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Eines der für die Geothermie interessantesten Langzeit-Projekte ist das öffentlich finanzierte Kontinentale Tiefbohr-Programm (KTB) in Bayern, das bis 1996 (ursprünglich) eine Rekordtiefe von 14 km erreichen sollte. Bis dahin galten die Russen als Rekordhalter: In Zapolarny auf der Halbinsel Kola waren sie 1985, zehn Jahre nach Projektbeginn, bis auf 12.262 m in die Tiefe vorgedrungen. Alleine die letzten eineinhalb Kilometer dauerten über drei Jahre. Dabei mußten die Geologen immer wieder erhebliche Korrekturen hinsichtlich der Erdschichtenmodelle und der geothermischen Tiefenstufe durchführen. Auch die Temperatur von 200°C in 11 km Tiefe war wesentlich höher als bei einem Festlandschild ursprünglich erwartet wurde.
Der Kostenvoranschlag für die auf 10 Jahre angelegte Forschungsarbeit im Rahmen des KTB-Programms lautete 450 Mio. DM. Tatsächlich kostete das Projekt bis zu seinem Abschluß 528 Mio. DM, die komplett vom BMFT getragen wurden.
Die Wahl der Örtlichkeit lag darin begründet, daß sich diese bei einer Rekonstruktion des gemeinsamen Kontinents Pangäa (vor ca. 200 Mio. Jahren) so ziemlich genau im Zentrum befindet, d.h. an der Nahtstelle der Kontinentalplatten von Afrika, Asien und Amerika. 1984 beginnt die Arbeit.
Die 1987 nach 949 Tagen in 4.000 m abgeschlossene Vorbohrung bei Windischeschenbach zwischen Weiden und Marktredwitz in der Oberpfalz ergibt bei der gefundenen Salzsole aus Calcium-Natrium-Chlorid zuletzt eine Temperatur von 118°C bis 120°C, also deutlich höher als ursprünglich prognostiziert. Die Analysen zeigen, daß an der Zusammensetzung der Sole Meerwasser beteiligt ist. Man geht davon aus, daß es sich dabei um Wasser aus dem Jura- oder Kreidemeer handelt, die es hier vor 200 bis 100 Millionen Jahren gegeben hatte. Aus den Bohrkernen – insgesamt 3.600 laufende Meter – weurden 25.000 Gesteins- und Flüssigkeitsproben entnommen, von denen 6.000 an mehr als 50 Universitäten und andere Forschungsinstitute verteilt werden.
Im Frühjahr 1990 treffen sich dann über 300 am Programm beteiligte Wissenschaftler, um die teilweise überraschenden Ergebnisse vorzustellen. In den Proben fanden sich nämlich auch Mikrofossilien, mit denen wegen der hohen Temperaturen und enormen Drücke niemand gerechnet hatte. Dadurch gelingt es, die Vorstellungen vom Entstehungsalter der betreffenden Gesteine zu präzisieren; mit etwa 400 Millionen Jahren sind sie erheblich jünger als erwartet. Vor erheblicher Bedeutung erweist sich auch das ab einer Tiefe von 3.200 m zunehmende Auftreten von hochkonzentrierten Salzlösungen und Gasen wie Methan und Helium.
Die an der Bohrung beteiligten Firmen, die sich zur ‚UTB Ultratiefbohrgesellschaft mbH’ zusammengeschlossen haben, entwickeln für die Hauptbohrung eine völlig neu konzipierte überschwere Bohranlage mit vielen technischen Neuerungen, wie einem Roboter zur schnellen Handhabung des Bohrgestänges, sowie ein sich selbständig korrigierendes Senkrechtbohrsystem. Der Bohrturm hat eine Höhe von 83 m. Am 8. September 1990 ist der Startschuß für die Hauptbohrung. Bis Ende 1994 soll nun eine Tiefe von 10 km erreicht werden. Den Rekord der Russen brechen zu wollen hatte man fallen gelassen.
Im Mai 1991 frißt sich der etwa 10 cm dicke Bohrkopf in fast 2.000 m zum ersten mal fest. Er wird daraufhin stecken gelassen und mit einer Zementbrücke versiegelt, dann bohrt man daneben weiter. Technisch ist das kein Problem, denn der Bohrer sucht sich sowieso stets den Weg des geringsten Widerstandes und schlängelt sich samt dem flexiblen Bohrgestänge fast spiralförmig durch den Untergrund. Gleichzeitig wird das Loch mit einer wasserglasartigen Flüssigkeit gespült, die zwei Funktionen hat: zum einen drückt sie mit ihrem Eigengewicht auf die Wände und verhindert deren Einstürzen während das Gestänge zum Wechseln der Krone herausgezogen wird, zum anderen schwemmt sie das zermahlene Gestein heraus.
Bei knapp 3.000 m Tiefe werden dann unerwartet hohe Temperaturen festgestellt, die das weitere Vorankommen fraglich erscheinen lassen. Nach den bis dahin erzielten Ergebnissen müssten Erdwärme-Kraftwerke allerdings weitaus preiswerter sein, als bislang angenommen.
Im Oktober 1991 dringt die KTB Bohrung mit demr Überschreiten einer Tiefe von 4.500 m in geowissenschaftliches Neuland vor. Und rund 14 Monate nach dem Start wird die ‚Schnapszahl’ 5.555,5 m erreicht. Zu dieser Zeit berechnet man, daß das Projekt pro Tag mehr als 100.000 DM kostet.
Zur gleichen Zeit gelingt es Giessener Wissenschaftlern auf dem Bohrschiff ‚Joides Resolution’, im östlichen Pazifik den bislang tiefsten Blick in die Erdkruste unter dem Ozen zu werfen. In rund 3.000 m Wassertiefe können dabei durch ein 2.000 m tiefes Bohrloch insgesamt drei Schichten des Meeresbodens durchstoßen werden, deren Gesamtdicke auf 6.000 m geschätzt wird. Während die obere Schicht von kissenförmigen Basaltmassen gebildet wird, besteht die darunterliegende Schicht aus steil stehenden Basaltmauern. An der Grenze zwischen der zweiten und der dritten Schicht wird ein sehr starker Rückgang des Zinkgehalts beobachtet, der – so vermutet man – ausgewaschen wurde und zum Meeresboden gelangte, wo er dann aus heißen Quellen wieder austreten ist.
Im Herbst 1992 erreicht die KTB-Bohrung eine Tiefe von 6.000 m, wobei die Abweichung dank dem automatischen Senkrechtbohrsystem lediglich 12 m beträgt. Die nächste Herausforderung bei der Bohrtechnik liegt dann in der Entwicklung von Geräten, die auch bei Temperaturbedingungen um 300°C einsatzfähig bleiben. In 6.300 m Tiefe liegt die Temperatur bereits bei 180°C und nimmt pro Kilometer um 28,5°C zu. Am 31. Juli dieses Jahres hatte sich ein weiter Bohrkopf festgefressen, mußte abgesprengt und ebenfalls mit Zement versiegelt werden. Dann wurde an ihm vorbei weitergebohrt – und am 2. Dezember 1992 wird mit einer Tiefe von 6.775 m die bislang tiefste Bohrung in den alten Bundesländern, eine Erdgasbohrung bei Bremen, überrundet.
Am 14. Februar 1993 stürzt in inzwischen 7.000 m Tiefe ein 200-Tonnen-Bohrgestänge ab. Im Laufe mehrerer Wochen kann es zwar wieder geborgen werden, es ist aber zu 20 % wie ein Korkenzieher verbogen. Außerdem entstehen im unteren Bereich der Bohrung Ausbrüche auf einer Länge von 60 m, die zubetoniert werden müssen. Ende März wird dann ab einer Tiefe von 7.144 m und im Abstand von 5 m an der Einsturzstelle vorbeigebohrt. Inzwischen hat sich die Bohrstelle zu einem vielbesuchten Touristenziel entwickelt. Seit Anfang 1987 haben bereits eine halbe Million Menschen das Projekt besucht, an dem inzwischen mehr als 350 Wissenschaftler aus zwölf Nationen mitarbeiteten.
Im Oktober 1993 wird in 8.057 m Tiefe eine Temperatur von 215°C gemessen. Das bis dato herausragendste Ergebnis resultiert aus den Messungen der mechanischen Gesteinsspannungen bis in 6.000 m Tiefe, die unerwartet hohe Werte zeigen. Diese Spannungen sind verantwortlich für lokale Erdbeben. Die Wissenschaftler müssen die bislang angenommene Verteilung dieser Spannungskräfte zur Tiefe hin revidieren. Eine weitere Überraschung sind mit Graphit belegte Gesteinsbrüche, die offenbar wie Schmiermittel Erdbeben verhindern.
Ende Januar 1994 wird mit 8.600 m Tiefe der bisherige europäische Rekordhalter überrundet, eine 8.553 m tiefe Erdgasbohrung im Wiener Becken. Bis dahin mußten sechs mal mehrere Hundert Meter Bohrgestänge abgesprengt werden.
Im September 1994 erreicht der Bohrkopf knapp 280°C heißes, plastisches und fast schon fließendes Gestein, womit die Grenze des technisch Machbaren erreicht ist. Nach 1.300 Tagen Bohrzeit wird die KTB-Bohrung in 9.101 m Tiefe beendet, da sich die Forscher bei der Temperaturprognose deutlich verschätzt hatten.
Das Bohrloch wird seitdem als "hochinteressantes Tiefst-Laboratorium" genutzt, über die laufenden Ergebnisse und Erkenntnisse finden sich im Internet umfassende Informationen.
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