraper veröffentlichen, bei dem es um einen mobilen, riesigen, dünnen Reifen mit einem Gebäude und Grünflächen im Zentrum geht. Es ist ihr Beitrag zur 2012 evolo Skyscraper Competition.

Das Konzept hinter der Struktur sei, daß die Menschen in einer instabilen Welt die Stabilität der Selbstversorgung brauchen, um wirklich frei zu sein, wozu die Architektur beitragen kann.

Durch den Bau eines sicheren Hafens für die Bewohner wird sichergestellt, daß sie Nahrung zu essen und Wasser zu trinken haben: „Der Migrant Skyscraper bietet den Menschen Freiheit, trotz aller Natur- und Sozialkatastrophen“. Was in den gezeigten Grafiken auch eindringlich dargestellt wird.


Erst 1958 wird in dem belgischen Ort Wavre, 20 km vor Brüssel, ein weiteres revolutionäres, sich drehendes Energiesparhaus gebaut – immer noch viele Jahre, bevor die Wichtigkeit dieses Themas ins öffentliche Bewußtsein gelangt. Der belgische Bauherr Francois Massau (1905 - 2002) setzt seinen kreisrunden und 130 m2 großen Bungalow namens Maison tournante (auch: Maison orientable) auf zwei stählerne Schienenringe, so daß sich der gesamte Bau mittels eines kleinen Motors im Keller um einen feststehenden Kern in der Mitte drehen kann.

Das eckige Betondach steht fest auf vier quaderförmigen Säulen – eine sinnvolle Entscheidung Massaus, der weder Architekt, noch Ingenieur oder Baumeister ist, und trotzdem fast alles eigenhändig umsetzt. Mit viel Kraft schafft er es, sein Drehhaus rechtzeitig zur Weltausstellung Expo 58 in Brüssel fertig zu stellen, was ihm viel Ruhm und Anerkennung einbringt.

Maison Tournante

Maison Tournante

Bald darauf baut er schon das nächste Objekt, diesmal jedoch für seine erkrankte Frau, die die Sonne liebt. Mit dem Haus, das ebenfalls dem Lauf der Sonne folgt und vier Schlafzimmer, eine Küche und ein großes sichelförmiges Wohn- und Eßzimmer hat, will er ihr helfen. Es kann einen kompletten Kreis in 90 Minuten durchlaufen. Indem außerdem die Mauern gut isoliert und doppelverglaste Fenster genutzt werden, erwärmt sich das Innere sogar in den Übergangszeiten auf 22°C auf - ganz ohne Heizung.

1968 ist Massau gezwungen, dieses Haus an Paul Quinet verkaufen, um den Bau weiterer rotierender Häuser zu finanzieren. Tatsächlich werden noch zwei weitere Dreh-Bungalows gebaut, jedoch nicht verkauft – obwohl die Technologie des Pioniers so effektiv war, daß sie noch heute tadellos funktioniert und alle drei Häuser weiterhin in Betrieb sind. Mr. Quinets Tochter berichtet, daß ihre Tochter wiederum oft in dem Sandkasten vor dem Haus gespielt habe: „Wenn ich währenddessen in der Küche arbeitete, habe ich das Haus einfach so gedreht, daß ich den Sandkasten gut im Blick hatte.“ Doch auch anders herum geht es: „Wenn es zu warm wird, kann ich das Wohnzimmer ganz einfach in den Schatten drehen.“

2008 bietet Frau Quinet ihr Haus für 507.000 $ zum Verkauf an, weil es für sie – inzwischen alleinstehend – zu groß ist. Das zweite Drehhaus in Malonne, einem Dorf südlich von Wavre, wird von Philippe Willems, einem Enkel Massaus, zusammen mit seiner Frau und zwei Kindern bewohnt. Dieser mußte nach 35 jähriger Betriebsdauer zwar den Elektromotor des Hauses austauschen, bestätigt aber, daß er sonst fast keine anderen mechanischen Probleme hatte. Wo das dritte Haus steht, habe ich bislang noch nicht herausfinden können.


Auch in Australien wird schon früh ein rotierendes Haus gebaut. Das am nördlichen Ende der Stadt Mount Barker, nahe dem Albany Highway stehende Round House wird 1958 von dem niederländischen Einwanderer und Ingenieur Hubertus Johannes Van der Kolk errichtet – für seine Frau Anne, welche die australische Sonne liebt. Um das natürliche Licht in alle Räume zu optimieren, kann sich das Bauwerk 180° mit der Sonne drehen.

Van der Kolk montiert sein innovatives Haus auf einer Struktur aus stählernen Wagenrädern, wobei die Räume um einen festen Kern rotieren, der die Sanitär-, Abwasser- und Elektroanschlüsse beinhaltet. Hierin sind sich fast alle Drehhäuser ähnlich. Der Drehmechanismus fällt allerdings schon bald aus, was Van der Kolk jedoch nicht besonders stört – er dreht das Haus fortan einfach mit einem Traktor in die gewünschte Position.

Nachdem das Haus später in Vergessenheit gerät und auch acht Jahre lang leer steht, soll es 2006 für einen Kreisverkehr der nördlichen Umfahrung von Mt. Barker Platz machen. Im September 2009 wird es im letzten Moment dauerhaft vor der Abrißbirne verschont, indem es dem Denkmalschutz von Westaustralien unterstellt wird. Nun wird es auch restauriert – allerdings ohne seine Rotationsfähigkeit zurückzuerhalten.

Nach der Renevorierung wird das Round House auf dem Gelände des Mt Parker Caravan Park für 187 $ pro Nacht als komfortable Unterkunftsmöglichkeit für bis zu vier Personen angeboten (Stand 2019).

D’Angelo Drehhaus

D’Angelo-Drehhaus


Ein weiteres heliotropisches Drehhaus stammt aus dem Jahr 1961 und geht auf den Geschäftsmann Floyd D’Angelo aus Los Angeles zurück. Er beschließt, sein Wochenendhaus im abgelegenen Dorf Snow Creek nahe White Water zu bauen. Es ist eine heiße Wüstenlandschaft in Kalifornien, die vor allem durch die dramatischen Ansichten der San Jacinto Berge geprägt wird.

Im Gegensatz zu den anderen Bauten ist sein Drehmechanismus aber auch dazu gedacht, das vieleckige Haus aus der Sonne heraus drehen zu können. Da der Bauherr gleichzeitig Inhaber der Firmen Aluminium Skylight und Specialty Corp. ist, nimmt es nicht wunder, daß fast überall im Gebäude Aluminium Anwendung findet.

Die Technik zum Rotieren des Gebäudes um 130° entwickelt der Ingenieur Harry Conrey, sie befindet sich auf einem Schienensystem unter dem erhöhten Gebäude. Besonders interessant finde ich, daß das Drehen mit der Sonne und das Drehen zurück bei Nacht ursprünglich durch eine am Dach angebrachte Solarzelle automatisiert wurden. Der heutige Eigentümer Bill Butler hat das Gebäude nach 30-jährigem Leerstand wieder sorgsam renoviert, wobei ein wesentlich stärkerer Motor die Teildrehung in nur 15 Sekunden ermöglicht – man sollte sich also besser festhalten.

Eine Lokallegende besagt, daß die Beatles auf ihrer Tournee 1965 von Los Angeles aus nach Snow Creek kamen, um Eric Burdon von den Animals zu treffen. Angeblich feierten dann alle zusammen in dem Drehhaus ein paar Tage lang eine Party (...hat jemand mal eine Zeitmaschine?!).


Zwischen 1966 und 1968 baut sich der Architekt Richard Thomas Foster (1919 - 2002) sein Haus in Wilton, Connecticut, in Form einer runden, 22 m durchmessenden Stahlbetonstruktur mit Stahl-Glas-Fenstern, die sich um 360° drehen kann. Im Zentrum befinden sich eine Wendeltreppe sowie ein Stahlrohr, in dem sich die Elemente der Haustechnik befinden. Die Außenverkleidung des 225,5 Tonnen schwere Richard T. and Eleanor Foster House besteht aus Holzschindeln und wetterfesten Baustahl.

Angetrieben wird die auch Cricambulent House bezeichnete 8-Zimmer-Villa, die 3,65 m über dem Boden schwebt, durch einen kleinen Elektromotor, wie er für Baustellenkräne hergestellt wird und in beliebiger Richtung zehn verschiedene Geschwindigkeiten erlaubt. Die schnellste komplette Drehung dauert 45 – 50 Minuten, die langsamste einem halben Tag. Das tragende, 3 Tonnen schwere und 224 cm durchmessende Kugellager wurde extra aus Deutschland importiert, kostete 20.000 $ und soll eine Lebenserwartung von rund 90 Jahren haben.

Nach dem Tod Fosters im Jahr 2002 wird das Gebäude, dessen Räume wie neun Kuchenstücke aussehen, saniert und 2004 an Michael Van Oehsen verkauft, der daran Modifikationen vornimmt. 2010 wird es dann von der Fosterhuese LLC übernommen, die das Haus im ursprünglichen Design restauriert.

Oldfield-Haus

Oldfield-Haus


Bereits 1969 wird in Saanich, nahe Victoria in British Columbia, mit dem Bau eines Drehhauses begonnen, das eher versteckt auf dem Gipfel des Saanich Mountain steht und ein mechanisches Wunderwerk in Form eines Zwei-Schlafzimmer-Hauses mit Bad darstellt.

Das von Basil ‚Barney‘ Oldfield entworfene und fachmännisch gestaltete dreigeschossige Gebäude kann per Knopfdruck gedreht werden und bietet ein angenehm kühles Zuhause. Das 1977 beendete Gebäude sollte eigentlich einen Aufzug beinhalten, doch Basil erkrankt an Krebs, bevor er diess umsetzen kann – und ist seit 1978 verschwunden. Das 1934 von Basil und seinem Bruder Brian gegründete Familienunternehmen Prospect Lake Garage Inc. wird inzwischen von seinem Neffen Rob Oldfield geleitet.

Unter dem Haus offenbart der runde Keller das Herzstück des Drehmechanismus des Hauses mit Elektromotor und zwei Getrieben. Wellen aus den Getrieben treiben Gummiräder auf einer Metallschiene an, wobei die robuste Konstruktion mit zwei Geschwindigkeiten laufen kann: Der niedrige Gang ermöglicht eine einzige tägliche Umdrehung, während der hohe Gang das Haus in nur drei Minuten um 360° rotieren läßt. Im Gegensatz zu anderen drehbaren Konstruktionen, die in der Regel eine stationäre Mitte haben, dreht sich hier die gesamte geschweißte Stahlrahmenkonstruktion.

Seit 1989 wohnt ein Paar, Cathy Cook und Francis Sullivan, in Basils Haus. In einem Pressebericht von 2014 bestätigen sie erfreut, „daß es nach all den Jahren immer noch funktioniert.“


In St. Isidor, einem Industriegebiet am Stadtrand von Nizza, errichtet François Labbé im Jahr 1981 ein rotierendes Haus als Büro seiner 1979 gegründeten Firma F. Labbé, die sich mit der Herstellung von Aufzügen für Milliardärsvillen sowie Schrägaufzüge beschäftigt. Das Drehbüro ist auf einer um 360° rotierenden Metall-Plattform mit 12 m Durchmesser gebaut, ruht auf Stützen mit Lagern und wird von einem Elektromotor angetrieben. Aus demontierbaren Teilen konstruiert kann das Ganze leicht zerlegt, in einem Container transportiert und an einem anderen Ort wieder aufgebaut werden. Leider sind ansonsten keine weiteren Details darüber zu finden.

1995, zwei Jahre nach Labbé Tod, kaufen vier seiner früheren Mitarbeiter das Unternehmen. Es lassen sich jedoch keinerlei Hinweise auf irgendwelchen neuen Umsetzungen finden.

Erst im Juni 2004 erscheint eine Meldung, der zufolge das Unternehmen die Entwicklung eines Drehhauskonzepts plant, das in jeder Hinsicht einem traditionellen Einfamilienhaus ähnelt. Dabei beschränkt sich die Technik auf Häuser, deren Grundfläche 140 m2 nicht überschreiten darf. Doch nicht die Abmessungen setzen die Grenze, sondern das Gewicht, das 120 Tonnen nicht überschreiten darf.

Bioclimactic House Grafik

Bioclimactic House
(Grafik)

Die durchschnittlichen Kosten für ein Drehhaus sollen rund 2.300 €/m2 betragen, was dem eines traditionellen Hauses entspricht oder sogar niedriger ist, da für den Bau keine Fundamente und damit schwere Erdarbeiten erforderlich sind. Grundsätzlich liegt der Hauptvorteil dieses Konzepts jedoch darin, daß es fast automatisch zu Energieeinsparungen führt.

Im September 2008 berichten die Fachblogs über das Konzept eines Bioclimactic House von Frederic Plazar aus Nizza, das auf der Technik von Labbé zu beruhen scheint. Das Haus sitzt auch auf einem Drehteller von exakt 12 m Durchmesser. Es soll zu einem Preis von rund 2.300 €/m2 zu errichten sein.

Plazar entwirft seine Bauten in Größen zwischen 80 m2 und 140 m2 und berechnet, daß ihr Energiebedarf um 60 % niedriger liegt als bei vergleichbaren konventionellen Häusern. Es läßt sich jedoch nichts darüber finden, daß eines seiner Konzepte tatsächlich gebaut worden ist. Der Begriff ,Bioclimactic House’ selbst war bereits bei einem 1998 in Granadilla auf Teneriffa gebauten Solarhaus verwendet worden (s.u. ,House in Experimental Bioclimatic Urbanization’).

 

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