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Eine weitere Quelle für Methan befindet sich auf dem Grund der Weltmeere. Das Methanhydrat oder Mathaneis galt bis vor wenigen Jahren als chemisches Kuriosum – während es heute als weltgrößte Reserve für die zukünftige (allerdings fossile!) Energieversorgung gehandelt wird. Ich möchte es deshalb in dieser Arbeit nicht außer acht lassen.
Gashydrate wurden bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts beobachtet, doch als eigentliches Entdeckerjahr (als künstliches Gebilde) gilt 1811. Lange Zeit unbeachtet wurde 1934 nachgewiesen, daß das ärgerliche Einfrieren von Gas-Pipelines in der kalten Jahreszeit unter anderem auf Gashydrate zurückzuführen sei. Und während man damals noch dachte, daß Gashydrate ausschließlich als künstliche Gebilde vorkommen, stieß man 1967 bei Bohrungen im sibirischen Permafrostgebiet auf natürliche Gashydrate. 1972 fand man sie dann in Alaska, 1974 in Kanada und 1982 im Golf von Mexiko. Inzwischen konnten Gashydrate fast in allen Weltmeeren nachgewiesen werden.
Wir wissen inzwischen aber auch, daß das Hydrat eine Gefahr für das Klima bilden kann. Denn Methangas in der Atmosphäre soll als Treibhausgas wirken – und dies sogar 32mal stärker als Kohlendioxid! Bereits Anfang der 1990er Jahre wurde im Rahmen des ‚Ocean Drilling Program ODP’ vor der Küste Chiles davor gewarnt, daß schon eine Erwärmung der Ozeane um nur wenige Grad große Mengen an Methan freisetzen würde. Bei Bohrungen in 3.000 m Tiefe hatte man in der obersten Gesteinslage von 100 – 200 m Dicke eine starke Anreicherung mit Gashydrat festgestellt.
Die Entstehung dieser Gashydrate ist zwischenzeitlich geklärt: Aufgrund der in der Tiefsee herrschenden Temperaturen von minus ein Grad bis plus fünf Grad Celsius und der hohen Drücke von 200 bis 300 bar haben sich an den Kontinentalabhängen der Ozeane Eiskristalle in riesigen Mengen zu Molekülkäfigen zusammengeschlossen, in denen Gasmoleküle – hauptsächlich das Erdgas Methan – eingefangen sind.
Im Laufe der Jahrmillionen sind bis zu tausend Meter mächtige Methanhydratlager entstanden, die heute mit einem Deckel aus jüngeren Sedimentschichten hermetisch abgedichtet sind. Andere Vorkommen finden sich auf den Kontinenten in Küstenregionen sowie in den Permafrostböden der Polarregion.
Das wie Schneematsch aussehende Gas-Wasser-Gemisch (‚graues Gold’ oder ‚brennendes Eis’), das chemisch zu den Clathraten (o. Klathrate) gerechnet wird und in der Atmosphäre bei Temperaturen über minus 36°C zerfällt, verbrennt unter normalem Druck mit rötlicher Flamme – wobei jeder Kubikmeter Gashydrat etwa 164 Kubikmeter energiereiches Methangas freisetzt.
Im Oktober 1995 begann eine Versuchskampagne, bei der 50 Wissenschaftler und Techniker aus 16 Nationen an Bord des Tiefseebohrschiffes ‚Joides Resolution’ vor der Küste North Carolinas das Vorkommen von Gashydraten erforschten. Am Blake Ridge fand man 268 m unter dem Meeresgrund die gesuchte Schicht, späteren Schätzungen zufolge sollen sich dort etwa 35 Milliarden Tonnen verbergen. Auch vor Oregon und im Golf von Mexiko wurden Vorkommen entdeckt. Nach weiteren Bohrungen und Hochrechnungen resümierten die Wissenschaftler, daß weltweit wohl an über 30 Stellen riesige Vorkommen liegen würden – insgesamt etwa 10.000 Milliarden Tonnen. Die darin gebundenen Gasreserven enthalten mindestens 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff, fast drei Mal soviel wie sämtliche derzeit bekannten Kohle-, Öl- und Gasvorkommen (Stand 1999).
Auch aus dem Nordatlantik wurden Funde gemeldet. Wissenschaftler des Geomar Forschungszentrum für marine Geowissenschaften in Kiel entdeckten ausgedehnte Felder im Meeresboden vor Norwegen, in der Barentssee und westlich von Spitzbergen. Die Eislagen wurden in 180 m Tiefe unter dem Meeresboden festgestellt, an manchen Stellen lagen ausgefällte Brocken des Gashydrats aber auch direkt auf dem Meeresboden. Die Gesamtfläche, auf der mit Gashydratvorkommen vor Nordwesteuropa zu rechnen ist, wurde auf 430.000 Quadratkilometer geschätzt – ein Gebiet weit größer als Deutschland. 1999 beteiligte sich Geomar auch an Forschungen vor der Küste Oregons, wo bei Fahrten dem Tiefsee-Tauchboot ‚Alvin’ auch mehrere 15 cm große Schlote entdeckt wurden, aus denen Gas perlte.
Weil die Reservoirs bedeutend tiefer unter Wasser und Sediment begraben sind als die meisten anderen fossilen Brennstoffe, ist bei der Förderung ein höherer Energieaufwand notwendig. Nach Berechnungen des Ingenieurs Gerald Holder von der Universität Pittsburgh würde die Energiebilanz trotzdem positiv ausfallen, da die Hydrate voraussichtlich 20 % mehr Energie liefern, als bei ihrer Gewinnung investiert werden muß. An dieser Stelle sieht man aber auch deutlich, daß die Förderung von Methaneis aus globalwirtschaftlicher Sicht eigentlich jeglicher Vernunft entbehrt, da 80 % des Energieumsatzes schon bei der Förderung vergeudet werden!
Trotzdem wird in verschiedenen Ländern an der Erforschung und Erkundung von Lagerstätten gearbeitet. Das US-Department of Energy hat 1998 ein Programm vorgeschlagen, das die kommerzielle Förderung von Methanhydrat bis zum Jahr 2015 ermöglichen soll. Japan gab bekannt, 50 Mio. $ in die Erkundung des Meeresbodens bei Hokkaido zu investieren. Die Japan National Oil Company hat 1998 in Alaska erste Versuche unternommen, den Brennstoff abzubauen. Und auch in Norwegen engagieren sich Erdölkonzerne mit Forschungsmitteln für Universitäten, obwohl frühere Versuche der UdSSR, das Gas mit Inhibitoren zu lösen und in größerem Maßstab abzubauen, wegen des großen Aufwands als nicht rentabel eingestellt worden waren.
Die EU fördert seit 1997 mit rund 4 Mio. DM das Forschungsprojekt HYACE (Hydrate Autoclave Corning Equipment System), das vom Institut für Maritime Technik der TU Berlin koordiniert wird und bei dem sechs europäische Länder gemeinsam drei verschiedene neuartige Probenahmegeräte entwickeln. Eines dieser Geräte ist ein Roboter, der in Meerestiefen bis fünf Kilometer vordringen und Gashydrat-Proben entnehmen kann. Der 10 m lange und nur 9 cm durchmessende Roboter wird im Inneren des Bohrgestänges bis zu den hydrathaltigen Sedimenten am Tiefseeboden hinabgelassen. Durch eine Öffnung am Ende des Gestänges dringt der Bohrroboter direkt in die eiskalten Gashydrate vor, nimmt eine Probe von einem Meter Länge und packt sie in einen Autoklaven, während gleichzeitig Temperatur und Druck gemessen werden. Der Roboter und der Druckbehälter mit der ‚konservierten’ Probe werden dann per Seilwinde wieder an Bord gezogen. Ab 2001 soll der Roboter vor der Küste Oregons eingesetzt werden.
An den Arbeiten zur Entwicklung der notwendigen neuen Fördertechnologien zur großtechnischen Verwertbarkeit von Methanhydrat beteiligt sich auch die Berliner Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau. Mit einer Ausbeutung sei aber frühestens in 1950 Jahren zu rechnen, da das bisherige geologische Wissen über diese Gasreserven noch viel zu gering sei. Bisher gibt es auch erst drei Möglichkeiten, wie sich Methanhydrat schnell und effektiv auflösen lässt: Man könnte Chemikalien in den Meeresboden spritzen, die den Schmelzpunkt des Methaneises herabsetzen, man könnte die Temperatur erhöhen – etwa mit heißem Wasser – oder den Druck verringern. Doch diese Methoden sind zu teuer oder zu langwiedrig.
Die o.g. Gefährdung durch die Erwärmung der Ozeane wurde zwischenzeitlich spezifiziert: Sollte die Erwärmung der Meere auch nur ein Prozent des in den Hydraten gespeicherten Methans entweichen, könnte die globale Temperatur um bis zu drei Grad Celsius ansteigen, schätze man an der TU Berlin, während man an der Universität von Michigan von einem Anstieg um zwei Grad ausgeht, dies aber bei einer Freisetzung von acht Prozent (Stand 1999).
Eine weitere Gefährdung hat Deborah Gordon von der Union of Concerned Scientists in Washington D.C. festgestellt: Methanhydrate zementieren die oberen Sedimentschichten an die steilen Kontinentalabhänge, wo der Meeresboden vom flachen Schelf zur Tiefsee hin abfällt. Werden die Hydrate aufgelöst, könnten ganze Abhänge ins Rutschen kommen, wovon wiederum Tsunamis ausgelöst werden könnten, jene meterhohen und oftmals tödlichen Flutwellen, die auch bei Seebeben entstehen. Da sich die Vorkommen – wie viele andere Lager – außerdem in Gebieten höherer Erdbebengefahr befinden, könnten die Methanhydrate in Abbaugebieten auch während eines Bebens in Bewegung geraten – mit unberechenbaren Folgen. Instabilitäten in den Lagerstätten können große Gasmengen auch eruptiv freisetzen, was im Meeresboden riesige Krater hinterläßt und eine große Gefahr für Bohrinseln bedeutet.
Methanhydrat kommt inzwischen auch schon in der Literatur vor: Sehr spannend
ist der Thriller ,Methan’ von Nicola Marni, dessen deutsche Übersetzung
2012 erscheint.
Die weitere Beschäftigung mit dem Methaneis soll allerdings den fossilen Brennstoffen vorbehalten bleiben, den ich in dieser Arbeit nicht berücksichtige.Doch kehren wir nun wieder zu der erneuerbaren Energienutzung zurück – hier in Form von Biokraftwerken und Biodiesel.