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„Wir müssen aufpassen, daß die Brennstoffzellentechnik nicht ein Placebo wird, das uns mit dem Blick auf eine ferne Zukunft davon abhält, schon heute unsere Automobile leichter zu bauen, in der Leistung zu reduzieren, sie sparsamer, abgasärmer und umweltschonender zumachen.“
Andreas Troge, früherer Leiter des Umweltbundesamtes
Da die Brennstoffzelle zumeist mit Wasserstoff betrieben wird und auch zunehmend im Rahmen der Diskussion über alternative Energien auftaucht, insbesondere auf dem Verkehrssektor, möchte ich sie an dieser Stelle gesondert und ausführlich behandeln.
Schon 1800 hatten die beiden britischen Wissenschaftler William Nicholson und Anthony Carlisle den Prozeß der elektrischen Wasserspaltung beschrieben, und bereits 1802 baute Sir Humphrey Davy (1778 – 1829) eine einfache Brennstoffzelle in der Anordnung C | H2O, HNO3 | O2 | C, die ihm einen fühlbaren Elektroschock gab. Doch die eigentliche Entdeckung des Brennstoffzellen-Effektes geht auf Christian Friedrich Schönbein (1799 – 1868) zurück, der von 1829 bis 1868 Professor an der Universität Basel war. In einem Brief an den englischen Gelehrten Michael Faraday erwähnte er im Sommer 1838 elektrochemische Versuche, bei denen elektrischer Strom erzeugt wurde, ohne dass die bei elektrischen Batterien sonst übliche chemische Umwandlung der Elektroden stattfindet.
Im Januarheft 1839 des Philosophical Magazine berichtete er dann über diese Versuche, bei denen er aus der chemischen Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff oder Chlor an Platinelektroden Elektrizität erzeugen konnte. Er deutete seine Beobachtungen in richtiger Weise als Polarisationseffekt. Schönbein war vermutlich auch der erste Wissenschaftler, der eine offizielle Forschungsförderung für seine Arbeit an dem Prinzip der Brennstoffzelle erhielt: 40 englische Pfund in Sterlingsilber von der British Association for the Advancement of Science. Ein weiterer Wissenschaftler, der sich damals mit der neuen Entdeckung beschäftigte, war Johann Poggendorff (1796 –1877).
Doch erst der walisischen Richter und Physikprofessor Sir William Robert Grove (1811 – 1896), ein Freund Schönbeins, beschrieb den Effekt dann im Februar 1839 als Umkehrung der Elektrolyse und erkannte das Potential, ihn zur Erzeugung elektrischer Energie zu verwenden. Von 1842 bis 1844 befasste sich Grove intensiv mit der Brennstoffzelle, die er damals noch als ‚Gasbatterie’ bezeichnete und die er aus vier hintereinander geschalteten galvanischen Elementen konstruiert hatte (auch ‚Grove-Element’ oder ‚Gaskette’).
In jedem der vier Gefäße befand sich verdünnte Schwefelsäure, in die zwei Glasröhren mit Elektroden aus Platin eintauchten. Im oberen Teil der Glasröhren wurden die Anoden von Sauerstoff (ox) umspült, die Kathoden von Wasserstoff (hy). Die Enden verband Grove mit einem empfindlichen Galvanometer, dessen Zeigerausschlag das Vorhandensein einer elektrischen Spannung feststellte (etwa 1,8 Volt bei 12 Ampere).
Nachdem 1866 das dynamoelektrische Prinzip entdeckt wurde, wurde die Brennstoffzelle lange nicht weiter verfolgt. Der Literat Jules Verne hatte schon 1874 in seinem Abenteuerroman ‚Die geheimnisvolle Insel’ mit prophetischer Weitsicht geschrieben: „Ich glaube, dass eines Tages Wasserstoff und Sauerstoff, aus denen sich Wasser zusammensetzt, allein oder zusammen verwendet, eine unerschöpfliche Quelle von Wärme und Licht bilden werden.“
Friedrich Wilhelm Ostwald (1853 – 1932), Direktor des ersten Lehrstuhls für physikalische Chemie in Leipzig, erkannte – fast ebenso prophetisch – schon 1887 das Potential der Brennstoffzelle: „Haben wir ein galvanisches Element, welches aus Kohle und dem Sauerstoff der Luft unmittelbar elektrische Energie liefert [...], dann stehen wir vor einer technischen Umwälzung, gegen welche die bei der Erfindung der Dampfmaschine verschwinden muss. Denken wir nur, wie [...] sich das Aussehen unserer Industrieorte ändern wird! Kein Rauch, kein Ruß, keine Dampfmaschine, ja kein Feuer mehr...“
Der Begriff ‚Brennstoffzelle’ wurde erstmals 1889 von Ludwig Mond und Charles Langer genutzt, welche die neue Technik intensiv erforschten. 1896 – im Todesjahr Groves – erkannte dann Wilhelm Oswald den eigentlichen Nutzen der Brennstoffzelle und ihre revolutionären Neuerungen. Er erreichte mit seinem Modell sogar einen Wirkungsgrad von über 80 % (!), und dies bei Zimmertemperatur. Jedoch war der technische und vor allem der chemische Wissensstand Anfang des 20. Jahrhunderts nicht ausgereift genug, um die Brennstoffzelle auch effizient einzusetzen.
Weiterentwickelt wird die Brennstoffzelle dann hauptsächlich von den beiden Deutschen Justi und Winsel (s.d.) und von dem Briten Dr. Francis Thomas (Tom) Bacon (1904 – 1992), einem Nachfahren des englischen Wissenschaftlers und Philosophen Sir Francis Bacon, der 1932 das erste Modell einer modernen Alkali-Elektrolyt-Brennstoffzelle mit Gas-Diffusions-Elektroden baute.
1952 gelingt Bacon die erfolgreiche Demonstration einer 5 kW Zelle und bereits 1959 stellt Harry Karl Ihrig von der Allis-Chalmers Manufacturing Comp. einen 20 PS Traktorvor, der mit einer Säule aus 1.008 Zellen mit 15 kW Leistung betrieben wird (und heute im Smithsonian Museum steht). Allis-Chalmers forscht dann mehrere Jahre auf diesem Sektor und baut u.a. einen Brennstoffzellen-betriebenen Gabelstapler, ein Golf-Caddy und ein Unterseeboot. An dieser Forschungen nimmt auch die U.S. Air Force teil.
In den 1950er Jahren ‚entdecken’ dann vor allem die Russen und Amerikaner das Prinzip und setzten es in der Raumfahrt ein (Sputnik, Gemini, Apollo, Space Shuttle); im Rahmen des Apollo-Programms werden z.B. alkalische Brennstoffzellen von Pratt & Whitney eingesetzt.
Ein weiterer Vorreiter – sogar im wörtlichen Sinne – ist Dr. Karl Kordesch von Union Carbide, der schon 1967 ein unter seiner Leitung gebautes Motorrad fährt, das von einer Hydrazin/Luft-Brennstoffzelle angetrieben wird. Er fährt insgesamt fast 500 km mit diesem Motorrad, das eine Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h besitzt und mit einer Gallone (= 3,785 l) Hydrazin 320 km weit kommt! 1970 scheint er an der Universität Graz zu unterrichten, wo er auch das offiziell erste Brennstoffzellen-Auto baut. Der umgerüstete Austin besitzt eine 6 kW Alkaline-Zelle, Tankflaschen auf dem Dach, dazu Bleibatterien und einen 20 kW Elektromotor.
Brennstoffzellen arbeiten umgekehrt wie das aus der Chemie bekannte Elektrolyse-Verfahren (s.u. Wasserstoff). Die Wichtigkeit der in der Brennstoffzelle stattfindenden ‚kalten Verbrennung’ erklärt sich aus dem Vergleich mit der direkten (heißen) Verbrennung von Wasserstoff. Hier kann nämlich – entgegen den theoretisch fast 100 % und praktisch immerhin 70 bis 80 % bei der Brennstoffzelle – nur ein Wirkungsgrad von 35 % erzielt werden, wobei außerdem noch 20 % der umgesetzten Energie für die Aufheizung des Wasserstoffs benötigt werden.
In der Brennstoffzelle findet dagegen eine (kalte) elektrochemische Reaktion zwischen dem Wasserstoff (als Brennstoff) und dem Sauerstoff (als Oxidant) statt. Die beiden Gase kommen nicht direkt miteinander in Berührung, sondern sind durch eine Elektrolyt-Membran voneinander getrennt. Nur der Wasserstoff, also das positiv geladene Proton, kann durch diese Membran passieren. Das dazugehörige Elektron bleibt zurück – dadurch wird die Wasserstoff-Seite der Membran negativ geladen, die Sauerstoff-Seite dagegen positiv. Es entsteht eine elektrische Spannung, die direkt genutzt werden kann. Durch das Prinzip der direkten Umwandlung produziert diese Reaktion elektrischen Strom, ohne daß hierzu irgendwelche Turbinen und Generatoren erforderlich wären. Als Abgas entsteht wiederum nur Wasser, die Methode ist also umweltfreundlich. Brennstoffzellen besitzen außerdem keine Verschleißteile. Eine etwas detailliertere Beschreibung der Funktion findet sich unten (s. Deutschland).
Die Brennstoffzelle ist dem Batteriekonzept technisch klar überlegen. Wenn die Stromquelle versiegt, kann das Betriebsmittel Wasserstoff in kürzester Zeit nachgetankt werden. Das Hauptproblem der Elektroautos, ihre begrenzte Reichweite, kann damit also gebannt werden. Auch beim Gewicht hat die Brennstoffzelle einen Vorteil, denn Batterien sind bei gleicher Kapazität mindestens dreimal so schwer wie ein vollgetanktes Brennstoffzellen-Aggregat (Stand 1994).
Die Weiterentwicklung dieser Transformationsmethode wird über eine lange Zeit hinweg vom Mangel an geeigneten Katalysatoren behindert, und noch 1968 müssen pro kW gewünschter Leistung rund 2 kg Platin die Katalysatorfunktion übernehmen. Die Entwicklung führt aber schnell dazu, daß schon 1978 – zehn Jahre später – für den gleichen Zweck nur noch 10 g Platin benötigt werden. Als Elektrolyten kommen hauptsächlich zur Anwendung: Salze der Kohlensäure, Phosphorsäure, Schwefelsäure und sogar Ameisensäure. Statt Wasserstoff können in der Brennstoffzelle als 2. Treibstoff (neben dem Sauerstoff) auch Propangas, Benzin oder Alkohol (z.B. Methanol, s.d.) genutzt werden.
Neben ihrer Anwendung als Antriebsenergiequelle von Elektroautos sind Brennstoffzellen besonders dafür geeignet, Spitzenbedarfszeiten zu decken und Stromschwankungen auszugleichen. Neben ihrem Einsatz in der Raumfahrt werden Brennstoffzellen insbesondere an Bord von U-Booten schon früh eingesetzt, wobei hier zumeist reiner Sauerstoff und Wasserstoff benutzt wird, was sich schon aus Preisgründen kaum für den ‚Normalgebrauch’ eignet.
In den USA werden in den 1980ern erste komplette Brennstoffzellen-Großkraftwerke errichtet. Der theoretische Wirkungsgrad beträgt bei Brennstoffzellen – wie bereits erwähnt – fast 100 %, im Labor werden 70 – 80 % erreicht, im realen Betrieb immerhin 30 – 50 %.
Ende der 1980er Jahre wird bei Zellen mit geschmolzenem Karbonat ein Wirkungsgrad von 63 % erreicht – allerdings erst bei Einrechnung der Abwärmenutzung von 538°C.
Viel Arbeit erfordern die material- und Lebensdauerfragen, dabei geht es u.a. um Dehnung und Korrosion der eingesetzten metallischen und keramischen Werkstoffe. Langfristig können Brennstoffzellen auch für die kommerzielle Stromerzeugung interessant werden, denn in Verbindung mit einem Gas- oder Dampfturbinen-Kraftwerk erwartet man von ihnen Wirkungsgrade von 65 % bis 70 %. In dieser Kombination treiben die heißen Abgase der Brennstoffzelle eine nachgeschaltete Gasturbine an, deren Abwärme anschließend noch für eine Dampfturbinenprozeß genutzt wird. Man rechnet allerdings kaum vor 2010 mit der entsprechenden Praxisreife (Stand 1995).
Inzwischen haben wohl alle Weltkonzerne der Elektrobranche, angefangen von GE über Mitsubishi bis zu Siemens und Westinghouse, ebenso wie die größten Batteriehersteller eigene Brennstoffzellen entwickelt. Und 1997 gibt es weltweit schon rund 150 Kraftwerke, in denen PAFCs in Betrieb sind.
Die wichtigsten Brennstoffzellen-Typen in einer Übersicht:
Bezeichnung |
Kurzform |
Betriebstemp. |
Elektrolyt |
Brennstoff |
Oxidant |
Einsatzgebiet |
Alkalische BZ (1) |
AFC |
80°C |
Kalilauge |
Wasserstoff |
Sauerstoff |
Verkehr |
Polymer- Elektrolyt-Membran-BZ (2) |
PEMFC |
20°C – 100°C |
Festpolymer |
Wasserstoff, Methanol |
Sauerstoff/ |
Verkehr |
Phosphorsäure BZ (3) |
PAFC |
200°C – 220°C |
Phosphorsäure |
Wasserstoff, Erdgas |
Luft |
Heizkraftwerk |
Schmelzkarbonat BZ |
MCFC |
650°C |
Lithium- und Kaliumkarbonat |
Erdgas, Kohlegas |
Luft |
Kraftwerk, Heizkraftwerk |
Oxidkeramische (Festoxid) BZ |
SOFC |
1.000°C (5) |
Zinkoxid oder Zirkonoxid |
Erdgas, Kohlegas |
Luft |
Kraftwerk, Heizkraftwerk |
Direkt-Methanol BZ (4) |
DMFC |
? – 130°C |
?? |
Methanol |
Luft |
Verkehr, Mobile Verbraucher |
Direkt-Flüssig-Methanol BZ (6) |
DLMFC |
? |
?? |
Flüssig-Methanol |
Luft |
Mobile Verbraucher |
(1) BZ = Brennstoffzelle
(2) auch ‚Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle’ genannt
(3) Diese Zellen haben einen Marktanteil von 94 % (Stand 1998)
(4) Dieser Zellentyp befindet sich noch im Stadium der Grundlagenforschung, Ballard erwarb 1998 eine Lizenz dafür
(5) Eine japanische Innovation konnte die Betriebstemperatur bis auf 350°C senken (s.d.)
(6) Eine israelische Firma entwickelte eine membranlose DMFC (s.d.)
Während die niedrigen Betriebstemperaturen schon nach wenigen Minuten Aufheizzeit erreicht werden, dauert es bei den SOFC noch einen halben Tag, um die benötigte Temperatur von 1.000°C zu erreichen. Dafür können diese Zellen auch mit jedem ‚wasserstoffhaltigen Eintopf’ gefüttert werden, da sie durch die enorme Hitze Erdgas, Kohle- oder Biogas in ihre Bestandteile, darunter natürlich auch Wasserstoff, zerlegen. Die Zellen mit niedrigen Arbeitstemperaturen können nur mit reinem Wasserstoff betrieben werden.
Die größten Anstrengungen werden auf dem Gebiet der fahrzeugtauglichen Brennstoffzellen erbracht. Neben den unten ausführlich dargestellten Entwicklungen in Deutschland, Japan und den USA beschäftigen sich auch Renault und Volvo mit dieser Technologie, die gemeinsam 1997 auf der Basis des Renault Laguna ein erstes Forschungsfahrzeug mit dem Namen ‚Fever’ vorstellen, das mit drei 10 kW Zellen bestückt ist, eine Reichweite von 400 km hat und eine Spitzengeschwindigkeit von 120 km/h erreicht. Betankt wird es mit ultratief gekühltem Wasserstoff.
Eine Studie der Unternehmensberatung Frost & Sullivan, die im September 1998 in der Frankfurter Allgemeinen veröffentlicht wird, beziffert den globalen Umsatz mit der Brennstoffzellen-Technik auf rund 82 Mio. $ – und prognostiziert bis 2004 eine Steigerung auf knapp 4 Mrd. $.
Im Sommer 2000 gibt die EU-Kommission bekannt, daß sie die Entwicklung von Brennstoffzellen-Fahrzeugen mit 90 Mio. € fördern wird. Zu dieser Zeit bieten Siemens und Westinghouse gemeinsam schon 220 kW Feststoff-Brennstoffzellen an, die mit eine Mikroturbine zusammen in einer modernen ‚Hybridkonfiguration’ angeboten werden und u.a. auch an die US Army verkauft werden. 200 kW entstammen dabei den 1.152 Keramikzellen, die weltweit erstmals unter Hochdruck betrieben werden – während die restlichen 20 kW von der Turbine stammen, die von den heißen Abgasen angetrieben wird.
Als Portal zum Thema Wasserstoff / Brennstoffzelle empfehle ich die entsprechende Seite des Smithsonian Instituts. Auf der Seite der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik GmbH hyweb.de gibt es außerdem eine umfassende timeline der Brennstoffzellen- und Wasserstoff-Fahrzeuge ab dem Jahr 2000.
Hier folgt jetzt die Länderübersicht mit weiteren Details zu Entwicklungen und Nutzungsbereichen der Bennstoffzelle.