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Da Holz in der Bundesrepublik Deutschland in breitem industriellem Umfang aber kaum infrage kommt, beschäftigt man sich hier auch mit anderen Alternativen, wie z.B. mit Stroh. Je nach Getreideart fallen pro Tonne Getreide eine halbe bis eine Tonne Stroh an. Drei Tonnen luftgetrocknetes Stroh können etwa 1.000 Liter Heizöl ersetzen. Der Brennwert des Strohs von einem Hektar Getreide entspricht – auf dem Niveau dieses Landes – etwa 1.200 l Heizöl. Es wird gesagt, daß der Ertrag von 2 bis 4 Millionen Hektar der Verbrennung zuführbar sind. Von den derzeit produzierten 25 Mio. t Stroh sind 20 % nicht nutzbringend verwendbar, könnten also ohne Schwierigkeiten zur Energiegewinnung genutzt werden. Diese Menge entspräche ca. 1,3 Mio. Tonnen Heizöl.
Die Verbrennung des Strohs zu Energiezwecken erfolgt in neuen Spezialöfen (Beispiel: Gut Lehmkuhlen, Kreis Plön, Holstein). Die 400 kg-Ballen werden dabei zuerst vergast, dann verbrannt. Der Heizwert eines jeden Ballen entspricht hierbei etwa 100 l Heizöl (Stand 1983). Diese Technologie wird auch in der chinesischen Provinz Kuangtschu praktiziert, wo eine 140-kW-Turbine mit gehäckseltem Reisstroh betrieben wird. Die Feuerungsanlagen für Stroh sind signifikant teurer als die für Holz, da sie wassergekühlte Verbrennungszonen erfordern. Der Grund ist, daß die Asche des Strohs schon bei einer Brennraumtemperatur von 750°C zu schmelzen beginnt.
Die größte Strohverbrennungsanlage Europas steht 1985 in der österreichischen Gemeinde Hollabrunn. Sie kann pro Jahr 3.000 t Stroh verbrennen, die erzielte Energie (Hochdruckdampf) wird zur Produktion von Kartoffelchips und anderen Produkten der Kartoffelverwertung Hollabrunn GmbH genutzt, während die verbleibende Asche mit den wichtigen Mineralstoffen den Bauern zur Ausbringung auf den Feldern wieder zur Verfügung gestellt wird.
1988 schlägt ein schwedischer Erfinder eine neue Methode zur Stroh-Vergasung vor, wodurch die Energieausbeute verdoppelt wird. Das ‚Comtherm’-Projekt von Eric Hanson beweist sich im Rahmen eines erfolgreichen Pilotprojekts und soll umgehend vermarktet werden. Geplant ist auch eine 10 MW Einheit.
1993 geht im Spätsommer das erste deutsche Strohheizkraftwerk in Betrieb. Die Anlage in Schkölen (Landkreis Eisenberg/Thüringen) mit einer thermischen Leistung von 7,15 MW ist mit einem Strohkessel (3,15 MW thermisch) und Spitzenlastkessel (4 MW thermisch) ausgestattet. Im Jahresmittel sollen 95 % der Wärme auf Strohbasis gedeckt werden, die Versorgung mit Stroh erfolgt unmittelbar aus der Umgebung, und benötigt werden rund 3.600 t Stroh pro Jahr. Von den Investitionen in Höhe von 8,6 Mio. DM übernimmt die Bundesstiftung Umwelt den Löwenanteil von 6,6 Mio. DM.
Die Universität Lund in Schweden erstellt ihrerseits eine Studie über die Nutzung von Schilf. Darin wird ein zu Pulver zermahlener Brennstoff für den Hausgebrauch vorgeschlagen, dessen Preis in etwa demjenigen des Heizöls entspricht (Stand 1978). Als Anbaugebiete könnten in Schweden dafür Tausende von verlandeten Seen genutzt werden – zusätzlich zu der bereits vorhandenen Schilffläche von über 100.000 Hektar.
Anfang der 1990er treten auch tropische und subtropische Schilfgräser in die Diskussion um neue Biomasse-Ressourcen, so z.B. ‚Miscanthus’ und ‚Arundo donax’, die sich als besonders geeignet herausgestellt haben. Die Stuttgarter Energie Versorgung Schwaben AG testet seit 1986 neben diesen beiden auch noch neun andere Energiepflanzen. Doch mit einem Ertrag von etwa 40 t pro Hektar erzielten die genannten Schilfgräser eine fast achtfache Ausbeute im Vergleich zu heimischen Pflanzen. Getrocknet und gehäckselt können die Schilfschnipsel zu Biobriketts gepresst und verfeuert werden, sie können als Mahlstaub in Heizkessel geblasen werden oder mit Luft gemischt sogar Gasturbinen antreiben. Ihr Brennwert entspricht dabei pro Kilogramm dem von 0,4 l Öl. Aufgrund dieser positiven Resultate wird das Forschungsprojekt 1990 um weitere fünf Jahre verlängert.
Sogar bis zu 50 t pro Hektar erzielt das Süßgras ‚Miscanthus sinensis’, das von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig untersucht wird. Außerdem kann diese Grassorte, einmal ausgepflanzt, etwa 15 Jahre lang beerntet werden.
Ab 1991 läßt das Bundesforschungsministerium die Eignung von Chinaschilf prüfen, da man besonders in den neuen Bundesländern Biomasse-Kraftwerke zwischen einem und 40 MW fördern will. Der Grund hiefür besteht aus den vorhandenen großen und zusammenhängenden Flächen, die sich gut für eine wirtschaftliche Biomasseproduktion eignen, gleichzeitig wegen hoher Schadstoffbelastung aber nicht für eine Nahrungsmittelproduktion in Frage kommen und daher stillgelegt werden müssen. Im Gegensatz zu den alten Bundesländern gibt es außerdem viele Fernwärmenetze sowie eine große Zahl, vor allem kleiner Kraftwerke, die aus Umweltschutzgründen von schwefelhaltiger Braunkohle auf andere Energieträger umgerüstet werden müssen. 1992 beginnen daraufhin ehemalige LPGs auf einer Fläche von rund 150 ha mit dem kommerziellen Anbau von Schilfgras (das fälschlich auch Elefantengras genannt wird). Die Landesregierung Brandenburgs hatte 6 Mio. DM für das Projekt bereitgestellt.
Im selben Jahr wird in Großbeeren das Institut für Agroindustrielle Forschung (AiF) gegründet, in dessen Gewächshäusern und Laboren das Wachstum von Biomassenpflanzen optimiert werden soll. Außerdem werden dort neue Möglichkeiten der Düngung, Pflanzung und dem Ernten untersucht. Die Energie-Versorgung Schwaben (EVS) beendet 1995 dagegen ihre jahrelangen Versuche mit dem Anbau von Chinaschilf und anderen Pflanzen, da die Hektarerträge nach anfänglichen Steigerungen bei rund 25 – 30 t Trockenmasse stagnieren. Gehofft hatte man auf 50 – 60 t je Hektar.
Nach zwei Forschungsjahren wird 1996 im mecklenburgischen Hagenow festgestellt, daß sich nur eine Sorte des Chinaschilfs als genügsam genug für die sandigen Böden, und robust genug für die mitteleuropäischen Winter erwiesen hat: die Sorte mit dem Namen ‚Goliath’. Parallel dazu zeigt aber eine zwei Hektar große Pflanzung mit Pappeln eine extrem schnelle Zunahme der Biomasse. Schon die dreijährigen Bäume sind erntereif, ihre Vermehrung mittels abgeschnittenen Seitentrieben ist sehr einfach. Das Erntegut soll in einer neuen und hochmodernen 5 MW Anlage der Gemeinde, zusammen mit Abbruchholz und ausgedienten Spanplatten, bei rund 1.000°C verfeuert werden.
Auch in der wissenschaftlichen Studie ‚Vergleich der Biomassekosten von nachwachsenden Energieträgern als Festbrennstoff’ der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern vom Januar 2001 liegen die Pappeln bei den Kosten der Biomasse-Bereitstellung gegenüber Weiden und China-Schilf z.B. weit vorn. Pappeln können zudem auch auf geeigneten Stillegungsflächen angebaut werden, ohne daß der Landwirt dadurch seine Prämien verliert. Im Mai 2003 weist das Bundesverbraucherministerium darauf hin, daß Pappeln außerdem ein sehr zukunftsfähiger, nachwachsender Rohstoff für die Papier-Erzeugung sind.
Mitte 1979 berichtete die Presse, daß ein französischer Ingenieur aus verschiedenen Gemüsesorten und Gräsern einen Treibstoff herstellt, der nur etwa 25 Pfennig pro Liter kostet. Aus 1.000 kg Grünzeug werden 400 l ‚Grün-Super’ produziert. Leider werden keine weiteren Details darüber bekannt.
Für herausgepreßtes Öl bildet so der Hanga-Baum auf den Philippinen, welcher erst 1981 wiederentdeckt wurde, ein gutes Beispiel. Die japanischen Besatzer hatten während des II. Weltkrieges den Saft der Pflanzen als Brennstoff für ihre Lampen benutzt. Aus 1 kg Nüsse lassen sich rund 0,2 l Öl pressen. 1983 gibt es bereits 50 staatliche Plantagen von je 2.000 ha, auf denen Hanga-Wälder aufgeforstet werden.
Es existiert allerdings auch eine brasilianische Ölpflanze mit dem Namen Copaifera, die in 24 Stunden bis zu 20 Liter Öl ‚produzieren’ soll!
Selbstverständlich wird auch zur Herstellung des sogenannten ‚Grünen Benzins’ die Züchtung und Produktion von besonders stark öl- oder kohlenwasserstoffbildenden Pflanzen bevorzugt, da diese leicht zu extrahierenden Bestandteile zu fast 100 % auf dem katalytischen Wege in hochwertige Treibstoffe umgewandelt werden können.
In Deutschland wurde daher dem Raps besonderes Interesse zuteil. Ich werde später noch gesondert darauf eingehen, da sich die Nutzung dieser Pflanze modellhaft für die allgemeine Entwicklung im Bereich der Biorohstoffe – insbesondere des ‚Bio-Diesels’ – darstellen läßt.
In die Liste der direkten Pflanzenkraftwerke müssen außerdem noch die torfbeheizten Kraftwerke wie z.B. in Wiesmoor/Deutschland und in Jyväskyla/Finnland aufgenommen werden. Das letztere, ein Strom- und Fernwärmekraftwerk mit 200 MW wird 1981 für umgerechnet 214 Mio. DM errichtet und bildet den Kern des finnischen Plans, bis 2000 etwa 15 % des Energiebedarf aus Torf zu gewinnen. 1992 untersuchen auch japanische Wissenschaftler den Einsatz von Torf als Brennstoff, wobei dem wasserhaltigen Torf noch Öl- und Fettabfälle zugesetzt werden.
Des weiteren gibt es die Wasserpflanzen-Kraftwerke, wie sie beispielweise für die Lösung des Wasserhyazinthe-Problems am Assuan-Staudamm geeignet wären. Besonders bei der Alkohol- und Methanproduktion wird der Gärung geernteter Algen und anderer Wasserpflanzen inzwischen großes Interesse gewidmet. Auch nehmen besonders die kohlenstoffreichen Meeresalgen mit ihrer Nahrung Uranisotopen auf, die sich mit dem Kohlenstoff verbinden. Die pflanzliche Separation des Urans als Brennstoff für Kernkraftwerke ist daher auch ein BMFT-gefördertes Forschungsprogramm der KfA Jülich, auf das ich hier allerdings nicht weiter eingehen werde.
Bereits Mitte der 80er Jahre liefert die Kölner Klöckner-Humboldt-Deutz AG mehrere Hundert Traktoren Nach Südafrika, die mit Sonnenblumenöl betrieben werden.
Seit 1985 ist der Gastwirt Ernst Banik bekannt, der seinen Mercedes 300 D mit altem Frittenfett fährt, wobei der Motor nur rund 3 PS von seiner Nominalleistung verliert. Der TÜV bescheinigt ihm außerdem eine 20%ige Reduzierung bei den Abgaswerten. Ebenfalls 1985 erhält Prof. Ernst Bayer den Philip-Morris-Forschungspreis für ein Verfahren, bei dem organische Substanzen aus Müllhalden und Kläranlagen zu Öl umgewandelt werden.
Der amerikanische Chemie-Nobelpreisträger Melvin Calvin will ‚Grünes Benzin’ durch das aufknacken (cracken) der langen Molekülketten jener dickflüssigen Substanz herstellen, die hauptsächlich in den verschiedenen Wolfsmilchgewächsen der Gattung Euphorbia vorhanden ist. 1986 erhält Friedrich Wilhelm Freiherr von Rotenhan den Innovationspreis der deutschen Wirtschaft für seine Anfangserfolge bei der Kultivierung der Wildpflanze Euphorbia Lathyris, die einen hohen Anteil an Ölsäure produziert.
Bereits 1987 beginnt eine Zusammenarbeit zwischen der australischen Firma Protech Capital Investment in Sydney und der staatlich-chinesischen Jiangsu Automobil Gesellschaft, bei der ein besonders sparsamer Sojaöl-Motor entwickelt werden soll.
In Dänemark wird statt Pflanzen in Heizkraftwerken Fischöl verfeuert. Bereits 1989 sollen rund 500.000 t zu Öl gepreßte Fische durch die Schornsteine gegangen sein. Natürlich gibt es angesichts des noch immer weltweit verbreiteten Hungers scharfe öffentliche Debatten. Das Fischöl ist ein Nebenprodukt der Fischmehlherstellung. Etwa 80 % des von dänischen Fischern angelandeten Fischs wird gepresst und zu Tierfutter vermahlen, wobei Fischöl anfällt, dessen Gewicht etwa 10 % des ursprünglichen Fischgewichts entspricht. Außerdem ist eine Tonne Fischöl 250 DM billiger als eine Tonne Heizöl, und der Stoff ist nicht mit einer Energiesteuer belegt – eine Ersparnis von weiteren 500 DM pro Tonne (Stand 1990).
Im Jahre 1991 gibt der damalige brasilianische Energieminister Antonio Cabrera bekannt, daß ein einjähriger Testbetrieb mit einem PKW, der mit einem Gemisch aus drei Teilen Palmöl und einem Teil Diesel (74 % zu 26 %) insgesamt 80.000 km gefahren war, eine Durchschnittsleistung von 18 km pro Liter ergeben hat. Außerdem würde das neue Kraftstoffgemisch die Umwelt viel weniger belasten als Benzin, Diesel und sogar Alkohol. Die betreffende Art der Dendepalme könne in Brasilien auf 70 Mio. ha angebaut werden. Aus diesem Grund reserviert der Minister für das Projekt auch den überraschend hohen Betrag von fünf Milliarden Dollar. Als Argumente zählen dabei die relativ leichte Umstellung von Dieselmotoren auf den neuen Treibstoff und der Preis, der weniger als die Hälfte des Preises für Normaldiesel ausmacht. Zum damaligen Zeitpunkt fuhren in Brasilien bereits 30 % der rund 13 Mio. Kraftfahrzeuge mit Äthylalkohol aus Zuckerrohr (s.u. Brasilien).
1993 wird bekannt, daß man an der Australian National University eine Presse für Kokosnüsse entwickelt hat. Mit dem Ölertrag einer Nuß könne ein Kleinwagen etwa einen Kilometer weit fahren. 1995 berichtet die Presse über ein Pilotprojekt in Fidschi, bei dem Autos und Lieferwagen mit diesem Treibstoff fahren. 1997 geben dann der deutsche Systementwickler Idea sowie der philippinische Kokosnussverarbeiter Cocochem bekannt, noch im laufenden Jahr einen Koko-Diesel-Motor auf den Markt bringen zu wollen, der wahlweise mit Diesel, mit Kokosnuß-Treibstoff oder einer Mischung aus beiden betrieben wird. Man rechnet hier damit, daß 40 Nüsse ausreichen, um 100 km weit damit zu fahren. Im Gegensatz zu dem Dieselpreis von 0,50 DM pro Liter auf den Philippinen ist der Alternativtreibstoff mit 1,20 DM allerdings noch zu teuer.
1996 verblüfft der 30-jährige Inder Ramar Pillai aus Tamil Nadu die Fachwelt, indem er aus Blättern und Rinde eines teeähnlichen Busches innerhalb von nur 10 Minuten einen benzinähnlichen Treibstoff herstellt, wobei der die pflanzlichen Substanzen mit Zitronensäure, Salz und einigen katalytischen Substanzen in Wasser aufkocht. Er wird später allerdings als Betrüger entlarvt...
Mitte 1998 geht das größte Biomassekraftwerk in Europa ans Netz, das in Thetford bei Norfolk aus jährlich rund 400.000 t Hühnermist 38,5 MW Strom macht. Es ist die bereits dritte Anlage des britischen Unternehmens Fibro Holdings, nach einer Anlage 1992 in Eye (Suffolk) und einer 1993 in Glansford (Lincolnshire), die zusammen 26 MW leisten. Alleine in England fallen pro Jahr 1,5 Mio. t Hühnermist an – bestehend aus Holzschnipseln, Stroh und Exkrementen.
Anfang 1999 schließt die Lurgi Lentjes Standardkessel aus Duisburg mit zwei Tochtergesellschaften der spanischen Genossenschaft Oleicola El Tejar einen Vertrag zur Lieferung von schlüsselfertigen Bio-Kraftwerksanlagen zur Energiegewinnung aus den Rückständen der Verarbeitung von Oliven. Die beiden Anlagen mit elektrischen Leistungen von jeweils 25 MW und einer Dampfmenge von 110 t/h kosteten 90,1 Mio. DM und werden in der Nähe von Cordoba errichtet.
Während man sich im norwegischen Nimwegen mit der stromproduzierenden Verfeuerung von Kaffee-Resten beschäftigt und auch an den Einsatz von Reststoffen aus der Papier- und Margarinenproduktion denkt, erhält im Sommer 1999 das Unternehmen Schwabacher Abfallwirtschaft den bayerischen Energiepreis für ihr Biokraftwerk, in dem primär organische Abfälle verwertet werden (s.u. Biogas). Ein Jahr später stellen Wissenschaftler der Universität Stuttgart ein Verfahren vor, mit dem bisher nicht weiter verwertbare Milchwasserreste, ein Abfallprodukt der Käseherstellung, zu Biodiesel verarbeitet werden können. Die Herstellung eines Liters ‚Kuhmilchdiesel’ soll weniger als eine Mark kosten.
2000 gibt es Deutschland knapp 900 Tankstellen die auch Biodiesel anbieten, das UBA und das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung bestätigen dem Bio-Diesel ein weiteres mal eine schlechte Öko-Bilanz, der Erdölpreis erhöht sich drastisch, und die Biodiesel Schwarzeheide GmbH beginnt mit dem Bau einer Anlage mit einer Jahrekapazität von 100.000 t, wobei sie mit Landes- und EU-Mitteln gefördert wird. Als Nebenprodukt sollen jährlich auch noch 30.000 t Pharmaglyzerin hergestellt und vermarktet werden.
Im Jahr 2001 entwickeln Wissenschaftler der australischen University of New South Wales einen Ölumwandler, der gebrauchtes Frittierfett zu Biodiesel verarbeitet. In England werden demgegenüber Agrarreste, Agrarabfälle und verschiedene Gräser als Rohstoffe für die Herstellung von pflanzlicher ‚Festkohle’ ausgewählt. Die damit verbundene Anlage kann aber auch mit Bohnenschalen, Holzspänen, Erdnußschalen, Spreu, Stroh, Maisstauden, Zuckerrohr, Kakteen verschiedener Art, Gummibäumen und sogar Kartoffeln betrieben werden.
Das Rostocker Unternehmen GMK Gesellschaft für Motoren und Kraftanlagen mbH entwickelt 2003 ein neues Verfahren für die Gewinnung von Biokraftstoff aus tierischen und pflanzlichen Altfetten. Das ‚LIPOCAL’-Verfahren arbeitet erheblich kostengünstiger als bisherige Verfahren, es erzeugt allerdings keinen Fahrzeugkraftstoff, sondern Kraftstoff für die Produktion von Strom und Wärme in Blockheizkraftwerken.
Im Rahmen einer Kooperation zwischen Universität der Vereinigten Arabischen Emirate in Al-Ain und dem Mechanical Power Engineering Department an der Technische Fakultät der Helwan Universität in Kairo wird im April 2003 bekannt gegeben, daß auch das Öl aus den Nüssen der Jojoba-Pflanze den Diesel als Treibstoff für Motore ablösen kann. Das Jojoba-Öl wird mit einem geringen Zusatz an Methanol bei Motorendrehzahlen bis 2.000 U/min. getestet. Der Motor erreicht bessere Abgaswerte und eine größere Laufruhe als mit Diesel-Kraftstoff. Weitere Vorteile des Öls sind seine Ungiftigkeit und Schwefel-Freiheit sowie der hohe Flammpunkt. Der Jojoba-Strauch gehört zur Familie der Buchsbaumgewächse, wird bis zu 3 m hoch und stammt ursprünglich aus der Sonora-Wüste im Südwesten der USA bzw. dem Nordwesten Mexikos. Inzwischen wird er auch in Südamerika und im Nahen Osten angebaut. Die Nüsse enthalten 50 % ihres Gewichtes an Öl.
Der gelernte Steinkohlehauer, Ingenieur und Visionär Bodo Wolf ersinnt schon zu DDR-Zeiten eine Methode, die aus Holz und anderen organischen Substanzen die Entstehung der fossilen Rohstoffe im Zeitraffer nachvollziehen soll. Was die Natur in Jahrmillionen bewerkstelligte, erledigt das patentierte ‚Carbo-V-Verfahren’ in wenigen Stunden: Holz, Stroh und jede andere Form getrockneter organischer Substanzen wird in einer Apparatur von Brennern und Katalysatoren in ein Synthesegas verwandelt. Aus diesem gewinnt ein Fischer-Tropsch-Reaktor, wie er auch bei der schon länger praktizierten Kohle- und Erdgasverflüssigung eingesetzt wird, den BTL-Dieselkraftstoff (Biomass-to-liquid). Mit 4.000 Litern BTL-Diesel pro Hektar wird der dreifache Flächenertrag im Vergleich zum normalen Biodiesel erreicht.
Aus der Anfang 1990 von vier ehemaligen Angestellten des ORGREB Instituts für Kraftwerke gegründeten Umwelt- und Energietechnik Freiberg (UET) GmbH entsteht durch ein Joint Venture mit einem niedersächsischen Maschinenbauer die CRG Kohlenstoffrecycling GmbH, Vorgängerin der heutigen CHOREN Industries GmbH, wobei die ersten drei Buchstaben des Namens für Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) stehen – als die Grundbausteine organischen Lebens und jeglicher konventioneller Energie –, und die letzten drei für ‚renewable’.
1998 wird eine 1 MWth Carbo-V Pilotanlage (Alpha-Anlage) in Freiberg errichtet, die bis Ende 2004 mehr als 17.000 Stunden lang erfolgreich mit naturbelassenem Holz, Altholz, Trockenstabilat aus der Müllaufbereitung, Tiermehl, Stein- und Braunkohle betrieben wird. Im November 2002 erfolgt die Grundsteinlegung einer ersten industriellen Prototypanlage für die Biomasseveredlung (Biokoksproduktionsanlage) mit 45 MWth (Beta-Anlage), die bereits 10 Monate später in Betrieb gehen kann. Anschließend wird die Alpha-Anlage um die Kraftstoffsynthese erweitert, wodurch CHOREN im April 2003 im Rahmen eines vom BMWi geförderten Verbundprojektes den ersten synthetischen Kraftstoff aus Holzhackschnitzel produziert.
DaimlerChrysler und Volkswagen fungieren zu diesem Zeitpunkt bereits als Entwicklungspartner, und im Juli 2003 stellt DaimlerCrysler den nach eigenen Angaben ersten CO2-neutralen Designer-Dieselkraftstoff der Welt unter dem Namen ‚Biotrol’ vor. Der farblose, klare Kraftstoff ist das Ergebnis eines staatlich geförderten Forschungsprojektes, an dem DaimlerChrysler, VW und Choren Industries seit 2002 arbeiten.
Im Sommer 2004 beteiligt sich auch der Mineralölkonzern Shell an Choren. Das Unternehmen ist ansonsten mehrheitlich im Besitz von Privatpersonen, darunter Firmengründer Bodo Wolf (inzwischen im Ruhestand) sowie Vorstandschef Tom Blades.
Im August 2005 gibt Shell bekannt, gemeinsam mit Choren in Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern zunächst eine Pilotanlage, und dann die weltweit erste Großanlage zur Herstellung von synthetischem ‚SunDiesel’ aus Biomasse zu bauen, wobei insgesamt rund 400 Mio. € eingesetzt werden sollen. Im Unterschied zu dem bekannten Biodiesel auf Rapsbasis (s.d.) erfolgt die Herstellung des neuen Kraftstoffs auf der Grundlage einer patentierten Hochdruckvergasung von Biomasse. Start der Produktion soll das Jahr 2008 oder 2009 sein.
Choren meldet im März 2006, daß es alleine in Deutschland zukünftig 1 Mio. t ‚SunDiesel’ im Jahr zu produzieren wird, und hierfür bis 2014 fünf industrielle Großanlagen mit einer Jahresproduktion von jeweils 200.000 t bauen will, was ein Investitionsvolumen im Milliardenbereich bedeutet. Die geplanten Großanlagen sollen 1 Mio. t Biomasse pro Jahr verarbeiten, wobei die Versorgung dieser Anlagen kein großes Problem darstellen sollte, denn allein nur die 40 Mio. t Stroh, die jährlich auf deutschen Landwirtschaftsflächen untergepflügt werden, könnten 4 Mio. t Sundiesel liefern. Auch die Nutzung von Abfällen der Waldwirtschaft und des jährlichen Holzzuwachses könnte einen bedeutenden Beitrag leisten: Würden 50 % davon zu Sundiesel verarbeitet, würden weitere 2,5 Mio. t Kraftstoff hinzukommen. Allein diese ‚Resteverwertung’ der Bioabfälle von Wald und Feld könnte theoretisch also schon 20 % des gesamten derzeitigen Kraftstoffverbrauchs decken.
Darüber hinaus bieten sich stillgelegte Agrarflächen zur Energieproduktion an, wobei hier die Hanfpflanze ins Spiel kommt, der am schnellsten wachsende einheimische Rohstoff. Hanf wächst in 100 Tagen über 4 m hoch und produziert mehr Biomasse pro Hektar als jede andere heimische Pflanze. Selbst unter normalen Umständen sind es je nach Sorte und Standort ca.12 – 15 t Trockenmasse, was 3.000 – 4.000 Litern Kraftstoff entspricht. Unter für die Energiegewinnung optimierten Methoden und in Kombination Vor- oder Folgefrüchten läßt sich sogar noch ein deutlich höherer Energieertrag pro Hektar und Jahr erzielen.
Andere in Frage kommende Energiepflanzen wie Zuckerhirse, Chinagras, Eukalyptus und weitere schnell wachsende Hölzer sind zwar, was den Biomassezuwachs betrifft, gleichwertig oder sogar überlegen, bringen aber zumal bei großflächigen Anbau in Monokulturen ökologische Nachteile mit sich. Hanf indessen eignet sich hervorragend als Zwischenfrucht auf jedem für den Nahrungspflanzenanbau genutzten Acker, da er keine Pestizide oder Herbizide benötigt und die Böden sogar optimiert.
Bereits 2007 soll im sächsischen Freiberg, wo die bislang weltweit einzige und mit Holzresten gespeiste BTL-Herstellungsanlage steht, eine mittelgroße Anlage in Betrieb gehen, die jährlich 15.000 t produziert. Der Kraftstoff, den Choren ab 2007 liefern will, ist aromaten- und schwefelfrei, nahezu CO2-neutral, und verfügt wegen seiner höheren Cetan-Zahl auch über ein besseres Zündverhalten. Die Herstellungskosten betragen ca. 50 – 70 Cent pro Liter. Im September 2006 startet Choren außerdem ein Joint venture mit der chinesischen CNOOC.
Doch auch noch andere Unternehmen beschäftigen während dieser Jahre mit neuen Bio-Treibstoffen – und mit neuen Rohstoffquellen dafür.
Die Müll-Umwandlungsanlage von Dr. Christian Koch aus Buttenheim nennt sich KDV 500 (Katalytische Drucklose Verölung für 500 l Diesel pro Stunde) – was für eine 3 Mio. € Anlage allerdings nicht besonders gerade marktgängig klingt. Vorbild für den neuen, patentierten Prozeß ist die Erdölbildung, und es kommen ähnliche Katalysatoren zum Einsatz, wie vor Hunderten von Millionen Jahren, als die Meere mit der abgestorbenen Materie die suspendierten Tonmineralien ablagerten. In der KDV-Anlage werden granulierte Abfälle in einem Spezialreaktor auf 300°C – 400°C erhitzt, wobei sich die komplexen Kohlenwasserstoffverbindungen des Granulats mittels eines Katalysators zu kleinteiligeren Dieselmolekülen umwandeln. Das Gemisch aus Ton und Mineralien wirkt wie eine starke Säure und unterstützt den Zersetzungsprozeß, und aus dem Reaktor entweicht als Reaktionsprodukt gasförmiger Diesel, der aufgefangen und kondensiert wird. Aus 120 kg Restmüllgranulat lassen sich ca. 100 l Diesel herstellen.
Im Mai 2003 wird die Erfindung bei ‚einfach-genial’ im mdr vorgestellt, doch schon 2004 meldet der Erfinder wesentliche Verbesserungen: Nun ist es eine Vollhermetikanlage ohne Gasproduktion, die bei Temperaturen von 270°C – 350°C funktioniert. Neben ionentauschenden Katalysatoren werden noch zu 100 % durchkristallisierte y-Katalysatoren eingesetzt, die extrem aktiv sind. Der erste Probedurchlauf mit getrocknetem und geschreddertem Krankenhausmüll findet 2004 statt. Der erzielte ‚Mülldiesel’ ist bis minus 16°C kältefest und auch Dichte und Wassergehalt liegen im Normbereich. Allerdings ist der Schwefelausstoß fünfmal so hoch wie derzeit erlaubt.
Bis Ende 2003 steigt die europaweite Produktion der Treibstoffe vom Acker auf 1,7 Mio. t, von denen rund 1,4 Mio. t Biodiesel sind, der vor allem aus Rapsöl gewonnen wird. Größter Produzent ist mit 715.000 t Deutschland, gefolgt von Frankreich und Italien.
Ab Mai 2004 sind im Rahmen eines einjährigen Pilotprojektes drei Linienbusse von Autokraft, dem größten Busunternehmen in Schleswig-Holsteins, mit einem zusätzlichen Tank für Pflanzenöl aus der KDV-Anlage unterwegs. Bis der Motor eine Kühlmitteltemperatur von etwa 60°C erreicht, fahren die Busse ein paar Kilometer mit Diesel, danach schaltet der Motor automatisch auf Pflanzenölbetrieb um. Nach insgesamt 180.000 Kilometern erfolgreichem Fahrbetrieb beschließt das Unternehmen Mitte 2005, im Folgejahr alle seine 420 Busse auf Pflanzenöl umzurüsten. Eine Versuchsanlage von Koch läuft bereits in Mexiko und weitere Anlagen sind im Ausland in Planung. Die genaue Zusammensetzung des Katalysatorpulvers aus einem Mineralstoffgemisch ist allerdings das Betriebsgeheimnis des Erfinders.
Die Norddeutsche Affinerie (NA), größte Kupferhütte Europas, schließt im Oktober 2005 eine Kooperationsvereinbarung mit der Stadtreinigung Hamburg um die Möglichkeit zum Bau und Betrieb eines Müll-Kraftwerkes zu prüfen, das 2008 in Betrieb gehen und die Stromversorgung der NA übernehmen kann. Um den Affinerie-Bedarf zu decken, müsste die Stadtreinigung pro Jahr rund 750.000 t Müll-Brennstoffe zur Verfügung stellen. Dazu noch einige Hintergrundzahlen: 2005 verbrennen deutschlandweit 72 Müllverbrennungsanlagen (MVAs), fast doppelt so viele wie vor 20 Jahren, rund 18 Mio. t Müll. Der Boom bei den MVAs läßt sich hauptsächlich auf das seit Juni 2005 geltende Verbot zurückführen, unbehandelten Müll auf Deponien abzulagern. Bei dem Zementhersteller Dycke in Göllheim wird Mitte 2006 bereits über 50 % der benötigten Heizenergie aus Abfall gewonnen wird.
Doch es gibt noch andere Rohstoffe und weitere Methoden, um den Biodiesel in die Autotanks zu bringen.