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Das Mittelmeer-Projekt (Desertec)


Die Idee, den Mittelmeerraum und besonders die Länder Nordafrikas zur Energieversorgung Europas zu nutzen, ist nicht neu. Die Wissenschaftler des Club of Rome entwickelten diesen Vorschlag schon in den 1970er Jahren. Die hierfür benötigte Solarthermie-Technik – bei der anfänglich noch auf Wasserstoff als Energieträger gesetzt wurde – wird seit 1980 von Mitarbeitern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) auf der ‚Plataforma Solar’ bei Almería weiter verbessert. Doch erst in den 1990ern wird damit begonnen, sich ernstlich über eine Umsetzung Gedanken zu machen.

Ein weiterer Vordenker ist der aus Kamerun stammende Politikwissenschaftler und Dr. der Philosophie Jacob Emmanuel Mabe, inzwischen Professor für interkulturelle Philosophie an der TU-Berlin. 1994 stellte er die Projektskizze Energie für zwei Kontinente (doc) vor: ‚Solarthermische Kraftwerke in der Sahara für eine umweltverträgliche Energieversorgung in Europa und Afrika. Politische und völkerrechtliche Aspekte’. Eine weitere Veröffentlichung Mabes heißt: ‚Sonnenenergie in Afrika - von der Meerwasserentsalzung bis zur Begrünung des Sahels’. Mabe versucht jahrelang in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft Unterstützung und Geld für eine Umsetzung zu bekommen, leider vergeblich.

Der Physiker Gregor Czisch aus Kassel beginnt sich während seines Studiums Ende der 1980er Jahre in München mit Idee eines interkontinentalen Stromverbundes zu beschäftigen, der von Windstrom, aber auch von Biomasse, Wasser- und Sonnenstrom gespeist wird. An seiner Doktorarbeit arbeitet er sieben Jahre, schon im Jahr 2001 kann er dabei anläßlich der Jahrestagung des ForschungsVerbund Sonnenenergie ein Papier mit einer griffige Zahl vorlegen: Seinen Berechnungen zufolge, die auf einem  mathematischen Modell aus Wetterdaten, Installations- und Stromtransportkosten beruhen, kostet eine Kilowattstunde regenerativ erzeugten Stroms inklusive Transport bis zu den nationalen Drehstromnetzen nur 4,65 Cent – beim gegenwärtigen Technologie- und Kostenstand - und wenn man international kooperiert. 

Im Jahr 2005 folgt die Doktorarbeit (pdf) mit verschiedensten Szenarien, in der alle Details für jedermann nachvollziehbar dokumentiert sind. Sein Doktorvater Jürgen Schmid, Professor an der Universität Kassel, gibt Czisch die Bestnote summa cum laude. Dieser hofft, daß Politik und Wirtschaft nun umgehend handeln, doch die lassen sich Zeit. Ende 2005 kontaktiert er deshalb die Münchener Rück, die sich höflich bedankt – und den Vordenker anscheinend schnell vergißt. Nicht aber seinen Ansatz, wie sich inzwischen gezeigt hat.

Mittlere Globalstrahlung (1983 -1992, Czisch)

Mittlere Globalstrahlung
(1983 -1992, Czisch)

Czisch hatte sich aus auch der TREC-Initiative (s.u.), zu deren Gründungsmitgliedern er gehörte, frühzeitig zurückgezogen, denn dort wird das Desertec-Konzept sehr einseitig auf Grundlage von Solarthermie-Kraftwerken weiterverfolgt, während er ausgerechnet hatte, daß eine Nutzung der Windkraft als wesentlicher Leistungsträger wesentlich günstiger wäre. Dies wird wohl aufgrund der Interessenlage beim DLR aber weitgehend ignoriert. Auch eine Referentenstelle beim wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung zu globalen Umweltfragen ist nicht von Dauer, nachdem er schon in der ersten Sitzung den Teilnehmern vorwirft, mit falschen Zahlen zu hantieren. Später stellt sich heraus, daß er recht hatte – denn die Grunddaten hatte er schließlich selbst erarbeitet, sie wurden aber anschließend unsachgemäß  verwendet.

Nun wird Czisch von Manchem als Querulant betrachtet, was die bequemste Form ist, mit Vertretern unbequemer Sachverhalte unverantwortlich umzugehen. Heute arbeitet er national und international als Berater für Ministerien, Parlamente, Entwicklungsorganisationen und -banken, Industrieunternehmen, Parteien und NGOs. 2011, zum Zeitpunkt dieses Updates, verwundert ihn aber sehr das Desinteresse der Politik an zielgerichteten Beratungsleistungen, die - wie er und viele andere meinen - gerade in den Umbruchzeiten nach Fukushima gefragter sein müßten denn je. Ich glaube, Gregor Czisch würde sich daher sehr über interessante Jobangebote freuen, die ihm neue Perspektiven eröffnen würden, sich für die Gestaltung einer zukunftsträchtigen und klimaschonenden Energieversorgung einzusetzen.

Nicht vergessen werden darf an dieser Stelle auch der vierteilige deutsche Fernsehfilm Das Sahara-Projekt von Hans Noever aus dem Jahr 1993. In dem Film arbeitet der Forscher Thomas Altenburg schon seit Jahren an seinem Sahara-Projekt, durch welches Europa mit Solarstrom aus der Wüste versorgt werden soll. Parallel wird an dem alternativen Plan gearbeitet, mittels eines gigantischen Kollektorfeldes in einer Erdumlaufbahn Energie zu erzeugen und durch Mikrowellenlaser auf die Erde zu übertragen (siehe dazu: Solarsatelliten). Im Rahmen der Handlung werden auch die Folgen der Klimaerwärmung aufgezeigt: Die Polkappen schmelzen und Sylt versinkt im Meer.

Meine eigene Idee ist ein Sahara-Projekt, das speziell darauf abzielt, die zunehmende Fluchtbewegung von Afrika aus nordwärts zu stoppen. Hierfür müßten am Mittelmeer und an den Küsten Marokkos, Mauretaniens und West Saharas gewaltige Solarstromanlagen und ebenso große solarbetriebene Entsalzungsanlagen entstehen, die Süßwasser und Energie nach Süden transportieren um dort Flüchtlinge anzusiedeln. Wird diese Expansion weiter nach Süden vorangetrieben, wird ein wachsender, bewirtschafteter Grüngürtel gegen das Vordringen der Wüste nach Norden geschaffen, während der Aufbau einer Infrastruktur durch Hilfe zur Selbsthilfe erfolgt. Eine Utopie, ich weiß, aber eine machbare – und alleine darauf kommt es an.

Es gibt inzwischen noch viele weitere Ideen, Konzepte und Initiativen, auf die ich weiter unten noch zu sprechen komme. Doch nun zur Chronologie der Ereignisse ums Mittelmeer herum:

1992 veröffentlicht das BMFT die Studie ‚Systemvergleich und Potential von solarthermischen Anlagen im Mittelmeerraum’, an deren Erstellung zwischen September 1990 und September 1991 das ZSW, die DLR, Interatom/Siemens und das Ingenieurbüro Schlaich, Bergermann & Partner beteiligt waren. Untersuchungsraum sind die 19 Anrainer des Mittelmeers, sowie zusätzlich Jordanien und Portugal. Man errechnet insbesondere in Nordafrika eine potentielle Fläche von 0,51 Mio. km2, auf der die Anlagen errichtet werden können – unter Einbezug der maximalen Sonneneinstrahlung, und bei gleichzeitig ausreichender Nähe zu bereits bestehenden oder geplanten Stromnetzen bzw. Straßen. An dieser Fläche haben die Länder Ägypten, Libyen und Marokko zusammen einen Anteil von über 75 %. Die hier prinzipiell installierbaren Kraftwerke hätten eine Leistung von 12.000 GW, was dem Vierfachen des weltweiten Stromverbrauchs entspricht (Stand 1992).

Unter vorsichtigen Annahmen wird von einer bis 2005 erreichbaren Kapazität von 3.500 MW in den 16 Ländern des Mittelmeerraumes ausgegangen (die optimistische Variante nennt sogar 13.500 MW) – und bis 2025 könnten rund 23.000 MW (bzw. 63.000 MW) Solarstrom in die Netze eingespeist werden, was einen beachtlichen Anteil an dem für diesen Zeitpunkt in der Region erwarteten Bedarf von etwa 190.000 MW bildet. Mit einem derartigen Auf- und Ausbau solarer Kraftwerke ist bis 2005 ein Marktvolumen von 15 bis 60 Mrd. DM, und zwischen 2005 und 2015 von 90 bis 220 Mrd. DM verknüpft. Der Anstoß zum Bau derartiger solarthermischer Kraftwerke kann daher nur von den finanzstarken und technisch fortgeschrittenen Ländern kommen – so die Studie. Sollte sich ein weitreichender Stromverbund realisieren lassen, könnte auch ein Solarstromexport aus dem Süden in das Europäische Verbundnetz erfolgen.

Wie wir inzwischen wissen, verzögerte sich die Umsetzung in Wirklichkeit um weitere rund 10 – 15 Jahre; vielleicht möchte ein Koautor ja eine Analyse der hierfür maßgeblichen Gründe beisteuern, ich würde mich darüber freuen.

Seit Ende der 1990er Jahre wird das Mittelmeer-Projekt in erster Linie von der Erlanger Solar Millennium AG weitergeführt – und 2003 gründet der frühere Teilchenphysiker Gerhard Knies zusammen mit dem Hamburger Klimaschutz-Fonds und dem Jordanischen Nationalen Energieforschungszentrum die Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC), um die Umsetzung großer Solarthermie-Projekte voranzubringen.

Auch die Bundesregierung will diese Technologie als Exportchance der Zukunft weiter vorantreiben, und Solar Millennium wird zwischen 2001 und 2003 mit mehreren Millionen Euro unterstützt. Dabei handelt es sich um den größten Einzeletat innerhalb des deutschen Zukunftsinvestitionsprogramms der Bundesregierung für Hochtemperatur-Solarthermie.

Ich selbst habe im April 2004 die Gelegenheit, mir das Projekt ausführlich von dem damaligen Unternehmenssprecher Rainer Aringhoff beschreiben zu lassen, während wir – gemeinsam mit weiteren Industrie- und NGO-Vertretern – Bundesumweltminister Jürgen Trittin in den Jemen begleiten (ich in meiner Rolle als Dolmetscher), wo die fünfte und letzte Vorbereitungsrunde für die Weltkonferenz renewables 2004 im Juni in Bonn stattfindet.

Die Grundidee lautet demnach: Die sonnenreichen Staaten Nordafrikas und des Nahen Ostens bauen in ihren Wüsten Solarspiegel-Kraftwerke auf und produzieren Strom für den Eigenverbrauch und den Export. Mit der Restwärme der Kraftwerke sollen außerdem Meerwasser-Entsalzungsanlagen betrieben werden. Hinzu kommt der Bau eines europäischen Stromverbundnetzes aus Hochspannungs-Gleichstromübertragungsleitungen (HGÜ; englisch: High Voltage DC Cable, HVDC), die es erlauben, den Sahara-Solarstrom mit Windstrom aus Nordeuropa sowie Strom aus Wasserkraft aus Skandinavien und der Alpenregion zu vernetzen.

Ein bestechendes Konzept, dessen Technik auch schon erprobt ist: Die Firma ABB beispielsweise verlegt seit Jahren sowohl unterseeisch als auch an Land HGÜ-Kabel. (Beim Norned-Projekt im Jahr 2008 wird in 410 m Tiefe ein 580 km langes Kabel zwischen Norwegen und den Niederlanden gelegt. Die Aktion dauert zwei Wochen und kostet 600 Mio. €. Das 11 cm dicke Kabel verbindet seither die Stromnetze beider Länder.)

Solar Millennium plant, zusammen mit dem größten spanischen Anlagenbauer ACS-Cobra, in der Provinz Granada, Andalusien, im Herbst 2004 mit dem Bau des bislang weltgrößten Solarkraftwerks zu beginnen – als das erste von zwei 50 MW Parabolrinnen-Kraftwerken. Ab 2006 soll das Kraftwerk AndaSol-1 solaren Strom für 180.000 Einwohner der Provinz liefern.

Eine weitere Studie ‚Solarthermische Kraftwerke für den Mittelmeerraum’ vom Mai 2005, die ebenfalls vom DLR durchgeführt wird, bestätigt das Potential dieser Kraftwerke, die in den Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens die bis 2050 erwartete Verdreifachung des Strombedarfs decken zu können. In einer weiteren Studie untersucht das DLR, welchen Beitrag der Strom aus solarthermischen Kraftwerken der Mittelmeerregion langfristig zur Stromversorgung Europas leisten kann. Diese beiden, von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen, Studien TRANS-CSP und MED-CSP vertiefen die Idee eines Stromversorgungsnetzes, welches das Mittelmeer umfaßt und in erster Linie auf großen Solarkraftwerken basiert. Das Szenario, bei dem bis zum Jahre 2050 etwa 15 % des europäischen Stroms aus den Wüsten kommt, erfordert allerdings eine sehr enge Kooperation Europas mit den Ländern Nord-Afrikas und des Nahen Ostens.

Motor des Projektes ist zunehmend die TREC, die inzwischen zu einem internationalen Netzwerk von rund fünfzig Energieexperten geworden ist. Ihr Ziel ist die Etablierung von Energie-, Wasser- und Klimasicherheit für die Regionen Europa, Naher Osten (Middle-East) und Nord-Afrika (daher: EU-MENA), sowie ihre Kooperation auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, um diese Ziele zu erreichen. Mit Hilfe solarthermischer Kraftwerke und Windparks soll die Wasserentsalzung und Stromerzeugung vorangetrieben werden, um den Strom dann mittels Hochspannungs-Gleichstromleitungen in diesen Ländern zu verteilen und (mit nur 7 – 15 % Übertragungsverlusten) bis nach Europa zu leiten. Ein neues HGÜ-Netz in Europa könnte zu Teilen auch unterirdisch verlegt werden – ein großes Plus.

Weitere Unterstützer des Konzeptes sind inzwischen die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG), Greenpeace und der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung ‚Globale Umweltveränderungen’ (WBGU). Der Präsident des Club of Rome, Prinz Hassan bin Talal von Jordanien, ruft auf der Hannover Messe 2006 die europäische Industrie zu einer „Apollo-Programm ähnlichen“ Anstrengung auf, und lädt zu einem internationalen Kongreß im Frühsommer 2007 ein, um über die Umsetzung eines solchen Programms zu diskutieren.

Im Mai 2007 gründet die Solar Millennium AG zusammen mit dem Essener Industriedienstleister MAN Ferrostaal AG (die der Staatsfond Petroleum Investment Co. - IPIC - aus Abu Dhabi gekauft hat) eine eigene Baufirma für solarthermischen Großanlagen, die MAN Solar Millenium, die wenige Monate später auch eine Tochtergesellschaft in Dubai gründet. Zu diesem Zeitpunkt wird überlegt, ein Pilotprojekt in Gaza durchzuführen - als eine Art Initialzündung, die den Teufelkreis aus Mißtrauen und Mutlosigkeit durchbrechen soll. Das große Ziel, „es könnte der Stein sein, der die ganze Vision ins Rollen bringt“, wird durch die anschließenden politischen Entwicklungen jedoch schnell wieder gestoppt. Dabei könnte ein Solarthermie-Kraftwerk vom ägyptischen Sinai aus den gesamten Gaza-Streifen mit Strom und Wasser versorgen – mit genügend Kapazität für bis zu drei Millionen Menschen. Die Kosten hierfür sollen rund 4 Mrd. € betragen, die sich TREC-Berechnungen zufolge nach 15 Jahren amortisiert hätten.

Titelseite des EU-MENA Konzeptes

EU-MENA Konzept

Prinz Hassan präsentiert dem EU-Parlament Ende November 2007 das Weißbuch ‚Clean Power from Deserts - The DESERTEC Concept for Energy, Water and Climate Security’. Um das Projekt auf den Weg zu bringen, sind etwa 10 Mrd. € nötig. TREC und der Club of Rome fordern daher von der EU und ihren Mitgliedsstaaten die Einrichtung eines entsprechenden Fonds. Außerdem dürfe das Netz nicht den Interessen der Energiewirtschaft überlassen bleiben, statt dessen müsse eine „solare Energieallianz der EU-MENA-Staaten“ geschaffen werden. Auf der Webseite des Projektes liegen die Konzeptbeschreibung sowie die Studien in immerhin acht Sprachen vor.

Als Durchbruch der Solarthermie gilt übrigens die 2007 erfolgte Inbetriebnahme des 64 MW Kraftwerks Nevada Solar One bei Las Vegas, das der spanische Baukonzern Acciona für 250 Mio. $ errichtet hatte.

Mitte 2008 bildet das Projekt, Strom aus der Wüste zu holen, ein wesentliches Element der Union für das Mittelmeer aus den EU-Staaten, den Mittelmeeranrainern sowie Jordanien und Mauretanien (Union for the Mediterranean), eine Initiative des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, deren Ziel es ist, die Interessen der EU und Nordafrikas einander näher zu bringen. Die Mittelmeerunion setzt den 1995 begonnenen Barcelona-Prozeß der EU fort und soll um konkrete Projekte etwa zur Säuberung des Mittelmeers und zur Förderung der Erneuerbaren Energien herum aufgebaut werden. Im gemeinsamen Solarplan wird verkündet, bis zum Jahr 2020 in der Region 20 GW an Kraftwerksleistung aus erneuerbaren Energien zu installieren. Davon sollen 10 – 12 GW solarthermisch erzeugt werden. Die geschätzten Kosten dieser Variante betragen gegenwärtig 82 Mrd. €.

Beim Euroscience Open Forum in Barcelona, einer jährlich stattfindenden Konferenz mit Wissenschaftlern und führenden Geschäftsleuten, schlägt eine Forschergruppe um Arnulf Jäger-Walden vom Energieinstitut der EU ein völlig neues Stromnetz namens Supergrid vor. Dieses arbeitet mit Gleichstrom und höheren Spannungen, erstreckt sich von Marokko bis Sibirien und von Ägypten bis nach Skandinavien, und wird von diversen alternativen Energieformen gespeist. Der hierfür angesetzten Summe von jährlich 1 Mrd. € bis 2050 stehen Ausgaben von über 45 Billionen € (!) gegenüber, die der Ausbau der herkömmlichen EU-Energiesysteme nach Berechnungen der Internationalen Energie Behörde in den nächsten 30 Jahren verschlingen wird.

Im Januar 2009 wird die Desertec Foundation als gemeinnützige Stiftung gegründet. Stiftungsgründer sind die Deutsche Gesellschaft Club of Rome e.V., Mitglieder eines internationalen Wissenschaftlernetzwerks aus Europa, Nordafrika und dem Nahen Osten sowie engagierte Privatpersonen. Chef des Aufsichtsrats der neu gegründeten Stiftung ist der inzwischen pensionierte Physiker Knies, und als Mission wird die weltweite Umsetzung des Desertec-Konzepts zur Sicherung der Lebensgrundlagen für bald 10 Milliarden Menschen genannt. Um dies zu erreichen gründet die Stiftung speziell für die Mittelmeer-Region eine Industrieinitiative sowie das Desertec University Network.

Damit bekommt das Desertec-Projekt Mitte 2009 endlich eine umfassende Presse „Deutsche Konzerne planen 400-Milliarden-Euro-Sonnenkraftwerke in der Wüste!“, überschlagen sich die Meldungen. Der Hintergrund: In München unterzeichnen im Juli 2009 zwölf Unternehmen die Grundsatzvereinbarung zur Gründung der Desertec Industrial Initiative GmbH (DII): die federführende Münchener Rück (Munich Re) als eigentlicher Hauptinitiator, Siemens, die Deutsche Bank, die Energiekonzerne RWE und E.on, MAN, die HSH Nordbank, der Schweizer Industriekonzern ABB, die spanische Ökoenergie-Firma Abengoa Solar, die algerische Industriegruppe Cevital, der Anlagenbauer M+W Zander sowie die Fachfirma Schott Solar. Das Hauptquartier dieses Konsortiums wird in München aufgeschlagen, geleitet werden soll es durch den niederländischen Energiemanager Paul van Son.

Bis spätestens Ende Oktober wollen die beteiligten Firmen eine Planungsgesellschaft gründen, die anschließend drei Jahre lang viel Geld dafür ausgeben darf, um Investitions- und vielleicht auch Baupläne für die ersten Solarkraftwerke zu entwickeln. Schwerpunkt des Konsortiums sei eine ‚vertiefte Prüfung und Machbarkeitsstudie’.

Der Zeitpunkt dieser Ankündigung, die auch international durch alle Medien geht, läßt jedoch den Verdacht aufkommen, daß es sich primär um einen politischen Schachzug handelt. Nachdem nämlich aufgrund einer deutschen Initiative vom April 2008 etwa ein Jahr später die International Renewable Energy Agency (IRENA) gegründet wird, steht nun die Wahl des Hauptsitzes dieser Agentur an. Die Desertec-Bekanntmachung soll die Waage wohl zugunsten Bonns ausschlagen lassen... was dann jedoch nicht ganz klappt.

Immerhin einigt man sich Ende Juni 2009 auf eine Dreierlösung in der Hauptquartier-Frage: Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten wird Sitz der IRENA, Bonn wird Sitz des Innovations- und Technologiezentrums, und Wien erhält ein Verbindungsbüro für Kontakte zur UN im Bereich der  Energie sowie zu anderen internationalen Institutionen. In Abu Dhabi soll die neue Agentur in der ‚Ökostadt’ Masdar residieren, sobald diese fertig ist. Für den Aufbau des Zentrums in Bonn stellt die Bundesregierung 4 Mio. € bereit und erklärt sich einverstanden, für die laufenden Kosten einen jährlichen Betrag zwischen 2 und 3 Mio. € zu zahlen. In Relation zu der 1 Mrd. €, mit welcher der Bau eines 250 MW Parabolrinnen-Kraftwerks mit Salzspeicher zu diesem Zeitpunkt beziffert wird, sind dies wahrlich Peanuts.

Parabolsspiegel

Parabolsspiegel

In Bezug auf das Desertec-Projekt selbst hagelt es derweil Lob und Kritik zugleich – und quer durch alle Fakultäten: Die einen sprechen von einem Meilenstein für die weltweite Nutzung von Solarkraftwerken in Wüstenregionen und von der größten privaten Ökostrom-Initiative aller Zeiten, während andere eingestandene Energieexperten das Desertec-Projekt als ‚Fata Morgana’ bezeichnen, die politisch wie wirtschaftlich nicht ausreichend analysiert worden sei. Zum Teil sind den Kritikern aber auch die Mitglieder der Initiative nicht ganz geheuer, und E.on bzw. RWE werden verdächtigt, sich vielleicht nur deshalb beteiligt zu haben, um die Geschwindigkeit des Prozesses negativ zu beeinflussen. Schließlich bezeichnet sogar Fritz Vahrenholt, Chef der RWE-Sparte für erneuerbare Energien, die Erwartung, der Strom könne in großem Stil über die Alpen nach Deutschland transportiert werden, als ‚Wolkenschieberei’. Das Konkurrenzunternehmen Vattenfall hält das Projekt sogar für gänzlich unrealistisch.

Auch auf nordafrikanischer Seite gibt es Skepsis, denn man befürchtet einen europäischen Neo-Kolonialismus - diesmal auf dem Sektor der Erneuerbaren Energie. Umgekehrt könnten aber auch die nordafrikanischen Regierungen die Bedingungen für das Projekt als Druckmittel einsetzen, um in der Migrations- oder Exportpolitik ihre jeweiligen Interessen durchzusetzen. Misereor mahnt sogar, daß die Wüsten mitnichten ungenutzt sind, und daß auch die Rechte der Nomaden und Karawanen berücksichtigt werden müssen.

Ich denke allerdings, daß alle diese Sorgen unbegründet sind, denn in Marokko, Ägypten und Algerien werden ja bereits Solarthermie-Kraftwerke gebaut, auch wenn dies bislang noch relativ kleine Anlagen mit 15 bis 30 MW Leistung sind. Außerdem ist die Technologie keineswegs so kompliziert, als daß man sie nicht transferieren könnte – ähnlich wie dies beim Erdöl geschehen ist, das in vielen Ländern inzwischen auch durch lokale Fachkräfte gefördert und verarbeitet wird. Und wer die Wüste kennt, der weiß, daß ihre Größe und Weite auch nicht durch ein paar – im Verhältnis wahrlich winzige – Solarkraftwerke geschmälert werden kann. Auch die Befürchtung, daß die Spiegel der Kraftwerke durch den Wüstensand verschmutzt oder gar zerstört werden würden, kann nach über zwanzigjähriger Betriebserfahrung mit solarthermischen Kraftwerken in der Mojave-Wüste als unbegründet betrachtet werden, denn dort sind noch immer die Originalspiegel im Einsatz und kommen gut mit einer regelmäßigen Entstaubung aus.

Noch einmal: Solarkraftwerke werden gebaut – die Frage ist nur wann, wo, von wem und für wen. Bei Desertec geht man inzwischen jedenfalls davon aus, daß 2050 bis zu 80 % des Sahara-Stroms den rasant wachsenden Bedarf in Nordafrika decken, und nur der verbleibende Rest nach Europa geleitet werden wird. Dieser Rest soll dann rund 15 % des europäischen Strombedarfs decken. Der Solar Millennium zufolge ist schon eine zunehmende Nachfrage nach solarthermischen Kraftwerken zu verzeichnen. In Spanien ist bereits die dritte Anlage – Andasol III – im Bau, während in den USA drei Solarkraftwerke mit je 250 MW Leistung projektiert werden, mit einer Investition von 1 Mrd. $ pro Anlage.

Bislang gibt es weder Informationen darüber, wie viel das Wüstenstrom-Projekt tatsächlich kosten soll, noch wer dafür aufkommen wird oder in welchen Ländern die Kraftwerke letztlich gebaut werden sollen. Im Gespräch sind derzeit Kosten von rund 400 Mrd. € bis zum Jahr 2050 – was angesichts der erst vor wenigen Monaten sofort ausgezahlten und noch höheren Beträge im Zuge der sogenannten ‚Bankenrettung’ also nicht unrealistisch. Dieser Betrag teilt sich auf in 350 Mrd. € für die Solarthermie-Kraftwerke selbst, sowie 50 Mrd. € für das zu errichtende Leitungsnetz.

Trotz des großen Medienrummels bildet das Desertec-Projekt doch nur ein winziges Element der Palette aller globalen Energie-Potentiale, wie sie hier im Buch der Synergie aufgelistet sind. Obwohl es die bislang größte private Ökostrom-Initiative aller Zeiten darstellt.

Im August 2009 veröffentliche ich auf Telepolis einen frechen Kommentar in Form einer SF-Kurzgeschichte unter dem Namen LICHT (pdf). Die Story erscheint später auch im Orient-Fachmagazin Zenith, sowie zusammen mit der weiteren Kurzgeschichte Zehn hoch Dreiundzwanzig in der Hefte-Serie BunTES Abenteuer von Gerd-Michael Rose, Erfurt. Im Oktober 2010 belegt die Story LICHT den 2. Platz im SF-Kurzgeschichtenwettbewerb des DLR.

Desertec stößt derweil auch international auf zunehmendes Interesse. Mehrere Dutzend Konzerne wollen Mitglied in dem Konsortium werden, darunter der italienische Energieversorger Enel, der spanische Netzbetreiber Red Electrica España, der französische Energieversorger EdF sowie Unternehmen aus Marokko, Tunesien und Ägypten.

Bei der Gründung der Desertec Industrial Initiative GmbH (DII) im Oktober 2009 durch die o.g 12 Mitglieder wird beschlossen, zunächst die wirtschaftlichen, technischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen des Baus von Wüstenkraftwerken und grenzüberschreitenden Stromleitungen zu analysieren. Ein fertiges Konzept mit möglichen Standorten und den benötigten Investitionssummen soll dann im Jahr 2012 vorgelegt werden. Über die zwölf Gründungsgesellschafter hinaus werden vermutlich noch dieses Jahr weitere drei bis fünf Unternehmen aus verschiedenen Ländern als Gesellschafter oder Partner beitreten. In ihrem Koalitionsvertrag spricht sich die neue schwarz-gelbe Koalition für das Desertec-Projekt aus. Positive Signale kommen ferner aus Marokko, das in der nördlichen Sahara bereits geeignete Solarfelder identifiziert hat. Mehr auf Distanz bleibt dagegen Algerien, das mit Desertec nur dann zusammenarbeiten will, wenn auch Partnerschaften mit algerischen Firmen und ein entsprechender Technologietransfers vereinbart werden. Ganz meine Rede!

Solar Millennium plant über ihre US-amerikanische Tochtergesellschaft Solar Trust of America LLC inzwischen schon in größeren Dimensionen und will im kalifornischen Kern County drei Parabolrinnen-Kraftwerke mit 726 MW Gesamtleistung aufstellen. Im Oktober 2009 bestätigen die Citigroup und die Deutsche Bank die Sicherstellung der Finanzierung von jeweils mehr als 1 Mrd. $ pro Kraftwerk (mehr darüber steht in den Kapitelteilen über die solaren Hochtemperatur-Kraftwerke).

Etwa zeitgleich verstärkt die Siemens AG ihr Energie-Portfolio mit dem Kauf der israelischen Solel Solar Systems für 418 Mio. $. Solel ist einer der beiden weltweit führenden Anbieter von Solar-Receivern für Parabolrinnen. Außerdem ist das Unternehmen führend bei der Planung und dem Bau von Solarfeldern.

Im Dezember 2009 gibt der Fonds für saubere Energien der Weltbank bekannt, daß man zusammen mit weiteren Investoren 5,5 Mrd. $ bereitstellen wird, um fünf arabischen Ländern den Bau großer Solarkraftwerke zu ermöglichen, die zusammen rund 1 GW Strom erzeugen. Die Weltbank selbst will in den kommenden drei bis fünf Jahren mit einer Anschubfinanzierung in Höhe von 750 Mio. $ elf Anlagen in Algerien, Ägypten, Jordanien, Marokko und Tunesien auf den Weg bringen. Bis 2020 sollen dem Investitionsplan der Weltbank nach bereits 900 MW installiert sein. Die US-Blogs kommentieren dies eher humorvoll: Why should Germany have all the solar power fun?

Unter der Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) startet im Februar 2010 in Almería ein Unterstützungsprogramm für den Aufbau solarthermischer Kraftwerkstechnologie im Mittleren Osten und Nordafrika. Unter dem Namen enerMENA (Energy in Middle East and North Africa) soll das internationale Projekt den Weg für die technische und sozioökonomische Umsetzung des Desertec-Konzepts ebnen, indem die mitwirkenden Akteure besser vernetzt, Fachleute aus Partnerländern geschult und technische Unterstützung beim Bau geboten werden. Finanziert wird das Projekt vom Bundesaußenministerium.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle richtet im März 2010 eine ‚Task Force’ für die Koordinierung zwischen der DII und der Bundesregierung ein – und sagt dem Wüstenstrom-Projekt die Unterstützung der Regierung über die Exportförderung zu.

Die Industrieinitiative gewinnt derweil Klaus Töpfer als Unterstützer und Berater in strategischen Fragen. Was dieser beispielsweise mit einem Vortrag über das Projekt vor der Deutsch-Arabischen Freundschaftsgesellschaft (DAFG) in Berlin umsetzt – den ich die Ehre hatte, simultan ins Arabische zu übersetzen. Immerhin saßen im Publikum auch einige Botschafterinnen und Botschafter der arabischen Länder. Als ich Herrn Töpfer nach der Veranstaltung auf das Buch der Synergie hinwies und ihm anschließend einige Links (darunter zu eben diesem Kapitelteil hier) zusandte, erhielt ich wenige Tage später folgende erfreuliche und schmeichelhafte Antwort:

Das ist wirklich atemberaubend! Die Breite Ihres Ansatzes macht es verständlich, daß man an dieses epochale Werk nur sehr gezielt herangehen kann. Aber dies ist ohne jeden Zweifel enzyklopädisch hoch verdienstvoll. So danke ich Ihnen für Ihren Hinweis und werde mich immer wieder an die Möglichkeit erinnern, im ‚Khammas’ nachzulesen, wenn ich über bestimmte energierelevante Fragestellungen eine Übersicht erhalten möchte.


Klaus Töpfer bei der DAFG

Töpfer bei der DAFG
(auf dem Podium sitzend und
dolmetschend: der Autor )

Nun denn, lieber Klaus, da kann ich nur sagen: Erzähle es weiter! Und sorge dafür, daß endlich die Mittel freigegeben werden, damit das Buch der Synergie auch in andere Sprachen übersetzt wird.

Das Geld ist hier wesentlich effektiver angelegt, als an anderer Stelle - wobei das nun folgende Beispiel dem Faß nicht nur den Boden, sondern auch gleich noch den Deckel und die Dauben ausschlägt:

Obwohl die Solar Millennium im Geschäftsjahr 2008/2009 mit einem Konzern-Umsatz von 201,3 Mio. € das beste Ergebnis ihrer Unternehmensgeschichte erzielt, kriselt es gewaltig. Nur drei Monate, nachdem der ehemalige EnBW-Chef Utz Claassen im Januar 2010 sein neues Amt als Vorstandsvorsitzender angetreten ist, macht er von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch und entsetzt damit die Investoren des Unternehmens. Die Aktien von Solar Millennium stürzten um 34,1 % ab. Über die Hintergründe der Entscheidung hüllen sich die Beteiligten erst einmal in Schweigen.

Später wird bekannt, daß Claassen für seinen Posten als Vorstandschef eine sogenannte Antrittsprämie von gut 9 Mio. € brutto erhielt! Und obwohl er seine Tätigkeit nur 74 Tage lang ausübte, will er einen Großteil des Geldes behalten und reicht Klage ein.

Ich frage mich allerdings, wie ein Aufsichtsrat beschaffen sein muß, um sich einen Vertrag abhandeln zu lassen, wie ihn Claassen bekommen hat? In dem Fünfjahresvertrag werden ein monatliches Fixgehalt von 100.000 € sowie 40 Tage Jahresurlaub festgeschrieben, entgeltliche Nebentätigkeiten bis zu 25 % erlaubt, es gibt pauschale Erstattungen für Chauffeur und Bodyguard, Anspruch auf ein ‚Residence-Office’ mit Sekretärin an seinem Wohnort in Norddeutschland - und die Garantie für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall beträgt zwölf Monate, statt der gesetzlich vorgeschriebenen sechs Wochen. Ich enthalte mich lieber jeglichen weiteren Kommentars...

Das Unternehmen verklagt Claassen und verlangt die 9,18 Mio. € brutto zurück, die ihm das Unternehmen für den Antritt im Januar 2010 gezahlt hatte. Laut Solar Millennium konnte man kein einziges Neugeschäft finden, das von Claassen initiiert worden wäre. Dieser sei ganze 15 Tage im Büro gewesen. Claassen reagiert, indem er Solar Millennium wegen ‚systematischer Rufschädigung’ auf Schadensersatz verklagt – und später zusätzlich 7,1 Mio. € Abfindung verlangt, obwohl eine seit Monaten ausgehandelte Einigung unterschriftsreif ist, der zufolge Claassen 3 Mio. € seines Antrittsgelds behalten darf.

Das Unternehmen hat eigenen Angaben zufolge keinerlei Hinweise darauf, daß bei der Bestellung Claassens rechtliche Verstöße begangen worden sind. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aufgrund eines älteren Zwischenberichts einer lokalen Rechtsanwaltskanzlei zur Bewertung des Vertragswerks zwischen dem Aufsichtsrat und dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden trotzdem gegen das Unternehmen - wegen möglicher schweren Untreue und Verstößen gegen das Aktienrecht.

Im August 2011 wird bekannt, daß Claassen bereit sei, die Erträge aus seinem Rechtsstreit mit der Solar Millennium in eine Stiftung zur Förderung der Solarenergie einzubringen, falls die Klage auf Zahlung von 7,12 Mio. € erfolgreich sei. Der Mann verarscht nicht nur das Unternehmen, die Richter – sondern auch uns Normalbürger. Im September verständigen sich die Kontrahenten, bis Ende November eine außergerichtliche Einigung zu prüfen. Claassen behauptet inzwischen, daß der bei seiner Einstellung vorgelegte Businessplan zu keiner Zeit der tatsächlichen Konzernplanung entsprach, zudem sei das Unternehmen zum Zeitpunkt seiner Anheuerung ‚existentiell bedroht’ gewesen.

Inzwischen werden Firmengründer und Aufsichtsrat Hannes Kuhn und zwei weitere Personen von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wegen Betrugs im besonders schweren Fall angeklagt. Sie sollen zwischen 2002 und 2006 die Kapitalanleger mit geschönten Bilanzen der inzwischen insolventen DM Beteiligungen AG geködert haben. Von den Inhaberschuldverschreibungen über 143 Mio. € von rund 9.000 Anlegern fehlten bei der Insolvenz im Jahr 2006 immerhin 90 Mio. € (Stand Mitte 2011).

Außerdem berichtet das Magazin Wirtschaftswoche seit mehreren Monaten über mögliche Unregelmäßigkeiten bei der Bilanzierung, was Solar Millennium jedes Mal entschieden zurückweist. Nun gibt der Aufsichtsrat bekannt, daß er die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte mit einer Sonderprüfung der Bilanzen beauftragt hat, um alle Zweifel auszuräumen. Tatsächlich endet diese Prüfung ohne belastende Ergebnisse – und das Unternehmen erstattet wegen dringendem Verdacht auf Geheimnisverrat sowie Rufschädigung Strafanzeige gegen Unbekannt. Grund sind mehrfache Anfragen von Medien, denen offenbar bewußt irreführende und rufschädigende Informationen zugespielt worden seien.

Mitte März 2010 tritt das US-Solarunternehmen First Solar Inc. aus Arizona  der DII als assoziiertes Mitglied bei (Associated Partner), vorerst für drei Jahre. Es ist das erste reine Photovoltaik-Unternehmen, das bei Desertec mitmacht, da man der Meinung ist, daß die wartungsarme PV-Technologie, die schrittweise installiert und trotzdem sofort saubere Energie liefern kann, eine ideale Ergänzung zu den anderen Technologien der Initiative darstellt.

Zur gleichen Zeit steigen als feste Mitglieder vier neue Unternehmen ein: Enel Green Power (Italien), Red Eléctrica de España (Spanien), NAREVA Holding (Marokko) und Saint-Gobain Solar (Frankreich). Nach Verhandlungen mit der marokkanischen Regierung soll den Bau der ersten Sonnenkraftwerke im dortigen Teil der Sahara starten, da das Land eine bereits existierende Gleichstromleitung durch die Straße von Gibraltar besitzt, die als Teststrecke für die interkontinentale Einbindung von Solarstrom ins europäische Verbundnetz dienen kann.

Marokko selbst will 9 Mrd. $ investieren, um bis zum Jahr 2020 in fünf Solarkraftwerken 2 GW Energie produzieren zu können. Diese Kraftwerke sollen in den Regionen Ouarzazate, Ain Bni Mathar, Foum Al Oued, Boujdour und Sebkhat Tah errichtet werden, wobei die erste Station voraussichtlich 2015 in Betrieb gehen wird.

Im April 2010 wird Rainer Aringhoff Geschäftsführer der DII. Dieser war bereits für Solar Millennium an der Projektentwicklung der ersten Andasol-Parabolrinnen-Kraftwerke in Südspanien beteiligt und gilt als einer der profundesten Kenner des Marktes solarthermischer Kraftwerke. Als neuer assoziierter Partner schließt sich die 3M Deutschland GmbH mit Hauptsitz im US-Bundesstaat Minnesota der DII an. In der deutschen Hauptverwaltung der 3M in Neuss wurde 2009 das Know-how für die Solar- und Windindustrie in der Sparte Renewable Energy zusammengefaßt und zugleich ein europäisches Forschungszentrum für Wind-, Sonnen- und Geothermische Energie aufgebaut.

Mit der Umsetzung eines Desertec-ähnlichen Konzeptes beschäftigt man sich auch in Großbritannien. Die Projektgesellschaft Nur Energie Ltd. in London arbeitet seit 2008 an Plänen zum Bau eines solarthermischen Großkraftwerks in Tunesien, dessen Energie über eine Gleichstrom-Hochspannungsleitung durch das Mittelmeer nach Süditalien geleitet werden soll. Im Endstadium ist ein Kraftwerk mit einer installierten Leistung von 2 GW geplant. Hinter Nur Energie steht unter anderem der Cleantech Investment Fonds Hazel Capital in London. Die Investitionssumme wird (extern) auf rund 4 Mrd. € geschätzt.

Das britische Unternehmen gibt im April 2010 bekannt, daß es ein weiteres assoziiertes Mitglied der DII wird. Nur Energie ist an der Entwicklung von zwei solarthermischen Kraftwerken in Griechenland (jeweils rund 50 MW) sowie an einem der größten Projekte auf dem Sektor der Gebäudeintegrierten Photovoltaik (Building Integrated Photovoltaic, BIPV) auf dem Dach des Hafengebäudes von Marseille beteiligt (11,5 MW). Für den Süden Tunesiens plant die Firma einen Solarthermie-Kraftwerkspark mit etwa 2 GW – samt Kabelanbindung durchs Mittelmeer nach Europa.

Mitte des Monats wird im ägyptischen Kuraymat die letzte der 2.000 Parabolspiegel-Kollektoreinheiten der ersten solarthermischen 150 MW Großanlage des Landes fertig montiert und im Solarfeld installiert (s.u. Hybridanlagen). Das Projekt der Firmen Solar Millennium, Ferrostaal AG und Flagsol GmbH ist zwar kein offizieller Teil von Desertec – wird allerdings als eine Art Vorläufer betrachtet. Ans Netz gehen soll die Anlage im Herbst.

Im Mai 2010 meldet die Presse, daß nun auch ein französisches Industriekonsortium eine Wüstensolarstrom-Initiative namens Transgreen gründen will, um unter dem Meer ein Stromnetz zu verlegen, mit dem Solarstrom aus Nordafrika nach Europa gebracht werden kann. Personen aus dem Umfeld der Transgreen-Gründung sprechen allerdings nicht von einer Konkurrenzsituation, man setze statt dessen auf Kooperation. Bestätigt wird dies, als einer der zwei Präsidenten des deutsch-französischen Sachverständigenrates mit besten Beziehungen nach Deutschland Geschäftsführer der Transgreen wird.

Im selben Monat übernimmt Solar Millennium mit 74,9 % der Anteile die unternehmerische Führung der Flagsol GmbH, die restlichen 25,1 % verbleiben im Besitz der Ferrostaal Gruppe. Die unternehmerischen Schwerpunkte sollen in der Technologieentwicklung und -umsetzung solarthermische Kraftwerke mit Parabolrinnen-Solarfeldern liegen.

Das französische Konsortium Transgeen (später: Projekt Medgrid) wird im Juni 2010 gegründet – Mitglieder sind die Electricité de France, Alstom, Nexans und RTE. Auch Siemens, das schon dem Desertec-Konsortium angehört, schließt sich der neuen Initiative an.

Desertec-Konzept Grafik

Desertec-Konzept (Grafik)

Zeitgleich kritisiert der deutsche EU-Energiekommissar Günther Oettinger Desertec wegen dessen ‚Kolonialstil’. Das Projekt sei den Afrikanern gar nicht vorgestellt worden. Oettinger betrachtet Desertec als Mehrgenerationenprojekt, welches allein schon wegen der Milliarden-Investitionen auf europäischer Ebene entwickelt werden müsse. Bei einem Treffen mit den Energieministern der Maghrebstaaten in Algier gelingt es ihm sicherzustellen, daß diese ihre Strommärkte weiter vereinheitlichen, um eine systematische Lieferung von Solarstrom in die EU zu erleichtern. Brüssel unterstützt diese Sache bereits seit 2007.

Im Juli tritt das Management- und Technologieberatungsunternehmen BearingPoint als weiterer ‚Associated Partner’ der DII bei. Und auch Transgreen hat zwischenzeitlich schon wesentlich mehr Mitglieder, denn mit den neuen Partnern Abengoa, AFD, Areva, Atos Origin, CDC infrastructure, Prysmian, Red Eléctrica de España und Taqa Arabia sind es bereits dreizehn Unternehmen.

In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), mehrere Bundesminister und Konzernchefs beklagt sich Desertec-Chef Paul van Son im August 2010 über zu wenig Unterstützung durch die Bundesregierung. Auch der Nationale Aktionsplan für erneuerbare Energie äußere sich leider eher zurückhaltend zu Desertec - Deutschland drohe daher seine Vorreiterrolle bei dem Projekt zu verlieren. Eine schlechte Nachricht kommt auch aus Algerien, wo man offiziell beschlossen hat, sich nicht an der Desertec-Initiative zu beteiligen.

Im Oktober meldet die Presse, daß die US-Amerikanische Solarturm-Firma BrightSource Energy Inc. und die französische Energiefirma Alstom (Mitglied von Transgeen) eine Partnerschaft gebildet haben, um insbesondere in den Mittelmeerländern und Afrika solarthermische Kraftwerke zu bauen. Alstom hatte erst drei Monate zuvor 55 Mio. $ in BrightSource investiert und war dadurch zu einem der Hauptaktionäre des Unternehmens geworden. Seitens BrightSource handelte es sich dabei um den Teil einer Kapitalerhöhung von insgesamt 176 Mio. $. Zu den Plänen der neuen Partnerschaft gibt es noch keine näheren Angaben.

Ende Oktober ist offizieller Projektstart für einen Solar-Atlas des Mittelmeerraums, um Initiativen wie Desertec oder den Solarplan für das Mittelmeer voranzutreiben. Das DLR wird innerhalb von zwei Jahren und gemeinsam mit internationalen Partnern umfangreiches Kartenmaterial erstellen, das verläßlich Auskunft über das jeweilige Potential der Sonnenenergie gibt. Der Atlas wird auf Basis von hochaufgelösten, bis auf 1 km genauen, Satelliten- und Erdbeobachtungsdaten der Solarstrahlungsressourcen im Mittelmeerraum erarbeitet und mit bestehenden Bodenmessungen der Region kombiniert und soll ab 2012 eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Investition in Solarkraftwerke bilden. Der Zugriff auf die Daten soll dann über ein interaktives Webportal möglich sein. Das Projekt ist Teil der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI), und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit fördert die Initiative aufgrund eines Beschlusses des deutschen Bundestages.

Ich glaube allerdings, daß Deutschland samt seinen ‚internationalen Partnern’ hier einmal mehr zu spät kommt, denn das US-Unternehmen 3Tier aus Seattle hat bereits im Oktober 2008 eine Karte der Sonneneinstrahlung auf der westlichen Hemisphäre freigeschaltet, und das Projekt REmapping the World im März 2010 mit sehr detaillierten Karten der weltweiten Solar-, Wind- und Wasserkraft abgeschlossen.

Bei seinem Besuch in Marokko Mitte November 2010 sagt der deutsche Außenminister dem Land Unterstützungsgelder zur Förderung erneuerbarer Energien in Höhe von 43 Mio. € zu.

Aufgrund der politischen Entwicklungen in den arabischen Ländern ab Anfang 2011 gewinnt das Desertec-Projekt zunehmend an Wichtigkeit.

Nachdem Anfang Februar 2011 ein Presseartikel erscheint, in dem es heißt, daß die Wahrscheinlichkeit wächst, daß im Rahmen der Desertec-Initiative solarthermische Kraftwerke unter anderem in der von dem Königreich Marokko besetzten Westsahara errichtet werden sollen, erklärt die DII, daß sie definitiv kein Kraftwerk in der Westsahara planen oder errichten wird, da bei der Standort-Auswahl auch politische, kulturelle und ökologische Aspekte sorgfältig berücksichtig werden.

Nach der Klage über die zu geringe Unterstützung durch die Bundesregierung, giftet diese zurück: Bundeswirtschaftsminister Brüderle fordert die Mitgliedsunternehmen dazu auf, ihr Engagement mit konkreten Vorschlägen unter Beweis zu stellen. In Bezug auf die aktuell angespannte Lage in vielen nordafrikanischen Ländern geht er davon aus, daß große Gemeinschaftsprojekte wie Desertec den betreffenden Ländern eine langfristige wirtschaftliche Perspektive bieten und stabilisierend wirken können. Immerhin steigt der Energieverbrauch in den Maghreb-Ländern derzeit um gut 5 % pro Jahr (Stromverbrauch um 8 - 9 %) und basiert zu 96 % auf fossilen Energieträgern, vor allem Öl.

itte Februar richtet die Bundesregierung eine deutsch-marokkanische Wirtschaftskommission ein und bringt eine gemeinsame Kooperationserklärung des deutschen Umwelt- und des marokkanischen Energieministeriums auf den Weg, um dem Desertec-Projekt notwendigen politischen Rahmen zu geben. Durch eine umfassende Energiepartnerschaft mit Marokko soll der nordafrikanische Markt für deutsche Unternehmen, auch über die Desertec-Gesellschafter hinaus, geöffnet werden.

Desertec selbst betrachtet den demokratischen Umbruch im Maghreb als Chance, befürchtet jedoch eine kurzfristige, aber vorübergehende Projektverzögerung.

Ebenfalls im Februar tritt das italienische Finanzinstitut UniCredit der Desertec Industrial Initiative bei.

Im März 2011 bestätigt Solar Millennium einen starken Gewinneinbruch, da das 2010er Konzern-Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern bei nur 0,7 Mio. € liegt – im Gegensatz zu 52,3 Mio. € im Vorjahr. Dem Unternehmen zufolge würden die Solarkraftwerks-Projekte in Spanien und den USA jedoch gut vorankommen.

Die Union für das Mittelmeer gibt im März 2011 die vier wichtigsten Ziele des Mediterranean Solar Plan (MSP) bekannt, der zu 20 GW Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2020 führen soll. Da die involvierten Personen vermutlich in ihrem ganzen Leben noch nicht einmal einen einfachen Sonnenkollektor eigenhändig zusammengeschraubt haben, braucht man sich nicht darüber wundern, daß sie kaum über den Rand ihrer Schreibtische hinausblicken können. Und so hören sich die vier Ziele dann auch an:

  • 1: Herausfinden, wie marktgerechte Projekte für erneuerbare Energien in großem Umfang geschaffen werden können, um in allen Partnerländern die Energiekosten zu senken und die Effizienz zu steigern.
  • 2: Anstelle einer ‚road map’ für den Frieden, solle eine für die Solarstromerzeugung erstellt werden, d.h. ein Solarplan der kurz-, mittel- und langfristig notwendigen Schritte zur Erreichung der Ziele im Energiebereich.
  • 3. Es soll eine Plattform geschaffen werden, auf der die Vertreter der Mitgliedsstaaten - von denen viele bereits eigenen Ambitionen im Bereich der Erneuerbaren Energien folgen - ein Forum finden, um sich zu treffen und Ideen auszutauschen.
  • 4. Schließlich soll der Solarplan als Schnittstelle und Drehscheibe für Projekte und Initiativen auf nationaler und regionaler Ebene dienen.


Ich glaube, von derartig weltfremden Theoretikern – wir haben schließlich bereits das Jahr 2011, und alle vier genannten Ziele sind schon mehrfach aufgestellt und erreicht worden (!) - braucht Desertec nicht viel zu befürchten.

Im Juni, und in Anwesenheit von König Mohammed VI, unterzeichnet die DII mit der marokkanischen Agentur für Solare Energiesysteme (Masen) einen Kooperationsvertrag, um den Export der riesigen erneuerbaren Energiereserven Marokkos nach Europa zu unterstützen. Möglicherweise ist dies der erste Schritt, um die Initiative mit dem bislang separaten Energieplan des Landes zu vereinen. Die königliche Familie kann auf das DII-Projekt direkt Einfluß nehmen, da sie die Mehrheit an der Nareva Holding hält, dem marokkanischen Desertec-Mitglied.

Im Juli 2011 tritt als erste staatliche Universität in Deutschland die TU Dresden dem Desertec-Universitätsnetzwerk (Desertec University Network, DUN) bei, das neben der gemeinnützigen Desertec Stiftung und dem Industriekonsortium DII den dritten Eckstein des Großprojektes bildet. Das 2010 in Tunesien gegründete und von Mouldi Miled geleitete DUN soll Detailfragen des Wüstenstromprojektes aus transdisziplinärer und interkultureller Sicht wissenschaftlich erforschen, ihm gehören zu diesem Zeitpunkt bereits 21 führende Universitäten und Forschungseinrichtungen aus zehn Mittelmeer-Anrainerstaaten an. Zu den Gründungsmitgliedern zählen die Universitäten von Kairo in Ägypten, Amman in Jordanien, die Université des Sciences et de la Technologie d'Oran im Norden Algeriens, die Al-Fateh-Universität in Tripolis, Libyen, die Ecole Nationale d'Ingenieurs in Tunesiens Hauptstadt Tunis sowie mehrere Einrichtungen in Marokko, darunter die Ecole Nationale Supérieure d'Electricité in Casablanca. Für Deutschland nimmt die Bremer Jacobs University teil. Das Projekt soll die lange vernachlässigte Zusammenarbeit zwischen Afrika, dem Nahen Osten und Europa stärken.

Für Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden und nun auch Vorsitzender des Beirates der DII wird, gilt Desertec als das bisher wichtigste Projekt für eine nachhaltige Energieversorgung der Menschheit, sodaß er es mit dem NASA Programm zur Mondlandung vergleicht.

Ebenfalls im Juli verkündet der algerische Minister für Energie und Minen vor dem nationalen Volkskongreß des Landes, daß man sich bald mit Vertretern von Desertec treffen würde, um die Implementierung von Solarprojekten in Algerien zu diskutieren. Inzwischen will auch Spanien seine diesbezügliche Kooperation mit Algerien intensivieren, wo der spanische Solarhersteller Abengoa zu diesem Zeitpunkt sein erstes 150 MW Gas/Solar-Hybridkraftwerk in Algerien ans Netz bringt, das den Start des algerischen Programms für erneuerbare Energien markiert. In Marokko hatte Abengoa bereits am 13. März ein 470 MW Hybridkraftwerk in Betrieb genommen (s.d.).

Im August 2011 wird es eng für Solar Millenium, denn nach dem – noch immer nicht ausgestandenen – Zoff mit Claassen gerät der Gründer des Unternehmens und Mitglied des Aufsichtsrats Hannes Kuhn selbst ins Visier der Börsenaufsicht BaFin, wegen dem Verdacht auf Insiderhandel. Kuhn soll ein Paket von 150.000 Aktien gekauft haben, nur wenige Wochen bevor die Verpflichtung von Claassen die Aktie um bis zu 50 % nach oben schießen ließ. Der Aufsichtsrat hatte zuvor mehrmals mit Claassen verhandelt und von dem bevorstehenden Deal gewußt. Auf einer Aktionärsversammlung im Mai hatte Kuhn erklärt, er habe das Paket gekauft, um es später privat an Claassen weiterzuverkaufen. Worauf dieser über seine Anwälte erklären läßt, daß er mit Solar Millennium nie einen Dienstvertrag abgeschlossen hätte, wenn er von dem Aktienkauf gewußt hätte. Was die Sache in meinen Augen nur noch verdächtiger macht, da Claassen damals als Teil seiner Vergütung ein umfangreiches Aktienpaket gefordert hatte.

Auch das neue Geschäftsmodell von Solar Millennium stößt bei Investoren auf wenig Gegenliebe, und nach einer radikalen Kehrtwende des Unternehmens bei den Projekten in den USA – statt wie bislang auf Solarthermie, will das Unternehmen aufgrund besserer Marktbedingungen für PV-Strom nun auf Photovoltaikmodule setzen – gehen die Aktien auf Talfahrt und verlieren fast 60 % ihres Wertes. Zudem rutscht das Unternehmen im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres tief in die roten Zahlen, und der Nettoverlust steigt um 42 % auf 40,7 Mio. €.

Die Gesellschafter der DII sind inzwischen: ABB, Abengoa Solar, Cévital, Desertec Foundation, Deutsche Bank, Enel Green Power, E.ON, Flagsol, HSH Nordbank, Munich Re, M+W Group, Nareva Holding, Red Eléctrica de España, RWE, Saint-Gobain Solar, Schott Solar, Siemens, TERNA (Italien) und Unicredit.

Die assoziierten Partner der DII sind: 3M, AGC, Audi, BASF, BearingPoint, Bilfinger Berger, Bosch Rexroth, Commerzbank, Concentrix Solar, Conergy, Deloitte, Dow Corning, Evonik Industries, FCC Energía, First Solar, FLABEG, Fraunhofer Gesellschaft, GL Garrad Hassan, HSBC, IBM, ILF Consulting Engineers, Italgen, Intesa Sanpaolo, Kaefer, Lahmeyer International, Maurisolaire, Max-Planck-Gesellschaft, Morgan Stanley, Nur Energie, OMV, Schoeller Renewables, Schäffler Gruppe, SMA Solar Technology, Terna Energy (Griechenland), TÜV SÜD (Stand: August 2011).


Weitere Projekte


Neben Desertec gibt es noch diverse andere Vorschläge für ähnlich ambitionierte Projekte. Ein offener Wettbewerb zwischen den verschiedenen Technologielinien ist aber gut für die Sache und wird die Angelegenheit nur beschleunigen, denke ich.

Recht groß angelegt ist das Sahara Forest Project (SFP), das 2008 von Charlie Paton (Seawater Greenhouse Ltd.), Michael Pawlyn (Exploration Architecture) und Bill Watts (Max Fordham & Partners) erdacht wird – als möglicher Weg, um Wüsten mittels Meerwasser-Gewächshäusern und Solarkraftwerken großflächig zur Lebensmittelproduktion zu nutzen. Die Energie für die Pumpen der Gewächshäuser sollen Solarturmkraftwerke liefern, deren Abwärme außerdem genutzt wird, um den Verdampfungsprozeß des Meerwassers zu unterstützen.

Sahara Forrest Projekt Grafik

Sahara Forrest Projekt
(Grafik)

Paton, Erfinder dieser Gewächshausvariante, schätzt die Kosten einer solchen Anlage für einen 20 Hektar großen Gewächshauskomplex im Verbund mit einem 10 MW Solarkraftwerk auf 80 Mio. €, wobei eine solche Anlage deutlich mehr Strom und Trinkwasser erzeugen soll, als sie selbst benötigt. Der Überschüß soll verwendet werden, um Obstbaum- sowie Jatrophra-Pflanzungen zu bewässern, aus denen Bio-Treibstoff gewonnen werden kann.

Über die Meerwasser-Gewächshäuser selbst, Kerntechnologie der Firma Seawater Greenhouse, berichte ich ausführlicher in dem entsprechenden Teil des Kapitels über solare Niedertemperatursysteme: Es handelt sich um Gewächshäuser, deren Wasserbedarf mit Meerwasser gedeckt werden kann, da sie eigene Entsalzungsanlagen enthalten. Die Technologie wird seit 1991 von dem britischen Unternehmen entwickelt und gilt seit Ende der 1990er Jahre als marktreif.

Das SFP-Team geht von Synergien beim Zusammenspiel der beiden innovativen Technologien aus, die ihnen beiden zu einer jeweils effizienteren Funktion verhilft:

  • 1. Die Solarkraftwerke benötigen Süßwasser zur Reinigung der Spiegel und zur Erzeugung von Dampf für die Turbinen. Dieses Wasser können die Gewächshäuser bereitstellen.
  • 2. Die Gewächshaus-Verdampfer bilden sehr effiziente Staubfallen (wie natürlich wachsende Pflanzen), was den Solarkraftwerken zugute kommt, da die Spiegel sauber bleiben und damit effizienter arbeiten.
  • 3. In den solarthermischen Kraftwerken wird nur etwa 25 % der gesammelten Sonnenenergie in Strom umgewandelt. In Verbindung mit Meerwasser können weitere 50 %, die sonst als Wärme an die Umgebung abgegeben werden, zur Entsalzung genutzt werden.

Im Dezember 2009 präsentieren die Initiatoren gemeinsam mit der Bellona Foundation, einer internationalen Umweltschutzorganisation mit Sitz in Norwegen, ihre Vorschläge bei der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen (COP15). Das positive Feedback führt zu weiteren Präsentationen, darunter eine in Oslo im Juni 2010, bei der auch König Abdullah II von Jordanien anwesend ist. Dieser ist von dem Projekt so beeindruckt, daß er das SFP-Team auffordert, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. Immerhin gilt Jordanien als das weltweit viertärmste Land in Bezug auf die Ressource Wasser.

Anfang 2011 unterzeichnen Norwegen und Jordanien – unter Anwesenheit der Außenminister beider Länder – einen Vertrag, um die Entwicklung eines Pilotprojekts auf einem Küstengebiet in Jordanien zu ermöglichen, bei dem Gemüse angebaut und CO2 absorbierende Algen gezüchtet werden sollen. Das gewählte Testgebiet ist ein 200.000 m2 großes Landstück in Aqaba, der Küstenstadt im Süden von Jordanien. Die Vereinbarung umfaßt zusätzliche 2 Mio. m2 für eine spätere Expansion. Zu den Vertragspartnern gehören die Aqaba Special Economic Zone Authority (ASEZA) sowie die o.g. Bellona-Stiftung.

Das Projekt, bei dem statt einem Solarturm flache Fresnel-Konzentratoren eingesetzt werden sollen, sieht drei Entwicklungsstufen vor: Im Laufe des Jahres 2011 werden vertiefende Studien durchgeführt (mit 600.000 $ von Norwegen gefördert), 2012 soll mit dem Bau eines Test- und Demonstrations-Zentrums samt einem Salzwasserkanal vom Roten Meer her begonnen werden, gefolgt von der Umsetzung in kommerziellem Maßstab ab dem Jahr 2015.

Ein weiterer Vorschlag kommt von dem PV-Paneele-Hersteller First Solar in Tempe, Arizone. Karim Asali, Leiter der Abteilung Naher Osten und Afrika, betont in einem Blog der New York Times im Februar 2009, daß alleine nur seine Firma in der Lage sei, im Laufe nur eines Jahres eine Photovoltaik-Großanlage mit einer Leistung von 1 GW zu errichten. Asali, der auch im Namen der European Photovoltaic Industry Association mit Sitz in Brüssel spricht, bestätigt, daß es technisch ohne weiteres machbar sei, in Nord-Afrika bis 2020 insgesamt 20 GW photovoltaischen Solarstrom zu erzeugen.

Zu den Projekten der Shimizu Corp., die um 2009 unter dem Label Shimizu’s Dream veröffentlicht werden (darunter ein PV-Gürtel um den Mond namens Luna-Ring, sowie schwimmende Green-Float Solarinsel-Städte), gehört auch der Desert Aqua-Net Plan, bei dem in den Wüsten mittels Kanalnetzen neue Meerwasser-Seen mit künstlichen, bewohnbaren Inseln geschaffen werden sollen.

Desert Aqua Net Grafik

Desert Aqua Net (Grafik)

Von den 30 km durchmessenden und 20 bis 30 m tiefen Seen wird erwartet, daß sie die extremen Temperaturen reduzieren und die Luftfeuchtigkeit steigern, um auf den künstlichen Inseln sowie in den Bereichen rund um die Seen ein angenehmes Wohnklima zu schaffen. Die 50 m breiten und 10 m tiefen Kanäle sollen genutzt werden, um Menschen und Güter zu transportieren und die rund 150 km auseinander liegenden Seen miteinander und mit dem Meer zu verbinden. Das Meerwasser in die Seen erlaubt Meeresressourcen zu kultivieren und zu nutzen, einschließlich Fischen und Biomasse-Materialien.

Die künstlichen Inseln sind als High-Tech-Oasen gedacht, in denen Technik und Natur harmonisch miteinander verbunden sind. Ihren Energiebedarf decken die Städte mittels Photovoltaik-Anlagen, welche das reichliche Sonnenlicht nutzen, oder durch die Errichtung von Energie-Empfangsanlagen für Solar-Satelliten in leeren Wüstenabschnitten.

Forscher der Universität Tokio um Hideomi Koinuma wiederum sind die Initiatoren des Sahara Solar Breeder Projekts, die Ende 2010 in den Fachblogs beschrieben wird. Die japanisch-algerische Initiative hat das Ziel, bis zum Jahr 2050 einen Anteil von 50 % des globalen Stromverbrauchs durch Sonne und Sand zu produzieren – und durch ein supraleitendes ‚Supergrid’.

Im Rahmen des Projekts, das schon in diesem Jahr starten soll, werden rund um die Wüsten dieser Welt Fertigungsstätten gebaut, um aus Sand Kieselsäure (eine Sauerstoffsäure des Siliziums) zu extrahieren und daraus Solarzellen herzustellen. Aus diesen werden dann riesige Solaranlagen in der Wüste errichtet. Die grundlegende Idee dabei ist, daß die Energie, welche die erste Welle von Anlagen erzeugt, dazu verwendet wird, um in einem sich selbst reproduzierenden System weitere Silizium-Fertigungs- und Solaranlagen zu bauen usw. Daß dies machbar ist, weiß man spätestens seit 1977, als J. Lindmayer auf der PV-Solarenergie Konferenz in Luxemburg seinen Vortrag The solar breeder hielt.

Unter der Schirmherrschaft des International Research Project on Global Issues (s.u. SATREPS) wird die offiziell Sahara Solar Energy Research Center (SSERC) genannte Initiative vom japanischen Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie sowie der Japan International Cooperation Agency (JICA) fünf Jahre lang mit jährlich 1,2 Mio. $ gefördert.

Da dem Team aus Wissenschaftlern verschiedener Universitäten (die Universität Tokio, das National Institute for Material Science, die Universität Hirosaki, das Tokyo Institute of Technology, die Chubu University, das National Institute of Informatics und die Université des Sciences et de la Technologie d’Oran in Algerien) klar ist, daß diese Summe nicht annähernd ausreicht, um das Projekt zu verwirklichen, werden für diese erste Fünf-Jahres-Phase zwei Ziele gesetzt. Zum einen, die Möglichkeit der Herstellung von qualitativ hochwertigen Silizium aus Wüstensand, und zum anderen, den Aufbau eines Hochtemperatur-Supraleiter Langstrecken-Gleichstrom-Netzes zu demonstrieren.

Ende August 2011 findet im japanischen Nagoya das erste Asiatisch-Arabische Forum für nachhaltige Energie statt, bei dem das Sahara Solar Breeder Projekt samt Supraleitung wichtigstes Thema ist.

Fachleute gehen zu diesem Zeitpunkt davon aus, daß es noch mindestens 20 Jahre dauern wird, bis verlustfreie Hochtemperatur-Supraleiter für die Stromübertragung wirtschaftlich werden. Sofort einsetzbar sind dagegen Gleichstrom-Hochspannungsleitungen, die wesentlich geringere Leistungsverluste aufweisen als die bekannten Überlandleitungen. Es gibt auch schon genügend erfolgreiche Umsetzungen dieser Technologie. Zwischen den indischen Bundesstaaten Orissa und Karnataka fließen etwa 2 GW über eine 1.450 km lange Stromleitung, wobei sich der Verlust pro 1.000 km auf 1 – 3 % beläuft. Weitere Gleichstromkabel über mittlere Entfernungen liegen zwischen Dänemark und Schweden (Konti-Skan) und zwischen Norwegen und Dänemark (Cross-Skagerrak). 2009 baut der an dem Projekt mitbeteiligte Siemens-Konzern eine 890 km lange Gleichstromleitung in China, die von Anshun in der Provinz Guizhou bis zur Küstenprovinz Guangdong geht. Eine weitere Direktverbindung, die im Bau ist, ist das 260 km lange BritNed zwischen Großbritannien und den Niederlanden.

Synthesis Gleichstrom-Hochspannungsleitungen Verbund Grafik

Synthesis Netzverbund
(Grafik)

Ebenso gibt es noch mehrere andere Projekte für internationale Verbundnetze. Das Projekt ‚Synthesis’ zum Beispiel betrifft ein internationales Verbundnetz von Gleichstrom-Hochspannungsleitungen, mit denen die verschiedenen Zentren der Energiegewinnung in den Wüsten rund um die Erde miteinander verbunden werden können. Dadurch wird der wichtigste Nachteil aufgehoben, den die Gewinnung von Energie aus Sonnenlicht hat, daß die Sonne nämlich immer nur eine Seite der Erde bescheint.

Im November 2007 berichtet die britische Zeitung The Independent über das Projekt eines etwa 8.000 km langen Stromleitungsnetzes, das von Sibirien bis nach Marokko, und von Ägypten bis Island reicht. Als Hauptarterien dieses Supernetzes sollen Gleichstrom-Hochspannungsleitungen (HVDC) fungieren, die drei Mal so effizient sein sollen wie die üblicherweise verwendeten Wechselstromleitungen und ab Entfernungen über 80 km auch deutlich Kosten sparen. Ein derartiges Supernetz macht Investitionen von rund 60 Mrd. € erforderlich. Als treibende Kraft hinter dieser Verbund-Idee gilt seit mehreren Jahren der o.g. Gregor Czisch.

Auch Erfahrungswerte gibt es schon, denn die Technologie ist bereits in Italien landesweit implementiert, und ein weiteres Hochspannung-Gleichstrom-Übertragungskabel (HGÜ) ist in der Ostsee zwischen Schweden und Deutschland installiert. Die bereits 1945 (!) erfundene Technologie hat allerdings auch einige Nachteile: Ihre hohe Anfälligkeit gegen Verschmutzung und Feuchtigkeit sowie ihre schwache Eignung für Überlasten und Abzweigungen.

Ebenfalls im November 2007 gibt das algerische Unternehmen New Energy Algeria (NEAL) bekannt, eine 3.000 km lange Stromtrasse von der Stadt Adrar am Rande der Sahara bis nach Aachen legen zu wollen. Das Projekt firmiert unter dem Titel Clean Power From The Desert und soll durch das Mittelmeer über die Insel Sardinien und anschließend Italien sowie die Schweiz bis nach Deutschland verlaufen. Beteiligt ist auch der staatliche algerische Energiekonzern Sonatrach, der sich bereits 45 % von NEAL gesichert hat. Weitere Mitbesitzer sind das Gas-Unternehmen Sonelgaz (ebenfalls 45 %) sowie die private Energie- und Landwirtschaftsfirma Semouleries Industrielles de la Mitidja (10 %).

Jos Meeuwsen von der TU Eindhoven ergänzt diese Pläne bereits im Oktober 2007 mit seiner Aussage, daß das Stromnetz der Zukunft ähnlich strukturiert sein müsse wie heute das Internet. Jeder sollte in der Lage sein, ‚Strompakete’ ins Stromnetz ‚herunter- oder hochzuladen’. Das Netz wird vor allem vom jeweiligen Energiemix abhängig sein, aber neue Techniken müssen dafür sorgen, daß der ‚Zwei-Wege-Verkehr’ möglich ist und das dann dezentralisierte Netz trotzdem stabil bleibt. Aus diesem Grund müssen Energietechnik, Informationstechnik und Stromelektronik so integriert werden, daß das entstehende Stromnetz weitgehend dem Internet gleicht.

Meeuwsen stellt drei Szenarios für die Stromnetze der Zukunft vor, die sich vor allem im Hinblick auf die Größe der Stromerzeugungsanlagen unterscheiden. Das Szenario ‚Supernetzwerke’ sieht große Anlagen mit Hochspannungsnetzen vor, die zum Großteil aus erneuerbaren Energien (Biomasse, Windanlagen) gespeist werden. Das Szenario ‚Hybride Netzwerke’ geht ebenfalls von großen Anlagen aus (vor allem Biomasse und Windparks), wobei aber gleichzeitig auch zahlreiche kleine Anlagen in Dörfern und Städten (Biomasse, Wind, Solarenergie) Strom einspeisen. Im ‚lokalen’ Szenario überwiegen schließlich die kleinen Anlagen bis hin zu ‚Mikrogeneratoren’, auch wenn vor allem die Industrie weiterhin Strom von großen Anlagen beziehen wird.

Im Dezember 2010 rufen Vertreter der acht EU-Nordseeanrainerstaaten und Irlands mit einer politischen Erklärung eine Nordsee-Offshore-Initiative ins Leben. Unter dem Projektnamen North Seas Countries’ Offshore Grid Initiative geht es um die Planung und den Bau eines Hochspannungsgleichstrom-Verbundnetzes in der Nordsee, das auch als Netzanbindung für Offshore-Anlagen gedacht ist. Prototyp dafür ist die 580 km lange 450 kV NorNed Gleichstromtrasse zwischen Feda in Norwegen und Eemshaven in den Niederlanden, die seit ihrer Inbetriebnahme Mitte 2008 den Austausch und die Pufferung niederländischen Windstroms in norwegischen Pumpspeicherbecken – und im Gegenzug die Lieferung von Wasserkraft aus Skandinavien nach Süden möglich macht.

Geboren wurde die Idee zu der neuen Initiative im sogenannten Pentalateralen Energieforum, bei dem die BeNeLux-Staaten, Frankreich und Deutschland in Energiefragen zusammenarbeiten. Ziele der Nordsee-Initiative sind u.a. ein intensiverer Informationsaustausch über die Offshore-Ausbauziele Teilnehmerstaaten, eine koordinierte Weiterentwicklung der Strominfrastruktur sowie die Schaffung eines reibungsarmen politischen und regulatorischen Rahmens für die Offshore-Projekte der Nordseeanrainer. Für Ende des Jahres 2010 ist die Unterzeichnung eines Memorandum of Understanding geplant, in dem das weitere Vorgehen festgelegt werden soll. Mehr darüber dann im Kapitel zur Offshore-Windkraft (s.d.).

Die Wissenschaftler Ken Zweibel, James Mason und Vasilis Fthenakis legen im März 2008 ein umfassendes Konzept vor, um die Abhängigkeit der USA von fossilen Energien zu reduzieren – und zwar mittels Solarenergie. Das Land besitzt schließlich allein im Südwesten eine Fläche von mindestens 650.000 km2, die für die Aufstellung von Solarkraftwerken geeignet ist.

Mit dem nun vorgestellten Grand Solar Plan (auch Great Solar Plan genannt)  soll im Jahr 2050 rund 70 % des Strombedarfs und 35 % des Gesamtenergiebedarfs der USA, einschließlich Transport- und Verkehrswesen, aus Solarenergie erzeugt werden. Hierfür sollen große Landflächen mit PV- und thermischen Parabolrinnen-Anlagen bedeckt sowie entsprechende Gleichstrom-Trassen errichtet werden. Dafür müßten in den kommenden 40 Jahren allerdings insgesamt 420 Mrd. $ investiert werden.

Zur Realisierung scheint den Initiatoren ein Zwei-Phasen-Vorgehen sinnvoll: In der ersten Phase (bis 2020) sollen Solaranlagen zu preisgünstigen Massenerzeugnissen werden, während gleichzeitig PV- und Parabolrinnen-Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 84 GW installiert werden und das Gleichstromnetz entlang der amerikanischen Interstate-Autobahnen ausgebaut wird. Als Abend- und Nachtreserve soll Energie in Druckluftspeichern gelagert werden.

Um die Vorgaben für 2050 zu erreichen, werden rund 120.000 km2 Fläche für die Installation von PV- Kraftwerken (rund 80.000 km2 mit insgesamt 3.000 GW Leistung) und Parabolrinnen-Kraftwerken benötigt, die etwa ein Fünftel der benötigten Solarenergie liefern. Werden auch Wind, Biomasse und Geothermie genutzt, könnten die Erneuerbaren Energien im Jahr 2100 sogar 100 % des US-Strombedarfs und 90 % des Gesamtenergiebedarfs decken. Dies soll im einzelnen wie folgt aussehen: 2,9 Terawatt (TW) aus PV-Kraftwerken würden direkt in die Netze eingespeist, weitere 7,5 TW in Druckluftspeicher geleitet werden. Hinzu kämen 2,3 TW aus Parabolrinnen-Kraftwerken sowie 1,3 TW aus verteilten PV-Anlagen. Ergänzt würde die Versorgung durch 1 TW aus Windfarmen und 0,2 TW aus geothermischen Kraftwerken. Die Produktion von Biotreibstoff wird mit 0,25 TW angesetzt.

Interessanterweise benennen die Wissenschaftler auch das größte Hindernis für die Umstellung der US-Energieversorgung auf Erneuerbare Energien: der Mangel an öffentlichem Bewußtsein. Ihre Lösung: Menschen mit Weitblick sollen versuchen, die Bürger der USA ebenso wie führende Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft für das fast unglaubliche Potential der Solarenergie zu begeistern.

Was man selbstverständlich wunderbar pauschalisieren kann – in vielen anderen Ländern sieht es schließlich auch nicht besser aus. Und: es ist genau das, was das Buch der Synergie macht.


Die Masdar-Initiative


Die Idee zu diesem Projekt wird erstmals im April 2006 verkündet: Ein umfangreiches Engagement im Bereich der Erneuerbaren Energien – sowie der Bau von Masdar City (Masdar, arab.: Quelle, Ursprung), einer neuen Nullemissionsstadt für bis zu 47.500 (andere Quellen: 50.000) Bewohner mitten in der Wüste und etwa 30 km östlich der Hauptstadt Abu Dhabi des gleichnamigen Emirats, die umgehend von dem britischen Stararchitekten Sir Norman Foster entworfen wird.

Masdar-Logo

Masdar-Logo

Verantwortlich ist die staatliche Abu Dhabi Future Energy Company (ADFEC), die seitens der Regierung den Auftrag erhalten hat, die Einführung von erneuerbaren und nachhaltigen Technologien im Energiebereich zu forcieren und zur Diversifizierung und zum nachhaltigen Wachstum der Wirtschaft Abu Dhabis beizutragen. Unterstützt wird dies auch durch neue Gesetze sowie eine sogenannte J-Zertifizierung von Estidama (arb. Nachhaltigkeit), dem Programm Abu Dhabis für ‚grüne Gebäude’ und Nachbarschafts-Regulatorien. Solche Zertifizierungssysteme für ganze Stadtviertel oder ‚neighbourhoods’ nutzen vor allem den Kommunen, die mit ihrer Hilfe einen Standard für Neubau- und Sanierungsgebiete festlegen können, den Investoren und Projektentwickler einhalten müssen.

Schirmherr des Masdar-Projektes ist Kronprinz Scheich Mohammad bin Zayed Al Nahyan, der erkannt hat, daß die Erneuerbaren Energien eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft sind: „Wir wollen ein bedeutender Spieler bei den Erneuerbaren Energien werden – nicht nur als Investor, sondern wir wollen uns auch mit Forschung und Entwicklung und später auch mit der Produktion befassen“.

Das Golf-Emirat Abu Dhabi selbst will insgesamt 15 Mrd. $  in erneuerbare Energien investieren. Dabei wird allein der Bau der riesigen Anlage grob geschätzt 22 Mrd. $  kosten. 4 Mrd. $ übernimmt die ADFEC, während ein großer Teil der restlichen 18 Mrd. $  von ausländischen Investoren kommen soll.

Mitte 2006 erfolgt der Startschuß für das Masdar Research Network, einem globalen Forschungsnetzwerk zur Entwicklung fortschrittlicher, alternativer Energie- und Umwelttechnologien, das bislang aus sechs Partnern besteht: der RWTH Aachen, der Columbia University (USA), dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Imperial College London (UK), dem Tokyo Institute of Technology (Japan) und der University of Waterloo (Kanada).

Das Netzwerk soll die Expertise der führenden internationalen Universitäten und Forschungsinstituten bündeln, um Innovationen bei Energie- und Umwelttechnologien zu beschleunigen. Die Lösungsansätze der Forschungs- und Entwicklungsprojekte richten sich sowohl an Industrie-, als auch an Entwicklungsländer. Damit will man ebenso wie mit dem jährlich verliehenen 2,5 Mio. $ schweren Zayed Future Energy Prize und verschiedenen weiteren Forschungsinitiativen neue Techniken und urbane Gestaltungsmaßstäbe entwickeln und demonstrieren.

Masdar-Grundriß

Masdar-Grundriß
(Grafik)

Die neue Stadt Masdar auf einer Fläche von 6 km2 – mit ihrem Grüngürtel, wind- und solarthermischen Anlagen, Wasserkanälen und elektrischen Taxis – soll nach ihrer Fertigstellung das Zentrum für solche Entwicklungen werden und auch den zehn Prinzipien der vom WWF gestarteten Initiative ‚One Planet Living’ entsprechen, zu denen neben Null-Emissionen und Null-Müll auch die Verwendung lokaler Materialien und Nahrungsmittel, ökologischer Verkehr, gerechter Handel, Bewahrung und Wiederherstellung natürlicher Habitate sowie Gesundheit und Glück gehören.

Ähnlich der traditionellen orientalischen Bauweise soll Masdar eine dicht bebaute, autofreie und fußgängerfreundliche Stadt mit schmalen, schattigen Straßen werden, die vollständig mit erneuerbarer Energie, insbesondere Solarenergie, versorgt wird. Zu diesem Zweck werden die Dächer zum überwiegenden Teil auch mit Solaranlagen ausgestattet sein. Beleuchtungs- und Klimaanlagen sollen von einem Solarkraftwerk, einem Windpark sowie durch Strom aus Geothermie und Wasserstoff versorgt werden. Müll soll durch Vakuumröhren unter der Stadt zu einer zentralen Sammelstelle gesaugt, dort sortiert, wiederverwertet oder in Biogas umgewandelt werden.

Darüber hinaus wird die bewährte lokale Methode der traditionellen Kühlung durch Windtürme in modernisierter Form wieder aufleben, indem einige große Gebäude um 45 m hohe ‚Modern Wind Towers’ herum gruppiert werden, die ohne Energieverbrauch für eine Belüftung des Gebietes sorgen. Zusätzlich werden die Gebäude mit allen möglichen ökologischen Energiegewinnungstechniken ausgestattet.

Die Kühlung wird daher primär durch Windenergie bzw. Seebrisen erfolgen, während das benötigte Trinkwasser aus einer solarbetriebenen Entsalzungsanlage gewonnen wird. Zudem sollen Pumpen mit Hilfe von Bodensonden die Kühle tiefer Erdschichten an die Oberfläche befördern. Insgesamt soll die Temperatur innerhalb der neuen Stadt um bis zu 20° geringer sein als in Abu Dhabi heute. Die Grünanlagen der Stadt und die umliegenden Felder werden mit Brauch- und Abwasser versorgt. Verantwortlich für das Energiekonzept von Masdar City ist die Firma Transsolar Energietechnik GmbH aus Stuttgart. Diese definiert auf Basis von Simulationen und Rechenmodelle Richtlinien, auf denen aufbauend Foster + Partners ihren Masterplan zeichnen.

Mit der Hauptstadt Abu Dhabi soll Masdar-City durch einen Zug verbunden werden, ansonsten bewegt man sich in der Stadt zu Fuß oder mit kleinen, fahrerlosen Taxis. Autos sind nicht erlaubt.

MIST-LOGO

MIST-Logo

Auch die ADFEC wird später hier ihren Firmensitz haben. Außerdem entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft das Masdar Institute of Science and Technology (MIST), dessen Lehrpläne vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ausgearbeitet werden. Es wird sich um die erste Hochschule der Welt handeln, die sich ausschließlich dem Komplex der ökologischen Nachhaltigkeit auf Basis der erneuerbaren Energien widmet, und Teil des Masdar Research Network sein.

Parallel dazu sollen sich in Masdar bis zu 1.500 innovative Unternehmen ansiedeln, wobei man bereits einige namhafte industrielle Partner gewonnen hat: General Electric, BP, Shell, Mitsubishi, Rolls Royce, Total, Mitsui, Fiat sowie das deutsche Solarunternehmen Conergy. Um die Ansiedlung der ausländischen Firmen zu erleichtern, werden innerhalb der Stadt auch andere (eher ‚westliche’) Gesetze gelten. Masdars ‚Grüne Gemeinde’ ist eine spezielle Freihandelszone und deshalb vom Rest Abu Dhabis durch eine Mauer abgetrennt, die gleichzeitig als Schutz vor der heißen Wüstenluft und dem Lärm des nahegelegenen Flughafens dient. Masdar wird bei der Fertigstellung im Jahr 2015 oder 2016 damit kulturell und rechtlich zu einer Art Insel.

Im April 2007 wird bekannt gegeben, daß die Masdar Initiative gemeinsam mit Conergy eine PV-Anlage mit 40 MW Leistung aufbauen wird, deren Solarstrommodule die Keimzelle für die restliche Stadt werden sollen, und die nicht nur Energie sondern auch Schatten spenden werden. Im Juli folgt die Ankündigung, daß für einen Betrag von 350 Mio. $ auch eine 100 MW CSP-Solaranlage (Concentrated Solar Power) namens Shams 1 (Sonne) errichtet werden soll, die später stufenweise auf 500 MW ausgebaut werden kann. Die Ausschreibung für das solarthermische Parabolrinnen-Kraftwerk erfolgt im August 2007.

Ebenfalls 2007 gründen die Credit Suisse, die ADFEC und weitere Partner den Masdar Clean Tech Fund L.P. mit Investitionsmitteln in Höhe von 250 Mio. $, der in erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien investieren wird.

PV-Testanlage

PV-Testanlage

Im Dezember 2007 werden führende Hersteller von PV-Anlagen eingeladen, ihre Produkte über einen Zeitraum von 18 Monaten unter den klimatischen Bedingungen Abu Dhabis zu testen um herauszufinden, wer gegenüber der extremen Hitze, der hohen Feuchtigkeit und dem Sand am besten abschneidet. Standort der Versuchsanlagen von insgesamt 33 Firmen und mit jeweils 1 kW Leistung ist ein Wüstenstück in der Nähe des internationalen Flughafens von Abu Dhabi, wo sie genutzt werden, um Büros mit Strom zu versorgen.

Gleichzeitig wird mit dem japanischen Unternehmen Cosmo Oil Co. und dem Tokyo Institute of Technology ein Multi-Millionen-Vertrag unterzeichnet, bei dem die Solarturm-‚beam down’-Technologie von Yutaka Tamaura untersucht und weiterentwickelt werden soll. Diese Technik, bei der sich der Dampfkessel nicht an der Spitze, sondern am Fuß des Solarturms befindet, verspricht geringere Stromerzeugungskosten und eine höhere Effizienz als die bisherigen Solarturm-Konzepte. Im Rahmen der Vereinbarung wird der Bau einer 100 kW Pilotanlage bis Ende 2008 beschlossen. Was sich dann allerdings doch noch etwas verzögert (s.u.).

Im Februar 2008 wird mit dem Bau des ersten Stadtviertels für 15.000 Bewohner begonnen. Parallel dazu beginnt der Bau des außerhalb der Stadt gelegenen Solarkraftwerks, dessen Energie zur Errichtung der Stadt mitgenutzt werden soll. Als Gesamtkosten für das Projekt werden inzwischen 22 Mrd. $ genannt.

Das in Chicago beheimatete Architekturbüro Adrian Smith + Gordon Gill erhält den Auftrag, das Masdar Headquarter inmitten der Stadt zu entwerfen, ein Plus-Energie Gebäude, das mehr Strom erzeugt, als es für seinen eigenen Verbrauch benötigt. Der Bau, der mit einem der weltweit größten Solardächer beginnen wird, soll Ende 2010 bezugsfertig sein und dann die Masdar-Initiative selbst beherbergen (und, wie später beschlossen wird, auch die Internationale Energieagentur IRENA, s.u.).

Neben einem 2 MW Solardach wird das Hauptquartier elf nach oben gerichtete und Kegel-ähnliche Strukturen besitzen (eben die sogenannten Windtürme), die eine natürliche Belüftung garantieren und darüber hinaus reichlich Tageslicht in die Innenräume hineinlassen, während sie gleichzeitig die strukturellen Stützen für die Überdachung bilden.

Im März 2008 gibt Masdar bekannt, daß für den Bau des CSP-Kraftwerkes gemeinsam mit der spanischen Firma Sener Grupo de Ingeniería ein 1,24 Mrd. $ schweres Joint-Venture namens Torresol Energy gegründet wird. Shams 1 soll bereits im letzten Quartal 2010 ans Netz gehen.

Elektro-Cabs

Elektro-Cabs (Grafik)

Im Mai 2008 werden dann die ersten Grafiken des geplanten Nahverkehrsnetzes mit seinen automatisch gesteuerten und Solarstrom-betriebenen 6-sitzigen Kabinentaxis veröffentlicht. Das Netz wird aus rund 1.500 Stationen bestehen, die individuell angewählt werden können. Dadurch soll gewährleistet werden, daß kein Punkt innerhalb der Stadt weiter als 200 m von der nächsten Station entfernt liegt.

Über den aktuellen Stand der elektrisch betriebenen PRT-Systeme (Personal Rapid Transit), zu denen auch Einschienen- und Magnetschwebebahnen zählen, berichte ich ausführlich im Kapitel zur elektrischen Mobiliät (s.d.).

Ebenfalls im Mai wird bekannt, daß Abu Dhabi 2 Mrd. $ in die Photovoltaik investiert, wofür die Firma Masdar PV gegründet wird. Diese bislang wohl größte Einzelinvestition in der Solartechnik umfaßt 600 Mio. $ für die Errichtung von zwei – schlüsselfertig von Applied Materials bestellten – Anlagen zur Herstellung von Solarzellen, von denen eine (für 143 Mio. €) im thüringischen Ichtershausen bei Erfurt gebaut und schon im dritten Quartal 2009 mit der jährlichen Herstellung von 70 MW Dünnschicht-Solarzellen beginnen soll, während die zweite mit einer Produktionskapazität von 160 MW im Industriegebiet Taweelah nahe der Hauptstadt Abu Dhabi errichtet werden und im zweiten Quartal 2010 in Betrieb gehen soll (diese Dublette der Thüringer Solarfabrik wird später jedoch auf Eis gelegt).

Für Ichtershausen ist der mittelfristige Ausbau auf eine Gesamtkapazität von 280 MW geplant, und bis 2014 will man durch den Bau weiterer Werke eine jährliche Produktion von 1 GW erreichen – und damit zu einem der weltweit größten Anbieter von Dünnschicht-Solarzellen werden. Die Errichtung der deutschen Fabrikationsanlage wird mit 28 Mio. € durch die die Europäische Kommission unterstützt (Regionalförderung).

Der erste Spatenstich in Ichtershausen erfolgt im August 2008, der Produktionsstart im Oktober, und trotz einiger Anfangsschwierigkeiten (besonders bei der Verpackung der Paneele) wird im Dezember eine 260 kW PV-Anlage auf dem Dach der eigenen Produktionshalle installiert. Der Wirkungsgrad der Masdar-Paneele aus amorphem Silizium beträgt gegenwärtig nur 6,0 bis 6,6 %, soll im kommenden Jahr aber durch zwei Schichten auf 7,0 bis 7,8 % angehoben werden (im September 2010 werden tatsächlich 7,4 % erreicht). Ab 2011 will man dann Paneele mit einer Schicht aus amorphem Silizium und einer Schicht aus mikrokristallinem Silizium produzieren, deren Wirkungsgrad auf 9 % geschätzt wird.

Mitte des Jahres beteiligt sich der US-Konzern General Electric mit 50 Mio. $ an dem cleantech fund von Masdar. Das US-Unternehmen arbeitet bereits seit drei Jahren mit der Mubadala Development Company der Abu Dhabi Investment Authority zusammen, dem (weltweit größten) Staatsfond und Mitbesitzer von Masdar, und gilt als einer der Kernpartner der Masdar-Initiative. Das US-Unternehmen wird auch als erster Mieter in Masdar City einziehen – mit einem 4.000 m2 großen sogenannten Ecomagination Centre, das sich in Nachbarschaft des Masdar-Institutes ebenfalls mit der Forschung, Entwicklung und Präsentation von energieeffizienten Produkten und Technologien befassen wird, einschließlich Wind-, Solar- und anderen erneuerbaren Energien.

Ein weiterer zukünftiger Mieter ist das ‚Schweizer Dorf’, das von der eidgenössischen Botschaft initiiert wird diverse Schweizer Unternehmen umfassen wird.

Masdars Interesse wendet sich inzwischen aber auch der Windenergie zu. Im September 2008 erwirbt die Masdar-Initiative für 120 Mio. $ einen signifikanten Anteil der finnischen Windanlagen-Firma WinWinD Oy aus Helsinki, einem der Top-Hersteller im Multi-Megawatt-Segment. Gemeinsam mit dem Mehrheitseigentümer Sterling Infotech Group wird eine Expansion der Geschäftstätigkeit in Europa, Indien und dem Nahen Osten angestrebt. Im Oktober folgt die Bekanntgabe einer Kooperation mit dem Düsseldorfer Energieunternehmen E.ON beim London Array Offshore-Windpark-Projekt. E.ON verkauft von seiner 50-%igen Beteiligung 40 % des Aktienpakets an Masdar, das damit eine 20-%ige Beteiligung an dem Projekt hält, während E.ON 30 % und DONG Energy die restlichen 50 % halten. Masdar gilt als Retter des Projekts, nachdem sich die niederländische Royal Dutch Shell daraus zurückgezogen hat.

Im November 2008 wird (aber auch) bekannt, daß das Masdar Institute im Vorjahr eine Forschungsgemeinschaft mit dem MIT gebildet hat, in der man an neuartigen ‚umweltfreundlichen’ Atomreaktoren arbeitet, die das Risiko einer nuklearen Proliferation stark reduzieren sollen. Ich überlasse dieses Thema anderen Autoren, wollte es aber keinesfalls unerwähnt lassen.

Masdar im Bau

Masdar im Bau

Nachdem die internationale Presse nicht wenig über die ambitionierten Pläne von Masdar hergezogen hat, muß sie Anfang 2009 konstatieren, daß der Bau der Energie-Stadt durch die kanadische Projektmanagement-, Beratungs- und Engineering-Firma CH2M Hill tatsächlich begonnen hat – und sogar mit zu 100 % recyceltem Betonstahl. Durch die Nachhaltigkeits-Ansprüche ergeben sich bereits jetzt schon interessante Nebeneffekte. Da die Pläne für Masdar beispielsweise sowohl herkömmlichen Beton als auch Aluminium ausschließen, da die Herstellung dieser Materialien ein hohes Maß an Kohlendioxid-Emissionen erzeugt, protestieren die Hersteller auf konstruktive Art dagegen – indem sie ein zu 95 % recyceltes Produkt präsentierten, dessen Herstellungs-Emissionen, im Vergleich mit regulären Aluminium, um 90 % reduziert sind. Es wird daraufhin in die Planungen mit einbezogen.

Gemeinsam mit der Firma Al Falah Ready Mix, einer Tochter der Al Falah Holding in Abu Dhabi, arbeitet man an einem kohlenstoffarmen Beton, der weniger Zement, und damit auch viel weniger Wasser benötigt. Solcher ‚grüner’ Beton wurde bereits von verschiedenen Anbietern vermarktet (in den USA z.B. von Hycrete, Calstar Cement oder Calera).

Mitte Januar gibt Masdar bekannt, daß man sich für den US-Anbieter First Solar Inc. aus Arizona entschieden habe, um 5 MW Dünnschicht-Solarmodule zu liefern. Weitere 5 MW Standard-Silizium-Module werden von der chinesischen Suntech Power Holdings gekauft, um zusammen die bislang größte PV-Anlage im Nahen Osten zu bilden, die bereits im März in Betrieb gehen soll. Die Paneele sind auf Ständern aus teilweise recyceltem Beton, vor Ort gefertigtem Stahl und wiederverwendetem Holz montiert. Das 10 MW Solarkraftwerk kostet rund 50 Mio. $ und wird einen Teil des Energiebedarfs während der Konstruktion das Stadt liefern. Später soll die von dem lokalen Unternehmen Enviromena errichtete Anlage das Masdar Institute versorgen, dessen Eröffnung (zu diesem Zeitpunkt) für Ende des Jahres geplant ist.

Es gibt aber auch sporadische wiederkehrende Probleme, zumindest durch Sandstürme und den Staub, der sich dadurch auf den PV-Paneelen sammelt und die Ausgangsleistung vermindert (im August 2009 beispielsweise, als die Menge des Staubs in der Luft mit 1.500 - 2.000 Teilen pro Million mehr als 10 Mal höher ist als normal, erreicht die Masdar-Solaranlage nur 40 % ihrer Kapazität).

Ebenfalls im Januar wird eine Kooperation mit der Regierung der Seychellen bekanntgegeben, um mehr erneuerbare Energie Projekte für die Nation im Indischen Ozean zu entwickeln. Zunächst werden sich die Anstrengungen auf Machbarkeitsstudien und Umweltverträglichkeitsprüfungen zu konzentrieren, mit dem anfänglichen Ziel, mit 18 MW Windkraft 10 – 15 % des Strombedarfs der Insel Mahé zu decken. Außerdem werden die Optionen der Solarenergie und der Energieerzeugung aus Abfall geprüft.

Mit dem Blick auf japanische Start-up Firmen gründen der Masdar Clean Tech Fund L.P. und die japanische SBI Holdings mit jeweils 10 Mio. $ einen neuen Masdar-SBI Fund, aus dem die jungen Firmen mit 2 Mio. $ pro Unternehmen unterstützt werden sollen. Im Gespräch ist aber auch schon die Anhebung des Investitionskapitals auf 200 – 300 Mio. $. Der Masdar Clean Tech Fund hat bereits eine lange Liste von internationalen Investitionen getätigt, angefangen 2007 mit der Firma HaloSource aus Bothell, Washington, einem Spezialisten für sauberes Wasser und antimikrobielle Technologien, bis zum Berliner Dünnschicht-Solarmodule-Hersteller Sulfurcell (inzwischen: Soltecture) Anfang 2008.

In Abu Dhabi selbst findet zu diesem Zeitpunkt der zweite World Future Energy Summit statt – auf dem drei Tage lang in erster Linie geredet, geredet und geredet wird.

Während eines Interviews berichtet Jay Witherspoon von CH2M Hill darüber, daß das Grundwasser unter Masdar City einen 3 bis 4 Mal so hohen Salzgehalt wie das Meerwasser hat, und man deshalb an neuen, solarbetriebenen Entsalzungsmethoden arbeiten würde, die um 80 % effizienter sein werden, als bislang existierende Anlagen. Geplant ist ferner eine Grundwasseranreicherung mit Abwässern mit Grauwasser, das Ernten von Wasser aus Tau und Nebel und Kühlsystemen, sowie die Speicherung und Nutzung von Regenwasser. Im Masdar-Hauptquartier wird ein Wasser-Kühler im Inneren des Gebäudes aus der Feuchtigkeit und dem Wasserdampf der Luft Trinkwasser kondensieren. Feucht genug dafür ist es in Abu Dhabi auf jeden Fall.

Auf dem Summit wird auch erstmals ein PodCar ausgestellt. Dabei handelt es sich um die bereits erwähnten vollautomatisch gesteuerten Elektrokabinen für mehrere Personen, die zusammen mit der geplanten, elektrisch betriebenen Hochbahn (Light Rail Transit, LRT), welche Masdar mit anderen Stadtteilen von Abu Dhabi und dem Flughafen verbindet, den Masdar-internen Personennahverkehr bestreiten werden. Geplant wird das futuristische Transportkonzept von Federico Parolotto von MIC (Mobility In Chain) und der italienischen Firma Systematica, beide aus Mailand.  

Die PRT Fahrzeuge werden sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 7 m/s bewegen, wobei die längsten Strecken in der Stadt rund 2,5 km betragen werden. Statt wie ursprünglich einmal geplant, hierfür oberirdische Trassen zu bauen, entschied man sich inzwischen, die batteriebetriebenen Podcars etwa 6 m unterhalb des hochgelegten Straßenniveaus fahren zu lassen – und zwar nicht auf Schienen, sondern auf einem im Boden eingelassenen Gitternetz, sodaß sie den jeweils kürzesten Weg zum Ziel nehmen können. Fracht wird in speziellen Fahrzeugen über das gleiche Netzwerk transportiert.

Im April 2009 steigt das Emirat Abu Dhabi über seine Investmentgesellschaft Aabar mit 1,95 Mrd. € beim Stuttgarter Autobauer Daimler ein, was einem Anteil von 9,1 % an dem Konzern entspricht. Damit rutscht das Emirat Kuwait mit einem Anteil von 7,6 % auf den zweiten Platz unter den Anteilseignern. Das offizielle Ziel der neuen Investition lautet, daß mit diesen Mitteln das Elektroauto marktreif gemacht werden soll.

Ebenfalls im April bestellt Masdar von der MAN Turbo Group in Oberhausen eine 125 MW Dampfturbine für das geplante 100 MW Solarthermie-Kraftwerks Shams 1 zu einem Preis von rund 100 Mio. €. Das Kraftwerk soll in Medinat Sayed, rund 150 km von der Hauptstadt Abu Dhabi entfernt, hochgezogen werden.

Nur einen Monat später stellt sich heraus, daß fallende Rohstoffpreise die Kosten des geplanten Kraftwerks um bis zu 105 Mio. $ verringern könnten, die Preisangebote der Unternehmen haben sich seit letztem Oktober jedenfalls schon um 20 % reduziert und betragen aktuell zwischen 520 und 550 Mio. $. Angebote für das Kraftwerk Shams 2 sollen Ende des Jahres eingeholt werden.

Die Finanzkrise erreicht nun auch Masdar – wo man an der Umsetzung der Pläne aber festhalten will. Unsicher ist dagegen das Investment in den weltgrößten Offshore-Windpark London Array. Vergangenes Jahr hatten die Scheichs zwar ihren Einstieg in das 3 Mrd. Englische Pfund schwere Projekt angekündigt – jetzt will man es sich noch einmal überlegen. Ich konnte nicht herausfinden, wann genau diese Entscheidung getroffen wird – sie ist jedenfalls positiv, und Madar führt das Projekt fort (s.u.).

Masdar PV-Anlage Grafik

Masdar PV-Anlage
(Grafik)

Im Juni wird die 10 MW PV-Anlage ans Stromnetz angeschlossen. Sie besteht aus 87.777 Paneelen, je zur Hälfte Dünnschicht- bzw. Silizium-Module, und soll übers Jahr 17.500 MWh Solarstrom erwirtschaften. Die 50 Mio. $ Anlage auf einer Fläche von 218.000 m2 gilt als die größte im Nahen Osten, und als eine der weltweit kosteneffizientesten Anlagen im Hinblick auf den Output.

Zu diesem Zeitpunkt entscheiden sich in der ägyptischen Küstenstadt Sharm El Sheik Vertreter von 110 Staaten in geheimer Abstimmung dafür, daß das Hauptquartier der erst im Januar gegründeten International Renewable Energy Agency (IRENA) in Masdar angesiedelt wird – gegen die deutschen Interessen, obwohl das Projekt hier ersonnen wurde. Die Startkosten der Agentur von 136 Mio. $ werden die VAE übernehmen, die dann auch jährlich Irena-Projekte in Höhe von 50 Mio. $ fördern wollen. Damit kann oder will die Bundesregierung nicht konkurrieren. Bonn wird dafür Sitz eines Innovations- und Technologiezentrums von Irena (was immer dies auch sein soll), wofür Deutschland 4 Mio. € bereitstellen und dann jährlich zwischen 2 und 3 Mio. € investieren wird.

Die Agentur, deren Gründungsabkommen gegenwärtig 137 Staaten unterzeichnet haben, darunter auch die USA, soll das verfügbare Wissen über erneuerbare Energien sammeln und ihre Mitglieder – und hier vor allem die Regierungen der Entwicklungsländer – dabei beraten, wie sie die entsprechenden Möglichkeiten beim Aufbau regenerativer Kraftwerke optimal nutzen können, um weltweit den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben.

Ich frage mich allerdings, wann die hierfür zuständigen Personen endlich beherzigen, daß am Anfang einer solchen Beratung – sollte sie korrekt statt korrupt, und transparent statt vorgefiltert erfolgen – eine Übersicht über alle bislang vorhandenen, umgesetzten oder auch nur angedachten Technologie steht, eben genau das, was hier im Buch der Synergie alles aufgeführt wird.

Ebenfalls im Juni 2009 unterzeichnen die Fraunhofer-Gesellschaft und die ADFEC als Repräsentantin des Masdar City Projekts ein Kooperationsabkommen über eine strategische Partnerschaft, an dem die Fraunhofer-Institute für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, für Bauphysik IBP sowie für Solare Energiesysteme ISE beteiligt sind. Die Partner wollen langfristig insbesondere bei der nachhaltigen Stadtentwicklung und Gebäudeplanung eng zusammenarbeiten.

Das Fraunhofer ISE arbeitet mit Masdar bereits auf dem Gebiet der solaren Klimatisierung sowie der solarthermischen Prozeßwärmeerzeugung zusammen, und mit den Firmen Mirroxx, Concentrix Solar und Solar Spring sind bereits drei Spin-off Firmen des Instituts in Masdar aktiv. Den Auftakt der nun beschlossenen Zusammenarbeit werden – unter Einbezug der deutschen Industrie – Beratungen, Machbarkeitsstudien und ein Testcenter bilden. Ein weiteres deutsches Unternehmen, die BASF, ist ebenfalls ein strategischer Partner und auch bevorzugter Lieferant von Baumaterialien und Systemlösungen für Masdar City.

Masdar Lava-Design Grafik

Masdar Lava-Design
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Den Wettbewerb um die Stadtmitte von Masdar gewinnt das erst 2007 gegründete Stuttgarter Architekturbüro Lava (Laboratory for Visionary Architecture), das aufgrund seines zweiten Standorts in Australien allerdings häufig als australisches Unternehmen wahrgenommen wird. Der rund 200 Mio. € schwere Auftrag umfaßt den zentralen Platz in Masdar-City, ein Fünf-Sterne-Hotel, ein Hotel für Langzeitgäste, ein Konferenzzentrum, Ladenflächen, Unterhaltungs- und Wellness-Zentren sowie Wohngebäude. Auf dem Platz werden pilzförmige Schirme stehen, die 85 % der gesamten Platzfläche verschatten und sich nachts schließen, damit die Hitze entweicht. Die sogenannten Blütenblätter des Himmels passen sich der Sonneneinstrahlung an und schaffen ein angenehmes Mikroklima. Außerdem nutzen sie tagsüber die Energie der Sonne durch mehr als 6.000 m2 Photovoltaikzellen auf der Oberseite der Schirme. Der Boden wird tagsüber zusätzlich mit Wasser gekühlt.

Das Gesamtkonzept von Lava umfaßt außerdem unterirdische Wasserspeicher, Gemüse- und Früchteanbau auf den Dächern, 100 % Recycling sowie eine effiziente Wassernutzung und -aufbereitung.

Im Juli 2009 unterzeichnen ADEFC und die Swiss Village Abu Dhabi Association (SVA), eine Interessenvereinigung von mehr als 60 Schweizer Firmen (darunter Swiss Re und Implenia), die Vereinbarung über die Realisierung des Projektes Swiss Village, das von der eidgenössischen Botschaft initiiert und maßgeblich vom Kompetenzzentrum der Schweizer Außenwirtschaftsförderung Osec sowie von der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit Schweiz vorangetrieben worden war.

Im Herbst wird berichtet, daß Masdar mit dem spanischen Instituto De Sistemas Fotovoltaicos de Concentracion S.A. (ISFOC) eine Vereinbarung über die Durchführung von Tests und Untersuchungen an Konzentrator-Photovoltaik-Technologien (CPV) in dem subtropischen Klima des Emirats unterzeichnet hat. Man will genauere Zahlen haben, da Abu Dhabi  zwar die meisten Tage des Jahres mit viel Sonnenschein gesegnet ist, es oft aber auch Dunst und Staub gibt, welche die Energieleistung stören könnten. Im Rahmen einer gemeinsamen Machbarkeitsstudie sollen daher die Auswirkungen von Staub, der Umgebungstemperatur, Bodennebel und Hochnebel auf die Energieausbeute und Zuverlässigkeit der CPV-Technologien einer Vielzahl von Herstellern untersucht werden.

Im Oktober 2009 erhält Concentrix Solar aus Freiburg den Zuschlag für eine 100 kW Konzentrator-Photovoltaik-Anlage, die das Unternehmen mit seinen Flatcon-Systemen errichten wird. Da unter der Koordination des ISFOC jedoch ein insgesamt 1 MW leistendes CPV-Kraftwerk entstehen soll, wird ein Monat später auch ein Vertrag mit der kalifornischen Firma Energy Innovations einen über die (nicht näher bezifferte) Installation der Sunflower genannten Highly Concentrated Photovoltaic (HCPV) Arrays des Unternehmens unterzeichnet, die mit besonders hitzeunempfindlichen Triple Junction Zellen ausgestattet sind. Ein Schwachpunkt dieser Technologie ist allerdings die motorbetriebene Sonnennachführung, die durch den feinen Wüstensand schnell zerstört wird. Über den weiteren Verlauf dieses Projektes habe ich bislang nichts Neues finden können.

Samca Grafik

Samca (Grafik)

Ebenfalls im Oktober melden die Blogs, daß Damien Fressard für Masdar eine spezielle Version des Segway namens Samca designt hat, die in das innerstädtische Nahverkehrskonzept eingebunden werden sollen. Das elektrisch betriebene, einachsige futuristische Fahrzeug für Einzelpersonen wird von Kreiseln stabilisiert und ist in seiner Form von der arabischen Kultur inspiriert. Es scheint jedoch bei dem Design geblieben zu sein, denn bislang hat man von einer Umsetzung noch nichts gehört.

In der zweiten Jahreshälfte 2009 laufen die Tests mit den selbst fahrenden Pod Cars des 2007 ausgegründeten niederländischen Unternehmen 2getthere B.V. aus Utrecht, das zuvor eine Abteilung von Frog Navigation Systems war (s.u. Podcars). Das Unternehmen war bestimmt worden, um den ersten 1,2 km langen Abschnitt in Masdar City zu realisieren, der eine Verbindung zum Masdar Institute darstellt. Die Strecke hat 5 Stationen, von denen die 2 Kopfstationen für Passagiere und die anderen für den Frachttransport gedacht sind.

Bei dem Test werden daher zwei VIP-Modelle mit Ledersitzen, acht Standard-Pods sowie drei Fahrzeuge eingesetzt, die speziell für den Frachttransport entwickelt worden sind. Diese sollen später in ein eigenständiges Freight Rapid Transit (FRT) System eingebunden werden, das in seinem Endausbau täglich 5.000 Lieferfahrten erlaubt, wobei die flachen Lastträger Zuladungen von jeweils bis zu 1,6 t Gewicht transportieren können.

Die CyberCabs der 2. Generation bieten 4 Erwachsenen und zwei Kindern Platz, erreichen eine Geschwindigkeit von 40 km/h und haben mit einer vollen Ladung Solarstrom in den Lithium-Phosphat-Batterien eine Reichweite von rund 60 km. Die Steuerung erfolgt über RFID-Chips am Fahrzeug und magnetischen Sensoren, die in der Fahrbahn eingebettet sind. Zusätzliche Sensoren in der Front der Fahrzeuge erkennen Fußgänger und stoppen automatisch, wenn sich jemand auf der Fahrbahn befindet. Das Pilotprojekt ist täglich 18 Stunden lang in Betrieb und wird in Zusammenarbeit mit der Firma SMRT aus Singapur gesteuert. Das zu diesem Zeitpunkt (noch) geplante Personentransportnetz mit 85 Stationen soll in der Endausbaustufe aus 3.000 PRT-Fahrzeugen bestehen, die täglich 130.000 Fahrten durchführen. Über die Kosten des Systems ist bislang jedoch nichts zu erfahren, das Design des Podcars stammt von der italienischen Firma Zagato.

Im Januar 2010 wird bekannt, daß sich die Gesamtfertigstellung von Masdar nun mindestens bis 2025 verzögern wird, und daß 2016 nur das Teilprojekt Masdar-Kernstadt schon arbeitsfähig sein soll. Als offizieller Grund wird die Berücksichtigung weiterer neuer Technologien genannt. Aufgrund der aktuellen Finanzkrise gibt es kaum Baufortschritte, auch die Aufträge für den Bau von Wohnungen und Büroräumen sind noch immer nicht vergeben worden. Die Wohnungspreise in Abu Dhabi sind gegenüber ihrem Höchststand inzwischen um  40 % bis 50 % gefallen.

Beim World Future Energy Summit im Januar gibt Masdar dafür bekannt, daß man sich in Zukunft stärker mit der Errichtung von Solar- und Windparks in Europa und den USA beschäftigen wird. Dafür zuständig ist Masdar Power, ein weiteres Unternehmen der Gruppe, das gemeinsam mit BP bereits an der Entwicklung eines Wasserstoff-Kraftwerks arbeitet, das 2012 oder 2013 in Betrieb gehen soll. Bei dem System wird Methan zerlegt, und der entstehende Wasserstoff in eine Turbine zur Stromerzeugung gefüttert. Das Kohlendioxid, Nebenprodukt der Methanspaltung, soll zur Verbesserung der Ölförderung in die Bohrlöcher verpreßt werden. Masdar Power hat bereits drei solarthermische Kraftwerke in Spanien finanziert und plant die Errichtung eines weiteren in den USA.

Beam Down System

Beam Down System

Fast zeitgleich beginnen Forscher des Masdar Institute, des Tokyo Institute of Technology und Cosmo Oil damit, die neue Technologie zur Umwandlung von Sonnenwärme in Strom zu testen, welche die Kosten von Solarturm-Kraftwerken weitere senken könnte. Dies funktioniert, indem eine weitere Anzahl von Spiegeln in das System eingebunden wird. Ebenso wie bei den Solartürmen anderer Unternehmen (z.B. BrightSource Energy und eSolar) werden auch bei dem Masdar-Prototyp die Sonnenstrahlen durch ein Heliostaten-Feld, d.h. sonnennachgeführte Flachspiegel, auf die Spitze eines Turms konzentriert. Doch im Gegensatz zu der üblichen Konfiguration, wo sich der Reciever an der Turmspitze befindet, in dem die Sonnenhitze eine Flüssigkeit verdampft, um mit dem Dampf eine Turbine anzutreiben, befindet sich auf dem 20 m hohen Turm des Masdar-Systems eine weitere Gruppe von Spiegeln, die das Licht der Heliostaten in Form eines etwa 1 m durchmessenden Lichtstrahls auf einen am Boden installierten Tank reflektieren, der sich direkt unter dem Turm befindet. Daher wird diese Methode Beam Down Technologie genannt.

Die Betriebstemperaturen von rund 500°C, die der 10 m hohe Prototyp mit seinen insgesamt 48 Einzelspiegeln von Konica Minolta erreicht, liegen allerdings niedriger als was andere Methoden erreichen, da der zusätzliche Spiegelkranz die Effizient auf 15 – 19 % reduziert. Sonst wird von einer Effizienz > 20 % ausgegangen. Dafür muß aber keine Verdampferflüssigkeit an die Turmspitze gepumpt werden. Man hofft, mit der Versuchsanlage auf eine Leistung von rund 100 kW zu kommen. Interessanterweise läßt sich Tank auch durch einen CPV-Receiver austauschen, was gerade bei einer Versuchsanlage sinnvoll ist.

Vorbehaltlich der kartellrechtlichen Zustimmung gründen Masdar und E.ON im Januar 2010 ein Joint Venture für Klimaschutzprojekte namens E.ON Masdar Integrated Carbon (EMIC) mit Sitz in Masdar City wird Projekte im Mittleren Osten, Afrika und Asien entwickeln, mit denen der Ausstoß von CO2 bei Kraftwerken und Industrieanlagen deutlich reduziert werden kann, wie z.B. durch den Umbau von Kraftwerken zu Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Für die Durchführung der Klimaschutzprojekte erhalten E.ON und Masdar CO2-Zertifikate, die im Rahmen des weltweiten CO2 -Marktes handelbar sind. Was ein äußerst kontroverses Thema ist, das ich gerne anderen Autoren überlasse...

Die Deutsche Bank legt gemeinsam mit Masdar Venture Capital einen Private-Equity-Fonds für Investitionen in grüne Unternehmen auf, die Geldgeber werden von der Siemens AG angeführt. Bei der Anfang Februar abgeschlossenen Finanzierungsrunde kommen 265 Mio. $ zusammen. Mit dabei sind auch die Credit Suisse sowie die Consensus Business Group. Zum Portfolio des Fonds gehören bereits die Firmen DuraTherm (saubere Ölverarbeitung), EnerTech (Klärschlamm-Energie), Europlasma (Abfallbehandlung) und HelioVolt (Dünnschicht-Zellen).

Ebenfalls im Januar beginnt man bei Masdar mit der Durchführung des ersten Geothermie-Projektes im Nahen Osten. Das isländische Unternehmen Reykjavik Geothermal hatte bereits im August 2009 einen Beratervertrag in Höhe von 1 Mio. € erhalten, um das Projekt durchzuführen, und beauftragte daraufhin die australische Firma Ensign, Bohrungen bis in eine Tiefe von 2.800 m bzw. 4.500 m einzubringen. Grobe Schätzungen gehen von einem Projektvolumen von 11 Mrd. $ aus, um ein 5 MW Geothermiekraftwerk zu errichten (was ich allerdings für ziemlich überzogen halte).

Tatsächlich stößt man bis Ende des Jahres in 2.500 m Tiefe auf ‚Taschen’ mit 95°C heißem Wasser, was im Rahmen der bisherigen Technologien ausreicht um eine Sorptionsentfeuchtung zu betrieben, nicht jedoch um Strom zu erzeugen. Daher erwägt man nun eine Kühllösung mit Anbindung an das tiefe Erdreich. Klarheit über diese Option soll es im zweiten Quartal 2011 geben.

Im Bereich der Forschung hört man im Februar 2010, daß sich das Masdar Institute auch mit der Anpflanzung einer Salzwasser liebenden Halophyten-Pflanze namens salicornia beschäftigt. Dabei will man eine Fisch- und Garnelenzucht mit dem Anbau von salicornia kombinieren, um zum einen die Fischzucht weniger umweltschädlich zu machen, und zum anderen aus der Pflanze selbst Biokraftstoff herzustellen. Die letztere Idee geht vermutlich auf Robert Glenn an der University of Arizona zurück, der vorgeschlagen hat, weltweit rund 480.000 Quadratmeilen sonst kaum nutzbares Land mit Halophyten zu bepflanzen, aus denen jährlich 1,5 Mrd. Barrel Biokraftstoff gewonnen werden können. Die Samen der amerikanischen salicornia bigelovii (Dwarf Glasswort) sollen beispielsweise im Flächenvergleich 1,7 Mal mehr Öl enthalten als Sonnenblumen-Samen. Entsprechende Versuche laufen bereits in Saudi-Arabien, Eritrea und Mexiko, wo die involvierte Firma Global Seawater einen Ertrag von 850 – 950 Liter Biodiesel pro Hektar nachweisen kann. In Eritrea arbeitet Carl Hodges an dieser Technologie, Gründer und Vorsitzender der Seawater Foundation, der nun auch Masdar berät.

Masdars Bemühungen werden von Boeing, Etihad Airways, and UOP Honeywell untestützt. Umgesetzt wird das Ganze, indem auf einer Versuchsfläche von 2 km2 Teiche gegraben und mittels eines Kanals mit Salzwasser aus dem Meer befüllt werden. In diesen Becken sollen Garnelen oder Fische gezüchtet werden. Doch anstelle, daß die potentiell schädlichen Abwässer zurück ins Meer gehen, werden diese verwendet, um salicornia-Felder zu düngen, die abgeerntet und zu Biokraftstoffen verarbeitet werden. Der Abfluß aus diesen Feldern wird wiederum in einen eigens angepflanzten Mangroven-Sumpf geleitet, der verhindert, daß irgendwelche Reste des Fische-Wassers ins Meer gelangen, und zusätzlich einen Sturm-Schutz bietet sowie Kohlenstoff bindet. Der mittels einer Anlage von Honeywell erzeugte Biokraftstoff soll schließlich bei den projektfördernden Luftlinien landen, während die pflanzlichen Reststoffe zur Stromerzeugung eingesetzt werden können.

Ebenfalls im Februar unterzeichnet Masdar mit der ägyptischen New and Renewable Energy Authority (NREA) eine Vereinbarung zur Entwickelung einer 200 MW Windfarm an der Ostküste des Landes in der Nähe von Suez. Bislang hat Ägypten Windparks in Zafarana und Hurghada, die zusammen bis zu 430 MW erzeugen. Weitere Details darüber gibt es in der Länderübersicht Windenergie.

Im März 2010 meldet die Presse, daß das Masdar-Projekt auf dem Prüfstand steht, nachdem die arabischen Chefs der Masdar Energie und der Masdar Immobilienentwicklung von ihren Posten zurückgetreten sind. Sultan Ahmed Al Jaber, Geschäftsführer der ADFEC, ordnet daraufhin eine umfassende Prüfung der ursprünglichen Pläne Masdars an, die mehrere Wochen in Anspruch nimmt.

Nicht unpikant finde ich, daß nun zwei Ausländer die Managementposten bekommen: Frank Wouters, der bereits seit September 2009 für Masdar tätig ist, als Experte im Bereich der erneuerbaren Energien gilt und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der German Wind Energy Association ist, sowie Alan Frost, der ebenfalls seit Herbst 2009 bei Masdar ist, zuvor für Großkonzerne wie Babcock & Brown und Lend Lease tätig war und Mitglied des College of Civil Engineers ist.

Als Folge des schwachen Immobilienmarktes soll der gesamte Masdar-Plan neu evaluiert werden. Außerdem räumt man ein, daß vermutlich ein Großteil der Elektrizität für die Stadt importiert werden muß, anstatt ihn vor Ort selbst herzustellen, wie es ursprünglich geplant war. Die Projektleitung kündigt auch an, daß die elektrischen Pod Cars wahrscheinlich nicht in der ganzen Stadt eingesetzt werden würden.

Im April 2010 unterzeichnen Masdar und das US Department of Energy (DOE) ein Memorandum of Understanding, um im Bereich der sauberen und nachhaltigen Energietechnologien zusammenzuarbeiten. Dabei geht es primär um das Auffangen und Abscheiden von CO2, um Wasser und um Biotreibstoffe.

Gleich beide Chefs von Masdar PV fliegen im May 2010 aus ihren Jobs. Es handelt sich um die beiden Ausländer Rainer Gegenwart (früher für First Solar-Deutschland zuständig) and Joachim Neil. Als Grund wir die nicht zufriedenstallende Geschwindigkeit bei der Umsetzung der PV-Projekte vermutet. Andererseits ist die aus den USA übernommene hire-and-fire-Mentalität der arabischen Seite nicht besonders dienlich, um langfristig stabile und nachhaltige Entwicklungen zu initiieren – aber das scheint den Scheichs bislang niemand erzählt zu haben.

Den Zuschlag für das Shams 1 CSP-Kraftwerk erhalten im Juni 2010 die beiden Unternehmen Abengoa Solar und Total. Baubeginn für das 100 MW-Kraftwerk, das ca. 120 km südwestlich von Abu Dhabi in Madinat Zayed eine Wüstenfläche von rund 2,5 km2 bedecken wird, soll noch in diesem Jahr sein. In Betrieb gehen soll die 450 Mio. $ Anlage (andere Quellen: 600 Mio. $) in der zweiten Jahreshälfte 2012. Damit würde sie schon Strom ins Netz speisen, bevor das o.g. Desertec-Projekt auch nur seine Finanzierung abgeschlossen hat – wahrlich eine Schande für die deutsche Regierung und Industrie.

Shams 1 Grafik

Shams 1 (Grafik)

Im Rahmen der Vereinbarung werden die beiden Unternehmen gemeinsam mit Masdar das größte Solarkraftwerk im Nahen Osten entwickeln, besitzen und betreiben. Es soll mit 768 Parabolrinnen-Kollektoren von Abengoa ausgestattet werden und einen Systemwirkungsgrad von bis zu 17 % haben. Die Spiegel stammen von Flabeg. Nach Sonnenuntergang springt ein Gasbrenner ein, um das Wärmemedium der Turbine aufzuheizen. Man rechnet damit, daß etwa 18 % des Stroms durch dieses Gas erzeugt werden. Einen Wärmespeicher gibt es nicht. Während Masdar 60 % der Besitzanteile an dem Kraftwerk hält, teilen sich Abengoa und Total die restlichen 40 %. Verantwortlich für die schlüsselfertige Errichtung des Shams 1 Anlage sind Abener und Teyma, zwei Unternehmen der Abengoa-Gruppe.

Ebenfalls im Juni kündigt der Forschungschef des Masdar Institute of Science and Technology – nach nur einem Jahr im Amt. Nur einen Monat später folgt ihm John Perkins, der als das ,öffentliche Gesicht’ des MIST galt und zuvor eine Professur an der University of Manchester inne hatte.

Im Juli 2010 reagiert der Masdar-CEO Sultan al-Jaber auf die zunehmend kritische Berichterstattung über das Masdar-Projekt und betont, daß man die Planungen nicht zurückfahren wird, auch wenn sie sich zeitlich möglicherweise verzögern werden.

Einer der Beiträge zur Land Art Generator Initiative im August 2010, einem internationalen Designwettbewerb am Arabischen Golf, bei dem es um die künstlerische Umsetzung erneuerbarer Energietechnologien geht, stammt von Darío Núñez Ameni und Thomas Siegl vom New Yorker Atelier DNA  und wird für ein Gebiet in der unmittelbaren Nähe von Masdar-City vorgeschlagen.

Bei dem Konzept namens Windstalk – das übrigens den 2. Platz belegt – handelt es sich um einen Wald aus exakt 1.203 gigantischen Halmen mit einer Länge von jeweils 55 m und einem sich nach oben verjüngenden Durchmesser von 30 cm unten bzw. 5 cm oben, die im Wind hin und her schwanken und dabei genug Strom für 5.000 Haushalte liefern. Die Karbonfaser-Halme, die am Boden in 20 – 30 m durchmessende Beton-Halterungen mit piezoelektrischen Elementen verankert sind, erzeugen den Strom ganz ohne drehende Rotoren und Generatoren. Ihre obersten 50 cm Länge sind mit LEDs versehen, die mit zunehmender Windstärke auch immer heller leuchten. In den Sockeln sollen sich übereinander mehrere Speicherkammern befinden, die anteilig mit Wasser befüllt als kleine Pumpspeicherwerke für Flautenzeiten agieren sollen. Es ist allerdings fraglich, ob die Entwickler für ihren unkonventionellen Windpark Investoren finden.

Knapp drei Jahre nach Projektbeginn wird im Herbst 2010 ein neuer Masterplan vorgelegt, dem zufolge der Bau wesentlich länger dauern wird und auch einige der ehemals zentralen Ziele unerreichbar bleiben. Die betrifft vor allem die Klimaneutralität, da inzwischen klar ist, daß die Stadt ohne eine externe Energieversorgung nicht funktionieren wird. Außerdem wird das ursprünglich mit 22 Mrd. $ bezifferte Investitionsvolumen neu geschätzt, wobei man nun auf einen Betrag von 18,7 – 19,8 Mrd. $ kommt, was um 10 – 15 % geringer ist. Der Direktor von Masdar City, Alan Frost, geht davon aus, daß der erste Bauabschnitt 2015 beendet wird.

Die Vision als Ganzes soll auf jeden Fall erhalten bleiben, insbesondere was den Bereich der Erneuerbaren Energie betrifft. Statt nur auf eine schattenspendende Architektur und einem Betrieb herkömmlicher Klimaanlagen mit regenerativ erzeugtem Strom zu setzen, wird der Fokus jetzt auch auf sonnenbetriebene Kühlstationen u.ä. gerichtet.

Sopogy-Anlage

Sopogy-Anlage

Im Oktober 2010 meldet die Presse, daß die hawaiianische Firma Sopogy Inc. aus Honolulu, Hersteller von kleinen Parabolrinnen-Solaranlagen, ein solarthermisches Kollektor-System für eine Klimaanlage in Masdar City liefern wird. Die Mikro-CSP-Kollektoren werden thermische Energie für eine Absorptionskältemaschine liefern, wie sie schon in vielen Teilen der Welt für die Kühlung aus Abwärme-Quellen verwendet wird. Außerdem scheint man mit einen Fresnel-Kollektor der Firma Mirroxx GmbH (später: Industrial Solar GmbH) aus Freiburg zu experimentieren.

Auch von dem flächendeckenden PRT-Netz aus ferngesteuerten Podcars rückt man leider ab – es wird auf ein kleineres Pilotprojekt zusammengestrichen, das einzelne Häuser verbinden soll und auch nicht mehr im Untergrund verläuft. Die dadurch  entstehende Mobilitätslücke könnten andere Elektromobile vom Segway bis zum Elektroauto und -bus stopfen. Das Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bleibt für das Stadtgebiet jedoch bestehen.

Gleichzeitig werden die ersten Fotos veröffentlicht, auf denen man Abschnitte sehen kann, die weitestgehend fertiggestellt erscheinen. Dies betrifft insbesondere den Bereich um das Masdar-Institut, wo die Laboratorien in modernen Betonbauten untergebracht sind, die von einer festen, transparenten Kunststoff-Folie aus Ethylen-Tetrafluorethylen überzogen sich. Ihnen gegenüber stehen Wohngebäude, die mit einem gewellten Gitterwerk in Terra-Cotta-Farben verkleidet sind, das an traditionelle arabische ‚Mashrabiya’-Verkleidungen erinnert. Große PV-Arrays stehen auf den Dächern beider Seiten, und im Hintergrund sieht man einen der Windtürme, die durch ihren Kamineffekt für eine selbständige Belüftung sorgen.

Ebenfalls im Oktober 2010 vereinbart Siemens eine langfristige strategische Partnerschaft mit Masdar. Das Unternehmen, das bereits als Investor für die Masdar Clean Tech Fonds I und II auftritt, soll für die erste Projektphase von Masdar City ein innovatives Stromnetz kombiniert mit moderner Gebäudetechnik errichten, um eine energieeffiziente Stromversorgung zu ermöglichen und als Forschungs- und Entwicklungsplattform zu dienen. Im Rahmen der Vereinbarung wird Siemens integrierte Automatisierungstechnik für Gebäude liefern und gemeinsam mit Masdar City Anwendungen für ein intelligentes Stromnetz (Smart Grid) entwickeln.

Siemens plant zudem, mit seiner Unternehmenszentrale für den Nahen und Mittleren Osten nach Masdar zu ziehen, wo u.a. auch ein Kompetenzzentrum für Gebäudetechnik angesiedelt wird, das noch im Jahr 2010 mit seinen Aktivitäten beginnen soll (später auf 2013 verschoben). Hier sollen insgesamt 2.000 Mitarbeiter angesiedelt werden. Dazu kommt eine Zusammenarbeit mit dem Masdar Institute auf dem Gebiet der CO2-Abscheidung und –Speicherung, der intelligenten Stromnetze und der intelligenten Gebäudetechnik. Der Forschungs- und Entwicklungsaspekt der Partnerschaft stellt für Siemens die bislang weltweit größte Investition dieser Art dar.

Ende November 2010 wird endlich das erste von Foster & Partners entworfene Institutsgebäude des Masdar Institute of Science and Technology (MIST) offiziell eröffnet. Es ist eines von mehreren geplanten Plus-Energie-Neubauten, die arabische Tradition und nachhaltige Technologie verbinden, gekrönt von Solarpaneelen, die auf etwa 5.000 m2 der Dachfläche installiert sind und mit 1 MW ein knappes Drittel des Stroms produzieren, den das Gebäude selbst benötigt. Auf jeden Fall sorgen sie für Schatten und kühlere Innenhöfe. Die Seminarräume und Laboratorien sind zudem durch horizontale und vertikale Lamellen vor dem heißen Wüstenklima geschützt, und die Fassaden werden durch aufblasbare Kissen isoliert.

MIST in Masdar

MIST in Masdar

Die Hauptenergieversorgung von MIST stammt allerdings von der 10 MW PV-Anlage, die bereits im Juni 2009 in Betrieb genommen wurde (s.o.). Eine Membran-Bioreaktoranlage (MBR) wird täglich 1.500 m3 Abwässer behandeln und etwa 10 % des Wassers recyceln und zur Bewässerung nutzen. Durch die Kombination mit solar erwärmtem Wasser werden die Forschungseinrichtungen des MIST mit 54 % weniger Wasser und 51 % weniger Energie auskommen, als vergleichbare Gebäude ohne diese Technologien. Man hofft, die erste Bauphase (43.000 m2, andere Quellen: 67.000 m2) des Institut-Areals 2012 zu beenden – und fängt bereits jetzt schon mit der zweiten an (82.000 m2, andere Quellen: 90.000 m2), die Unterkünfte, Laboratorien, Konferenzräume, einen Fitneßraum und einen Swimmingpool umfaßt.

Was auch höchste Zeit ist, denn die ersten 88 postgraduierten Studenten (nach 1.200 Anträgen aus 22 Staaten) sind schon seit Herbst 2009 provisorisch im nahe gelegenen Petroleum Institute untergebracht. Zusammen mit ihren Professoren begannen sie im September sukzessiv  in die mittlerweile sechs fertiggestellten neuen Gebäude einzuziehen. Nun, zu Beginn des Wintersemesters 2010/2011 kommen weitere 100 Studenten aus 26 verschiedenen Ländern dazu. Anfang des Jahres beträgt die Zahl der Studenten genau 167 Personen.

Das MIST hat ein jährliches Budget von 150 Mio. $, von denen 10 Mio. $ an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge gehen, um das Masdar Institute beraten und Dozenten und Studenten zu rekrutieren. Die gegenwärtig 38 Mitglieder des Lehrkörpers kommen aus zehn Ländern. Voll funktionsfähig soll das MIST 100 Mitglieder des Lehrkörpers und 600 graduierte Studenten umfassen.

Eine der neuen Studentinnen, Laura Stupin aus Amerika (von der auch das schöne Vollmond-Foto über der MIST-Bibliothek stammt), schreibt in ihrem Blog, daß sie das Gefühlt hat, in einem Raumschiff inmitten der Wüste zu leben, an dem aber Tag und Nacht noch gearbeitet wird. Nutzen kann sie auch die Podcar-Strecke zwischen dem Institut und dem Parkplatz, eine 800 m lange Strecke, die von den selbstfahrenden Elektrokabinen mit einer auf 25 km/h reduzierten Geschwindigkeit in 2 Minuten bewältigt wird. Die Passagiere sind von dem Komfort, der Laufruhe und einem ich-fühle-mich-wie-in-der-Zukunft-Empfinden begeistert.

Das Jahr 2011 beginnt mit einem Besuch der US-Außenministerin Hillary Clinton in Masdar, die das Projekt in höchsten Tönen lobt. Anlaß ist der vierte jährlich stattfindende World Future Energy Summit, und zu sehen bekommt sie das solarthermische Beam Down Kraftwerk (s.o.).

Erfolge gibt es auch aus Deutschland zu melden, wo Masdar PV gemeinsam mit der Beck Energy GmbH eine Freiflächensolaranlage in der Nähe von Luckenwalde errichtet und in Betrieb nimmt. Die Anlage, die den Startschuß für eine konstruktive Zusammenarbeit der beiden Unternehmen bilden soll, besteht aus 65.000 Module von Masdar PV auf einer Fläche von ca. 30 ha und hat eine installierte Leistung von 6 MW. Diese Module müssen – im Gegensatz zu den Anlagen in Masdar – auch nicht regelmäßig alle zwei Wochen vom Staub befreit werden.

Im Februar schreibt Masdar eine zweite 100 MW PV-Anlage aus. Das Nour 1 Kraftwerk (arab. Licht) soll im Laufe des Jahres 2013 nahe der Stadt Al Ain an der Grenze zum Oman errichtet werden. Im gleichen Monat vereinbaren das US-Department of Energy (DOE) und Masdar die Erprobung eines neuen Beschichtungsmaterials für PV-Solaranlagen, das bereits vom NREL getestet worden ist und verhindern soll, daß sich aus Staub und der Feuchtigkeit der Umgebungsluft (z.B. Morgentau) eine leistungsvermindernde Schmutzschicht auf den Paneelen bildet. Das Reinigen von Hand hat sich als äußerst mühsam erwiesen, wenn es um Hunderttausende von Modulen geht.

Einen Monat später, im März 2011, beschließt Masdar erfolgreich die Finanzierungsrunde für das erste 100 MW PV-Kraftwerk, an der zehn Banken teilnehmen: BNP Paribas, KfW, Mizuho, National Bank of Abu Dhabi, Natixis, SociétéGénérale, Sumitomo Mitsui Banking Corporation, The Bank of Tokyo-Mitsubishi, Union National Bank und WestLB.

Im April wird der sogenannte Superbus in Masdar vorgeführt, ein elektrisch betriebenes 15 m langes Monstrum, über das ich im Kapitel zur elektrischen Mobilität schon berichtet habe (s.d.). Die mit drei Achsen versehene Entwicklung niederländischer Ingenieure und Studenten faßt 23 Personen und kann Geschwindigkeiten über 200 km/h erreichen.

Superbus in Masdar

Superbus in Masdar

Anfang Mai wird in Masdar der erste Basar eröffnet – der natürlich ganz zeitgemäß Market@Masdar City heißt. Es ist die erste Gelegenheit für Besucher von außerhalb, sich den bereits fertigen Kern der Zukunftsstadt anzusehen und auch die angenehm kühlenden Wassernebel-Versprüher zu genießen, die es überall an öffentlichen Plätzen gibt. Vor den PRT-Podcars gibt es lange Schlangen, da fast jeder einmal damit fahren will.

Mitte des Jahres gibt es Neuigkeiten aus dem Windbereich: Masdar ist weiterhin auf Kurs, um den zur Zeit weltweit größten Offshore-Windpark in der Londoner Themse-Mündung bis zum Ende des Jahres 2012 abzuschließen. Gemeinsam mit den Partner Dong Energy und E.ON sind bereits Fundamente für 22 der insgesamt 177 Turbinen des 1 GW London Array Windpark gelegt. Masdar hat inzwischen überrascht feststellen müssen, daß neue Windkraftanlagen sogar bei moderaten Windverhältnissen wie in Abu Dhabi wirtschaftlich sein können. Es zeigte sich, daß die Windenergie sogar die Option mit den niedrigsten Kosten ist. Masdar arbeitet jedenfalls schon an einem 30 MW Windpark-Projekt auf der Insel Sir Bani Yas, 250 km südwestlich der Stadt Abu Dhabi, sowie an dem Mahe-Windpark auf den Seychellen.

Im Juli 2011 eröffnet das Global Green Growth Institute (GGGI) mit Hauptsitz in Seoul, Südkorea, seine Niederlassung für die MENA-Region in Masdar. Das GGGI wird eng mit dem nationalen Klimawandel-Ausschuß, dem MIST und der IRENA zusammenarbeiten, um bestehende Umweltinitiativen zu stärken. Außerdem will das GGGI synergistische Partnerschaften zwischen Denkfabriken und Unternehmen in den VAE und ihren koreanischen Entsprechungen sowie weiteren weltweit führenden Fachleuten in den Bereichen Energie, Umwelttechnik und zukünftigen Wachstumsmotoren entwickeln. Pressemeldungen in Deutschland zufolge soll auch die Fraunhofer-Gesellschaft eine Niederlassung in Masdar planen.

Bis die IRENA aus ihrem jetzigen Provisorium im Zentrum Abu Dhabis in ein eigenes Gebäude in Masdar City umziehen kann, wird es allerdings noch bis 2013 dauern. 


Weitere Projekte


Inzwischen hat das Masdar-Konzept schon diverse Seiten inspiriert und auch schon Nachahmer in anderen Ländern gefunden. Über räumlich weiter weg gelegene Projekte, wie die Grüne Stadt Dongtan auf der Insel Chongming vor der chinesischen Ostküste beispielsweise, spreche ich im Kapitel über solare Architektur. Hier soll es mehr um die direkte Nachbarschaft gehen.

Der Stararchitekt Rem Koolhaas plant beispielsweise für das Emirat Ras al-Khaima eine Ökostadt auf 1,2 Mio. m2, die primär aus lokalen Materialen errichtet werden soll. Die Gateway Eco City soll 2012 fertig gestellt sein.

Jordanien gibt im Mai 2008 bekannt, eine CO2-arme Stadt bauen zu wollen, die, mit einer Einwohnerzahl von rund 1 Million, flächenmäßig etwa 10 Mal so groß wie Masdar sein soll.

Im Emirat Scharja plant die multinationale Mulk Holding Parabolrinnen-Kollektoren herzustellen, um damit Masdar beliefern zu können. Dabei handelt es sich um Metall/Komposit-Spiegelsysteme der Alubond USA, einer Tochter der Holding.

Die neuen staatliche King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) in Saudi-Arabien, fast so etwas wie eine eigene Wissenschaftsstadt, gibt Stanford-Wissenschaftlern 25 Mio. $, um ein Forschungszentrum aufzubauen, an dem daran gearbeitet werden soll, die Kosten von Solarstrom mit dem von Kohle wettbewerbsfähig zu machen. Berkeley-Forscher erhalten einen Zuschuß in Höhe von 8 Mio. $ um einen ‚grünen’ Beton zu entwickeln.

In der älteren Schwesterorganisation, der King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST), sind schon in den 1970er und 1980er Jahren gemeinsam mit US-amerikanischen und deutschen Institutionen eine Reihe Solarprojekten durchgeführt worden (z.B. SOLERAS).

Dubai wiederum plant den Bau des größten Solarkraftwerks in der Region, das genug Strom zur Deckung des Eigenbedarfs und zum Export in umliegende Länder produziert. Das Emirat will auch zu einem Pionier bei nachhaltigen Gebäuden werden und beginnt schon Anfang 2008 die Praktiken des grünen Bauens in verschiedene neue Entwicklungsprojekte einzubeziehen.

Energy City Grafik

Energy City (Grafik)

Im März 2006 startet das Emirat Katar daß unter dem Namen Energy City Qatar (ECQ) ein eigenes Öko-Stadt-Projekt in Höhe von 2,6 Mrd. $, das eine Fläche von etwa 700.000 m2 umfassen wird. Die Projektleitung hat die Gulf Energy Holding Co., entworfen und geplant werden die CO2-neutralen Bürogebäude von der lokalen Lusail Real Estate Development Co. in Doha.

Zum Einsatz kommen sollen hier besondere Solar-Paneele, welche für die Beleuchtung und den Strombedarf sorgen, sowie eine Fernkälteanlage für das gesamte Projekt. Das wiederaufbereitete Wasser, ein Nebenprodukt der Klimaanlage, soll für die Bewässerung der Grünflächen im Inneren und in der Umgebung der Gebäude eingesetzt werden. Nach Fertigstellung sollen bis zu 30.000 Menschen in dem Projekt arbeiten. Es soll das erste Projekt nach vollem LEED-Standard werden (Leadership in Energy Environmental Design). Später werden die Projekte Energy City Libya (an der Küste von Mallita) und Energy City India (auch: Mega City India, Region Panvel/Navi Mumbai) aufgelegt.

Ende 2008 unterzeichnet die Regierung von Katar eine Vereinbarung mit dem zu Besuch weilenden britischen Premierminister Gordon Brown, um mehr als 220 Mio. $ in einen britischen Low-Carbon-Technologie-Fonds zu investieren. Wissenschaftliche Vereinbarungen hat der Inselstaat unter anderem mit den Universitäten Caltech, Cambridge, Cornell, Imperial, La Sapienza, Oxford und Utrecht.

In Partnerschaft mit dem Arab Centre for the Studies of Arid Zone and Dry Lands (ACSAD) in Damaskus, Syrien, plant Katar auch ein Umweltprogramm, um Wüstengebiete in nutzbare Weiden und andere Grünflächen zu verwandeln, wobei Entsalzungstechnologien eingesetzt werden sollen. Auch die rapide abnehmenden Grundwasserressourcen des Landes sollen wieder aufgefüllt werden.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle die Pan-Arab TV-Show Stars of Science mit den Schwerpunkten Innovationen und Projektideen, die von der Katar-Stiftung und der schon bestehenden Education City ins Leben gerufen wird. Das Programm ist ein Wettbewerb über die Grenzen der einzelnen arabischen Länder hinweg, um kreative arabische Innovationen zu finden und ihre Entwicklung zu unterstützen.


Solare Meerwasser-Entsalzungsanlagen


An dieser Stelle geht es um große kommerzielle Meerwasser-Entsalzungsanlagen, die zumeist im Hochtemperaturbereich laufen, wobei aber auch über entsprechende kleinere Versuchs- und Pilotanlagen berichtet wird. Über kleine und kleinste Niedertemperatursysteme, die oftmals gezielt für den Einsatz in der 3. Welt entwickelt werden, berichte ich in dem Kapitel Solare Wasserentsalzung, wo sich auch ein ausführlicher Blick auf die geschichtliche Entwicklung findet.

Hier soll ein kurzer Überblick über einige wichtige Schritte im Bereich der konventionellen Meerwasserentsalzungsanlagen gegeben werden – bevor ich mich auf die aktuelle Entwicklung bei der solaren Entsalzung ab den 1970er Jahren konzentriere.


Im Jahr 1973 geht in Aqtau (damals Schewtschenko, UdSSR), der erste in industriellem Maßstab arbeitende Brutreaktor in Betrieb, der 150 MW elektrischen Strom und 200 MW Prozeßwärme zum Entsalzen von Meerwasser aus dem Kapisee erzeugt.

2004 sind weltweit schon mehr als 9.500 Meerwasserentsalzungsanlagen in Betrieb. Zusammen erzeugen sie rund 11,8 Mrd. m3 Wasser pro Jahr. 1995 lag die Gesamtkapazität bei 20 Mio. m3 pro Tag, 2001 liegt sie bei 32,4 Mio. m3, und 2004 bei 36 Mio. m3 täglich. 57 % der Anlagen stehen im Nahen Osten, wobei Saudi-Arabien mit 4 Mio. m3 am Tag der weltweit größte Produzent von Trinkwasser ist, das aus Meerwasser gewonnen wird. Ein Großteil dieses Wassers wird industriell genutzt.

Ein israelisches Unternehmen baut 2004 in dem indischen Bundesstaat Gujerat eine gigantische Meerwasserentsalzungsanlage im Wert von mehr als 11 Mio. $ für die größte indische Erdölraffinerie (zu diesem Zeitpunkt haben 20 % der indischen Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, und 60 % haben keine sanitären Einrichtungen). Auch die erste Meerwasserentsalzungsanlage, die von Vivendi Universal im Staat Sonora in Mexiko gebaut wird, produziert Wasser für die Industrie.


Bereits im Oktober 1999 stellt das in Maskat, Oman, beheimatete Middle East Desalination Research Center auf einer internationalen Konferenz fest, daß innerhalb der vergangenen 30 Jahre auf dem Sektor der Meerwasserentsalzung keine wesentlichen Forschritte erzielt worden sind. Die aktuellen Zahlen sprechen eine deutliche Sprache:

  • 97 % der Wasserressourcen der Erde sind Salzwasser,
  • 70 % der Weltbevölkerung lebt an Küsten,
  • doch nur 0,25 % der Trinkwasserversorgung wird durch Entsalzungsanlagen gedeckt.

Aktuellen Quellen zufolge soll es 2006 weltweit zwar schon rund 15.000 Anlagen geben, die meisten davon sind jedoch relativ klein (und nur ein winziger Bruchteil davon wird mit Solarenergie betrieben). In den meisten Fällen werden fossile Brennstoffe zur Verdampfung des Wassers genutzt – oder eben Strom aus nicht erneuerbaren Ressourcen, mit dem die neueren Umkehrosmose-Anlagen (Reverse Osmosis, RO) betrieben werden. Über die Details der einzelnen Technologien (z.B. die mehrstufige Entspannungsverdampfung, Elektrodialyse oder die Elektro-Deionisation) kann man sich im Netz ausführlich informieren.

In Saudi-Arabien, wo 27 fossil-betriebene Meerwasser-Entsalzungsanlagen etwa 70 % des landesweiten Trinkwasserbedarfs decken, wird im April 2009 in der Jubail II Industriezone der Ostprovinz eine weitere Anlage in Betrieb genommen, die gegenwärtig als die weltgrößte gilt. Die 3,8 Mrd. $ teure Anlage soll täglich 800.000 m3 Trinkwasser sowie 2.750 MW Strom erzeugen.

Im Juli 2009 wird die bislang größte europäische Meerwasser-Entsalzungsanlage im spanischen El Prat de Llobregat eingeweiht, die bis zu 25 % des Wassers für die 4,5 Millionen Bewohner im Großraum Barcelona erzeugen soll. Bei voller Kapazität wird die 230 Mio. € teure Anlage pro Tag bis zu 200 Millionen Liter Trinkwasser erzeugen. Aus 100 Litern Salzwasser, die 2,2 km vor der Küste aus 30 m Tiefe entnommen werden, können 45 Liter Trinkwasser erzeugt werden. 75 % der Kosten übernimmt der EU-Kohäsionsfond.


Ich werde die entsprechende Entwicklung auch weiterhin verfolgen und dabei auch auf einige Innovationen in Technologiebereichen eingehen, die für den Gesamtprozeß wesentlich sind, wie z.B. die semi-permeablen RO-Membranen, die in den späten 1950er Jahren im Auftrag der US-Regierung und der NASA entwickelt wurden – u.a. für die bemannte Raumfahrt, wo diese Technik bei längeren Weltraumaufenthalten auf den Urin der Astronauten angewendet werden soll.


Solare Verdunstungsanlagen
werden in den 1960er Jahren insbesondere in Australien, Griechenland, Tunesien und den USA umgesetzt, weitere Einzelanlagen entstehen auf den Kapverden, auf Haiti und auf den Windward-Inseln, in Indien, Mexiko, Pakistan, Spanien und der UdSSR. Zumeist werden die Anlagen zur Meerwasserentsalzung eingesetzt, in Australien dagegen vornehmlich zur Aufbereitung von Brackwasser.

In den darauf folgenden Jahrzehnten wird dieser solartechnische Anwendungsbereich in größerem Umfang weiterentwickelt und auch praktisch erprobt, so daß heute in Ägypten, Israel, Kanada, Jordanien, Dubai, Saudi-Arabien, auf den Kanarischen Inseln und anderswo derartige Anlagen in den verschiedensten Dimensionierungen stehen.

Im Grunde kann zwischen drei Anlagentypen unterschieden werden:

  • Die Erwärmung von stehendem oder fließendem Meer- oder Brackwasser über einer schwarzen Absorptionsfläche bei anschließender Verdampfung und interner oder externer Kondensation,
  • die Trennung von Absorptions- und Verdampferstrecke, der Wärmetransport erfolgt hier mit Hilfe eines Transportmediums, oder
  • das Meer- oder Brackwasser steht zwar auf der schwarzen Absorptionsfläche, doch die Verdampfung wird durch Anbringung lichtdurchlässiger Folien auf der Oberfläche der Sole verhindert. Die Verdampferstrecke befindet sich dabei in einem separaten Teil der Anlage.


Eine eigenständige Methode bildet die sogenannte Gefriertrennung, die m.W. bislang aber noch nicht mit der Solartechnik gekoppelt worden ist.

Die Technologie scheint auf den russischen Forscher Alexander Zarchin zurückzugehen, der an der Technischen Hochschule von Leningrad jahrelang an Destillationsmethoden zur Wasserentsalzung experimentiert. Als er unter Stalin 1934 wegen zionistischer Umtriebe in Ungnade fällt und nach Nordsibirien verbannt wird, kommt er dort auf die Idee, die ursprünglich angewandte Prozedur zur Trennung von Salz und Wasser umzukehren. Anstatt das Wasser zu erhitzen, kühlt er es ab, denn genau so, wie bei siedendem Salzwasser nur das Wasser, und nicht das Salz verdampft, bilden sich beim Gefrieren von Salzwasser nur reine Wasserkristalle, die geschmolzen zu Süßwasser werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg flieht Zarchin nach Israel, wo ihm die Regierung 1957 ein aufwendig ausgestattetes Laboratorium zur Verfügung stellt. Ende 1959 wird im US-Bundesstaat North Carolina eine erste kleinere Gefrieranlage mit einer Tagesleistung von 70 m3 in Betrieb genommen, und Anfang der 1960er Jahre wird eine große Versuchsanlage in Eilat errichtet, die aus dem Golf von Akaba täglich 1.000 m3 Wasser gewinnen soll. In jenen Jahren stellt die Gefriertrennung die Ingenieure zwar vor technische Probleme, die schwieriger sind als beim Destillationsverfahren, doch die Methode hat einen sehr großen Vorteil, der seitdem nur noch signifikanter geworden ist: Wasser gefrieren zu lassen erfordert weitaus weniger Energie als es zu verdampfen.

Im Jahr 1966 veröffentlicht ein Prof. Dr.-Ing. S. Kiesskalt einen Artikel, in dem es um die Kälteanwendung und die mechanische Verfahrenstechnik in der Meerwasser-Entsalzung geht. Der Autor mit dem passenden Namen belegt, daß es durch die Verbindung mehrerer kältetechnischer Verfahrensschritte mit Trennaufgaben der mechanischen Verfahrenstechnik möglich sei, Meerwasser mit Flüssiggas zu vereisen und das entstandene Süßwasser-Eis auf Zentrifugen abzuscheiden. Ich werde später auf noch weitere Kälteverfahren zu sprechen kommen, da ich diese Technologie als viel erfolgsversprechender betrachte, als die äußerst energieaufwendige Hitzeverdampfung.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf den exklusiv hier im Archiv einsehbaren Artikel Schlamm in Wasser verwandeln (pdf) von Ernst J. Minhorst aus dem Jahr 2007, bei dem es ebenfalls um eine Kälteabscheidung geht.


Ein wirtschaftlicher Durchbruch bei den Versuchen, traditionelle großtechnische Verfahren mit Verfahren der solaren Meerwasserentsalzung zu koppeln, ist bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgt. Zwar werden derartige Systeme wiederholt propagiert und zum Teil sogar kleintechnisch umgesetzt, doch unter den gegenwärtigen Bedingungen arbeiten selbst Anlagen mit Mehrstufenverdampfern nicht wirtschaftlich. Dies gilt besonders dann, wenn zur Erzeugung der elektrischen bzw. mechanischen Energie für den Entsalzungsvorgang Energiequellen wie Wind oder Sonne (z.B. über Solarzellen) verwendet werden.


Die starke Zunahme der städtischen Bevölkerung und die enorme Expansion der Industrie nach dem Zweiten Weltkrieg rücken das Problem der guten Wasserqualität erneut in den Mittelpunkt. Öffentliche Gesetze erteilen dem Innenministerium der Vereinigten Staaten in den Jahren 1952, 1955, 1958 und 1961 vier Genehmigungen, um Forschungsprogramme im Bereich der Entsalzung zu ermöglichen.

Bereits im Juli 1952 wird das Office of Saline Water (OSW) gegründet, dessen Hauptzweck die Finanzierung der Grundlagenforschung zur Entsalzung ist. Im Rahmen der Forschungen werden fünf Demonstrationsanlagen gebaut, darunter in Daytona Beach, Florida, auch eine solare, in der diverse Typen und Konfigurationen getestet wurden.

Als Berater des OSW experimentiert der Ingenieur George Oscar Löf mit solaren Bassin-Destillierapparaten, solarer Verdampfung mit externen Kondensatoren und Destillierapparaten mit Mehrfachwirkung. Löf hatte bereits 1943 eine frühe Flachkollektor-Solarheizung konstruiert und auf dem Dach seines Hauses in Boulder, Colorado, installiert. 1954 erstellt er einen Bericht mit einem umfassenden Überblick über Methoden zur Nutzung der Sonnenenergie für die Meerwasserentsalzung.

Um Fortschritte bei der großtechnischen und kostengünstigen Entsalzung von Meerwasser zu fördern, untersucht er etwa 30 Methoden einschließlich technischer und wirtschaftlicher Analysen für die solare Entsalzung, darunter Multi-Effekt- und Multi-Druck-Systeme. Letztlich kommt er zu dem Schluß, daß „die vielversprechendsten solaren Verdampfungsmethoden diejenigen sind, die die Verwendung einfacher, direkt solar beheizter Verdampfungswannen mit geschlossenen Kondensatorflächen beinhalten.“

Everett D. Howe vom Sea Water Conversion Laboratory der University of California, Berkeley, ist ein weiterer Pionier auf dem Gebiet der solaren Destillation, der zahlreiche Studien dazu durchführt. Und auch von der kanadischen McGill University werden in den Folgejahren viele solare Destillationsanlagen mit kleiner Kapazität auf karibischen Inseln errichtet.

Solar Destiller 1955

Solar Destiller
(1955)

Auf dem Ersten Weltsymposium über angewandte Solarenergie (‚First World Symposium on Applied Solar Energy‘), das im November 1955 in den USA stattfindet, beschreibt Maria Telkes die solare Destillationsanlage von Las Salinas, die bislang fast nur unter Fachleuten bekannt ist.

Auf der internationalen Konferenz wird auch der abgebildete kleine Vorläufer einer solaren Entsalzungsanlage gezeigt. Bislang gelang es leider nicht, nähere Details darüber in Erfahrung zu bringen.

Im Jahr 1958 wird ein 10 Mio. $ Programm zum Bau von fünf Entsalzungs-Demonstrationsanlagen (Multi-Effekt-Destillation, Mehrstufen-Flash, Dampfkompression, Elektrodialyse und Gefrieren) genehmigt, und 1961 wird das Programm für weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf 75 Mio. $ aufgestockt.

Unabhängig von den Arbeiten von W. N. Grune et al. am Georgia Institute of Technology, der im Jahr 1961 in den Proceedings of the United Nations Conference on New Sources of Energy eine Anlage mit einem externen Solarheizer und einer Füllkörperkolonne als Verdampfer sowie einem externen Kondensator beschreibt (‚Forced-Convection Multiple-Effect Solar Still for Desalting Sea and Brackish Waters‘), an der auch experimentelle Untersuchungen vorgenommen werden, beginnt im Frühjahr 1961 auch das Institute of Atmospheric Physics der University of Arizona in Tuscon mit Arbeiten zur Be- und Entfeuchtung.

Das Institut wird zudem vom März 1962 bis zum Dezember 1965 vom OSW gefördert, um die technische Durchführbarkeit eines Multi-Effekt-Befeuchtungs-/Entfeuchtungsprozesses (Humidification-Dehumidification, HD) bei der Verwendung von Solarenergie zu ermitteln. Die entsprechenden Experimente werden unter der Leitung von C. N. Hodges in relativ kleinen Pilotanlagen an der Universität durchgeführt.

Darüber hinaus finanziert das OSW den Bau einer Demonstrationsanlage in Puerto Peñasco in Mexiko, die im Rahmen einer Partnerschaft mit dem Zentrum für wissenschaftliche und angewandte Forschung der Universität von Sonora errichtet wird. Die Anlage mit ihren Solarkollektoren, den Be- und Entfeuchtungstürmen ist für die Produktion von etwa 18 m3 Frischwasser pro Tag im Sommer ausgelegt.

Die 1964 gebaute Puerto Peñasco Pilot Desalting Plant am Golf von Kalifornien gilt als das erste große solarbetriebene HD-Entsalzungssystem, weshalb die eingesetzte Technologie auch etwas genauer beschrieben werden soll:

Aus einem Brunnen wird Salzwasser mit einer Temperatur von etwa 25°C und einem Durchfluß von 13,6 m3/h zu einem 13 m hohen Kondensatorturm mit einen Durchmesser von 1,2 – 1,5 m gepumpt, in welchem sich der aus gerippten Aluminiumrohrbündeln bestehende Befeuchter befindet.

Der kondensierende Dampf setzt die Verdampfungswärme frei und erwärmt das Meerwasser., das in einem Speicherbecken aufgefangen wird und tagsüber die Solarkollektoren versorgt. In diesen wird das vorgewärmte Wasser weiter auf etwa 65°C erwärmt und dann in einem unterirdischen Speicherbehälter mit einem Fassungsvermögen von 325,5 m3 gespeichert, von wo aus es zur Entsalzungsanlage gepumpt wird, um einen 24-Stunden-Betrieb zu ermöglichen.

Das 929 m2 große Solarkollektorfeld besteht wiederum aus Becken, die mit einer flachen Wasserschicht gefüllt sind. Der einzelne Kollektor mit Doppelverglasung hat eine Kunststoffschicht, um die Verdunstung zu vermeiden, und eine weitere Kunststoffabdeckung liegt mit einem kleinen Luftspalt über der ersten, um konvektive Wärmeverluste zu verringern. Das Wasser gelangt dann in den Verdunstungsturm, der mit Füllkörpern aus Polyethylen gefüllt ist.

Die Anlage hat eine Tageskapazität von etwa 20 Litern pro m2 Solarkollektorfläche, während herkömmliche solare Destillierapparate zwischen 1 und 4 Litern pro m2 liefern. Dieser Vergleich spiegelt aber nicht die wirtschaftlichen Aspekte der HD-Entsalzung wider, da diese Anlage auch wesentlich komplexer ist als solare Destillierapparate.

Gemeinsam mit der Universität von Sonora wird die Anlage bis 1965 mit Solarenergie betrieben und getestet – und dann auf die Abwärme eines Dieselmotors umgestellt. Den Grund dafür konnte ich bislang nicht herausfinden.


Experimentelle Arbeiten zur solaren Destillation werden zu dieser Zeit auch in Indien am National Physical Laboratory in Neu-Delhi und am Central Salt and Marine Chemical Research Institute in Bhavnagar durchgeführt. Details darüber ließen sich bislang nicht finden.

Anlage in Coober Pedy

Anlage in Coober Pedy
nach einem Sturm


Im Jahr 1966 (o. 1967) wird in der abgelegenen Stadt Coober Pedy in Südaustralien, die nur über knappe Wasserressourcen von schlechter Qualität verfügt, eine 3.160 m2 große solare Wasserentsalzungsanlage mit einer Kapazität von 6,35 m3 (andere Quellen: 11 m3) Trinkwasser pro Tag errichtet. Um das Süßwasser zu gewinnen, wird salzhaltiges Wasser aus 100 m Tiefe herauf gepumpt. Der Ort wird damit zur ersten größeren Gemeinde in Australien, die von einer Entsalzungsanlage versorgt wird.

In einigen Quellen wird angeführt, daß das hier angewendete einfache solare Destillationsverfahren bereits in den 1950er Jahren (andere Quellen: 1963) von der staatlichen Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) in Melbourne entwickelt worden sei, um Coober Pedy mit Frischwasser zu versorgen. Dabei handelt es sich um den Prototyp eines Wannen-Destillators, der mit schwarzer Polyethylenfolie ausgekleidet und mit Glas bedeckt ist.

Andere Quellen berichten, daß 1967 sowohl eine Umkehrosmose-Anlage (RO) als auch eine solare Destillationsanlage gebaut wurden, wobei die letztere Wasser von so guter Qualität produzierte, daß es mit dem Wasser aus der weniger effizienten RO-Anlage gemischt wurde. Die Anlage produzierte insgesamt jedoch nicht genug Wasser um den Bedarf zu decken, und auch die Solaranlage weist mehrere Probleme auf.

Genannt werden ein Rückgang der Wasserproduktion aufgrund von schmutzigem Glas, das Verstopfen der mit schwarzem Kunststoff ausgekleideten Wannen durch Eisenoxide, Beschädigungen der Glasplatten durch Krähen, die versuchen, das Wasser zu trinken, und Lecks aufgrund von Bodensenkungen bei Regen. Außerdem wird die Anlage häufig durch starke Winde beschädigt, wie man auf dem Foto sehen kann.

Ab 1985 betreibt das Coober Pedy District Council daher eine moderne Entsalzungsanlage, die ebenfalls mit einem Umkehrosmoseverfahren arbeitet. Um zu die Möglichkeit untersuchen, sie mit thermischen Solarkollektoren oder Photovoltaikmodulen zu betreiben und dabei auf die Energiespeicherung in Batterien zu verzichten, werden im Oktober 2005 Pilotversuche mit einer kleinen PV-gespeisten hybriden RO-Ultrafiltrationsanlage durchgeführt.

Ein Bericht darüber unter dem Titel ‚Application of solar-powered desalination in a remote town in South Australia‘ wird von Andrea Iris Schäfer et al. vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verfaßt und im November 2009 veröffentlicht.


Zwischen 1965 und 1970 werden auf vier griechischen Inseln solare Destillationsanlagen gebaut, um kleine Gemeinden mit Süßwasser zu versorgen. Die an der Technischen Universität Athen gebauten Destillierapparate sind als asymmetrische Gewächshäuser mit Glasüberdachung und Aluminiumrahmen konzipiert. Sie werden mit Meerwasser gespeist und sind mit Einfachglas abgedeckt. Ihre Tageskapazität reicht von 2.044 m3 bis 8.640 m3. Bei der 1967 auf der Insel Patmos gebauten solaren Entsaltungsanlage handelt es sich um die bis dato größte.


Solare Destillationsanlagen werden auch auf den portugiesischen Inseln Porto Santo und Madeira gebaut, über die jedoch keine detaillierten Informationen vorliegen.


Im Jahr 1972 wird zudem in Pakistan eine solare Entsalzungsanlage mit einer Fläche von 9.072 m2 und einem Tagesausstoß von 21.818 Litern errichtet. Die Anlage Gwadar II ist eine der größten überhaupt – und entsteht aufgrund der positiven Resultate des Vorgängers Gwadar I, einer kleinen Versuchsanlage aus dem Jahr 1969 mit einer Beckenfläche von 305 m2 und eine täglichen Ertrag von 880 Litern.


Das sogenannte Gegenstromprinzip, das von der Interdisziplinären Projektgruppe für Angepaßte Technologie (IPAT) an der Technischen Universität Berlin in Berlin in den 1970ern erfolgreich weiterentwickelt wird, arbeitet mit einer Betriebstemperatur von 75°C – 95°C, wobei ohne weitere Zusatzaggregate eine Tagesausbeute von 10 Litern Süßwasser pro Quadratmeter Kollektorfläche verzeichnet wird. Bei diesem Prinzip, das dem ersten der drei o.g. Anlagentypen entspricht, wird ein dünner Wasserfilm über eine schwarze, um 6° – 10° geneigte Fläche geleitet, welche mit Plastik oder Glasplatten bedeckt ist.

Wie schon der Name andeutet, strömt dem Wasser langsam trockene Luft entgegen, die den durch die Sonneneinstrahlung entstehenden Wasserdampf aufnimmt, sich damit sättigt, um dann in Kühlkammern soweit abgekühlt zu werden, bis der Wasserdampf kondensiert. Eine entsprechende Entsalzungsanlage, die täglich 20 m3 Trinkwasser produziert, wird in dem Solardorf Las Barrancas installiert. Das Meerwasser wird mittels einer ebenfalls solar betriebenen Pumpe zur der Anlage transportiert, die mit der Energie von 70 m2 Solarzellen versorgt wird.


Am Institut für Technik in Gartenbau und Landwirtschaft der Universität Hannover wird Mitte der 1970er Jahre damit begonnen, die Nutzung der Sonnenenergie für die Gewächshausbeheizung zu erforschen. 1975 ergeben erste Berechnungen, daß es für Heizzwecke günstiger ist, das Gewächshaus selbst als Kollektor zu nutzen, statt separate Sonnenkollektoren aufzustellen.

Mit Unterstützung des BMFT wird 1977 das erste Solargewächshaus gebaut, gefolgt 1979 von der Entwicklung eines geschlossenen Gewächshaus-Systems für aride Gebiete mit integrierter solarer Wasserentsalzung.


Eine der ersten solaren Entsalzungsanlagen in arabischen Ländern wird ab 1977 am Roten Meer in Aqaba, Jordanien, installiert. Die 15 autonomen Module mit einer Fläche von jeweils 25 m2 sollen über ein getrenntes Verdampferteil täglich 2 m3 Trinkwasser liefern. Von den 640.000 $ betragenden Projektkosten trägt die federführende GTZ einen Anteil von 400.000 $. Konzipiert wird die Anlage von der Firma Dornier-System, realisiert wird sie mit Hilfe der Jordanischen Royal Scientific Society (RSS). Damit verbunden ist auch eine Lizenzvergabe an die RSS über die Produktion und den Vertrieb derartiger Anlagen im gesamten Mittleren Osten.

Die mit Freon als Betriebsmittel funktionierende Anlage soll in ihrer größten wirtschaftlich vertretbaren Form etwa 24 m3 Frischwasser pro Tag erzeugen. Im Juli 1979 wird bekannt, daß die RSS von seiten der GTZ einen zusätzlichen Betrag von 487.000 DM für die weitere lokale Erforschung entsprechender Sonnenenergie-Anwendungen erhalten hat.

Die im Rahmen der Niedertemperatursysteme bereits erwähnten Solarmatten der VW AG werden auch für Entsalzungsanlagen vorgeschlagen, da einerseits das schwarz eingefärbte Plastikmaterial resistent genug dafür ist, und weil sich anderseits die erreichbaren Temperaturen von bis zu 70°C sehr gut als Vorlauftemperaturen für die eigentliche Entsalzungsanlage nutzen lassen.

Als weiteres System sei eine von der DLR entwickelte solare Dampfmaschine mit 10 kW Leistung genannt, die mit Hohlspiegeln als Strahlungsfänger und mit einer automatischen Sonnennachführung ausgerüstet ist. Hier fällt bei der Stromerzeugung eine durchschnittliche Tagesmenge von 1.500 Liter Süßwasser als zusätzliches Resultat der Kühlung an.


Grundsätzlich muß zur solaren Entsalzung gesagt werden, daß derartige Anlagen unter den heutigen Umständen wirtschaftlich vertretbar sind,

    • wenn nur relativ geringe Mengen an entsalztem Wasser benötigt werden,
    • kein oder nur wenig saisonal anfallendes Oberflächenwasser vorhanden ist,
    • kein oder nur wenig Grund- bzw. fossiles Wasser vorhanden ist,
    • die Transportkosten für Süßwasser per Schiff oder per Pipeline zu teuer sind,
    • fossile Energieträger für die Verdampfung rar oder zu teuer sind bzw. aus ökologischen Gründen nicht eingesetzt werden sollen,
    • keine Wärme-Kraft-Kopplung möglich ist,
    • eine genügend große Fläche zur Verfügung steht,
    • und das Sonnenenergieangebot ausreicht.

Dies sind natürlich eine ganze Menge Einschränkungen, die aber doch überraschend oft zusammenfallen.


Ab 1979 werden in Saudi-Arabien Solarteiche angewendet. Ein 2.400 m2 großer Teich wird z.B. als Klimaanlage eingesetzt, während sich andere Versuche mit einer Nutzung als Energiequelle im Rahmen der Wasserentsalzung beschäftigen. Probleme macht nur der Effekt der Salzkristallisation. Mehr über die Solarteiche findet sich in dem entsprechenden Kapitelteil (s.d.).

PV-RO Anlage bei Dschidda

PV-RO Anlage
bei Dschidda


Anfang der 1980er Jahre werden auch in anderen arabischen Ländern verschiedene Pilotanlagen zur solaren Entsalzung gebaut, von denen ich nachfolgend einige vorstellen möchte. Oft werden diese Anlagen nicht solarthermisch, sondern über Photovoltaik betrieben.


In der Nähe des Saudi-Arabischen Dschidda am Roten Meer errichtet die Mobil Tyco Solar Energy Corp. im Jahr 1982 eine solare Entsalzungsanlage nach dem sogenannten Permasep-Reverse-Osmosis Prinzip von Du Pont. Es ist die weltweit erste Anlage dieser Art.

Das von der Mobil Saudi Arabia betriebene System besitzt 210 PV-Solarmodule mit insgesamt 8 kW Leistung und produziert nach Herstellerangaben rund 3,8 m3 Trinkwasser am Tag. Es zeigt sich, daß die RO-Technologie zu diesem Zeitpunkt nur halb so teuer ist wie die thermale Entsalzung.


Auch in Kuwait werden Versuche mit einer von Parabolrinnen-Kollektoren betriebenen zwölfstufigen MSF-Anlage zur solaren Meerwasserentsalzung durchgeführt, die mit einer Kollektorfläche von 220 m2 bei maximaler Einstrahlung etwa 300 Liter Trinkwasser pro Stunde produziert. Durch einen 7 m3 großen Tank als thermischer Speicher ist ein 24-Stunden-Betrieb möglich.


Ein frühes Patent (US-Nr. 4.363.703) stammt aus dem Jahr 1982 und trägt den Titel ‚Thermal gradient humidification-dehumidification desalination system’. Das nicht unkompliziert wirkende Solarsystem von Ahmed A. Eldifrawi, Christopher F. Blazek und Bernard D. Yudow, alle drei aus Illinois, ist als schwimmende Plattform gedacht, bei der das Meerwasser gleichzeitig auch als Kältepol wirkt. Über eine Umsetzung konnte ich allerdings nichts finden.


Die erste Großanlage im Nahen Osten entsteht ab 1984 in Abu Dhabi (VAE), auf der Insel Umm el Nar (Mutter des Feuers). Diese von der japanischen Firma Sakura und mit Regierungshilfe gebaute 18-stufige solarthermische MED-Anlage (Multiple-Effect Desalination) besteht aus 1.860 m2 Vakuumröhren-Kollektoren und kostet knapp 9 Mio. $. Eine spätere Erweiterung auf 120 t/d ist bereits geplant. Es wird die gleiche Technik eingesetzt, die sich schon auf der japanischen Insel Takami bewährt hat, dort aus klimatischen Gründen allerdings nur in einem kleineren Maßstab mit einem täglichen Ertrag von 16,4 m3.

Nach einer einjährigen Testphase liegen 1987 die Ergebnisse vor. Demnach erreicht die MED-Anlage einen täglichen Ausstoß von 80 m3 (andere Quellen: 100 m3) Destillat.


Anfang 1985 geht in Yanbu’ – wiederum in Saudi-Arabien – eine Anlage in Betrieb, die mit einer neuen Technik durch indirektes Frieren arbeitet. Bauherr ist die amerikanische Chicago Bridge & Iron Co., die Kosten betragen 18 Mio. $ und der Ausstoß erreicht 200 m3 pro Tag. Außer der Information, daß hierbei ein Dish-Kollektor eingesetzt wird, habe ich leider keine näheren technischen Details über die Funktionsweise dieser Anlage herausfinden können - und würde mich über entsprechende Informationen sehr freuen.


Eine relativ kleine, aber dennoch hochprofessionelle Solar-Entsalzungsanlage wird von Wilfried Rosendahl aus Hannover um 1985 entwickelt. Das RSD Rosendahl System ist ein einstufiges Verfahren, bei dem ausschließlich über Sonneneinstrahlung jegliche Art von Rohwasser (Salz-, Brack- oder verschmutztes Süßwasser) verdunstet, und das Destillat unter einer kühleren Glasoberfläche vom Rohwasser getrennt wird.

Rosendahl-System in Ägypten

Rosendahl-System
in Ägypten

Diese Technik wird inzwischen in Form hunderter Anlagen in diversen Ländern der Erde eingesetzt. Der Erfinder lizenziert sie und leitet den Bau auch persönlich vor Ort. Je nach Klima und Bauart können in dem Flachkollektor-System täglich etwa 6 Liter Destillat pro m2 Absorberfläche gewonnen werden. 1999 wird das System in den USA von der Water Quality Association mit einer Goldmedaille für beste Trinkwasserqualität ausgezeichnet.


Der Wuppertaler Prof. Ulrich Reif und sein Student Walter Heidenfels wiederum entwerfen 1987 einen kleinen, mobilen Solar-Trinkwassergenerator für die 3. Welt, für den sie den Hauptpreis des Internationalen Designpreises Osaka 1987 erhalten.

Das System funktioniert nach dem Treibhausprinzip, wobei das Salz- oder Schmutzwasser im Inneren einer pyramidenförmigen Zeltkonstruktion verdunstet, an den Seitenwänden kondensiert und in einer umlaufenden Rinne aufgefangen wird. Die Ausbeute pro Einheit beträgt rund 50 Liter Trinkwasser täglich. Das System scheint später allerdings wieder in Vergessenheit geraten zu sein.


Auch die o.e. IPAT beschäftigt sich weiter mit der solaren Meerwasserentsalzung. Mitte der 1980er werden auf der portugiesischen Insel Porto Santo drei Varianten eines einfachen Systems mit Doppelglasabdeckung getestet. Das Besondere ist, daß bei diesem System die Verdampfungswärme, die bei der Kondensation frei wird, aufgefangen, gespeichert und während der Nacht noch einmal in einem Verdunstungsvorgang zur Gewinnung reinen Wassers genutzt wird. Es zeigt sich, daß sich die Leistung des Systems damit fast verdoppeln läßt.


Eine zusammenfassende Darstellung der solaren Meerwasserentsalzung veröffentlichen die GTZ-Autoren Volker Janisch und Hans Drechsel im Jahr 1984; und von Manfred Künzel stammt eine Veröffentlichung im VDI-Verlag 1989 unter dem Titel ,Solarenergieunterstütze Meerwasserentsalzung’.


Das deutsche Unternehmen Bomin-Solar stellt 1988 einen solarbetriebenen doppelten Stirlingmotor vor, bei dem ein zusätzlicher Kolben als Kälteaggregat fungiert. Dabei kommt das Funktionsprinzip der zyklischen Kompression bzw. Dekompression des Arbeitsgases zum Tragen. Salzhaltiges Wasser wird über das Kälteaggregat geleitet und erstarrt dort zu Eis. Beim Gefriervorgang flocken Salze und Schadstoffe aus, wodurch Blöcke aus reinem Süßwasser-Eis zurückbleiben.


Ebenfalls 1988 startet an der Plataforma Solar de Almería (PSA) in Spanien das Projekt Solar Thermal Desalination (STD), das bis 1994 fortgeführt wird. Es hat zwei Hauptziele, erstens die Untersuchung der technischen und finanziellen Machbarkeit der Meerwasserentsalzung mittels Solarthermie, und zweitens die Verbesserungen der solarthermischen Meerwasserentsalzung durch Einführung und Bewertung von Maßnahmen zur Minimierung des Verbrauchs elektrischer und thermischer Energie.

Seit 1994 deckt die Entsalzungsanlage den Bedarf aller experimentellen Einrichtungen der PSA an destilliertem Wasser - und 1997 erscheint ein Bericht über die mehrjährige Betriebserfahrung mit der 14-stufigen MED-Versuchsanlage, die aus Parabolrinnen-Kollektoren und einer Absorptionswärmepumpe besteht und etwa 72 m3 Süßwasser pro Tag erzeugt.


In der 1989 erschienenen Arbeit ‚Evaluation of solar powered desalination processes‘ von I. S. Al-Mutaz und M. I. Al-Ahmed an der King Saud University findet sich eine Auflistung mit 44 solaren Entsalzungsanlagen, die (ausgenommen die o.e. Anlage in Las Salinas von 1872) alle zwischen 1959 und 1975 entstanden sind, die meisten davon in Australien und Griechenland. Ihre tägliche Produktionsraten liegen zwischen 85 und 28.116 Litern Süßwasser. Die Liste ist allerdings mangelhaft, da mehrere der in dieser Übersicht aufgeführten Anlagen dort gar nicht erscheinen.

Zwischenbemerkung zum Kontext:

Anfang der 1990er Jahre beträgt die weltweite Kapazität der konventionellen thermischen Meerwasserentsalzungsanlagen ca. 10 Mio. m3 pro Tag. Dabei entfällt fast die Hälfte der weltweiten Anlagenkapazität alleine auf die Anrainerstaaten des Arabischen Golfs, da sich fast nur noch diese Länder eine Meerwasserentsalzung mittels fossiler Brennstoffe leisten können.



Im Jahr 1991 wird auf dem Dach eines Gebäudes des Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT) ein Solarteich mit 5 m Durchmesser angelegt, der eine Temperatur von 70°C erreicht. Im April 1992 wird ein rechteckiger Verdunstungsteich mit gleicher Fläche in Betrieb genommen, bei dem die solare Entsalzung untersucht wird.


Die ebenfalls 1991 in Los Angeles von Safwat Moustafa gegründete Firma Sun Utility Network Inc. entwickelt eine mobile, solare Multiple-Stage-Flash (MSF) Meerwasser-Entsalzungsanlage mit einem Tagesausstoß von über 50 m3, die mit einem Vakuumröhren-Kollektor ausgestattet ist. Außerdem wird eine ortsfeste Anlage mit einer Leistung von 100 m3 entwickelt, die wahlweise mit Vakuumröhren-Kollektoren und/oder einer selbst entwickelten Solarteich-Technologie arbeitet.

1995 stellt das Unternehmen zusammen mit der Sinh Solar Co. auch solare Destillationsanlagen, Sterilisationssysteme sowie PV-Stromversorgungen für abgelegene Krankenhäuser her, die auf Haiti und im Kongo installiert werden. Später hört man allerdings nichts mehr von dem Unternehmen, das anfänglich eine Tochter der Southern States Power Co. war und 2005 mitsamt der Mutter von der Firma Interfoundry Inc. gekauft wird.


Eine weitere Entwicklung stellt das Multi Effect Humidification/Dehumidification-Verfahren (MEH) dar, das auf einer Trennung von solarem Energiegewinnungsteil und Entsalzungsapparatur beruht. Die Funktionsweise basiert auf der Verdunstung von erwärmtem Salzwasser und anschließender Kondensation der entstandenen feuchten Luft, wobei die Luft zwischen Verdunster und Kondensator allein auf Grund der Dichte- und Konzentrationsunterschiede zirkuliert. Für die Gewinnung der Antriebswärme werden hocheffiziente Sonnenkollektoren eingesetzt, mit einer Prozeßtemperatur von 85°C und einem Wirkungsgrad von über 50 %.

Dieses Verfahren wird ab 1992 am Bayerischen Zentrum für angewandte Energieforschung zur Produktreife geführt – und inzwischen von dem Titan-Absorber Unternehmen TiNOX GmbH in München kommerziell umgesetzt. Die Herstellung erfolgt in der österreichischen Fabrik der MAGE-TiNOX Gruppe in Himburg.

Solarentsalzungsanlage in Chigasaki

Solarentsalzungsanlage in Chigasaki


Seit 1994 arbeitet in Chigasaki Japans erste vollautomatische thermische Solarentsalzungsanlage mit Membrantechnologie, deren Pumpen von Solarzellen betrieben werden.

Das herstellende Unternehmen Takenaka Corp. stellt auch ein Großkonzept vor, bei dem die Wüsten dieser Welt von den Meeresküsten aus begrünt werden sollen.


Das Canary Islands Institute of Technology (ITC) beginnt sich 1996 mit der von erneuerbaren Ressourcen betriebenen Entsalzung zu beschäftigen. Im Laufe der Jahre werden mehr als zehn verschiedene Anlagentypen und Kombinationen getestet. Priorität haben dabei Sonne und Wind.

Das wichtigste Ergebnis ist ein Patent über ein autonomes Entsalzungssystem (DESSOL), das auf einer kleinen Reverse Osmosis-Einheit und eine PV-Stromversorgung beruht. In Tunesien wird eine Anlage mit einer Kapazität von 2,1 m3/h errichtet, in Marokko sogar vier Anlagen (3 x 1 m3/h sowie 1 x 0,5 m3/h).


Die WME Gesellschaft für windkraftgetriebene Meerwasserentsalzungs mbH in Dranske auf Rügen wird 1997 gegründet, um die Möglichkeiten des Einsatzes von Sonne und Wind zur Meerwasserentsalzung zu erforschen. Dabei setzt das Unternehmen auf die Technologie der mechanischen Dampfkompression. Auf Rügen war bereits zwei Jahre zuvor eine entsprechend patentierte Anlage mit vertikalen Verdunstung/Kondensation-Röhren (vertical evaporation condensation tubes, MVC-VT) errichtet worden, die von einer 300 kW Windturbine mit Strom versorgt wird und eine Leistung von 15 m3/h aufweist. Auch wenn hierbei keine Solarenergie zum Einsatz kommt, denke ich, daß auch solche Umsetzungen hier erwähnt werden sollen. Eine weitere Anlage mit 20 m3/h wird erst 2009 auf der griechischen Insel Symi installiert.


Ab 1998 fördert das Middle East Desalinatio Research Center drei Forschungsvorhaben zur solaren Entsalzung in kleineren Anlagen. Neben Wissenschaftlern von IT Power Ltd., Großbritannien, und der jordanischen Royal Scientific Society (RSS) sind auch Angehörige der Palästinensischen Autonomieverwaltung, des Instituts für Verfahrenstechnik der TU Aachen, des Zentrums für Solarenergie und Wasserstofforschung (ZSW), dem Center National de Coordination et de la Recherche Scientifique et Technique (CNR) in Marollo, sowie der Sultan Qaboos University, Oman, beteiligt. Eine an der Al Azhar University in Gaza, Palästina, installierte MED-Anlage mit 5,1 m2 Flachkollektoren erreicht eine tägliche Produktionsrate von bis zu 40 kg/m2.

Da sich zeigt, daß in Meerwasserentsalzungsanlagen herkömmliche Metallkollektoren schnell zersetzt werden, startet das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) 1998 im Rahmen eines EU-Projektes ein dreijähriges Demonstrationsvorhaben auf Gran Canaria, bei dem ein neu entwickelter Kunststoff-Absorber zum Einsatz kommt, an dem das Institut bereits sechs Jahre arbeitet. Das Wasser durchfließt diesen Absorber großflächig in Schlangenlinien (Two-Loop System). Um die Absorptionsfähigkeit des verwendeten Kunststoffes zu erhöhen, wird dieser mit Hilfe der Sputter-Technik mit Edelstahloxynitrid überzogen. Beim Sputtern (= Spritzen) schlagen Argon-Ionen in einem Vakuum winzige Teilchen aus einem Stück des Beschichtungsmaterial heraus und verteilen es hauchdünn auf dem gewünschten Trägermaterial.

Das Ergebnis ist ein Kunststoffabsorber, der das Meerwasser auf 85°C aufheizt und damit die Voraussetzungen für eine Destillation schafft. Das erhitzte Wasser wird über Kunststoffvliese geleitet, von deren feuchtwarmer Oberfläche Dampf aufsteigt, der sich an den Rohren des benachbarten Wärmetauschers niederschlägt und als Kondenswasser in einen Auffangbehälter tropft. Durch die Anordnung von Kollektor, Verdunster und Kondensator wird das Wasser in zwei Schritten erwärmt: zuerst bis zu 75°C im Wärmetauscher, der gleichzeitig als Kondensator wirkt, und danach im Kollektor, wo es schnell die 85°C erreicht. Das nun stärker konzentrierte Salzwasser tropft von dem Kunststoffvlies ab und wird ins Meer zurückgeführt.

Die Anlage, die täglich etwa 1.000 l Süßwasser produziert ist mit einem Heißwasserspeicher ausgerüstet, so daß sie auch nachts läuft und damit rund um die Uhr Meerwasser entsalzen kann. Hergestellt wird sie von der Münchner Firma TAS. Größere Anlagen sind angedacht, Kooperationen bestehen bereits mit Spanien und Griechenland.

Seit 1997 wird auf Teneriffa eine Meerwasser-Entsalzungsanlage der Firma Enercon GmbH mit Windenergie betrieben, und 1998 startet auf einer griechischen Insel eine weitere windbetriebene RO-Entsalzungsanlage der Enercon mit einer Tagesleistung von 500 m3, die allerdings nur bis 2004 in Betrieb ist. Zu diesem Zeitpunkt wird am Stammsitz des Unternehmens in Aurich eine EDS 1200 SW (Enercon Desalination Systems) Demonstrationsanlage installiert, die 1.200 m3 Süßwasser pro Tag liefert. Kleinere Systeme sind bereits in der Antarktis, in Aurich, auf den Falkland Inseln, auf der Antilleninsel Bonaire, sowie im norwegischen Utsira im Einsatz.

Recht erfolgreich aber noch optimierungsbedürftig ist die sogenannte Scheffler Meerwasserentsalzungsanlage, von der im Jahr 2000 ein erster mehrstufiger Prototyp gebaut wird. Es ist eine kompakte, günstige und einfach zu bedienende Anlage ohne aufwendige Komponenten wie Druckgefäße o.ä., der das Salzwasser ohne Vorbehandlung direkt zugeführt werden kann. Die Energie stammt von entsprechend großen Scheffler-Reflektoren (s.u. Solarkocher), die das Salzwasser zum kochen bringen. Es zeigt sich, daß die Verwendung von vier Kondensationsstufen die Ausbeute an Trinkwasser gegenüber nur einer Stufe um den Faktor 3 steigert.

Forschungsprojekte zur solaren Entsalzung werden an einer Vielzahl von Universitäten durchgeführt (ohne daß ich feststellen konnte, daß die Ergebnisse irgendwo zusammengeführt werden). Als Beispiel möchte ich die Arbeiten der Technische Universität München in Garching zur solaren Wasseraufbereitung nennen, wo ab 2001 eine kostengünstige, wartungsarme solarbetriebene Kleinanlage entwickelt wird. Das AQUASOL-Verfahren basiert auf einer einstufigen Entspannungsverdampfung mit anschließender Luftbefeuchtung, bei der das Wasser in einem Druckkreislauf bis knapp unterhalb des Siedepunktes erwärmt und anschließend auf Umgebungsdruck entspannt wird. Die Forschungs-Phase soll 30 Monate andauern, gefolgt von einer 18-monatigen Demonstrationsphase.

Aquasol-Kollektoren

Aquasol-Kollektoren

Die ab März 2002 in Zusammenarbeit mit dem ZAE-Bayern und den Firmen CASE aus München und MOIK aus dem österreichischen Hallein entstehende AQUASOL-Anlage (auch SOL-14 genannt) ist für den dezentralen Einsatz in Entwicklungsländern konzipiert, soll autark arbeiten und pro Tag etwa 100 Liter Destillat liefern, dem je nach Bedarf wieder etwas salzhaltiges Wasser zugesetzt wird, um es trinkbar zu machen. Diese Menge soll für eine 5-köpfige Familie mit einer Rinderherde von 10 Tieren ausreichen. Die Pilotanlage, die auf dem solaren Forschungsfeld der Fakultät Maschinenwesen betrieben und getestet wird, besteht aus 6 m2 einachsig nachgeführten Vakuumröhrenkollektoren von Stiebel Eltron (Modell SOL 200 A), deren Modulköpfe aus seewasserfestem Stahl nachgebaut und ersetzt worden sind.

Da die Anlage nur einstufig betrieben wird, ist der Anlagenwirkungsgrad recht gering. Der hohe technische Aufwand wiederum verhindert, daß sie von der einheimischen Bevölkerung selbstständig gewartet werden kann. Aufgrund der benötigten Anlagenkomponenten, wie Entspannungskammer, Druckbehälter und seewasserfeste Zirkulationspumpe ist die Anlage so teuer, daß das ZAE-Bayern mit dem Projektabschluß 2004 entscheidet, diese Technologie nicht weiterzuverfolgen und statt dessen auf ein Verdunstungssystem setzt. Das Projekt, das den wohlklingenden Namen ,Enhanced Zero Discharge Seawater Desalination using Hybrid Solar Technology’ trägt, wird teilweise von der Europäischen Kommission finanziert.

Im Zeitraum 2004/2005 fördert die Weesbach-Stiftung einen AQUASOL-Feldtest zur Optimierung der Anlagen und ihrer Verbreitung in aride Zonen. Das Projekt der solaren Meer- und Brackwasserentsalzung wird von Klemens Schwarzer vom Solar-Institut Jülich durchgeführt. Schwarzer arbeitet außerdem an einer solaren Meerwasser-Entsalzungsanlage mit mehrstufiger Wärmerückgewinnung, die in Zusammenarbeit mit IBEU und Greenpeace entwickelt wird. Dieses Projekt wird von RWE-Aqua/Thames Water unterstützt. Nach einer Felderprobung von zwei Prototypen war eigentlich eine Vermarktung vorgesehen, die ich bislang jedoch nicht verifizieren konnte.

Interessanterweise läuft – womöglich parallel oder ergänzend – zwischen 2002 und 2006 ein gleichnamiges Projekt AQUASOL an der Plataforma Solar de Almería, das ebenfalls von der Europäischen Kommission und der Ciemat finanziert wird, dem nationalen Labor des spanischen Bildungs- und Wissenschaftsministeriums. Die dort zur Auswertung unter realen Wetterbedingungen errichtete Anlage besteht aus einer 14-stufigen, vertikal gestapelten MED-Einheit, 252 Parabolrinnen-Kollektoren von Ao Sol mit einer Gesamtfläche von 500 m2, einem thermischen Wasserspeicher von 24 m3, dem neuen Prototyp einer Doppel-Effekt-Absorptionswärmepumpe (LiBr-H2O) sowie einem Gasbrenner nebst Kessel, um einen 24-stündigen Betrieb zu garantieren. An der Untersuchung nehmen Partner aus vier europäischen Ländern teil: aus Spanien sind die Ciemat, Inabense, Cajamar und die Comunidad de Regantes Cuatro Vegas; aus Portugal Ineti und die Ao Sol Energias Renovàveis; aus Griechenland die Hellenic Saltworks und die National Technical University of Athens; sowie aus Frankreich die Firma Weir Entropie. Feldversuche werden in Gran Canaria an der Federal University of Ceara, in Fortaleza, Brasilien und in Bangalore (TERI), Indien, durchgeführt.

2002 gibt es laut der Dissertation (pdf) von Hans Christoph Müller an der RWTH Aachen über mehrstufige solarthermische Kleinanlagen zur Meer- und Brackwasserentsalzung bereits fünf Solar-Pond-Anlagen (s. Solarteiche) in El Paso, Texas (Tagesleistung 16 m3/d), Margarita de Savoya, Italien (50 – 60 m3/d), auf Kap Verde (Atlantis AutoFlash-System, 300 m3/d), an der Universität Ancona, Italien (28 m3/d) und am Toten Meer (250.000 m2, 3.000 m3/d).

Niedrig konzentrierende Anlagen gibt es in Gran Canaria, Spanien (10 m3/d) und in Lampedusa, Italien (72 m3/d und 48 m3/d), in La Paz, Mexiko, arbeitet eine Anlage mit Flachkollektoren und Konzentratoren (10 m3/d), in Safat, Kuwait, werden ebenfalls Flachkollektoren genutzt (10 m3/d), während Vakuumröhren auf La Desired Island in der Karibik (40 m3/d) und in Abu Dhabi (120 m3/d) eingesetzt werden.

Alle anderen Anlagen zu diesem Zeitpunkt funktionieren mit Parabolrinnen-Kollektoren: In Kuwait, (seit 1980, 220 m2, 100 m3/d), am Arabischen Golf (1987, 6.000 m3/d), in Al-Ain, VAE (500 m3/d), auf Takami Island, Japan (16 m3/d) und in Almeria, Spanien (2.672 m2, 72 m3/d).

Um 2003 entwickeln Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum (RUB) eine Meerwasser-Entsalzungsanlage, welche die Sonnenenergie in einem geschlossenen, rückgekoppelten System einsetzt. Als Wärmetransportmittel dient Luft, so daß die Anlage mit niedrigeren Temperaturen arbeiten kann als herkömmliche Verfahren.

Das salzige Wasser wird erwärmt und rieselt durch einen Verdunstungs-Befeuchter, der die einströmende Luft erwärmt und zusätzlich mit Wasserdampf aus dem Meerwasser anreichert. Am Entfeuchter wird die Luft dann kondensiert: Das gewonnene, reine Wasser fließt aus der Anlage heraus, die übriggebliebene Salzlösung (Sole) wird im Kreislauf wieder der Ausgangsflüssigkeit zugeführt. Bei zehn Sonnenstunden ergibt sich bei diesem Verfahren eine Produktrate von 20 Litern Wasser pro Quadratmeter Kollektorfläche und Tag. Die Anlage ist zwar für Solarenergie konzipiert, läßt sich aber auch mit anderen Energiequellen betreiben, wie mit der Abwärme von Dieselmotoren o.ä. Die Entwicklung der Anlage wird im Rahmen des Projekts Soldes von der EU gefördert. Die Details sind in der Dissertation ‚Solare Meerwasserentsalzungsanlagen mit mehrstufiger Verdunstung’ von Thomas Brendel Online einsehbar (pdf).

Das französische Forschungszentrum CEA/GRETh entwickelt im Rahmen eines europäischen CRAFT-Projektes eine innovative (jedoch nicht solare) Meerwasserentsalzungsanlage, in der die Metallbauteile weitgehend durch Polymere ersetzt worden sind, da diese wesentlich weniger korrodieren als Metalle. Der Prozeß unter Normalbedingungen bei 100 C und 1 bar ablaufen, wodurch die Anlage auch wesentlich einfacher und robuster konzipiert werden kann. Beim bisherigen Entwicklungsstand erreicht der Apparat eine Trinkwasserproduktionsleistung von 100 l pro Tag.

Die MAGE Water Management GmbH aus Reutlingen, die unter anderem auch den genialen Watercone von Stephan Augustin auf den Markt gebracht hat (s.d.), beginnt 2003 mit der kommerziellen Umsetzung ihres mehrstufigen Feuchtluft- Verdunstungsverfahren (Multiple Effect Humidification, MEH), das sich bei der solarthermischen Entsalzung inzwischen weitgehend durchgesetzt hat. Die Tochter der MAGE Solar AG in Ravensburg hat Erfahrungen die bis ins Jahr 1992 zurückreichen, als im spanischen Fuerteventura eine erste Kleinanlage installiert wird, die 6 Jahre lang täglich etwa 1 m3 Trinkwasser liefert.

2005 wird bei der Firma Sami Rock Co. in Jiddah, Saudi-Arabien, die erste solare Midi-SAL Entsalzungsanlage der Mage mit einer Tageskapazität von 5.000 Litern realisiert. Ein Jahr später folgt eine gleichartige Anlage auf der Bin Laden Solar Farm, ebenfalls in Jiddah. 2007 wird eine Anlage mit 45 m2 Kollektorfläche und 1.000 Litern Tageskapazität in Geroskipou, Zypern, aufgestellt, und 2008 werden am Jeddah Aviation Club in Jiddah sowie nahe Dubai zwei weitere große Midi-SAL Entsalzungsanlagen installiert, die jeweils aus 160 m2 solarthermischen Almeco-TiNOX Kollektoren bestehen. Danach scheint das Geschäft allerdings eingeschlafen zu sein.

Die 2006 von einer Investorengruppe übernommene niederländische Firma SolarDew International B.V. aus Rhenen entwickelt eine solare Wasseraufbereitungs- und Entsalzungsanlage, die auf einer von Akzo Nobel im Jahr 1999 entwickelten Membrane basiert. Das Unternehmen nutzt bei dem sogenannten Pervaporation-Prozeß eine mehrschichtige, nicht-poröse und nicht-faulende Membran, durch die der solar erhitzte Wasserdampf verdunstet und Verunreinigungen wie Bakterien, Viren, Schwermetalle und/oder Salze zurückläßt. Auf der anderen Seite der Membran kondensiert dann sauberes Wasser. Erste Feldversuche werden im Süden Omans durchgeführt, und die Anlagen der SolarDew haben Leistungen zwischen 5 und 5.000 Litern pro Tag.

Solardew Two Grafik

Solardew Two (Grafik)

Grundelemente sind die Systems SolarDew One (manuelle Bedienung) bzw. SolarDew Two (automatischer Prozeß), die jeweils aus drei Paneelen bestehen und die Außenmaße 2,0 x 1,2 m haben. In tropischen oder subtropischen Gebieten liefern diese Anlagen 7 – 12,5 bzw. 8,5 – 15 Liter Trinkwasser pro Tag, was dem Bedarf von zwei bis drei Personen entspricht. Die Effizienz soll zwischen 80 % und 90 % liegen. Für den Einsatz in Krisensituationen wird ein besonders leichtgewichtiges Modell SolarDew Lifeline entworfen. Größere Thermo Dew Industrieanlagen, die allerdings auf der Nutzung von Abwärme basieren, sollen ebenfalls entwickelt werden.

Im März 2006 wird von der deutschen Citrin Solar GmbH aus Moosburg im saudischen Jeddah eine MidiSal TM 5000 Einheit mit 140 m2 Solarkollektorfläche in Betrieb genommen, die einen Tagesausstoß von 5 m3 Trinkwasser hat. Angeboten werden ferner Anlagen für 2,5 m3 bzw. 10 m3 Wasser täglich.

Sehr interessant ist auch das Solarzelt-Konzept von Dr. Friedrich Naehring aus Estorf, das etwa 50 Liter Süßwasser je Tag und Quadratmeter Grundfläche liefern kann. Bei dem hier angewendeten Kreisprozeß (Humidification and Dehumidification of Air in a Solar Powered Convective Cycle) geht es um die Beladung heißer Luft mit Wasserdampf über einer Salzwasseroberflache, und der sich daran anschließenden Kondensation an tropischen Pflanzen in einem zeltförmigen Gewächshaus.

Bei diesem System, über das mich der Entwickler Mitte 2007 persönlich informiert hat, sind allerdings noch eine Reihe von Fragen zu klären: Der optimale Luftkreislauf im Zelt, die Gestaltung der Salzwasserfläche, die Auswahl geeigneter Pflanzen für hohe Temperaturen, usw.

Im Juni 2007 wird durch eine Gruppe von griechischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungszentren und der Federführung der griechischen Universität der Ägäis, eine schwimmende Plattform zur Meerwasserentsalzung entwickelt, deren Energie von einem 30 kW Windgenerator und einem Photovoltaiksystem kommt. Der Prototyp namens Hydriada wird in der Hafenbucht von Iraklia in der südlichen Ägäis zu Wasser gelassen. Die unbesetzte, vollständig autonome und leicht zu transportierende Konstruktion produziert täglich über 70 m3 Süßwasser, was dem Bedarf von ungefähr 300 Personen entspricht. Die Entsalzung selbst läuft nach dem Prinzip der Umkehrosmose und ohne jegliche Chemikalien (die ansonsten ins Meer fließen, wie es bei vielen anderen Entsalzungsanlagen der Fall ist).

Die Gesamtkosten für die Entwicklung und Herstellung der Plattform betragen 2,9 Mio. €, von denen 1,3 Mio. von der EU kommen. Bei einer Amortisationszeit von nur 3 Jahren und einer geschätzten Anlagenlebensdauer von 20 Jahren finde ich das sehr günstig. Immerhin entfällt ja auch der kosten- und energieaufwendige Transport von Süßwasser vom Festland. Ganz abgesehen davon, daß ein Prototyp fast immer ein Mehrfaches des späteren Serienpreises kostet – sofern das Produkt tatsächlich in die Massenherstellung überführt wird. In diesem Fall rechnen die Initiatoren mit einem Preis von 700.000 €. Es sollen sogar schon Bestellungen von drei weiteren Inseln vorliegen (Amorgos, Symi und eine Kykladeninsel). Im Rahmen des Europäischen Innovationspreises Regiostar 2008 erhält das Pilotprojekt eine lobende Erwähnung.

IBM Solarentsalzung

IBM Solarentsalzung

Wissenschaftler des Almaden Research Center der Firma IBM um Chandrasekhar Narayan arbeiten ab 2008 zusammen mit Kollegen der nationalen saudischen Forschungsbehörde King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST) an der Entwicklung einer neuen solarbetriebenen Entsalzungstechnologie. Die Partner planen ab 2010 die Errichtung der bislang weltweit größten solarbetriebenen Meerwasserentsalzungsanlage in Al Khafji, einer nahe der Grenze zu Kuwait gelegenen Stadt, die pro Tag 30 Mio. Liter Trinkwasser bereitstellen soll, was dem Bedarf von 100.000 Menschen decken würde.

Hierfür soll ein 10 MW Solarpark aufgebaut werden – entweder mit Showa Shell CIS-Dünnschichtzellen – oder mit einer PV-Konzentrator-Technologie, bei der das Sonnenlicht mittels Fresnel-Linsen 1.500 Mal verstärkt wird (Ultra-High Concentrator Photovoltaic, UHCPV). Showa Shell ist übrigens ein Joint Venture zwischen Showa (der fünftgrößten japanischen Ölfirma), der Saudi Aramco und der niederländischen Royal Shell.

Zum Einsatz kommen ferner die gemeinsam von der IBM, der japanischen Firma Central Glass und der University of Austin in Texas entwickelten Fäulnis-resistenten Nano-Membranen, sowie ein sogenanntes thermisches Flüssigmetall-Interface (liquid metal thermal interface), das die hohen Temperaturen der PV-Anlage herunterkühlt. Tatsächlich wird im Januar 2010 mit dem Bau begonnen, in Betrieb gehen soll die Anlage Ende 2012.

Mitte 2008 wird bekannt, daß die Firma WorldWater & Solar Technologies Inc. aus Princeton, New Jersey, 12 Stück seiner mobilen und solarbetriebenen MaxPure Wasseraufbereitungssysteme an die US-Army im Irak liefert, um dort Farmer und Familien am Euphrat mit sauberem Trinkwasser zu versorgen. Das kompakte und einfach zu bedienende und zu wartende Gerät ist mit einem 3,2 kW-Wechselrichter nebst Batteriebank ausgestattet, an ein satellitengestütztes Kommunikationssystem angeschlossen und kann täglich über 110 m3 Wasser aufbereiten. Die mehrstufige Filtration umfaßt auch eine UV-Sterilisierung. 2010 liefert das Unternehmen im Auftrag der Clinton Global Initiative (CGI) mehrere Mobile Max Systeme in die Regionen Punjab und Khyber in Pakistan, um den dortigen Flutopfern zu helfen. Diese zusammenklappbaren, kubischen Geräte können pro Tag über 100.000 Liter Wasser trinkbar machen.

Ähnliche Systeme gibt es auch von dem US-Unternehmen Spectra Watermakers Inc. aus San Rafael, Kalifornien. Den Solar Cube beispielsweise gibt es in verschiedenen Ausführungen, die stets mit einem kleinen Windrad gekoppelt sind. Je nach Größe können die Anlagen pro Tag zwischen 3.500 und 15.000 Liter Süßwasser liefern. Das Solar Fresh Water System 20000 wiederum ist mit einer 825 W Solaranlage sowie einem 1 kW Windrad ausgestattet und kann täglich – wie schon der Name sagt – bis zu 20.000 Liter reinigen. Da das Filtrationssystem nur 900 W verbraucht, bleibt genug Strom um eine 200 Ah Batterie zu laden, mit welcher der Nachtbetrieb gewährleistet wird. Das System kostet 75.000 $.

Etwas einfach gestrickt sind die von John Ward entwickelten solaren Aufbereitungssysteme, mit denen seine australische Firma SunSureWater Ltd. aus Melbourne ab 2007 auf den Markt kommt. Es funktioniert völlig ohne Strom und kann täglich bis zu 50 Liter sauberes und keimfreies Trinkwasser bereitstellen.

Auf der Veranstaltung ‚Technologie als Brücke’ der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im Februar 2008 präsentiert der Vorsitzende Claus Mertens des bereits 2003 gegründeten und sehr aktiven Duisburger Vereins Deutsche Meerwasserentsalzung e.V. die neuesten Entwicklungen im Bereich der solaren Meerwasserentsalzung – und berichtet auch über die jüngsten Schritte beim Projekt Friedenskanal, das ebenfalls mit einem Entsalzungsprojekt gekoppelt ist (s.d.). Im Juni 2008 veranstaltet der Verein in Jülich das Seminar ‚Desalination and Renewable Energies’.

Das Design des Teatro Del Agua beispielsweise stammt von Charles Paton, der es gemeinsam mit dem britischen Eden Project und der Firma Grimshaw Architects entwickelt. Es handelt sich um das Konzept eines geschwungenen, offenen Amphitheaters, das gleichzeitig als äußerst ästhetische solarbetriebene Meerwasser-Entsalzungsanlage fungiert. Die Stadt Las Palmas auf den Kanarischen Inseln hatte dazu eingeladen, Vorschläge für die Erneuerung des industrialisierten Hafengebiets zu machen. Standort des Theaters wäre an der neuen Uferpromenade.

Das Design dieser hochproduktiven Wasseraufbereitungsanlage nutzt zum einen den fast stetigen, ruhigen und warmen Nordostwind auf den Kanaren, und zum anderen die sehr steilen Unterwasserhänge der Inseln mit vulkanischem Ursprung, die es leicht machen, aus einer Tiefe von 1.000 m rund 8°C kaltes Wasser hoch zu pumpen. Dabei werden solar erhitzte Verdampfer mit Kondensatoren gekoppelt, die mittels Wind-Belüftung und kaltem Meerwasser soweit abgekühlt werden, daß sie große Mengen von destilliertem Wasser produzieren. Erleichtert wird die Umsetzung durch den Einsatz preisgünstiger Kunststoffe für Rohre, Pumpen und Wärmetauscher, da Produkte aus Metallen, die ausreichend korrosionsbeständig gegen Seewasser sind, in der Regel sehr viel kosten. Die Designer schätzen, daß die Süßwassermenge ausreicht, um einen rund 50.000 m3 großen Garten zu bewässern.

No Man’s Land Design

No Mans Land (Design)

Ein nicht minder interessanter Entwurf stammt von dem New Yorker Architektenbüro Phu Hoang Office LLC. Er trägt den Titel No Man’s Land und ist für die Region des Toten Meeres gedacht. Eine Reihe künstlicher Inseln, die auch der Erholung dienen, sollen gleichzeitig erneuerbare Energien nutzen, um frisches Wasser zu produzieren. Das Netzwerk würde aus Inseln mit drei verschiedenen Designs bestehen, die in einem künstlichen Archipel zusammengefaßt sind. Während die eine Insel für Touristen gedacht ist, bildet die zweite eine große Solaranlage. Das dritte Inselmodell besteht aus einem Solarteich, Wasserreinigungs-Tanks und Filtersystemen, wobei die Insel aber auch Wassermoleküle aus der Luft extrahieren soll.

Im Juni 2008 gewinnt ein Team von Siemens Wassertechnologie die höchste Auszeichnung des Environment & Water Industry Development Council (EWI), verbunden mit einem Zuschuß in Höhe von 4 Mio. $. Das EWI hatte im Juli des Vorjahres Unternehmen und Forschungseinrichtungen dazu aufgerufen eine Entsalzungstechnik zu entwickeln, die 50 % weniger Energie verbraucht als die gegenwärtigen Methoden Erhitzung und Verdunstung (~ 10 kWh je m3) oder Umkehrosmose (~ 3 kWh je m3). Um diesen hohen Verbrauch zu senken, hatte die Regierung Singapurs ein Forschungsnetz geknüpft und das sogenannte Water Hub gegründet, in dessen Rahmen das Siemens-Forschungsteam die neue energiearme Entsalzungstechnologie entwickelt hatte, mit der es sich nun gegen 35 andere Gruppen durchsetzt.

Statt Hochdruck oder Hitze einzusetzen, um das Salz aus dem Meerwasser zu entfernen, nutzt die neue Methode ein elektrisches Feld, dessen Erzeugung weit weniger Energie verbraucht. Dadurch kann der Kubikmeter Trinkwasser mit 1,5 kWh erzeugt werden. Gemeinsam mit der der nationalen Wasserbehörde Singapurs (PUB) wird Siemens in den nächsten drei Jahren an der Weiterentwicklung dieser Technologie arbeiten.

Ebenfalls im Juni 2008 meldet die Presse, daß der aus Jordanien Chemie-Doktorand Student Mohammed Rasool Qtaisha von der Universität Ottawa eine zum Patent angemeldete neue Membran-Technologie entwickelt habe, die um bis zu 700 % effizienter ist als das, was derzeit auf dem Markt ist. Der Erfinder behauptet, daß sein Prototyp ist in der Lage ist, mittels Sonnenkollektoren betrieben, pro Quadratmeter der Membran stündlich rund 50 Liter Wasser zu produzieren – im Vergleich zu den 7 – 8 Litern, die beim aktuellen Stand der Technik erzielt werden.

Qtaisha gewinnt beim Ottawa Venture Tech Challenge 2008 den mit 10.000 $ dotierten 1. Preis – und es dauert auch nicht lange, bis sein Forschungsansatz durch das Middle East Desalination Research Center mit 286,000 $ gefördert wird. Nach seinem Studienabschluß kehrt er in seine Heimat zurück und arbeitet seitdem an der University of Jordan an der Produktreife seiner Innovation.

Doch gerade auf dem Gebiet der Membran-Technologie steht Qtaishat in harter Konkurrenz mit großen Unternehmen wie General Electric oder dem seitens der National Science Foundation mit 2,5 Mio. $ geförderten Forschungsprogramm an der University of Michigan. Ich denke es ist sinnvoll, die diesbezüglichen Meldungen der letzten Zeit an dieser Stelle zusammenzufassen.

Juli 2008: Benny Freeman von der University of Texas in Austin, James E. McGrath von der Virginia Tech University, und Ho Bum Park von der University of Ulsan in Südkorea entwickeln in dreijähriger Arbeit eine Chlor-tolerante Membran, welche die Entsalzung stark vereinfachen könnte, da die Entfernung des Chlors in der Regel der kostspieligste und zeitaufwendigste Schritt der Entsalzung ist. Das Chlor wird dem Seewasser zugesetzt, um es zu desinfizieren und um die Bildung eines Biofilms zu verhindern, einem Überzug aus Mikroorganismen, der die Effizienz der Membran senkt. Da es die derzeit gebräuchlichen Polyamid-Membranen jedoch schädigt, ist ein zusätzlicher Entchlorierungschritt erforderlich, bevor das aufbereitete Wasser gefiltert werden kann. Die neue und auch schon zum Patent angemeldete Chlor-tolerante Membran aus sulfonierten Copolymeren könnte dies obsolet machen.

Oasys Test

Oasys Test

Januar 2009: Die Firma Oasys aus Boston, Massachusetts, eine Ausgründung der Yale University, entwickelt eine Entsalzungstechnologie, die nur ein Zehntel der gegenwärtigen Kosten beansprucht. Bei der Vorwärts-Osmose des Unternehmens wird auf einer Seite der Membran eine konzentrierte Lösung hinzugefügt (draw solution), die einen hohen osmotischen Druck entwickelt, sich durch Erhitzen aber leicht wieder entfernen läßt. Die Details der Lösung bilden noch ein Geheimnis, bekannt ist nur, daß Ammoniak und Kohlendioxid-Gase genutzt werden, die in einem bestimmten Verhältnis in Wasser aufgelöst werden. Ansonsten können Standardmembranen verwendet werden. Man hat für Tests bereits eine Pilotanlage installiert, die pro Tag 1 m3 Süßwasser produziert. Im Februar schließt das Unternehmen eine erste Finanzierungsrunde mit 10 Mio. $.

August 2009: Ein Team von Forschern aus China und den USA um Bruce Logan von der Penn State University meldet, daß es nach mehrjähriger Arbeit gelungen sein, eine mikrobielle Brennstoffzelle so zu verändern, daß sie sowohl Abwasser reinigen als auch Meerwasser entsalzen kann. Die neue Mikroben-Brennstoffzelle kann bis zu 90 % des Salzes entfernen, während sie gleichzeitig Elektrizität erzeugt. Eine typische mikrobielle Brennstoffzelle besteht aus zwei Kammern, von denen die eine mit Abwasser oder anderen Nährstoffen, und die zweite mit Wasser gefüllt ist, jeweils mit einer Elektrode. Natürlich vorkommende Bakterien im Abwasser verbrauchen das organische Material und produzieren dabei Strom. Nun modifizieren die Forscher die Anordnung und fügen zwischen den beiden bestehenden Kammern eine dritte Kammer hinzu, in welche das Wasser kommt, das entsalzt werden soll. Zwischen der zentralen Kammer und den positiven und negativen Elektroden, die entweder positive oder negative Ionen durchlassen, aber nicht beides, plazieren die Forscher bestimmte Ionen-spezifische Membranen.

Wenn nämlich Salz in Wasser gelöst wird, teilt es sich auch in positive und negative Ionen, und wenn die Bakterien der Zelle das Abwasser verbraucht haben, setzen sie im Wasser geladene Ionen (oder Protonen) frei. Da diese die Anionmembran jedoch nicht passieren können, bewegen sich die negativen Ionen aus dem salzigen Wasser in die Kammer mit dem Abwasser, während an der anderen Elektrode Protonen verbraucht werden. Daher bewegen sich positiv geladene Ionen aus dem salzigen Wasser in die andere Elektroden-Kammer hinein, wobei sie des Wassers in der mittleren Kammer entsalzen. Da im Zuge dieses Prozesses in der mittleren Kammer der Salzgehalt und damit auch die Leitfähigkeit abnimmt, ebenso wie die Entsalzung und Stromerzeugung, kann bislang nur 90 % des Salzes entfernt werden. Aus diesem und anderen Gründen muß die Methode noch weiter optimiert werden, bevor man an eine kommerzielle Umsetzung denken kann.

März 2010: Ein Forscherteam des MIT um Jongyoon und Han Sung Jae Kim entwickelt zusammen mit Kollegen aus Südkorea einen neuen Ansatz zur Meerwasser-Entsalzung, der Ionenkonzentrations-Polarisation genannt wird. Er soll kleine, tragbare Geräte ermöglichen, die durch Solarzellen oder Batterien mit Strom versorgt werden. Als zusätzlicher Bonus ist das System in der Lage, gleichzeitig auch viele Schadstoffe, Viren und Bakterien aus dem Wasser zu entfernen.

Das winzige Gerät wird auf einer Schicht aus Silikon hergestellt, wobei Meerwasser von der rechten Seite in den Y-förmigen Kanal (in rot) hineinfließt, frisches Wasser durch den unteren Kanal auf der linken Seite austritt, während die konzentrierte Sole durch den oberen Kanal abfließt, wobei mehr als 99 % der Salze und andere Verunreinigungen entfernt werden. Die Wissenschaftler arbeiten an einem Array aus 1.600 Einheiten, das aus einem 15 cm Wafer hergestellt wird und pro Stunde etwa 15 Liter Wasser produzieren kann – angetrieben nur durch die Schwerkraft, wobei das Salzwasser oben hinein, und frisches Wasser bzw. konzentrierter Sole aus zwei Auslässen unten wieder hinausfließt. Die Produktreife wird in etwa zwei Jahren erwartet.

April 2010: Nancy H. Lin und ein Team der UCLA Henry Samueli School of Engineering and Applied Science entwickeln eine Membran, deren neue Oberflächentopographie und chemische Zusammensetzung verhindert, daß die Reaktionsflächen durch Mineralsalz-Ionen, Bakterien und anderen Verunreinigungen verstopfen. Mittels eines dreistufigen Prozesses synthetisieren die Forscher eine Art ‚Pinsel-Schicht’ aus Polymeren auf einer Polyamid-Oberfläche. Die Polymerketten sind ebenso wie diese Schicht mit dem fließenden Wasser in ständiger Bewegung, so daß es für Bakterien und andere Kolloide äußerst schwierig ist, sich an der Oberfläche der Membran zu verankern.

April 2011: Eine Kombination aus Hitzeentsalzung und Reversibler Osmose bildet die zum Patent angemeldete Membran-Technologie, die Somenath Mitra am New Jersey Institute of Technology entwickelt. Bei der Membran-Destillation wird das Salzwasser auf 60° - 90°C erhitzt und anschließend durch eine Röhre aus semi-permeablen Membranen geleitet, die es dem Wasserdampf erlauben zu passieren, nicht jedoch den Salzmolekülen. Da dieser Prozeß ohne Druck erfolgt, bedarf er wesentlich weniger Energie als beide herkömmlichen Systeme. Die neue Membran enthält Kohlenstoff-Nanoröhren und soll die Entsalzung viel schneller, leichter und energieeffizienter machen.


Doch nun zurück zur Chronologie der solaren Entsalzung:

Im Juli 2009 meldet die Presse, daß in West-Australien eine neue Entsalzungsanlage für 780 Mio. $ errichtet werden soll, die ausschließlich aus den erneuerbaren Ressourcen Sonne, Wind und Geothermie betrieben werden soll – allerdings wohl mit eingekauftem Strom aus diesen Quellen, und nicht durch direkte Erzeugung. Die Bundesregierung hat die Pläne der Southern Seawater Desalination Plant bereits genehmigt, der Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein. Tatsächlich dauert es dann jedoch noch bis Anfang September 2011, als bekannt wird, daß sich die GE Energy Financial Services mit dem US-Dünnschicht-Hersteller First Solar und dem lokalen staatlichen Energieunternehmen Verve Energy in Perth zusammengetan haben, um den 10 MW Greenough River Solarpark zu bauen, der den Strom für die Entsalzungsanlage liefern wird. Zum Einsatz sollen 150.000 Dünnschichtmodule von First Solar kommen.

Die US-Firma Chemviron Midwest aus Wooster, Ohio, berichtet im Oktober 2009, daß sie gemeinsam mit der Cardinal Resources LLC aus Pittsburgh, Pennsylvania, eine solarbetriebene Wasseraufbereitungsanlage entwickelt habe, die mit 24 Solarpaneelen ausgestattet ist und pro Tag bis zu 55.000 Liter Trinkwasser aufbereiten soll. Das Redbird genannte System ist in einem Standard-Container untergebracht, um auf einfache Weise überallhin transportiert werden zu können. Erste Modelle werden nach China verschifft, um dort in Betrieb genommen zu werden.

Ein Monat später wird am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen eine neuartige Anlage zur solaren Wasserreinigung eingeweiht, die den Namen SOWARLA trägt und speziell für die Reinigung von schwer abbaubaren organischen und anorganischen Verunreinigungen entwickelt worden ist.

SOWARLA

SOWARLA

Kernstück der Anlage ist ein neuartiger Solarreceiver, der aus transparenten Glasröhren besteht, durch welche das mit Eisenionen als Photokatalysator und geringen Mengen Wasserstoffperoxid vermischte Abwasser gepumpt wird, bis die Sonnenstrahlen die im Wasser gelösten Schadstoffe zerstört haben. Die hohe Wirksamkeit der photokatalytischen Wasserreinigung ist bereits für pharmazeutische Wirkstoffe wie Antibiotika, Röntgenkontrastmittel oder Hormone nachgewiesen, ebenso wie für chlorierte Kohlenwasserstoffe aus Grundwasserschäden, schädliche Stoffe in Abluftwäscherlaugen aus der Textilveredelung oder Belastungen in kommunalen Abwässern.

Die Anlage in Lampoldshausen kann mit ihrem fast 50 m langen und knapp 0,5 m breiten Solarreaktor unter den gegebenen Wetterbedingungen rund 4.500 Liter Industrie-Abwasser in 1 - 2 Stunden von allen oxidierbaren Verunreinigungen säubern.

Die in Kooperation mit den Firmen Hirschmann Laborgeräte GmbH aus Eberstadt und KACO new energy GmbH aus Neckarsulm entwickelte und von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) anteilig geförderte Anlage soll nun unter dem Produktnamen RayWOx in den Markt eingeführt werden. Für das Kooperationsprojekt erhielten die beteiligten Partner bereits 2007 den renommierten Umweltpreis Energy Globe Award.

Der Energy Globe Award 2009 gewinnt das junge Technologieunternehmen HelioTech GmbH aus Baldham bei München für ein besonders einfaches und wirtschaftliches System zur solaren Meerwasserentsalzung, das eine Modulleistung von ca. 50 Liter/Tag erreicht. Details zur Technologie gibt es nicht – und beim Update 2011 ist die Firma auch nicht mehr zu finden.

Im Jahr 2009 wird die Firma SolarSping GmbH in Freiburg als Spin-off-Unternehmen des Fraunhofer ISE gegründet, um die dort sein 2001 entwickelte Technologie der solarthermischen Membrandestillation weiterzuentwickeln und zu kommerzialisieren. 2004 werden in Pozo Izquierdo auf Gran Canaria erste Feldversuche durchgeführt (auch im Rahmen eines EU-Projektes), und ab 2005 sind bislang erfolgreich neun Systeme installiert worden, in Alexandrien (Ägypten), Irbid (Jordanien) und in einem Dorf in Marokko, Ende 2007 in Teneriffa, Spanien, 2008 im Nahen Osten, und 2010 vier weitere Demonstrationsanlagen.

SolarSping hat neben dem kompakten Oryx 150 System auch ein Two-Loop-System entwickelt, das für größere Kapazitäten ausgelegt ist. 2010 werden zwei derartige Anlagen mit einer Tagesleistung von jeweils 5 m3 errichtet, von denen eine zu 100 % solar, und die anderen durch eine Kombination aus Solar- und Abwärme betrieben wird.

Mitte 2009 wird gemeldet, daß Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) um Siegfried Egner in Stuttgart gemeinsam mit Kollegen der Firma Logos Innovationen GmbH aus Bodnegg eine Technologie entwickelt haben, die Luftfeuchtigkeit autark und dezentral in trinkbares Wasser umzuwandeln vermag. Der energieautarke Prozeß basiert auf einfachen thermischen Sonnenkollektoren und Photovoltaikzellen – sowie auf Salzwasser.

An einer turmförmigen Anlage rinnt eine hygroskopische Salzsole – also eine Salzlösung, die Feuchtigkeit aufsaugt – hinunter und nimmt dabei Wasser aus der Luft auf. Anschließend wird sie in einen Behälter in einigen Metern Höhe gepumpt, in dem ein Vakuum herrscht. Dort wird die verdünnte Sole durch Sonnenkollektoren erwärmt, wobei der Siedepunkt aufgrund des Vakuums niedriger liegt als bei normalem Luftdruck. Das anschließend über eine Destillationsbrücke kondensierte salzfreie Wasser läuft über ein vollständig gefülltes Rohr kontrolliert nach unten ab, wobei das Gewicht dieser Wassersäule kontinuierlich für das Vakuum sorgt und keine Vakuumpumpe benötig wird. Die wieder konzentrierte Salzsole fließt derweil erneut an dem Turm hinunter, um weitere Luftfeuchtigkeit aufzunehmen. Nach den erfolgreichen Laborversuchen wollen die Forscher nun eine Demonstrationsanlage entwickeln.

Oryx 150

Oryx 150

Im Jahr 2010 werden ferner MD-Entsalzungsanlagen mit einer Anlagenkapazität von bis zu 5.000 Liter in Betrieb genommen. In der Demonstrations- und Feldtestphase sind außerdem SolarUF genannte, autonome Ultrafiltration-Einheiten mit einer Leistung bis zu 10.000 Liter Wasser pro Tag, die nur mit PV-Solarenergie betrieben werden. Die Geräte entfernen schädliche Bakterien und Viren aus verunreinigtem Wasser und sind durch ihr Energie-Management und eine automatische Rückspülungsfunktion ideal für sogenannte Remote-Anwendungen. SolarSping ist auch aktiv an den Initiativen ProDes und MEDIRAS beteiligt (s.u.).

Ein Mr. Coots aus dem britischen Stanwix wird im Januar 2010 mit einer patentierten, solarbetriebenen Entsalzungsanlage bekannt, an der er seit fünf Jahren arbeitet. Eine Pilotanlage für rund 400.000 $, die mit zwei sonnennachgeführten PV-Arrays ausgestattet ist, wird im Botanischen Garten Mt. Coot-tha im australischen Brisbane zur Bewässerung installiert und soll als Modell für ähnliche Systeme in Queensland dienen. Es scheint das erste derartige System in Australien zu sein, genauere Informationen über die eingesetzte Technik werden nicht bekannt gegeben.

Die Anlage produziert pro Tag 32.000 Liter für die Bewässerung des 60 Hektar großen Gartens, was rund 25 % dessen Bedarfs entspricht. Für den Nachtbetrieb wird Strom aus dem Netz gebraucht. Genutzt wird Brackwasser aus einem großen artesischen Becken genutzt, das sich 80 m unter dem Botanischen Garten befindet. Das als Nebenprodukt anfallende hochkonzentrierte Salzwasser soll zukünftig in Beete mit Salz liebenden Pflanzen geleitet werden, die allerdings erst noch angepflanzt werden müssen.

Ebenfalls im Januar 2010 wird gemeldet, daß die Umweltagentur des Emirates Abu Dhabi plant, innerhalb den nächsten 15 Monate 30 kleine solarbetriebene Entsalzungsanlagen einzusetzen, um für die in der Wüste Abu Dhabis lebenden Tiere Trinkwasser zu beschaffen. Die ersten zwei Anlagen in Hameem und Sweihan sind bereits in Betrieb und verwandeln Brackwasser aus unterirdischen Grundwasserleitern in frisches Wasser. Bei einer Evaluation hatte sich herausgestellt, daß die Installations- und Betriebskosten dieser Anlagen über einen Zeitraum von 15 Jahren hinweg niedriger ausfallen, als die Transportkosten von Öl zu diesen Standorten.

Die gleichgroßen Anlagen haben eine Kapazität von jeweils 5 m3 Wasser pro Stunde, und den Strombedarf von 45 kW decken 300 m2 PV-Paneele. Die Systeme, die täglich 6 – 8 Stunden aktiv sind, werden mitten in der Wüste künstliche Wasserquellen für Tausende von Tieren bilden. Jede Anlage kostet 3 Mio. Dirham.

Im Juli 2010 wird unter der Federführung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) eine ProDes-Roadmap veröffentlicht, die einen Überblick über die regenerativen Entsalzungstechnologien und den gegenwärtigen Stand der Technik auf diesem Sektor bietet und Strategien aufzeigt, wie sich rechtliche, finanzielle und politische Hindernisse bei ihrer Umsetzung überwinden lassen. Die ProDes-Initiative (Promotion of Renewable Energy for Waterproduction through Desalination), an der 14 führende europäische Organisationen teilnehmen, war im Oktober 2008 als zweijähriges ‚Intelligent Energy Project’ der EU-Kommission gestartet.

Ein weiteres EU-Projekt, das fast zeitgleich gestartet und auf drei Jahre angelegt ist, läuft unter dem Namen MEDIRAS und soll solare Entsalzungsanlagen optimieren und ihre Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit demonstrieren. Das gewählte modulare System-Setup basiert auf der innovativen Membrandestillation (MD), einem thermischen Verfahren, bei dem reiner Wasserdampf, durch einen Temperaturunterschied in Bewegung gesetzt, eine hydrophobe Membran passiert und an der anderen Seite kondensiert. Die sehr robuste Technologie ist besonders für kleine, dezentrale Entsalzungsanlagen im Leistungsbereich zwischen 0,1 und 20 m3 /Tag günstig einsetzbar, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Das Arbeitsprogramm umfaßt die Entwicklung von skalierbaren System-Konfigurationen, die an unterschiedliche Kundenanforderungen angepaßt werden können. Dabei sollen fünf Systeme in verschiedenen Größen installiert werden, die Trinkwasser an Endverbraucher liefern, um die Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit der Technik zu demonstrieren. Auf der MEDIRAS-Seite wird auch die bislang umfangreichste Liste aller seit 1974 realisierten Entsalzungsanlagen veröffentlicht, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden (xls).

Weitere EU-Projekte, die an dieser Stelle zu nennen sind, wären zum einen das Anfang 2010 gestartete, zweijährige und von LIFE+ mit 1,6 Mio. € finanzierte Projekt Greenlysis, bei dem eine Pilotanlage errichtet wird, um die technische Machbarkeit der Herstellung von Wasserstoff und Sauerstoff durch Elektrolyse mittels erneuerbaren Energien zu demonstrieren – in Verbindung mit einer signifikanten Verringerung sowohl des Energieverbrauchs als auch der Umweltbelastung einer entsprechenden Kläranlage. Mitte 2011 wird hier die Ultrafiltrations-Einheit installiert, die von PV-Paneelen mit Strom versorgt wird. Zum anderen ist das Anfang 2011 gestartete innovative REAPower Konzept zu erwähnen, das auf einer rückläufigen Elektrodialyse-Technologie basiert. Diese Salinity Gradient Power (SGP) Technologie beruht auf der Gewinnung von osmotischer Energie aus zwei Salzlösungen stark unterschiedlicher Salzkonzentration (siehe mehr dazu unter Salinitätsgradient).

Im April und Juli 2010 installiert die Terrawater GmbH aus Kiel ihre ersten beiden solar betriebenen Entsalzungssysteme in Ägypten bzw. Namibia, die pro Tag etwa 5 m3 Trinkwasser liefern. Die Technologie basiert auf dem sogenannten Bypass-Patent von Thomas Brendel aus dem Jahr 2002 (s.o.). In den Folgejahren waren mehrere Vorserien-Module gebaut und getestet sowie neue Patente erteilt worden.

Terrawater-Anlage in Namibia

Terrawater-Anlage
in Namibia

Ein Team des Field and Space Robotic Laboratory (FSRL) des MIT konzipiert im Oktober 2010 eine neue Wasser-Entsalzungsanlage, deren Pumpe, die das ungenießbar Meerwasser durch eine halbdurchlässige Membran drückt, komplett mit Solarenergie aus Photovoltaikmodulen betrieben wird. Das kompakte und speziell für die Katastrophenhilfe gedachte System ist mit Sensoren ausgestattet, welche eine Wasseraufbereitung auch ohne hohe Sonneneinstrahlung ermöglichen.

Der Meldung zufolge kann der MIT-Prototyp je nach Wetterlage bis zu 80 Liter Trinkwasser pro Tag produzieren, während eine in Planung befindliche größere Version in der Lage sein wird, bis zu 1.000 Liter Wasser pro Tag zu liefern. Der Preis einer derartigen Anlage würde 8.000 $ betragen. Die Entwickler gehen davon aus, daß in einem einzigen C-130 Frachtflugzeug zwei Dutzend Entsalzungsanlagen transportiert werden könnten, die zusammen genug Wasser für mehr als 10.000 Menschen bereitstellen könnten.

Im Laufe des Jahres 2010 und 2011 bringen mehrere Unternehmen weitere kompakte und transportable PV-Wasserentsalzungs- und -aufbereitungsgeräte auf den Markt, dessen Volumen gegenwärtig stark zunimmt. Als Beispiel möchte ich die 2009 von Lex Henkels und Mike Shor gegründete US-Firma Providence nennen, die außerdem solare Bewässerungspumpen u.ä.m. anbietet und schon 2010 mehr als 350 mobile, solarbetriebene Wasseraufbereitungssysteme auf Bestellung der dortigen Regierung in den Irak liefert. Die Systeme der Firma liegen im Leistungsbereich zwischen 1 m3 und 5 m3 pro Stunde.

Die Firmen Spectra Watermakers Inc. aus San Rafael, Kalifornien, (Hersteller des oben bereits erwähnten Water Cube) und die 2007 gegründete Trunz Water Systems AG aus dem schweizerischen Steinach stellen gemeinsam einen Solar Container vor, der in Katastrophengebieten von Sonnen- und Windenergie betrieben bis zu 30.000 Liter Wasser von Bakterien, Viren, chemischen Verunreinigungen und/oder Salzen reinigen kann.

Trunz Wassersystem

Trunz Wassersystem

Zum Einsatz kommen mehrere Filter und acht RO-Membranen. Trunz bietet neben anderen Solarprodukten auch einen leichten und kompakten Wasserspender namens Aquifier 200 an, der in einem schockresistenten, korrosionsbeständigen Koffer eingebaut und sofort betriebsbereit ist. Er produziert 30 Liter Trinkwasser pro Stunde.

The Essential Element, eine Firma aus Hopewell, New Jersey, bietet mit ihrer Multifunktionsanlage Hydra ein weiteres transportables Gerät für die Katastrophenhilfe an, das pro Tag bis zu 87.000 Liter Trinkwasser und gleichzeitig über ein Elektrolyse-System auch noch Wasserstoff produziert, mit dem ein Kochofen oder eine Brennstoffzelle betrieben werden können. Außerdem gibt es Blei/Säure-Gel-Batterien an Bord, einen 0,37 m3 Flaschentank für den komprimierten Wasserstoff, sowie diverse Anschlüsse zum Aufladen oder Betreiben elektronischer und elektrischer Geräte.

Die Energie stammt von einem 3,65 x 2,74 m großen Solarpaneel mit 8 % effizienten Polykristallin-Siliziumzellen, das eine Ausgangsleistung von 2,88 kW erreicht. Das ist mehr als genug um mit 900 W die Umlaufpumpe zu betreiben, die 900 Ah Batterie aufzuladen und auch noch die Wasserspaltung zur H2-Herstellung zu betreiben. Der gespeicherte Wasserstoff ist primär für den Nachtbetrieb gedacht. Das Ganze ist auf einem 4,9 m langen Trailer aufgebaut und soll knapp 100.000 $ kosten.

Im März 2011 präsentiert die in Singapur beheimatete Firma memsys Clearwater Ltd. einen neuen thermischen Prozeß für die Meerwasserentsalzung namens Vakuum Multi-Effekt Membran Destillation (V-MEMD), der auch in die mobilen Anlagen für Katastrophengebiete integriert wird, die ausschließlich mit Sonnenenergie betrieben werden. Nach siebenjähriger Entwicklungsarbeit war im Vorjahr die erste Testanlage für auf dem Gelände der Marina Barrage in Singapur installiert worden. In einem 12-monatigen Testprogramm, das von der Nanyang Technological University und dem Singapore Membrane Technology Centre durchgeführt wird, soll die Anpassungsfähigkeit des Systems untersucht sowie die Betriebsstabilität und Effizienz bei verschiedenen Wetter- und Wasserbedingungen optimiert werden. Unterstützt wird das Projekt von der Aquiva Foundation.

Nachdem sich ab 2004 eine Gruppe Spezialisten um den Erfinder Wolfgang Heinzl darauf konzentriert hatten, die Membran-Destillation in ein industrielles Produktkonzept zu überführen, wurden Anfang 2009 die memsys GmbH in Krefeld als Produktions- und Vertriebsgesellschaft, sowie die memsys Clearwater Ltd. für den internationalen Vertrieb gegründet. Als Entwicklungs- und Ingenieursgesellschaft wird im September desselben Jahres die memsys TEC AG in Ebersberg gegründet.

Die mobile Anlage ist in einem 20-Fuß-Container untergebracht, kommt mit minimalem Wartungsaufwand aus und arbeitet unabhängig von jeglicher Infrastruktur, da die notwendige Energie vollständig aus thermischen und PV-Solarzellen von Solarhart erzeugt wird. Je nach Sonnenschein-Dauer und -Intensität produziert die Anlage bis über 1.000 Liter Trinkwasser am Tag.

Im Rahmes eines 2-Jahres-Forschungsprogramms, das in Zusammenarbeit mit der Murdoch Universität von dem National Centre of Excellence in Desalination Australia (NCED) geleitet wird, testet memsys die Zuverlässigkeit seines thermischen Membran-Destillations-Verfahrens auch in entlegenen Gebieten West-Australiens. Die thermische Energie für den Entsalzungs-Prozeß wird aus solarthermischen Anlagen und von der Abwärme aus Generatoren gewonnen. Das NECD fördert die Versuche mit 250.000 Australische $, die restlichen 750.000 $ werden von den Forschungspartnern beigesteuert. Ziel des Programms ist es die wachsende Bevölkerung der Gemeinde Tjuntjunjarra, 800 km nordöstlich von Kalgoorlie, mit Trinkwasser zu versorgen.

Optofluidik-Mikroreaktor Prinzip

Optofluidik-Mikroreaktor
(Prinzip)

Die memsys betreibt gemeinsam mit dem spanischen Wasserversorgungsunternehmen AGBAR am Instituto Tecnologico de Canarias (ITC) in Pozo Izquierdo auf den Kanarischen Inseln eine weitere solarbetriebene Meerwasserentsalzungsanlage, bei der die thermische Membran-Destillation zum Einsatz kommt. Diese Einheit ist ebenfalls in einem Standard-Container untergebracht und an ein 12 kW Solarzellenpaneel angeschlossen. Durch einen Pufferspeicher kann die Anlage auch nach Sonnenuntergang weiter betrieben werden und erreicht eine Laufzeit von 10 – 12 Stunden pro Tag, während der etwa 500 Liter Trinkwasser gewonnen werden können. Während einer 12-monatigen Testphase soll der Destilliervorgang unter Berücksichtigung jahreszeitlicher Schwankungen der Strahlungsintensität der Sonne getestet werden.

Im Januar 2011 publiziert die Fachpresse den Bericht eines Forscherteams um Xu Ming Zhang und Helen Chan von der Hong Kong Polytechnic University, das die Photokatalyse mit der Mikrofluidik, dem recht neuen Feld der Optofluidik, kombiniert hat. Die beiden Technologien sind parallel entwickelt worden, doch dies scheint der erste Versuch zu sein, die natürliche Synergie zwischen ihnen zu nutzen. Die Ergebnisse zeigen eine dramatische Verbesserung der Effizienz der Photokatalysatoren.

Wenn Schmutzwasser mit Titandioxid und Sonnenlicht in Verbindung kommt, setzt das Oxid Elektronen frei, die die Verschmutzungen in harmlose Substanzen aufbrechen und so das Wasser langsam säubern. Ich berichte darüber ausführlich im Kapitelteil über die solare Photokatalyse. Mit der Entwicklung der Hongkonger Forscher, die das Wasser durch winzige Kanäle zwischen zwei mit Titandioxid beschichteten Glasplatten schicken, geht dies nun wesentlich schneller. Da durch die Mikrokanäle eine sehr große Oxidoberfläche zur Verfügung steht, können die Schmutzpartikel hundert Mal effizienter zerstört werden.

Der planare Optofluidik-Mikroreaktor des Teams ist 5 x 1,8 cm groß, bei einer Höhe von 0,1 mm, und durch den Polymerklebstoff NOA81 versiegelt. Die Mikrokanäle selbst, die sich in dieser Kammer wie Äste verzweigen, sind nur 50 Mikrometer hoch. Die Forscher wollen ihre Vorrichtung nun auf bis zu 2 m2 vergrößern und dann bis zu 1.000 Liter pro Stunde hindurchschicken.

 

Hier beschäftigen wir uns als nächstes mit weiteren Formen der hochtermischen Solarenergienutzung, wobei ich mit dem Stirling-Motor beginnen werde.


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