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Andere elektrische Fahrzeuge

Kapsel-Pipelines (I)


Eine weitgehend in Vergessenheit geratene PRT-Technologie stammt aus dem 18. Jahrhundert: Der Personentransport durch Röhren mittels Druckluft. In dem Kapitel über dieses Medium berichte ich in erster Linie über die Geschichte der Druckluft, ihre Rolle als als Energiespeicher sowie über ihre Nutzung im mobilen Einsatz. Hier soll ein kurzer Rückblick auf eine weniger bekannte Anwendung gegeben werden, die unter dem Namen Kapsel-Pipelines bzw. Pneumatic Capsule Pipelines (PCP) bekannt geworden ist.

Mir ist bewußt, daß es sich dabei um keine elektrisch betriebene Transportmethode handelt, doch im Hinblick auf die späteren Vakuumröhren-Maglevbahnen ist es wichtig, den geschichtlichen Kontext zu kennen.

Die wohl früheste Entwicklung, die Rohrleitungen mit kleinem Durchmesser verwendete, um Telegramme zwischen wichtigen Standorten innerhalb von Städten auszutauschen, war die von Druckluft betriebene Rohrpost im viktorianischen Zeitalter. Damals wurde jedoch auch eine Reihe von Systemen mit größerem Durchmesser gebaut, um Fracht zu bewegen – und in einigen Fällen auch Passagiere.

Allerdings erweisen sich diese Systeme als weit weniger erfolgreich als die sich schnell und weit verbreitende Rohrpost, mit der u.a. Akten, Bargeld und andere kleine Gegenstände in großen Gebäuden transportiert werden, wie es in einigen Fällen noch heute der Fall ist, beispielsweise in Krankenhäusern. Ein beeindruckendes Netz weist auch der Internationale Flughafen von Denver aus, der neben einem 10 cm Rohrnetz für die Tickets der United Airlines noch ein zweites Netz mit 25 cm durchmessenden Rohren besitzt, in welchem Flugzeugteile zu entfernten Hangars befördert werden.


Die Idee, mit Druckluft beaufschlagte Rohrleitungssysteme für die Bewegung von großdimensionierten Objekten zu nutzen, wird George Medhurst zugeschrieben, einem britischen Maschinenbauingenieur und Erfinder, der bereits im Jahr 1799 ein Patent für eine Windpumpe zum Verdichten von Luft zu Triebkraft einreicht. Im darauf folgenden Jahr läßt er sich einen Äolischen Motor patentieren, der die Druckluft zum Antrieb von Fahrzeugen verwendet. In einer Veröffentlichung schlägt Medhurst später die Einrichtung eines Äolischen Busverkehrs vor, der mittels Pumpstationen entlang der Strecke betrieben wird, ohne daß eine Umsetzung erfolgt.

Im Jahr 1810 erscheint sein Werk A new method of conveying Letters and Good with great Certainity and Rapidity by Air, ohne daß er sich diese Idee patentieren läßt. Obwohl Medhurst schon 1812 klar ist, daß Passagiere vielleicht nicht allzu entzückt darüber sind, innerhalb von Röhren transportiert zu werden, führt seine Idee letztlich doch zur Entwicklung der ersten atmosphärischen Eisenbahn, bei welcher die Züge vom atmosphärischen Druck angetrieben werden.

Dabei wirkt der Druck auf einen Kolben, welcher in einer oben aufgeschlitzten Rohrleitung zwischen den Schienen gleitet und mit dem Triebfahrzeug über eine Stange verbunden ist. Durch ortsfeste Pumpen wird die Luft in der Rohrleitung vor dem Kolben abgesaugt, während hinter ihm die Luft mit atmosphärischem Druck in die Rohrleitung einströmen kann. Die Differenz der Drücke auf den beiden Kolbenseiten übt die Kraft auf das Triebfahrzeug aus, die für die Zugförderung genutzt wird.

Vor allem im englischsprachigen Raum wird unter dem Begriff der atmosphärischen Eisenbahn manchmal auch die pneumatische Eisenbahn eingeschlossen, bei welcher der für den Vortrieb nötige Druckunterschied durch einen Überdruck hinter dem Fahrzeug erzeugt wird - und dieser nicht auf einen mit dem Fahrzeug verbundenen Kolben wirkt, wie bei den unter Druckluft im mobilen Einsatz beschriebenen Modellen, sondern auf das gesamte Fahrzeug, welches in einem entsprechend eng umschließenden Tunnel verkehrt, wie es bei den folgenden Systemen der Fall ist.


Ohne daß ein direkter Kontakt zwischen ihm und Medhurst nachgewiesen werden kann, meldet John Vallance aus Brighton ein Patent für eine ganz ähnliche Idee an, an der er seit 1818 arbeitet – und baut bei seinem Haus (1 Devonshire Place) einen Prototyp. Das System ist 150 m lang und hat einen Durchmesser von 8 m.

Im Inneren der tunnelartigen, gußeisernen Röhre verlaufen Schienen, auf denen sich eine als Kapsel gestaltete Kabine mit einer Geschwindigkeit von 3,2 km/h bewegt, in der bis zu 20 Passagiere Platz finden. Das Verlassen der Kapsel durch Öffnen der Tür zum Fahrgastraum ist für die Passagiere jedoch eine unangenehme Erfahrung, so daß die Erfindung bald als ‚Erstickungsregelung’ verspottet wird. Sir William Couling, der den Prototyp im Jahre 1826 im Auftrag der russischen Botschaft untersucht, ist davon allerdings begeistert und schlägt das System für Sankt Petersburg und Moskau, sowie für Routen entlang der Wolga und der Küste des Schwarzen Meeres vor. Umgesetzt wird jedoch nichts davon.

Bei einer Bürgerversammlung in Brighton im Juni 1827 legt Vallance die Vorschläge für zwei Strecken vor: von Brighton nach Shoreham (Brightons Handelshafen) und von Brighton in die ‚Metropolis’ (London). Beide Vorschläge werden von der Stadt abgesegnet, worauf umgehend ein Unternehmen gegründet wird, die London, Brighton and Shoreham Pneumatic Conveyance Company, welche die beiden Strecken bauen soll – in erster Linie für den Transport von Kohle und anderen sperrigen Produkten. Da es dem Unternehmen nicht gelingt, ausreichenden finanziellen Rückhalt oder eine Schirmherrschaft zu gewinnen, werden die Pläne schon 1828 wider aufgegeben. Außerdem hatte zu diesem Zeitpunkt schon der Bau einer konventionellen Eisenbahnlinie in dem genannten Streckenabschnitt begonnen. 

Nach vielen anderen Ideen und Verfahren, darunter auch die Erfindung eines Dampfwagens, kehrt Medhurst kurz vor seinem Tod im September 1827 zum ursprünglichen Idee vom pneumatischen Antrieb zurück, der nun bei einem neuen Beförderungssystem für Waren und Passagiere eingesetzt werden soll, mit dem eine Geschwindigkeit von 100 km/h erreicht werden kann. Doch bis zu einer tatsächlichen Umsetzung dieser Vorstellung dauert es noch etwas.


Erst in den Jahren 1855 und 1856 interessiert sich die britische Post in London für das System und beauftragt zwei Ingenieure damit, die Möglichkeit eines großen Rohrpost-Systems zu untersuchen. Die Ingenieure berichten, daß die Idee zwar umsetzbar sei, vor allem, wenn ein Durchmesser von 38 cm (15") verwendet wird, aber zu erheblichen Kosten – worauf die Post von der Idee wieder abrückt. Als dann im Jahre 1859 die Ingenieure Thomas Webster Rammell und Latimer Clark die Ideen von Medhurst mit ihrem Wissen um das Interesse der Post an einem PCP-System kombinieren, entsteht daraus das London Pneumatic Despatch.

Prototyp-Strecke bei Battersea

Prototyp-Strecke
bei Battersea

Rammell hatte schon zuvor die Entwicklung einer erhöhten Straßen-Eisenbahn vorgeschlagen, unter Verwendung von zwei Zügen, die durch atmosphärische Bahntechnik angetrieben werden: das viktorianische Äquivalent der modernen automatisierten PRT-Systeme, auf die ich weiter unten noch ausführlich zu sprechen komme.

Nun entwickeln die beiden Ingenieure Pläne für ein U-Bahn-Netz in London, das zum schnellen und bequemen Transport von Depeschen und Paketen eingesetzt werden soll. Die Bestrebungen geben allerdings dahin, das System schlußendlich für den Transport aller Arten von Stückgut sowie von Passagieren einzusetzen.

Das Netzwerk würde die wichtigsten Bahnhöfe mit den Poststationen und Marktplätzen verbinden, wobei die Kapseln in einer Richtung durch Druckluft, und in der anderen durch atmosphärischen Luftdruck angetrieben werden und dabei als Kolben fungieren. Das System wird so angepaßt, daß es mit einer stationären Dampfmaschine, einem großen reversiblen Ventilator und sehr niedrigem Luftdruck oder Vakuum arbeitet.

Im Juni 1859 wird die London Pneumatic Despatch Company gegründet (auch: London Pneumatic Dispatch Company), die schon im August durch ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz die königliche Zustimmung erhält, die Straßen zu öffnen und Rohre zu verlegen. Das Unternehmen beschafft sich zunächst 25.000 £, um die Technologie zu testen und eine Pilotstrecke zu bauen.

Nachdem die anfänglichen Experimente in den Soho Works von Boulton and Watt in Birmingham durchgeführt worden sind, wird im Laufe des Sommers 1861 bei Battersea, im Südwesten von London, auf einem Landstück, das den Vauxhall Waterworks und der London Brighton and South Coast Railway gehört, die erste Prototyp-Strecke betrieben: Auf der Oberfläche ist ein einzelnes 452 m langes (vermutlich leicht ovales) Rohr mit einem Durchmesser von 76,2 x 83,8 cm (2'9" x 2'5") verlegt, samt Steigungen bis zu 10 % und Kurven mit einem Radius von bis zu 90 m. Im Inneren befinden sich Schienen mit einer Spurweite von 24 Zoll, auf denen sich Kapseln bewegen, die mit Gummiklappen als Luftdichtungen ausgestattet sind. Von einem 30 PS starken Motor mit einem 6,4 m durchmessenden Ventilator angetrieben erreichen die bis zu 3 t schweren Einzelkapseln Geschwindigkeiten von bis zu 80 km/h.

Anfang 1863 wird auf Grundlage einer ähnlichen Technologie in London eine permanente Strecke mit einem 76,2 cm durchmessenden Rohr in Betrieb genommen, die über eine Länge von 413 m zwischen der Euston Station und dem North West District Post Office der in Eversholt Street verläuft. Die einzelne Kapsel kann bis zu 35 Postsäcke aufnehmen und macht die kurze Fahrt innerhalb von eine Minute. Pro Tag werden 13 Fahrten gemacht – womit die viel höhere Kapazität des Systems überhaupt nicht ausgeschöpft wird.

Das Unternehmen versucht daraufhin, weitere Linien in London zu entwickeln und zusätzliche 125.000 £ an Kapital zu beschaffen. Tatsächlich gelingt es, den pneumatischen Versand von Euston nach Holborn zu erweitern, wo im Oktober 1865 die ersten ‚Züge’ fahren – wobei zur Eröffnung der Strecke sogar die Direktoren der Company eine Tour mit der Rohr-Frachtpost wagen.

Eine weitere Strecke von Holborn zur Gresham Street mit einem Abzweig zum Central Post Office auf Cheapside ist bereits im Bau, ebenso wie eine Verbindung von Holborn nach Hatton Garden, als die Finanzkrise 1866 zuschlägt. Bis zu diesem Zeitpunkt hat das Unternehmen bereits 150.000 £ investiert. Der Bau kann erst 1868 weitergeführt werden, als es gelingt zusätzliche Finanzierungsmittel zu erhalten.

Die Strecke bis zur Newgate Street, um das General Post Office anzubinden, wird 1869 erfolgreich beendet. Die Entfernung zwischen der Station Newgate Street und Holborn beträgt 1.516 m, die zwischen Newgate und Euston sogar 4.332 m, die bei einer Geschwindigkeit von bis zu 95 km/h in rund 17 Minuten zurückgelegt werden. Die Route enthält einen Abschnitt mit zwei Steigungen von 15°, um das Fleet Valley zu überbrücken – ein Punkt, an dem sich gerne Wasser sammelt, weswegen die Sendungen ihren Bestimmungsort in nassem Zustand erreichen.

Die Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Post, das System sinnvoll zu nutzen, in Verbindung mit den Kapitalverlusten aus der Finanzkrise 1866, verursachen dem Unternehmen ernsthafte finanzielle Probleme. Im August 1872 erhält es zwar vom Parlament die Genehmigung, in London zusätzliche Strecken zu konstruieren, für die auch schon Planungen vorliegen. Gleichzeitig wird das PCP-System der Öffentlichkeit für die Beförderung von Paketen eröffnet – ein Schlag ins Gesicht des Post Office Monopols – und die Firma stellt ihre Mietzahlungen für die Station am General Post Office ein.

Zwar reagiert die Post Anfang 1874 mit einer Vereinbarung, um das System für den Verkehr zwischen dem Central Post Office und Euston zu verwenden, stellt dabei aber eine Zeitersparnis von nur 4 Minuten fest und bezweifelt die Zuverlässigkeit des Systems und seine Fähigkeit, schwere Lasten zu befördern. Im Oktober teilt die Post der Gesellschaft mit, daß es keine langfristige Perspektive für einen Post-Verkehr mit dem System gibt, worauf es geschlossen wird und das Unternehmen im Juni 1875 seine Liquidation bekannt gibt, die sich dann allerdings noch bis zum März 1882 hinzieht.

Die Rohre werden für mindestens 20 Jahre aufbewahrt, während sich die Post mit elektrischen Systemen beschäftigt. Das Unternehmen wird 1895 restauriert, in dem Glauben, daß die Post die alten Tunnel zu verwenden wünscht. Im Jahr 1899 erwirbt die amerikanische Firma Batcheller die Rechte der London Pneumatic Despatch Company, ebenfalls mit Blick darauf, Dienstleistungen für die Post zu entwickeln. Nähere Details habe ich nicht herausgefunden. Den Quellen zufolge habe die Post die Tunnel schließlich Jahr 1921 gekauft, um darin Telefonkabel zu verlegen.

Als 1928 eine Ansammlung von Gas in einem der stillgelegten Tunnel in der Nähe von High Holborn eine Explosion verursacht, sah sich die Post gezwungen, alle ähnlichen Tunnel zu füllen oder zu belüften. 1930 werden vier der ursprünglichen Fahrzeuge nördlich von Euston aus dem System hervorgeholt, von denen noch zwei existieren – eines steht im Londoner Museum, während das andere seinen Platz im British National Railway Museum in York gefunden hat.

Crystal Palace Vorführung

Crystal Palace
Vorführung

Schon zu dem Zeitpunkt, als die erste Strecke in London eröffnet wird, schlägt Rammell vor, die Technologie auch für die Personenbeförderung einzusetzen, wobei er sich ein Doppelrohr für den Verkehr in beiden Richtungen vorstellt, dessen Wagen sich „durch das elastische Seil der Luft verbunden in einem kontinuierlichen Kreislauf“ befinden.

Tatsächlich gelingt es Rammell, während der Crystal Palace Exhibition von 1864 den Prototyp eines Systems für die Beförderung von Fahrgästen vorzustellen: ein 550 m langer Einzeltunnel mit Passagierkapseln, der als Demonstration für die geplante Waterloo and Whitehall Pneumatic Railway gedacht ist. Diese soll über einen Abstand von weniger als einer Meile Waterloo mit Charing Cross verbinden – und dabei die Themse unterqueren. Es ist beabsichtigt, die Strecke später von Charing Cross bis zur Tottenham Court Road, und von Waterloo bis Elephant and Castle zu verlängern.

Da nur ein einzelnes gemauertes Rohr mit einem Durchmesser von 5,5 m eingesetzt wird, soll die Strecke mit drei Zügen betrieben werden, von denen sich einer jeweils im Transit befindet, während die beiden anderen be- und entladen werden. Dies würde durch die Verwendung eines einzigen Maschinenhauses bei Waterloo erfolgen, das die Kapseln durch die Kraft der Druckluft bis nach Charing Cross treibt, und per Vakuum zurück nach Waterloo. Zum Einsatz kommen soll ein 6,7 m durchmessender Ventilator, der von einer Dampfmaschine angetrieben wird und - bei Umkehr der Fahrrichtung - auch ansaugen kann. Um den Abschnitt unter der Themse zu beschweren, wird dieser aus Eisen hergestellte und mit Beton beschichtet.

Die Konstruktion beginnt 1865, und obwohl Anfang 1867 der erste, etwa 550 m lange Tunnelabschnitt von der herstellenden Firma der Gebrüder Samuda aus Poplar, East London, abgeschlossen wird, das Flußbett schon ausgebaggert ist und auch Pfeiler zur Aufnahme des Rohrs ausgebracht worden sind, muß der Bau im Jahre 1868 abgebrochen werden, da im Zuge der Finanzkrise 1866 eine der Banken zusammengebricht, die das Unternehmen finanzieren. Die fertiggestellte Strecke wird zeitweilig noch genutzt, wobei das Ticket einen Sixpence kostet und die Fahrzeit 50 Sekunden beträgt. Nachtrag: Um das Jahr 1992 herum werden bei Grabungsarbeiten in Crystal Place Reste des Tunnels freigelegt.


In Nordamerika schlägt in den 1860er Jahren Alfred Ely Beach eine ganze Reihe von Systemen vor, einschließlich welcher zum Transport von Passagieren und Post. Seine Pläne sind relativ gut dokumentiert – aufgrund der Tatsache, daß er damals Redakteur des renommierten Magazins Scientific American war. Während der Ausstellung des American Institute im Jahr 1867 wurden zwei pneumatische Systeme gezeigt. Eines ist Beachs System zum Transport von Passagieren.

Das Demonstrations-System ist ein 32,5 m langes und 1,8 m durchmessendes Rohr, in dem sich eine Kapsel bewegt, die 12 Passagiere nebst Zugbegleiter faßt und von einem Æolors-Turbinenrad (Æolors blowing wheel) angetrieben wird, das selbst von einem kleinen Motor in Rotation versetzt wird. Das Æolors-Rad hatte einen Durchmesser von 3 m, besteht aus Holz und hat acht Rotorblätter und dreht sich an der Mündung des Rohres, die jener gegenüberliegt, durch welche das Fahrzeug eintritt. In der einen Bewegungsrichtung saugt der Rotor die Luft an und zieht das Fahrzeug damit heran.

Kabine des Beach System

Kabine des
Beach System

Nachdem Beach 1867 zum Präsidenten der Pneumatic Dispatch Company of Jersey berufen wird, dauert es nicht lange, bis seine eigene Firma Beach Pneumatic Transit Company of New York im Jahr 1869 ein 95 m langes Pilotsystem für den Transport von Passagieren baut. Es verläuft unter dem Broadway von der Warren Street bis kurz hinter die Murray Street, besteht aus einem einzelnen Tunnel mit einem Durchmesser von 2,75 m und ist über eine Station zugänglich, in der – Oh, großartiges viktorianischeres Zeitalter! – sogar ein Flügel steht. Laut wikipedia liegt diese Station im Keller von Devlin’s Clothing Store, die zudem mit Statuen, Fresken, einem Fischbecken und Liegestühlen ausgestattet ist.

Durch ein Propeller- und Schachtsystem kann hier ein Wagen mit 22 Menschen in den Tunnel hinein gepustet und am Ende wieder herausgesaugt werden, was die Strecke bald zur Touristenattraktion macht. Den Berichten zufolge wird das System allerdings nur ein paar Monate lang betrieben, und der Firma gelingt es auch nicht, die Erlaubnis für weitere Strecken zu erhalten. Und dies, obwohl die Beach Pneumatic Transit 2 nach ihrer Eröffnung im Februar 1870 im Laufe eines Jahres rund 400.000 Tickets verkauft, zu einem Preis von 25 Cent pro Fahrt.

Einer anderen Quelle zufolge sei die Anlage im Jahr 1873 wegen ‚politischer Verstrickung’ geschlossen worden, was auch immer damit gemeint ist. Als 1912 Baufirmen damit beginnen, die Broadway U-Bahn zu bauen, konnten sie die alten Tunnel betreten und haben auch einen der Kapselwagen daraus hervorgeholt. Es ist jedoch nicht bekannt, was damit weiter geschah. Dadurch liefert die Kapsel-Bahn viel Stoff für bis heute andauernde Legenden. Denn gebaut wurde sie einst vollkommen im Geheimen. So gibt es Gerüchte, daß die Station noch immer durch einen Gulli oder einen Geheimgang zugänglich sei. Auch Munkeleien über weitere Strecken gibt es, die Beach in Hoffnung auf eine Baugenehmigung schon einmal vorauseilend angelegt haben soll.

Das alles bringt einer fiktiven Fassung der Bahn einen Auftritt in dem 1989 erschienenen Film Ghostbusters 2 ein. Und als die Band Klaatu in Kanada 1973 ihre erste Single veröffentlicht, findet sich darauf neben dem Song Anus of Uranus auch der Song Sub-Rosa Subway, in welchem die Bemühungen besungen werden, den Beach Pneumatic Transit zu schaffen.


Der Arzt Rufus Henry Gilbert aus Steuben County, NY, der u.a. die Position des Direktors und Superintendenten der United States Army Hospitals bekleidet hat, kommt während seines Aufenthalts in London und Paris zu der Überzeugung, daß die heutigen Städte gesündere Bedingungen brauchen, und daß der ‚Rapid Transit’ ein Weg dorthin ist. Gilbert untersucht viele verschiedene Ideen für Hochbahnen, als er später Superintendent der Central Railroad of New Jersey wird, wo er sich auch mit der Entwicklung schneller Transportmittel für New York City beschäftigt. Er findet aber nichts Praktikables. Im Jahre 1870 läßt er sich die Idee zur Verwendung aufgeständerter ‚atmosphärischen Röhren’ patentieren, in denen – wie in einem Rohrpostsystem – kleine Kabinenwagen für Personen mittels Druckluft bewegt werden.

1872 gründet Gilbert die Firma Gilbert Elevated Company. Aufgrund der Finanz-Panik von 1873 gelingt es ihm jedoch nicht, die Finanzierung für sein Projekt zu sichern. Gilbert sieht sich letztlich gezwungen, die Kontrolle über sein Unternehmen an die New York Loan and Improvement Company zu übergeben, um ausreichend Kapital zu erhalten. Das Unternehmen konstruiert dann tatsächlich entlang der Sixth Avenue eine Strecke, die als Gilbert Elevated Railroad im Jahre 1878 eröffnet wird. Bald darauf drängen ihn seine Partner aus dem Unternehmen – womit seine Karriere endet. Der Betrieb wird mit Dampflokomotiven aufgenommen, und von den Plänen einer pneumatischen Rohrsstrecke ist nie wieder zu hören.


1888 beschreibt Michael Verne, der Sohn von Jules, in einer Kurzgeschichte mit dem Titel Ein Schnellzug der Zukunft (Un express de l’avenir) ein pneumatisches Unterwasser-Rohrsystem, das Reisen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1.800 km/h ermöglicht.


Ein weiteres PCP-System wird im Jahr 1889 von der Johnson Pneumatic Tube Company aus New York und ihrem Besitzer W. Cross gebaut. Es handelt sich um eine experimentelle Anlage, die aus einem 365 m langen Rohr mit einem Durchmesser von etwa 76 cm besteht. In diesem bewegen sich runde Kapseln aus Stahl mit einem Gewicht von rund 340 kg und einem Durchmesser von 73,5 cm, die wie große Kanonenkugeln aussehen.

Entwickelt wurde das System, um Waren wie Post und wertvolle Güter über weite Strecken von bis zu 240 km zu transportieren, wobei die Kapseln eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 320 km/h erreichen würden. Von dem experimentellen System wird berichtet, daß die Kapseln die Strecke hin und wieder zurück in elf Sekunden schafften. Beim Erreichen des Endes der Leitung werden die Kapseln durch ein ‚Luftpolster’ verlangsamt, eine 40 m lange mit Druckluft gefüllte Kammer.

Später hört man nichts mehr davon, obwohl es noch beeindruckende Pläne gab. So war beabsichtigt, Fernleitungen zu konstruieren, bei denen in Abständen von 36 km jeweils 400 PS Motoren plaziert sind, um die Kugeln voranzutreiben. Man erwartete Fahrzeiten zwischen New York und Chicago von etwa fünf Stunden, und von 34 Stunden für die Strecke von New York nach San Francisco.

Die Technologie des Druckluft-Postversands, der mit einer Geschwindigkeit von etwa 35 km/h erfolgt, läßt die Entwickler aber nicht mehr los, und immer wieder werden Vorschläge gemacht, unterirdische Frachtnetzwerke aufzubauen, die mittels Druckluft u.a. Techniken betrieben werden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gibt es daher viele PCP-Entwicklungen, die pneumatischen Systemen mit großem Durchmesser mittels neuer Technologien zu einer praktikablen Umsetzung im Güterverkehr verhelfen wollen.


Stoetzel mit
Sohn Robert


Als weiteres Beispiel sei das rund 15 km lange Pneumatik-Rohrnetz in Chicago erwähnt, das im August 1904 für die Postzustellung eröffnet wird. Betreiber ist die Chicago Postal Pneumatic Tube Service Co. Ähnliche Systeme sind zu dieser Zeit in New York, Philadelphia, Boston und St. Louis in Betrieb. Eine Erweiterung des Chicagoer Netzes mißlingt aufgrund von Reibungen zwischen der Firma und den Stadtbeamten um die Besitzfrage an den Röhren.


Im Jahr 1908 schlägt der in Chicago ansässige Erfinder Joseph Stoetzel ein System größerer Röhren vor, die Fracht – und schließlich auch Passagiere – zwischen Städten transportieren sollen. Um zu beweisen, daß sein Gerät funktioniert, läßt er einen fast eine Tonne schweren ‚Pod‘ durch ein Stahlrohr flitzen. Und um zu zeigen, wie sicher seine Erfindung war, setzt Stoetzel seinen kleinen Sohn Robert in einen Rohrpostwagen, was zu einigen surrealen Fotos der Chicago Daily News führt.

Am Ende ist es jedoch Präsident Woodrow Wilson, der Chicagos Druckluftröhren den Todesstoß versetzt. Da die Rohre dem US-Postamt dienen, brauchen sie Bundesmittel, und nicht jeder in Washington hält das für eine gute Verwendung des Geldes. 1918 legt Wilson sein Veto gegen die Finanzierung von Poströhren in Chicago und anderen Städten ein, da er meint, die Röhren seien veraltet und es sei billiger, Post per Lastwagen zu transportieren.


Der Autor T. Baron Russell prognostiziert in seinem 1905  erschienen Buch A Hundred Years Hence: The Expectations of an Optimist, daß irgendwann jedes „zivilisierte Land ein permanentes Netzwerk von pneumatischen Röhren“ unterhalten würde.


Doch Luft ist nicht mehr das einzige Mittel, das die Kapseln treibt. Es werden verschiedene alternative Antriebe entwickelt, einschließlich Wasser und magnetische Induktion, welche die jüngsten Forschungen dominieren. Das Interesse daran wächst nach den 1950er Jahren – möglicherweise zusammen mit dem Interesse an bodengebundenem Hochgeschwindigkeitsverkehr. Zur Vervollständigung dieser Übersicht sollen daher noch einige Beispiele modernerer Umsetzungen folgen, auch wenn sich diese nicht nur mit dem Personentransport befassen.

Burch Power Train

Burch Train
(Grafik)


In der Ausgabe vom Dezember 1956 des US-Magazin Mechanix Illustrated wird über eine pneumatisches Transportsystem berichtet, das auf den Ingenieur Oscar G. Burch zurückgeht, Vizepräsident für Forschung bei der Owens-Illinois Glass Company, was auch erklärt, daß die vorgeschlagenen acht Röhrenstrecken aus Glas gefertigt werden sollten.

Der Erfinder plant, die Doppelstock-Züge mit atomar erzeugter Druckluft mit einer Geschwindigkeit von 480 km/h oder mehr durch die Röhren zu treiben.


Als Honeywell-Präsident Paul B. Wieshart seine Wissenschaftler 1957 darum bittet, Vorhersagen für das Jahr 2000 zu machen, werden unter den Antworten auch Autos erwähnt, die ohne die Gefahr von Unfällen sicher durch pneumatische Röhren bewegt werden. Mittels eigener Energie würden sich die Wagen nur vom Wohnort bis zur nächsten Röhrenzufahrt bewegen.


In den 1960er Jahren erarbeiten Lockheed und das MIT zusammen mit dem US Department of Commerce Machbarkeitsstudien für ein Vactrain System, das durch atmosphärischen Druck und eine sogenannte ‚Schwerkraft-Pendel Unterstützung’ betrieben wird und Städte an der Ostküste der USA miteinander verbinden soll. Es wird berechnet, daß auf der Strecke zwischen Philadelphia und New York City im Durchschnitt eine Geschwindigkeit von 174 m/s erreicht werden könne. Als diese Pläne als zu teuer abgelehnt werden, gegründet der Lockheed-Ingenieur Lawrence K. Edwards im kalifornischen Palo Alto die Firma Rohr Transit Inc., um die Technologie des ‚Schwerkraft-Vakuum-Transports’ weiterzuentwickeln, deren Patent er hält (US-Nr. 3.438.337).

Zur Vermeidung von Mißverständnissen: Edwards Firma hat den Unterlagen zufolge nichts mit der seit 1971 bestehenden Rohr Industries Inc. zu tun, die 1940 von Fred Rohr als Rohr Aircraft Corp. gegründet und später in Rohr Corp. umbenannt wird (Rohr hatte übrigens die Treibstofftanks der Spirit of St. Louis entwickelt, mit welcher Charles Lindbergh seinen berühmten Flug machte).

In den 1960er und 1970er Jahren beschäftigt sich dieses Unternehmen aber auch mit Nahverkehrssystemen und stellt beispielsweise die Triebwagen für das Bay Area Rapid Transit (BART) Schnellbahnensystem in San Francisco her – das als direkter Konkurrent des Vactrain System gilt. Auch die ersten 300 U-Bahn-Wagen für die Washington Metro in Washington, DC, werden von Rohr Industries hergestellt. Daneben produziert die Firma einen der experimentellen Aérotrains, das Hochgeschwindigkeits-Luftkissenfahrzeug Tracked Air-Cushion Vehicle (TACV) und kauft die Rechte an dem Monocab-Design, das anschließend in das ROMAG-System verwandelt wird. Details zu allen diesen Technologien folgen weiter unten.

Im Jahr 1965 schlägt Edwards jedenfalls den Bau einer 740 km langen Strecke zwischen Boston und Washington vor, die trotz sechs Zwischenstops in nur 90 Minuten überwunden werden kann. 1967 folgt der Vorschlag für eine Bay Area Gravity-Vacuum Transit Bahn für Kalifornien. Zwischen jeder der 23 Stationen, die im Durchschnitt etwa 5 km auseinander liegen, würde die Luft in den Rohren vor dem Zug evakuiert werden, um diesen auf seiner parabelförmigen Strecke heranzuziehen. Verläßt der Zug den Bahnhof, folgt er bis zur Hälfte der Strecke dem abwärts geneigten Rohr, um anschließend bis zur nächsten Station wieder bergauf zu fahren. Damit sollen Spitzengeschwindigkeiten von über 335 km/h erreichbar werden, wobei eine ca. 3 km lange Prototypstrecke, auf der bis zu 270 km/h erreicht werden könnten, nicht mehr als 10 Mio. $ kosten soll.

Und obwohl Edwards ein 300 m langes Versuchsmodell vorweisen kann, das in Kalifornien errichtet worden ist, hat er keinen Erfolg mit seinem Konzept. Dabei hatte die verantwortliche Urban Mass Transportation Administration (UMTA) schon 1965 die TRW Systems Group mit einer Untersuchung beauftragt, um Perspektiven für die Weiterentwicklung des Landverkehr aufzuzeigen, insbesondere im Bereich der experimentellen Hochgeschwindigkeits-Fahrzeuge. Doch nach der Analyse von S-Bahn-Systemen, Rohrsystem-Fahrzeugen in luftdichten Rohren (Tube System Vehicles, TVS) sowie verschiedene Linearantriebs-Methoden empfiehlt die TRW schließlich die TACV-Technologie, da die Herstellung von dauerhaft magnetisierten Ferritmaterialien, wie sie für Maglev-Systeme benötigt werden, zu diesem Zeitpunkt noch sehr teuer ist (s.u.).


In Hamburg wird 1962 ein Doppelrohr-System installiert, welches die Post zwischen der Hauptpost und dem Hauptbahnhof transportiert. Die 1,8 km lange Strecke besteht aus unter den Straßen verlegten Rohren von 45 cm Durchmesser, in denen sich die 1,6 m langen Container-Kapseln bei Geschwindigkeiten zwischen 30 km/h und 36 km/h bewegen. Berichten zufolge arbeitet das System sehr gut und erregt sogar die Aufmerksamkeit der belgischen und der französischen Post, von denen letztere in den späten 1960er Jahren sogar eigene Prototypen entwickelt. Das Hamburger System scheint im Jahr 1973 geschlossen worden zu sein.

 

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