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WINDENERGIE - Ausgewählte Länder

Deutschland (1901 - 1980)


Aufgrund der Informationslage gibt es hier in Deutschland natürlich auch die meisten Informationen über deutsche Windprojekte, daher ist dieser Beitrag besonders lang. Er bildet einen detaillierten und repräsentativen Entwicklungsbericht über die Fortschritte der Windenergie innerhalb des vergangenen Jahrhunderts, wobei sich bei der Erstnennung der wichtigsten involvierten Unternehmen jeweils eine knappe Vita der betreffenden Firmen anschließt - unabhängig von ihren jeweiligen Erwähnungen im Zuge der fortlaufenden Chronologie.


Deutschland gilt lange Zeit als die Nr. 1 unter den know-how-Inhabern im Bereich der Windenergie. Die kulminierten Erfahrungen lassen sich bis in die 1930er Jahre zurückverfolgen, als der Ingenieur Hermann Honnef, der damals fast alle Funktürme baute, erstmals seine Planungen über Windkraftwerke vorlegt, die er auch mit experimentellen Untersuchungen erhärten kann (s.u.).

Doch selbst er hat diverse Vorgänger, die sich seit der Jahrhundertwende mit der Windenergie beschäftigen. In Deutschland werden ab 1900 vermehrt hochwertige Vielblatt-Rotoren nach amerikanischem Vorbild gebaut und eingesetzt. Die Anlagen gelten als sehr robust, sind allerdings auch teuer.

Ein Beispiel ist das 2 kW Windrad Herkules der Deutschen Windturbinenwerke Dresden, das 1905 hergestellt und bis 1965 auf einem Einödhof bei Starnberg zur Stromerzeugung genutzt wird. Das 5 m durchmessende Windrad besitzt 18 Stahlblechflügel von jeweils 2 m Länge, und die Turmhöhe bis zur Radmitte beträgt 14 m.

Zur Anpassung an hohe Windstärken und zur Verhinderung von Sturmschäden ist das Rad mit einem Eklipse-System ausgerüstet. Zuletzt deckte es jedoch nur noch einen kleinen Teil des steigenden Energiebedarfs, es steht heute im Deutschen Museum in München.

Zu den Tüftlern, die an eigenen Windmühlen arbeiten, gehört 1912 z.B. ein gewisser Maximilian G. Triller, dessen Anlage in Berlin rund 3,5 kW Leistung erbringt.

Im Jahr 1913 versuchen Bürger der Gemeinde Häg-Ehrsfeld in Baden-Württemberg eine WKA zu betreiben, doch das Projekt scheitert schon nach kurzer Zeit an der Genehmigung sowie an technischen Schwierigkeiten.

Um 1920 ist besonders Albert Betz aktiv, der seine Berechnungen zum Maximum der theoretisch möglichen Ausnutzung des Windes durch Windmotoren veröffentlicht, und der gemeinsam mit Kurt Bilau den sogenannten Ventikantenflügel entwickelt. Dieser Flügel ist aus Aluminium und in seinem aerodynamischen Prinzip dem beginnenden Flugzeugbau entlehnt.

Etwa zu dieser Zeit schlägt Anton Flettner für Schiffsantriebe den Einsatz von Schlepprotoren vor – die durch ihre Realisierung ab 1924 international als Flettner-Rotoren bekannt werden (s.d.).

Von 1923 bis 1926 erzeugt eine Windenergieanlage in Lauchheim-Mohrenstetten  (BW) elektrische Energie, doch der Betrieb ist sehr aufwendig und kann gegenüber den aufkommenden Netzanbindungen nicht bestehen.

1924 veröffentlicht Albert Betz sein Buch ‚Windenergie und ihre Ausnutzung durch Windmühlen’ und begründet damit die moderne physikalische Theorie der WKA.

Honnef vor einem Modell

Honnef vor einem Modell

Auch die wunderbaren technologischen Großleistungen namens Zeppeline waren mit Windladern ausgestattet. Das im Jahr 1928 in Dienst gestellte Starrluftschiff ,Graf Zeppelin hatte beispielsweise zwei kleine Wind-Dynamos - einen für die Funktechnik, den anderen für die Küche.

Der oben bereits erwähnte Konstrukteur und Stahlbauingenieur Hermann Honnef reicht 1930 sein erstes Patent zur Windenergienutzung ein. Im Jahr 1932 tritt er mit seinen ‚Großwindkraftwerken’ an die Öffentlichkeit.

Der Pionier plant Anlagen mit fünf Rotoren von je 160 m Durchmesser und 20 MW Leistung, die auf einem 250 m hohen Turm mit senkrechter Drehachse angebracht sind, spricht aber auch von 400 – 500 m hohen Turmkonstruktionen mit jeweils drei bzw. fünf Riesen-Doppelrotoren, die Ringgeneratoren zur Stromerzeugung besitzen. Rotor und Stator der elektrischen Maschine sind jeweils an einem der gegenläufigen Vielflügel-Rotoren angebracht. Die geplanten Durchmesser von 120 m für den Ringgenerator und 160 m Gesamtdurchmesser bedeuten allerdings erhebliche bauliche Probleme.

In Gruppen zu je fünf Anlagen sollen diese Anlagen etwa 50 MW erbringen. Honnef versteht zwar, eine hohe Lebenserwartung von über 50 Jahren mit einer einfachen Wartung der Windenergie-Stationen zu verbinden – doch leider werden seine Pläne nie realisiert, vermutlich wegen den damals als zu hoch betrachteten Kosten von etwa 4,6 Millionen Mark pro Anlagengruppe.

Honnef Offshore-Rotoren Grafik

Offshore-Anlagen von Honnef
(Grafik)

Ein weiteres – und wie wir heute wissen, äußerst weitsichtiges – Projekt beinhaltet Windkraftanlagen auf verankerten Pontons in der windreichen Nordsee. Sie sollen den Wind ernten wie ein im Kreis grasfressendes Schaf, das an einem Pflock angebunden ist. Der Ponton würde sich dadurch immer automatisch zur Windrichtung ausrichten.

1935 wird bei Berlin versuchsweise ein Windkraftwerk nach dem System Teubert gebaut. Dieses beinhaltet einen modernen 4-Blatt-Rotor, dessen Flügel mit automatischen Anstellwinkel-Steuerungen ausgerüstet sind, die von dem Flugzeugingenieur Georg König entwickelt werden.

Mitte der 1930er Jahre gibt es noch etwa 5.000 (alte) Windmühlen in Deutschland.

Mit Plänen für eine große Windkraftanlage tritt 1937 auch der Ingenieur Franz Kleinhenz aus Berlin-Treptow an die Öffentlichkeit, dem es gelingt, die Mitarbeit von namhaften Wissenschaftlern und Industriefirmen zu gewinnen.

Bereits 1932 hatte der Erfinder auf der Luftfahrt-Ausstellung DELA in Berlin (dem Vorläufer der ILA) am Stand der Firma Messerschmitt sein patentiertes ,Wochenend-Amphibium’ präsentiert, ein 7,6 m langes Flugboot mit 16 m Spannweite und Raupenfahrwerk, das zur Verbesserung der Startleistung mit einer Flüssigkeitsrakete ausgestattet ist, vermutlich aber nie geflogen ist. Das Patent für ein Flugboot wird auch in den USA erteilt (US-Nr. 1.922.769, 1931).

In Zusammenarbeit mit der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) in Gustavsburg kann Kleinhenz die Konzeption seines Groß-Windkraftwerkes ab 1938 erweitern und weiterentwickeln, woraus das Projekt MAN-Kleinhenz entsteht, dessen technische Merkmale auch heute noch sehr modern anmuten. Auf einem angespannten Stahlrohrturm mit einer Nabenhöhe von 250 m sollte nämlich ein 3- oder 4-Blattrotor mit einem Durchmesser von 130 m sitzen, mit einer Nennleistung von 10 MW.

Zwar ist das Projekt im Jahr 1942 bis zur Baureife gediehen, wie sich einem Artikel von Kleinhenz im Fachblatt Der Bauingenieur (Nr. 23) entnehmen läßt, die Realisierung wird allerdings aufgrund der Kriegsereignisse verhindert.

Versuchsfeld der Firma Ventimor

Versuchsfeld der Ventimor

Bereits 1939 wird die ,Reichs-Arbeitsgemeinschaft Windkraft RAW gegründet, ein Zusammenschluß von Vertretern aus Wissenschaft, Industrie und Politik. In selben Jahr wird in Weimar die Forschungsgesellschaft Ventimor GmbH gegründet, die im Auftrag des Staates Grundlagenforschung betreibt. Die Firma besitzt ein kleines Windtestfeld, auf dem verschiedene Rotoren untersucht werden.

In dem US-Magazin Popular Science vom August 1939 wird das Modell einer großen Windkraftanlage vorgestellt, die auf einen Peter Bendmann, vermutlich aus Berlin, zurückgeht.

Zu sehen ist ein Paar von riesigen Windmühlen, die - miteinander verbunden - im rechten Winkel angeordnet sind und sich auf einer Rundschiene bewegen können, um den Wind aus allen Richtungen einzufangen. Leider ist ansonsten nichts darüber zu finden.

In den 1940er Jahren wird die Windenergie in Deutschland intensiv erforscht, es werden verschiedene Testanlagen gebaut, die mit den Namen Hütter, Porsche, Honnef u.a. verbunden sind.

Honnef, der unter seinen Kollegen bislang nur als Gittermastexperte anerkannt ist, errichtet im Sommer 1941 auf dem Mathiasberg in Bötzow (Oberkrämer) ein Windkraft-Testfeld, auf dem Windanlagen mit Doppelrotoren bis 10 m Durchmesser erprobt werden. Spätere Untersuchungen ergeben jedoch, daß ein Doppelrotor nur 5 % mehr Leistung erbringt, aber gleichzeitig fast den doppelten Bauaufwand erfordert. Die größte Anlage auf dem Versuchsfeld hat eine Leistung von 15 kW. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges muß Honnef die Arbeiten beenden. Immerhin erhält Honnef im Juli 1952 für seine Verdienste um die Nutzung der Windkraft zur Energiegewinnung das Große Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Der Flugzeugingenieur Ulrich Hütter legt 1942 mit seiner Dissertation ‚Beitrag zur Schaffung von Gestaltungsgrundlagen für die Windkraftwerke’ den theoretischen Grundstein für moderne Windturbinen mit 2 oder 3 Rotorblättern. Hütter arbeitet an den Versuchsanlagen der Ventimotor GmbH, wird jedoch kurze Zeit darauf in die Rüstungsindustrie abgerufen.

In der Denkschrift Nr. 6 der RAW von 1943 berichtet ein Georg König aus Berlin über einen Windstromautomat 5 - 7,5 KW mit mechanischem Schnellregler, der anscheinend in Bornim-Potsdam errichtet wurde. Leider ist es mir bislang nicht gelungen nähere Details darüber zu finden, wobei es allerdings möglich ist, daß es sich um eine 15 kW Drehstromanlage von 1943 handelt, die Richard Triller in Berlin errichtet.

Diese Anlage hat 13 m Durchmesser, einen 26 m hohen Gittermast und ein Drehflügelkreuz. Sie speist ihren Strom in das öffentliche Netz ein. Gemeinsam mit anderen gründet Triller 1944 die Firma Nordwind GmbH, die Windkraftanlagen produziert, und die später von Allgaier aufgekauft wird.

Nach dem Krieg und seiner Freilassung aus der Gefangenschaft beschäftigt sich auch der Flugzeugkonstrukteur Willi Messerschmitt mit WKA, da die Alliierten im Zuge ihrer Bestrebungen, das Land zu demilitarisieren, den Flugzeugbau verboten hatten.

Hütter wiederum entwickelt bereits unmittelbar nach Kriegsende zusammen mit der Firma Schempp-Hirth Flugzeugbau in Kirchheim/Teck einen Einblattrotor mit 600 W Leistung. Eine anschließend gebaute 1,3 KW Anlage versorgt ab 1947 eine Hühnerfarm im nahe gelegenen Ohmden.

Der Fabrikant Erwin Allgaier aus dem württembergischen Uhingen bei Göppingen erkennt die Chancen der neuen Technik für seinen mittelständischen Maschinenbaubetrieb, und stellt Hütter 1948 als Chefkonstrukteur an. In unmittelbarer Nähe des Unternehmens wird ein Windtestfeld eingerichtet. Hütter entwickelt einen Dreiflügler mit zunächst 7,2 KW Leistung, bei dem es sich um das deutschlandweit erste Windrad mit aerodynamisch optimierten Flügeln handelt.

Im Jahr 1949 erfolgt in Stuttgart die Gründung der Studiengesellschaft Windkraft (StGW), welche die Windenergieforschung im Nachkriegsdeutschland unterstützt und als ersten Schritt ein 100 kW Projekt verfolgt. Ebenso erfolgt die Weiterentwicklung der Windkraft-Aerodynamik in Stuttgart, und zwar am dortigen Institut für Flugzeugbau am Pfaffenwaldring.

Ab 1950 baut die Firma Allgaier die ersten serienmäßigen Windkraftanlagen WE-10 mit 7,2 kW, von denen im Laufe der Folgejahre etwa 200 Stück produziert und teilweise auch exportiert werden. 1952 betreibt auch die Deutsche Bundesbahn eine WE-10 Windkraftanlage von Hütter. Auf dem Feldberg versorgt sie die Wetterstation und eine Richtfunkanlage mit Strom und ist bis in die 1960er Jahre hinein erfolgreich im Einsatz.

Hütter-Rotoren

Hütter-Rotoren

Zu dieser Zeit baut auch die Firma Porsche Windkraftwerke und testet diese auf ihrem Stuttgarter Firmengelände. Voith in Heidenheim, im Bau von Wasserturbinen erfahren, liefert Getriebe für Windräder, und Escher/Wyss in Ravensburg, ebenfalls mit der Wasserkraft groß geworden, stellt die benötigten Drehlager her.

In Stötten, nahe Geislingen auf der Schwäbischen Alb, wird 1956 ein großes Windtestfeld eingerichtet, und 1959 wird in Schnittlingen die ebenfalls von Hütter entwickelte StGW-34 aufgestellt. Die 100 kW Anlage ist ein Produkt der StGW und der Firma Allgaier und dient primär der Forschung. Ihre beiden jeweils 17 m langen Rotorblätter werden erstmals aus Glasfaserverbundwerkstoff (GFK) hergestellt – und bilden damit die größten Teile, die man bis dato aus dem neuen Material gefertigt hat.

Die Zwei-Flügel-Anlage von Hütter in Stötten speist ihren Strom zwischen 1957 und 1968 ins Öffentliche Netz. Dann muß diese Anlage allerdings demontiert werden, weil der von Hütter gegründete Trägerverein die Grundstückspacht nicht mehr aufbringen kann. Auf dem Foto sind zwei Exemplare der StGW-34 Anlage abgebildet, die als Urmodell aller modernen windnutzenden Geräte gilt.

Daneben installiert Hütter gemeinsam mit der US-Firma Automatic Power Inc. bereits 1958 einen kleinen Allgeier WE-10 Windgenerator mit 10 kW auf einer Ölplattform im Golf von Mexiko - das wohl erste Offshore-Gerät weltweit, das sich sogar gegen ein Dieselaggregat durchsetzt.

Bis in die 1950er Jahre gab es auch weiterhin etliche windbetriebene Papier-, Polier- und Pulvermühlen, Hämmer und Stampfer. Doch dann zahlt die Regierung Adenauer insgesamt 180 Millionen DM ‚Abschaltprämien’, um diese Mühlen ein für alle mal ‚aus dem Wind zu drehen’.

Auch die noch junge Technik der stromproduzierenden Windkraftanlagen wird bald darauf zum Auslaufmodell, und die Firma Allgaier stellt im Jahr 1961 ihr Windkraftengagement mangels wirtschaftlicher Perspektiven ein.

In Stötten wird 1966 zwar noch eine Windturbine mit 34 m Durchmesser und GFK-Rotorblättern probeweise in Betrieb genommen, deren Blattspitzen bei der Nenndrehzahl von 42 U/m eine Geschwindigkeit von etwa 270 km/h erreichen. Doch schon 1968 wird die Windenergieforschung in der BRD völlig eingestellt und die W 34 auf dem Testfeld in Stötten abgerissen, da andere Energieträger weit kostengünstiger angeboten werden und ökologische Erwägungen noch keinen Einfluß haben: In Obrigheim geht das erste kommerzielle Atomkraftwerk Deutschlands ans Netz. Die Kernforschungsanlage Jülich fabuliert bereits von fast 600 Atomreaktorblöcken, die bundesweit bis ins Jahr 2050 notwendig wären. Auch die Bundesregierung hegt ähnliche Vorstellungen und lehnt Atomkraftwerke selbst in Ballungsräumen ‚nicht grundsätzlich’ ab...

In den 1970er Jahren beginnen sich verstärkt private Erfinder wie auch Institute und Firmen mit der Weiterentwicklung von Windenergiesystemen zu beschäftigen. 1972 fragt auch plötzlich die NASA in Stuttgart an, ob Hütter seine alte W 34 nicht wieder bauen möchte. Er wird zu einem der wichtigsten Berater der NASA auf diesem Gebiet und arbeitet an 3 kW bis 6 kW Anlagen für Entwicklungsländer. Die Pläne der W 34, die verstaubt in irgendeinem Hinterzimmer aufgetrieben werden, kauft der US-Konzern Westinghouse, der die Anlage anschließend in Amerika nachbaut.

Gegenläufiger Rotor auf Tinnum

Noah-Doppelrotor

Ab Mitte 1973 steht bei Tinnum auf Sylt eine 70 kW Anlage namens Noah, die von der SG Energieanlagenbau GmbH Solingen errichtet wird. Auf einem 12 m hohen Mast befinden sich zwei gegenläufige 5-Blatt Rotoren von je 11 m Durchmesser. Die Herstellungskosten betragen nur 2.000 DM, der Transport und die Montage kosten 1.000 DM (!!).

Während des Sturms im Winter 1973/1974 wird die Anlage zwar stark beschädigt, danach jedoch wieder repariert und verbessert. Eine zweite 5-Blatt-Anlage wird 1976 in Fuhlenhagen aufgestellt.

1974 erfolgt auch die Gründung des Vereins für Windenergie-Forschung, dem frühesten Vorläufer des heutigen Bundesverbandes Windenergie, und 1975 übernimmt Hütter die Leitung des Forschungsinstituts Windenergietechnik an der TH Stuttgart.

1986 wird das Testfeld in Schnittlingen in ,Windenergie-Testfeld Ulrich Hütter’ umbenannt.


An der Technischen Universität Berlin wird 1974 (?) die IPAT gegründet - die Interdisziplinäre Projektgruppe für Angepaßte Technologie. Vorläufer sind die Aktivitäten einer Projektgruppe ,Angepaßte Technologie für Entwicklungsländer, sowie die PROKOL-Gruppe Berlin (Projekt kooperativer Lebensgemeinschaften), die aus einer Seminarveranstaltung mit Robert Jungk hervorgegangen ist. Deren Publikation ,Der sanfte Weg (Stuttgart 1976), ein Buch über umweltfreundliche ,sanfte Technologien, war schnell zum Kultbuch der Alternativtechnik geworden.

Zu den sechs Jungtechnikern, welche die IPAT gründen, gehören m.W. Jan Freels, der spätere Südwind-Gründer Jochen Twele, der bereits 2006 verstorbene Rüdiger Lutz, Ivo Krieg, sowie Rolf-Peter Owsianowski (der gut 10 Jahre später ein von mir vorgeschlagenes GTZ-Entwicklungsprojekt zum geschlitzten Rotorblatt ablehnt, da er „nicht daran glaubt“). Andere Namen, die ich noch verifizieren muß, sind Uli Werner und Friedel von Bismarck.

In den Räumen der TU-Berlin werden damals die ersten Biogasanlagen, Windräder und Solarthermie-Anlagen gebastelt, und die 1975 auf der Hannover-Messe ausgestellte Biogasanlage bildet den Vorläufer der heutigen Biogastechnologie.

Ebenfalls um 1975 herum wird die IPAT von der GTZ und dem BMZ unterstützt, als sie sich mit der Nutzung der Windenergie zur Förderung von Wasser aus tief gelegenen Flußläufen, Brunnen und Quellen für die Trinkwasserversorgung, Viehtränkung und Landbewässerung in Entwicklungsgebieten beschäftigt.

IPAT-Schlagflügelpumpe

IPAT-Schlagflügelpumpe

Die Konzepte der Projektgruppe beinhalten, daß die für den Windpumpenbau benötigten Materialien und Bauteile möglichst in den Anwenderländern selbst hergestellt werden sollen, ebenso wie die Instandhaltung dort erfolgen soll. In der Hauptsache beschäftigt man sich daher mit Schlagflügel-Windanlagen und Innenwalkring-Pumpen zur Wasserförderung.

Durch persönliche Korrespondenz mit Reimar Koerth, der damals als Zeichner für die IPAT arbeitetet, gelingt es mir, an einige Aufnahmen und weitere Informationen über die damaligen Entwicklungen zu kommen – vielen Dank dafür!

Zusätzlich zu einem Foto des Kippflüglers, einer der beiden damals entwickelten Versionen, die ich selbst in Dahlem gesehen habe und neben der ein kleiner Horizontal-Segelflügel-Rotor steht, kann man auf einem weiteren Foto eine entsprechend ,angepaßte’ Umsetzung sehen, bei der Ivo Krieg auf dem Mast steht.

Das Schlagflügelsystem ist für den Einsatz als windbetriebene Kolbenpumpe in Ländern der 3. Welt konzipiert und wird auf Hawaii (oder Tahiti?) getestet. Später wird die Anlage abmontiert und wieder zurück nach Berlin gebracht, wo sie bald darauf der Vergessenheit anheim fällt.

Der ebenfalls hier wiedergegebene Senkrechtachser mit Segelwindflügeln, an dessen Entwicklung auch J. Feels beteilgt ist, steht um 1978 in einem Berliner Gartenbaubetrieb.

Ebenfalls 1978 kommt die am Fachbereich Internationale Agrarentwicklung der TU angesiedelte IPAT nochmals in die Presse, als die Professoren Günter Axt und Burkhard Strümpel in einem abgelegenen Schuppen ein illegales Kraftwerk im Kleinformat in Betrieb nehmen. Das Mini-KWK Markenname Totem, eine Leihgabe von Fiat, liefert eine Stunde lang Heißwasser und Strom.

Hinweis: Inzwischen firmiert unter dem fast identischen Kürzel iPAT das Institut für Partikeltechnik der Technischen Universität Braunschweig.

Ein ähnliches Schlagflügel-System wird übrigens erst wieder im März 2007 publik, als das neu gegründete Unternehmen W2 Energy Development Corp. aus Santa Barbara, Kalifornien, eine ebenfalls oszillierende Windpumpe vorstellt. Entwickler der WindWing-Anlage ist Gene Kelley, den Patentantrag dafür hat er bereits 2005 eingereicht. Mehr über Schlagflügel-Windkraftanlagen findet sich in dem Kapitelteil Neue Designs und Rotorformen.


Zurück zur Chronologie:

Wagner-Rotor

Wagner-Rotor


Günter Wagner entwickelt in seinem Unternehmen in der Sylter Gemeinde List im Jahr 1975 verschiedene Windkraftanlagen zwischen 30 kW und 300 kW, wobei insbesondere die Prototypen der Wagner-Rotormodelle WR 120 mit 120 kW und WR 150 mit 150 kW umgesetzt werden. Ihre Herstellung erfolgt anfänglich durch die Burbacher Stahl- und Waggonbau GmbH in Saarbrücken., später durch das Windkraftunternehmen F. Tacke KG in Rheine, das später von Enron erworben und schließlich Teil von GE Windpower wurde.

Anfang der 1980er Jahre bekommt Wagner mit seinen Experimenten, bei denen er WKA auf ausgemusterten Schiffen installiert, einiges an Presse, muß aber auch viel Kritik einstecken und verschwindet bald darauf wieder in der Versenkung (s.u. Segelschiffe).


Auch das BMFT steigt nun wieder in die Windenergieforschung ein. Unter dem Druck der Öffentlichen Meinung fördert die Bundesregierung im Zeitraum 1975 – 1986 die Nutzung der Windenergie mit rund 200 Mio. DM, die in etwa 70 Projekte fließen. Von dem Geld gehen allerdings nur 34 Mio. DM in die Entwicklung und Konstruktion kleiner Windkraftanlagen; und im Vergleich mit den 16 Milliarden DM, die in demselben Zeitraum in die Atomindustrie gesteckt werden, wirkt der Betrag geradezu lächerlich gering.

Das Ministerium fördert u.a. den Betrieb einer 270 kW Anlage auf der Schwäbischen Alb, und mit 4,6 Mio. DM wird im Jahre 1978 die Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt (GKSS) in Geesthacht finanziert, um 4 Jahre lang kleine 10 kW Windanlagen zu untersuchen, wie sie zum damaligen Zeitpunkt angeboten werden. Die Installation der entsprechenden Versuchsanlagen erfolgt 1980 auf der nordfriesischen Insel Pellworm.

Doch schon 1982 zeigt sich, daß einige der getesteten 9 Kleinwindgeräten bereits vom ersten Sturm reparaturreif ‚geblasen’ werden. Andere können gar nicht erst als funktionsbereit abgenommen werden, und selbst bei den 4 Anlagen, die 1983 noch laufen, sind z.T. erhebliche Nachbesserungen notwendig. Wirtschaftlich läuft laut GKSS keine einzige dieser Anlagen. Eine weitere Analyse, die 1986 veröffentlicht wird, ergibt 5 nicht einsatzfähige, und 4 nur einigermaßen funktionstüchtige Anlagen. Nur eine in Dänemark hergestellte Anlage wird als störungsfrei bezeichnet.

1977 verwirklicht der Konstrukteur Wohlfahrt in Bartholomä im Eigenbau das moderne Konzept einer zweiflügeligen WKA. Ende der 1970er Jahre beginnt auch die Entwicklung der WEC-52 sowie der Debra-25 durch Voith und Hütter. Außerdem wird in Deutschland eine Größenunterteilung vorgenommen, die möglicherweise als Vorstufe zu einer DIN-Normierung gelten kann (Leistungsangaben bei Vollast):

  1. Kleinanlagen, Rotordurchmesser = 10 – 11 m, Leistung = 3 – 8 kW (Mit Akkumulatoren zusammen werden Kleinanlagen als ‚Windcharger’ bezeichnet).
  2. Mittlere Größe, Rotordurchmesser = um 36 m, Leistung = 100 – 300 kW
  3. Große Anlagen, Rotordurchmesser = 80 – 112 m, Leistung = 1 – 3 MW (Bezeichnung: ‚Wind-Konverter’)


Eine weitere BMFT-geförderte Anlage wird unter dem nicht gerade förderlichen Projektnamen GROWIAN bekannt (Große Windkraft Anlage). Es handelt sich um eine 3 MW Anlage, die in Zusammenarbeit der Universität Stuttgart, der Gesamthochschule Kassel, der DFVLR in Köln-Porz und der Firma MAN (die schon im 3. Reich der ‚Reichsarbeitsgemeinschaft Windenergie’ angehörte) konzipiert und errichtet wird. Ein 3-jähriger Probebetrieb soll entscheiden, ob ein technischer und wirtschaftlicher Einsatz von Windanlagen dieser Größenordnung überhaupt sinnvoll ist.

Für den 102 m hohen Stahlbeton-Turm, der mit einem 2-Blatt-Rotor vom 100,4 m Durchmesser versehen werden soll, wird eine Lebensdauer von 20 Jahren veranschlagt. Ende 1979 steht bei der DFVLR das erste maßstabgetreue Modell im Windkanal, wo es vor allem auf Schwingungsprobleme hin untersucht wird. Zu diesem Zeitpunkt werden die Kosten des Projekts auf 30 Mio. DM geschätzt.

Im Mai 1981 folgt der Baubeginn. Als Gesamtprojektkosten werden inzwischen etwa 100 Mio. DM veranschlagt, von denen das BMFT rund 24 Mio. DM übernehmen soll. Die Reinkosten für eine Anlage müssen in Serienfertigung bei 10 Mio. DM liegen, damit eine Nutzung nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen kann.

Die allein schon 40 Mio. DM (nach anderen Quellen sogar 52 Mio. DM) betragenden Baukosten des ersten Prototyps werden dann sogar zu 90 % vom BMFT getragen - als Betreiber wird von den Hamburgischen Elektrizitätswerken, der Schleswag in Rendsburg sowie den Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerken die ‚Growian Bau­ und Betriebsgesellschaft Hamburg’ gegründet.

Hans Matthöfer, seinerzeit Bundesforschungsminister, begründet das Millionenprojekt mit den Worten: „Wir wissen, daß es uns nichts bringt. Aber wir machen es, um den Befürwortern der Windenergie zu beweisen, daß es nicht geht.“ Einen Kommentar hierzu erspare ich mir...

Mitte 2007 meldet sich der in dieses Projekt ebenfalls involvierte Meßtechnik-Ingenieur Klaus Nolopp, ein alter Freund den ich schon aus Zeiten des ‚Wuseltronik’-Kollektivs in Berlin kenne, mit einer kleinen aber wesentlichen Korrektur, die ich hier gerne wortwörtlich zitiere:

"Du hast die Historie schön aufbereitet - ich bin mir aber nicht sicher, ob wirklich ALLE Beteiligten am Growian (dessen erste und auch letzte Betriebsstunde von meiner Frau Brigitte live miterlebt wurden!) dessen Scheitern zeigen wollten. Damit tut man sicherlich vielen Beteiligten unrecht.

Sicher gab es gerade bei den Hauptverantwortlichen einige, denen das Scheitern ganz gut in den Kram paßte, aber ebenso dürften auch etliche engagierte Leute dabeigewesen sein, die ganz einfach mit solchen Beanspruchungen nicht gerechnet hatten..."


Doch weiter mit der Chronologie des Growian: Im Februar 1983 ist der Bau abgeschlossen und man hofft, die Anlage bis Ende 1986 voll ausfahren zu können. Doch kurz nach der Inbetriebnahme am 11.07.1983 reißen drei der vier Bremsscheiben. Auch nach der offiziellen Einweihung am 17.10.1983 wird es nicht besser, und erst im Februar 1984 fließt zum ersten Mal Strom in das Netz der Schleswag. Zuvor muß sogar einer der Flügel nachgeklebt werden. Doch dann zeigen sich aufgrund gravierender Konstruktionsfehler der Rotornabe Risse im schwer zugänglichen Pendelrahmen.

Insgesamt läuft der Growian nur 18 Tage, wobei er ganze 80.000 kWh liefert. Statt den 250 Eigenheimen kann damit nur ein einziges Haus versorgt werden (!). Am 19. Tag läuft das 4 t schwere Lager heiß, die Kugeln müssen daraufhin gegen kleinere ausgetauscht werden. Mitte 1984 verweigert das BMFT die zur Reparatur benötigten 10 Mio. DM, und 1988 wird der Growian mit Millionenverlusten demontiert und abgewrackt.

Das Fazit ist niederschmetternd: In den ersten vier Betriebsjahren lief die Anlage insgesamt nur 419 Stunden (!) – und etwa die Hälfte der 87,2 Mio. DM an tatsächlichen Kosten und Fördermitteln waren regelrecht ‚vernichtet’ worden. Als einzig positives Element galt die im Rahmen des Projektes erfolgte Entwicklung des doppeltgespeisten Asynchrongenerators, der laut Erich Hau, einem der federführenden Ingenieure, später zu einem richtigen Verkaufshit wird.

In Industriekreisen wird trotzdem von einem Folgeprojekt Growian II geredet, das als Einflügler 5 MW Leistung erzielen soll. 1985 bis 1990 wird ferner eine Growian WKA-60 auf Helgoland errichtet. Von dieser Anlage werden allerdings nur 4 Stück gebaut, nachdem es an den CFK-Rotorblättern große Probleme mit Blitzschlag gibt, und die Versicherung den dritten Rotorblatt-Schaden nicht mehr bezahlt.

Auf dem ehemaligen Gelände des havarierten Growian werden 1989 diverse kleinere Anlagen zwischen 25 kW und 55 kW, sowie zwei 165 kW Anlagen aufgebaut, mit einer Gesamtleistung von immerhin rund 1,3 MW.

An dieser Stelle möchte ich auch noch ein Zitat des MAN-Ingenieurs und Fachbuch-Autors Erich Hau aus dem Jahre 2000 einflechten, da es die Situation Anfang der 1980er Jahre sehr gut darstellt und auch die obige Aussage von Nolopp bestätigt:

„Vor 20 Jahren haben alle großen Firmen, MAN, MBB, Dornier, Windkraftanlagen gebaut – mit erheblichen Fördergeldern von Bonn, nebenbei gesagt: Sie hatten alle keinen Erfolg. Das hat an mehreren Gründen gelegen. Das eine war natürlich, wie bei den Großen oft: Wenn die Fördertöpfe zuende gehen, wird das Interesse geringer. (Und) während wir in unserem Growian in hundert Meter Höhe saßen und uns den Kopf zerbrachen, was wir nicht noch alles machen könnten, um das Ding zu retten, sind die Windmühlen (aus Dänemark) über die Grenze gekommen. Die ersten Bauern in Norddeutschland haben die dänischen Maschinen gekauft. Und siehe da, die gingen. Die waren viel, viel kleiner, und man konnte mit diesen Maschinen einfach vernünftig Strom erzeugen. (...)

Wir haben zwar alle an die Sache geglaubt, wenn ich für die Leute sprechen darf, die von Anfang an dabei waren. Die tatsächliche Entwicklung aber hat keiner von uns geahnt.“

 

Weiter geht es mit der Entwicklung ab 1981 ...