TEIL C
SolarhÄuser und solare Bauelemente (2017 B)
Vom Juni bis zum September 2017 ist im Innenhof
des MoMA PS1 – einem Teil des Museum of Modern Art,
der größten und ältesten Institutionen für zeitgenössische Kunst
in den USA mit Sitz in Queens, New York City – eine Lumen genannte
Überdachung aus robotergestrickten Solarstoffen zu
sehen, die Licht absorbieren und wieder abgeben können.
Die Installation von Jenny Sabin Studio unter der Leitung der Designerin Jenny Sabin, Architekturprofessorin an der Cornell University, die den Wettbewerb des Young Architects Program der Kunstinstitution gewonnen hatte, wird während der jährlichen Warm Up-Musikreihe des Zentrums unter freiem Himmel aufgestellt. Unter Verwendung neuester textilbasierter Technologien, darunter solaraktiven und photolumineszente Garnen, waren die Formen und Objekte der Installation digital entworfen und dann mit einem riesigen Roboterarm gewickelt und gewebt worden.
Mit der Verwendung der hochtechnologischen, reaktionsfähigen Materialien hatte Sabin bei einem Projekt für die Firma Nike Inc. im Jahr 2012 begonnen. Das Unternehmen hatte ihr damals den myThread Pavilion für das International Nike FlyKnit Collective in Auftrag gegeben, dessen innere Struktur aus weichen, textilbasierten und gestrickten Elementen Licht absorbiert, sammelt und wieder abgibt, während die Materialien auf die Anwesenheit von Menschen reagieren.
Pavilion
Auch die Installation Lumen reagiert auf Hitze und Sonnenlicht sowie auf die Körper der Besucher, die den Ort betreten. Sie umfaßt lange Stoffschläuche, die stalaktitenartig vom Vordach herabhängen und einen Teil der multisensorischen Umgebung des Standorts bilden. Tagsüber können sich die Besucher von der Sommerhitze unter dem Vordach erholen, das das Sonnenlicht einfallen läßt, während es die Besucher gelegentlich mit einem Nebelsystem besprüht werden, das in die Öffnungen der hängenden Schläuche eingebaut ist.
Drei jeweils 9 m hohe Türme tragen zur Verankerung des Spanndaches bei und halten die großen Wasserblasen, die ein Schläuche-Netzwerk speisen, das mit dem Vernebelungssystem verbunden ist, und das einen kühlenden Sprühnebel abgibt, sobald sich jemand nähert. Nachts hingegen strahlt das solaraktive und photolumineszente Material der Überdachung, der Stalaktitenröhren und der erteilten Sitzhocker, das tagsüber das UV-Sonnenlicht absorbiert hat, langsam ein phosphoreszierendes Licht aus.
Ende September 2017 will die britische Firma Ten Fold Engineering ein voll funktionstüchtiges Modell ihres auf einer Klapp- und Falttechnik basierenden Wohnhauses vorführen, das als kompakte Kiste per Lkw angeliefert wird und sich dann auf Knopfdruck ohne äußere Hilfe zu einer fertigen Wohnung entfaltet – in rund zehn Minuten. Genauso schnell kann die Wohnung aber auch wieder eingefaltet, sprich verpackt werden.
(Grafik)
Der Architekt David Martyn, der zuvor Luxuswohnungen der Spitzenklasse entworfen hatte, gründete das Unternehmen im Jahr 2010, um zusammen mit einem Team von vier Ingenieuren eine Unterkunft zu entwickeln, deren Wände, Böden und Decken extrem platzsparend verstaut sind und sich leicht entfalten lassen. Das erzielte Kostrukt ist ein ausgetüfteltes Low-Tech-System aus Winden, Hebeln und Gegengewichten, die die Bauelemente mit Hilfe der Schwerkraft in die richtige Position bringen.
Wird die Arretierung per Knopfdruck gelöst, entfalten sich zunächst Decke und Boden und schieben dabei Hebelmechanismen an die Außenseite der Konstruktion. Die Hebel setzen auch die Ausleger in Gang, die der Behausung Stabilität am Boden verleihen. Ein Fundament im herkömmlichen Sinne brauchen die Ten-Fold-Häuser nicht, aber einen ebenen und festen Untergrund. Zur Isolation sind die einzelnen Wände, Dächer und Böden mit 70 – 120 mm dicken Paneelens ausgestattet, die die Wärme- und Kälteverteilung optimieren.
Das Basismodell TF-64 ist in zusammengefaltetem Zustand als kompakte Kiste 9 m lang, 2,44 m breit und 2,98 m hoch. Darin ist auch ein Stauraum enthalten, in dem die beweglichen Einrichtungsgegenstände während des Transportes lagern. Doch sobald die Kiste auf eine Fläche von 8 x 8 m aufgeklappt wird, bietet sie beachtliche 64 m2 Wohnfläche. Zur Fixierung muß nur noch zu einem Akkuschrauber gegriffen werden.
Dem Unternehmen zufolge sei das Hebelsystem anpassungsfähig und könne zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden: Einfalten, Entfalten, Umwandeln, Anheben, Schützen und Abdecken. Damit kann es sich in selbstformende, gebrauchsfertige Strukturen entfalten, die sich je nach Bedarf als Verbraucher-, Fest- oder Notunterkünfte oder andere Strukturen verwenden lassen.
Die gesamte Konstruktion ist, auch der Standfestigkeit wegen, kein Leichtgewicht. Der Rahmen besteht aus Stahl und wiegt zusammen mit den Wänden mehr als 20 Tonnen. Zusätzliches Gewicht bringt die Inneneinrichtung. Die einzelnen Module können gestapelt und miteinander zu einem mehrstöckigen Gebäude verbunden werden. Ebenso lassen sie sich als Büroräume, Klassenzimmer, Läden, Restaurants oder Ausstellungsräume nutzen.
(Grafik)
Interesse bekunden hauptsächlich Bergbauunternehmen, die abgelegene Unterkünfte einrichten müssen, Filmgesellschaften, die an entfernten Orten drehen, und Sendeanstalten, die schnelle und abgelegene mobile Fernsehnetze einrichten wollen. Ihre erste Partnerschaft geht die Ten Fold im Jahre 2015 mit dem niederländischen Unternehmen G3Festivals ein, das auf Festivalunterkünfte spezialisiert ist.
Das Joint Venture plant für den US-Markt die Lieferung des ersten aufklappbaren, schlüsselfertigen 100 m2 großen Raums sowie eines aufklappbaren Hotels mit 40 Schlafzimmern, wobei sich die einzelnen Einheiten zu jeweils vier Schlafzimmern und vier Badezimmern aufklappen lassen – mit allen Betten und Möbeln in einer Box. Über eine Realisierung dieses Vorhabens läßt sich aber nichts finden, und erst jetzt, zwei Jahre später, soll es nach sechs Prototypen ein voll funktionstüchtiges Vorführmodell geben.
Anschlüsse für Strom, Wasser und Abwasser sind vorgesehen, aber wer das autarke Leben vorzieht, kann Solarpaneele, Wassertanks und eine Kompost-Toilette anbringen. Preislich liegt das knapp 65 m2große Basismodell mit einer Etage und Flachdach bei umgerechnet rund 112.000 €, und damit deutlich unter dem Preis eines konventionellen Hauses von vergleichbarer Größe.
Tatsächlich erscheint aber erst im Januar 2019 ein Video-Clip, auf dem eine echte TenFold Engineering Unit zu sehen ist, die sich selbständig entfaltet. In den darauffolgenden Jahren wird die Technik zwar mehrfach in der Presse erwähnt, doch über weitere Umsetzungen oder gar eine erfolgreiche Kommerzialisierung läßt sich nichts finden.
Im Februar 2016 waren die 16 Hochschulteams, die
am Solar Decathlon 2017 in der Nähe von Denver,
Colorado, teilnehmen werden, vom US-Energieministeriums bekannt gegeben
worden, von denen 14 aus den USA stammen. Acht Teams haben bereits
an früheren Solar Decathlons teilgenommen. Aus dem Ausland sind diesmal
nur die niederländische HU University of Applied Science
Utrecht dabei – sowie eine Gruppee, die sich aus Studenten
der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL),
der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg (HEIA-FR),
der Hochschule für Gestaltung und Kunst Genf (HEAD)
und der Universität Freiburg (UNIFR) zusammensetzt.
Anschließend hatten die Teams einen Großteil ihrer Zeit damit verbracht, an ihren energieeffizienten, solarbetriebenen Häusern zu arbeiten – zusätzlich motiviert durch eine Premiere für den Wettbewerb: Preisgelder in Höhe von insgesamt 2 Mio. $.
Während dieser Zeit findet in Sacramento, Kalifornien, übrigens die vom Solar Decathlon inspirierte, neue SMUD Tiny House Competition statt, die grünes Bauen und nachhaltiges Wohnen im Kleinen fördern soll. Unter zehn konkurrierenden Hochschulteams aus Kalifornien gewinnt ein Team der Santa Clara University mit einem neuartigen solarbetriebenen Haus, das sich automatisch nach der Sonne dreht. Details über das Revolve House (o. rEvolve House) finden sich im Kapitelteil der Drehhäuser.
Im Sommer 2017 sind die Solar-Decathlon-Teams dabei, die Häuser auf ihrem Campus zusammenzubauen, um sie dann abzubauen und nach Denver zu transportieren, wo sie vor Beginn der Veranstaltung wieder zusammengebaut werden müssen. Inzwischen sind es aber nur noch dreizehn (später: elf) Teams, die an der diesjährigen Veranstaltung teilnehmen, bei der es als weitere Premiere zwei neue Wettbewerbe gibt – Innovation und Wasser.
Den ersten Platz unter den vier innovativen Gewinnern des Solar Decathlon 2017, die im Oktober feststehen, und damit auch ein Preisgeld in Höhe von 300.000 $, erringt der Solarprototyp NeighborHub der Schweizer Hochschulgruppe, der aber nicht in die Sparte Einfamilienhaus fällt, sondern als umweltfreundlicher nachbarschaftlicher Treffpunkt dienen soll. Besucher können sich hier am praktischen Beispiel sieben verschiedene Lösungen anschauen: Wassermanagement, erneuerbare Energien, Biodiversität, ökologische Materialauswahl, Nahrung, Abfallmanagement und Mobilität.
Das Haus besitzt eine modulare, vorgefertigte transformierbare Hülle aus Furnierschichtholz und ist in zwei Hauptbereiche unterteilt. Der Kern des NeighborHub ist ein thermisch kontrollierter Raum, der von der erweiterten Hülle umgeben ist, die durch passive Strategien gesteuert wird. Die bewegliche Fassade ist an der Ost-, Süd- und Westseite mit PV-Paneelen und Sonnenkollektoren verkleidet.
Ein Garten mit eßbaren Pflanzen wächst auf dem Dach, das auch das Regenwasser auffängt. Um platzsparende, ganzjährige Anbaumethoden wie Aquaponik zu demonstrieren, sind zwei vertikale Gewächshäuser installiert. Das gesammelte Regenwasser wird mit einer Pflanzenkläranlage vor Ort aufbereitet und für z.B. für die Wäsche und die Bewässerung wiederverwendet, während eine wasserlose Trockentoilette die Abfälle recycelt und Kompost erzeugt, der als Dünger verwendet werden kann.
Im Anschluß an den Wettbewerb wird der NeighborHub zur weiteren Forschung und Entwicklung in die blueFactory in Freiburg in der Schweiz zurückgebracht.
Der zweite Platz mit 225.000 $ geht an das reACT der University of Maryland, das autark und lichterfüllt ist und noch dazu Nahrung produziert. Es soll sich mit seinen Funktionen im Laufe der Zeit an die Gewohnheiten seiner Bewohner anpassen. Das ‚ACT‘ bezieht sich auf eine ‚(Resilient) Adaptive Climate Technology‘ – und reACT wird als ein innovatives Gebäudesystem beschrieben, das sich an unterschiedliche Gemeinschaften und Ökosysteme anpaßt.
Das Team Maryland hat die Technologie entwickelt, um zu zeigen, daß eine nachhaltige Zukunft mehr ist als nur das Design eines besser gebauten Hauses; es ist ein Lebensstil-System, das ein Haus mit seiner Umgebung verbindet und durch regenerative, achtsame Innovationen unterstützt wird. Als lebendiges Labor und Denkfabrik sollen hier Experten aus verschiedenen Bereichen gemeinsame Forschungsherausforderungen verfolgen und ihr Wissen, ihre Theorien und Daten austauschen.
Dem Studententeam zufolge soll man sich reACT als einen lebenden Organismus vorstellen, dessen sechs Module lebenswichtige Funktionen erfüllen. Die Systeme, die Abfälle, Wasser und Energie auffangen und aufbereiten, ermöglichen dem Haus einen völlig autarken Betrieb. Zu den wesentlichen Merkmalen und Technologienn gehören ein zentraler Innenhof mit Glasdach und Wandpaneelen, der den Wohnraum erweitert und als Sonnenwärmekollektor dient, bewegliche Wohnwände, ein hydroponischer Garten, ein Außengemüsegarten, eine Komposttoilette sowie eine PV-Anlage mit Batteriespeicher.
Das Projekt RISE von Studenten der University of California in Zusammenarbeit mit der University of Denver darf sich über den dritten Platz und damit 150.000 $ freuen. Hier steht das RISE für ‚Residential Inviting Stackable Efficient‘. Das Gebäude ist dafür gedacht, auf kostengünstige und nachhaltige Weise Baulücken zu schließen. Es besteht aus modularen Blöcken, die sich an die freien Grundstücke und die Ansprüche seiner späteren Bewohner anpassen lassen, und besitzt sogar bewegliche Wände.
Das Gebäude ist so konzipiert, daß es die unterste Einheit eines dreistöckigen Modells darstellt, dessen Ost- und Westfassaden als Trennwände konzipiert sind, um die Nutzung als städtisches Ergänzungsgebäude zu simulieren. Aufgrund seiner Stapelfähigkeit können drei Einheiten übereinander gesetzt werden, um eine nachhaltige Stadterweiterung mit hoher Dichte zu ermöglichen.
Die Süd-, Ost- und Westfassade des Hauses weisen ein Wellenmuster auf, das durch eine handgefertigte Holzfassade gebildet wird, während die Nordfassade aus einer grünen Mooswand besteht, die zur Kohlenstoffbindung und Luftreinigung beiträgt. Das Haus, das Platz für zwei bis vier Bewohner bietet, ist mit einer Wollisolierung ausgestattet. Zudem sind im Hinblick auf die Wassereffizienz drei spezifische Technologien integriert: ine solarbetriebenes Warmwasserbereitungssystem, ein System zur Wiederverwendung von Grauwasser und ein Regenwassersammelsystem.
Auf den mit 125.000 $ Preisgeld dotierten vierten Platz schafft es das SILO House der Missouri University of Science and Technology. Die Abkürzung steht für ‚Smart Innovative Living Oasis‘ und das Gebäude vereint High-Tech und Energieeffizienz mit diversen Anklängen an die traditionelle Farmhouse-Architektur.
Zu den Besonderheiten gehört ein Lehmputz, der zum Teil aus recycelten Materialien hergestellt wird und als Alternative für die Wandfarbe dient, da er die Luft reinigt und die Feuchtigkeit reguliert. Ein Grauwassersystem nutzt eine architektonisch ansprechende Wasserwand zur Belüftung des Abwassers aus Waschbecken und Duschen, das dann zur Bewässerung von Grünflächen und einer beweglichen grünen Wand verwendet wird.
Hinzu kommt ein Energiespeichersystem für Wohngebäude, das eine 8,5 kW Solaranlage in Verbindung mit sechs Speicherbatterien mit internen Mikrowechselrichtern nutzt. Sämtliche Funktionen lassen sich mit dem Smartphone fernsteuern und kontrollieren.
Ebenfalls im Oktober 2017 wird westlich von Walbrook in London nach sechsjähriger Bauzeit die neue Europa-Zentrale von Bloomberg L.P. eröffnet, die zu diesem Zeitpunkt als das „nachhaltigste Bürogebäude der Welt“ gilt.
Das von den Architekten Foster + Partners in Zusammenarbeit mit der Statikfirma AKT II entworfene Projekt verbraucht 73 % weniger Wasser und 35 % weniger Energie als ein typisches Bürogebäude. Es besteht aus zwei Gebäuden, die durch einen überdachten Bogengang getrennt und durch Brücken miteinander verbunden sind. Errichtet wird es von der Sir Robert McAlpine Ltd. für 1 Mrd. £.
(Deckendetail)
Das auffälligste Energiesparmerkmal sind die rund 4.000 integrierten multifunktionalen Aluminium-Deckenpaneele, die Heiz-, Kühl-, Beleuchtungs- und Akustikfunktionen miteinander verbinden. In die maßgefertigten blütenförmigen Deckenpaneele sind 500.000 LEDs eingebettet, die 40 % weniger Energie verbrauchen als ein typisches Leuchtstoffröhren-Beleuchtungssystem.
Darüber hinaus nutzen die Metallblätter der Deckenpaneele niedrige Kaltwassertemperaturen, um den Energieverbrauch in einem neuartigen integrierten Kühlsystem zu senken.
Auf der Außenseite fallen die 117 bedienbaren großen bronzenen Sonnenschutzlamellen an der Fassade auf, die sich zur natürlichen Belüftung und Kühlung öffnen und schließen lassen, wobei intelligente Sensorsteuerungen den Luftstrom automatisch an die jeweilige Belegung anpassen. Eine Kraft-Wärme-Kopplungsanlage vor Ort liefert Wärme und Strom – und eine Solaranlage auf dem Dach liefert zusätzlichen Strom. Regenwasser vom Dach, Grauwasser und Kühlanlagenabwasser werden aufgefangen, aufbereitet und für die Toilettenspülung wiederverwendet.
Ein konzeptionelles ‚biologisches‘ Haus, das von einem multidisziplinären
Team entwickelt wurde, an dem mehr als 40 Partner beteiligt waren,
darunter das Kopenhagener Designbüro Een TIl Een,
das Büro für nachhaltige Architektur GXN, das
Holzverarbeitungsunternehmen Kebony und das dänische
Umweltministerium, öffnet im November 2017 seine
Türen für die Öffentlichkeit. Es ist das erste Bauwerk, das im
Biotope in der dänischen Stadt Middlefart, einem
Ausstellungspark für nachhaltiges Bauen, fertiggestellt wurde.
House
Das weltweit erste Biological House ist aus landwirtschaftlichen Abfällen gebaut und soll zeigen, was möglich ist, wenn man innovatives Denken und fortschrittliche Upcycling-Techniken einsetzt. Hierzu hatte GXN zusammen mit Partnern aus der dänischen Landwirtschaft zunächst Biomaterialien gesammelt, die sonst zur Energiegewinnung verbrannt würden, wie Gras, Stroh, Tomatenstengel und Seetang. Diese wurden dann zu Verbundwerkstoffen kombiniert, um ihre Festigkeit zu maximieren, und zu Platten für die Verkleidung gepreßt.
Die Firma Kebony behandelte diese Weichhölzer dann mit Hitze und einer Flüssigkeit auf Biobasis. Dadurch werden die Zellwände des Holzes polymerisiert, so daß es die Eigenschaften von tropischem Hartholz annimmt und eine angenehme, sattbraune Farbe erhält, die nach Sonneneinstrahlung und Regen eine silbergraue Patina entwickelt. Bei Tests erweist sich, daß diese Bretter eine Struktur bilden, die mit der Stärke eines normalen Hauses mithalten kann.
Das Haus steht auch auf einem Bodenverankerungssystem aus Schraubpfählen, anstatt auf einem Fundament aus Beton. Darüber hinaus ist es modular aufgebaut und kann schnell aufgebaut und dann wieder abgebaut werden, ohne Spuren zu hinterlassen. Über die technische und energiebezogene Ausstattung ist leider nichts zu finden.
Weitere in diesem Jahr 2017 fertiggestellte und
besonders interessante Gebäude stehen in Taipei, in Amman und in
dem Schweizer Dorf Port.
(Grafik)
Im ersten Fall handelt es sich um Lè Architecture, ein 18-stöckiges Bürogebäude des internationalen Architekturbüros Aedas, das von vertikaler grüner Vegetation umgeben ist. Es wurde als Teil eines größeren Revitalisierungsprojekts im Nangang-Distrikt von Taipeh errichtet und ahmt mit seiner spitz zulaufenden Silhouette die Form eines stehenden, moosbewachsenen Kiesels nach.
Flache Glaspaneele verkleiden das Äußere und verleihen dem Gebäude eine polierte Oberfläche, die von vertikalen Aluminiumlamellen umschlossen ist, um unerwünschten solaren Wärmeeintrag zu minimieren. Den Innenraum erfüllt natürliches Licht durch die gläserne Hülle des Gebäudes, um die Abhängigkeit von künstlicher Beleuchtung zu verringern. Nachts wird das verglaste Gebäude hongegen mit verschiedenen Lichteffekten beleuchtet, so daß es wie ein Edelstein zu schimmern scheint.
Das 70 m hohe Bürogebäude nutzt mehrere Strategien zur Begrünung der Fassade und konzentriert sich auf die Minimierung des Energiebedarfs.
Die an der Westseite des Lè Architecture angebrachten Pflanzkübel bilden eine 60 m hohe grüne Wand, die als ‚atmende Fassade‘ und als Filter für die Außenluft dient, und die mit einer Reihe von vertikalen Aluminiumlamellen den inneren Büroräumen Schatten spendet und die Innentemperatur reguliert. Zudem schaffen Innenraumbäume auf der Südseite ‚urbane Wohnzimmer‘ auf jeder Etage.
Das Gebäude gewinnt eine ganze Reihe von Architekturpreisen, zuletzt den International Architecture Award 2019 des Chicago Athenaeum, einem privaten Museum für Architektur und Design mit Sitz in Galena.
Bei dem zweiten Objekt handelt es sich um die neue VIP-Filiale der Capital Bank in Amman in Jordanien, die als „die weltweit erste“ bezeichnet wird, bei er ein Beton mit lichtdurchlässigen Eigenschaften verwendet wurde. Wenn die transluzenten LUCEM-Lichtbetonplatten mit LEDs oder Sonnenlicht hinterleuchtet werden, entsteht ein beeindruckendes Spiel aus Licht und Schatten, das den eleganten Charakter des Bauwerks unterstreicht.
Wer die Chronologie der Solarhäuser und solare Bauelemente aufmerksam verfolgt hat, wird sich daran erinnern, daß der LUCEM-Lichtbeton tatsächlich schon in der Übersicht des Jahres 2007 ausführlich behandelt wurde. Dort war bereits zu erfahren, daß die verantwortliche deutsche Firma LUCEM GmbH bis 2018 schon mehr als 300 Projekte umgesetzt hat.
Für die Fassade der Bank war eine Kombination aus LUCEM Pure und LUCEM Line, je 30 mm in Weiß, gewählt worden. Nur das Treppenhaus in transluzentem LUCEM Line Beton läßt den Blick von innen nach außen und von außen nach innen zu. Das Hauptgebäude wurde mit einer Fassade in gleicher Rezeptur aus LUCEM Pure Beton verkleidet. Konzipiert hat das Ganze die jordanische Architektin Saja Nahashibi vom Büro Paradigm DH - und ich freue mich, ein weiteres Mal auf die interessante Technologie hinzuweisen.
Das dritte Gebäude ist die vom Züricher Architekturbüro Skop entworfene Schule in Port, die nach einer Bauzeit von zwei Jahren 2017 fertiggestellt wird, eine Grundschule und ein Kindergarten aus Holz, die der Gemeinde durch die Produktion von überschüssiger Energie auch etwas zurückgen. Darüber hinaus ist die Schule durch ein modernes Zickzack-Dach, das sich auf die Schrägdächer der lokalen Tradition bezieht, optisch mit ihren Nachbarn verbunden.
Skop hatte 2013 einen internationalen Wettbewerb für den Entwurf der Schule gewonnen, die weitgehend auf nachhaltigen Prinzipien beruht. Das Gebäude wurde unter Verwendung von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern vorfabriziert. Auch im gesamten Innenbereich und bei der Einrichtung wird primär Holz verwendet. Die in einem Wohnviertel gelegene Schule mit einer Geschoßfläche von 3.568 m2 bietet Platz für 280 Kinder vom Kindergarten bis zur Grundschule, wobei jedes Klassenzimmer wie ein eigenständiges kleines Haus wirkt und eine gemütliche und wohnliche Atmosphäre für die Kinder schafft.
Das an einem sanften Hang gelegene Plus-Energie-Gebäude und Gemeinschaftskraftwerk wird von einer Dachanlage mit mehr als 1.100 Solarpaneelen gespeist, die den Strombedarf der Schule vollständig deckt und darüber hinaus noch 50 weitere Haushalte mit Strom versorgen kann. Zu den Auszeichnungen, die die Schule einheimst, gehören u.a. der Schweizer Solarpreis 2018 sowie der Preis in Gold beim best architects 19 Wettbewerb.
Was die peripheren Informationen aus diesem Jahr
anbelangt, so wird im Januar auf der BAU 2017 der aktuelle
Stand bei der Entwicklung solarthermischer Kollektoren aus
Ultrahochleistungsbeton (Ultra High Performance Concrete,
UHPC) vorgestellt. Im Projekt TABSOLAR II arbeitet
das Fraunhofer ISE gemeinsam mit fünf Partnern aus
Industrie und Forschung daran, auf Basis durchströmter Bauelemente
aus UHPC ressourcen- und kosteneffiziente solarthermische Kollektoren
herzustellen.
Für die neuartigen Bauteile, die in Fassaden verbaut werden und so Gebäudehüllen für den Einsatz erneuerbarer Energien nutzbar machen sollen, werden spezielle Rezepturen für UHPC entwickelt, aus denen sehr filigrane, materialsparende und gleichzeitig hochfeste Betonfertigbauteile gegossen werden können. Hier abgebildet ist ein TABSOLAR-Element aus UHPC, das im Membran-Vakuumtiefziehverfahren hergestellt wurde, wobei die Kanalstrukturen der Kollektoren mit dem vom Fraunhofer ISE entwickelten und patentierten bionischen FracTherm-Verfahren realisiert wurden.
Das Projektteam konzentriert sich nun darauf, das ebenfalls vom Fraunhofer ISE entwickelte und erprobte Membran-Vakuumtiefziehverfahren (MVT) auf praxistaugliche Größen zu skalieren und auf produktionsnahen Anlagen zu realisieren – sowie unterschiedliche Ausführungen der UHPC-Kollektoren für verschiedene Zielmärkte vorzubereiten.
(Grafik)
Die Ausführung TABSOLAR Premium soll mit einer spektralselektiven Beschichtung sowie Antireflexglas versehen und hinsichtlich Effizienz mit marktgängigen Solarkollektoren vergleichbar werden. TABSOLAR Economy steht für lackierte oder durchgefärbte UHPC-Kollektoren mit Low-E-Verglasung und etwas geringeren Erträgen, während in der Kategorie TABSOLAR Design der Fokus auf der gestalterischen Ausführung liegt. Diese Kollektoren sind unverglast und können mit verschiedensten Strukturen und Farben versehen werden.
Zum Projektende soll ein Demonstrationsgebäude entstehen, dessen Fassade UHPC-Fertigelemente enthält und das mit einfacher Meßtechnik ausgestattet ist, um die späteren Produkte für Fachleute, Architekten und Installateure zu veranschaulichen. Das Demogebäude soll auch genutzt werden, um erste Anwendungen von UHPC-Bauelementen im Innenraum, z.B. für thermoaktive Bauteilsysteme (TABS), zu evaluieren.
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte und von Michael Hermann geleitete Projekt ‚TABSOLAR II – Solarabsorber und andere thermisch aktive Bauteile aus Ultrahochleistungsbeton (UHPC)‘ wird vom Fraunhofer ISE koordiniert. Partner sind das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sowie die Firmen G.tecz Engineering UG, Betonfertigteile Spürgin GmbH & Co. KG, Facade-Lab und Priedemann Fassadenberatung GmbH.
Tatsächlich wird auch im Jahr 2023 noch immer fleißig ‚geforscht‘ – doch vom Schritt zur Kommerzialisierung ist man anscheinend weit entfernt, und auch von dem Demogebäude sind bislang nur Grafiken zu sehen.
Im Juni 2017 zeigen die Fachblogs die „weltweit
ersten Jalousien, die gleichzeitig als Sonnenkollektoren dienen“,
die von dem im Vorjahr gegründeten ukrainischen Start-Up SolarGaps entwickelt
worden sind. Die gleichnamigen SolarGaps sehen aus
wie herkömmliche Jalousien, sind aber mit langlebigen SunPower-Solarzellen
bedeckt, die pro Quadratmeter Fensterfläche 100 – 150 W erzeugen
sollen. An der Außenseite des Gebäudes installiert bieten sie zudem
eine aktive Beschattung.
Die Firma hatte im Vormonat eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter gestartet, bei der sie über 100.000 $ einnehmen konnte. Je nach Größe der Jalousie wurden hier zwischen 390 und 1.910 $ fällig, während die Produkte im freien Handel gut das Doppelte kosten werden.
Im Gegensatz zu ähnlichen Jalousien, wie sie schon mehrfach in dieser Chronologie aufgeführt wurden, werden die von Yevgen Erik erfundenen SolarGaps, die vorzugsweise an der Außenseite von Fenstern angebracht und mit einer Fernbedienung gesteuert werden, der Sonne einachsig nachgeführt. Ihre Solarmodule sind durch Stahlseile oder durch starre Führungen verbunden, um eine sichere Befestigung zu gewährleisten, auch bei starkem Wind.
Die Jalousien lassen sich vollständig einziehen, ihre Betriebstemperatur reicht von -20°C bis zu 60°C bei einer geringen relativen Luftfeuchtigkeit, und von -10°C bis zu 40°C bei einer Luftfeuchtigkeit von 80 %. Der Firma zufolge sind die in fünf Farbvarianten erhältlichen SolarGaps bereits mehr als 300 Mal installiert worden – und in 35 Ländern. Die ersten Lieferungen der Crowdfunding-Kampagne sollten ab September verschifft werden, was sich aber anscheinend bis Ende 2018 verzögert.
Im Mai 2019 wird gemeldet, daß die Lieferung nach Europa „fast abgeschlossen“ seien – und daß die Firma einem Zuschuß von 1 Mio. € von der Europäischen Kommission erhalten hätte, und „bessere Produkte zu entwickeln“. Im Dezember 2020 wird dann gesagt, daß die verbleibenden Bestellungen im ersten Quartal 2021 „produziert und ausgeliefert“ werden sollen.
(Grafik)
Ebenfalls im Juni 2017 veröffentlicht das in Malmö ansässige und von Jonathan Karlsson im Jahr 2012 gegründete schwedische Unternehmen Innenco International AB ein Video über sein neuentwickeltes Energiekonzept, das jedes Gebäude in ein Netto-Nullenergie-Haus verwandeln kann. Innenco (für ‚innovative energy concept’) nutzt die thermische Masse eines Gebäudes, um den Energieverbrauch um etwa 85 % zu senken.
Dies geschieht im Einzelnen, indem als erstes ein System von Rohren in die Gebäudefassade und das Fundament integriert wird. Mit Hilfe von Wärmepumpen und Kühlelementen soll das System das Beheizen und Kühlen des Gebäudes so zwischen vier und sechs Mal effizienter gestalten können. Für die verbliebenen 15 % kommen Solar-Paneele zum Einsatz. Damit soll das Innenco-System in der Lage sein, in einem Gebäude eine konstante Temperatur von 22°C zu halten.
Obwohl das Konzept der Firma zufolge bereits an mehreren Gebäuden erfolgreich getestet wurde und in Schweden, der Tschechischen Republik, Spanien und den Niederlanden eingesetzt wird, scheint das Unternehmen inzwischen dauerhaft geschlossen zu sein, auch die Homepage existiert nicht mehr.
Einen Hinweis verdient auch das Ende 2017 erschienene
Handbuch zum STEP-Lehrgang Solararchitektur, der
Planung eines Strohballenhauses. Unter STEP versteht
man ‚Straw Bale Training for European Professionals‘, das vom dem
Österreichischen Netzwerk für Strohballenbau (austrian straw bale
network, ASBN) hier angeboten
wird. Interessanterweise ist der Teil ‚Solar-Architektur Geschichte
Europa’ mit Texten aus dem Buch der Synergie gestaltet,
das auch äußerst korrekt als Quelle angegeben wird.
der ETH Zürich
Im Oktober stellen Wissenschaftler der ETH Zürich um
die Professoren Philippe Block und Arno
Schlüter den Prototyp für ein ultra-dünnes,
geschwungenes Betondach vor, das mit neuartigen digitalen Planungs- und
Herstellungsmethoden hergestellt wurde. Das Dach gehört zu einer
innovativen Wohneinheit mit dem Namen HiLo, die
nächstes Jahr auf dem Forschungsgebäude NEST der
Empa und Eawag in Dübendorf errichtet werden soll.
Das selbsttragende und doppelt gekrümmte Schalendach besteht aus mehreren Schichten. Auf der inneren Betonlage kommen die Heiz- und Kühlschlangen zu liegen sowie eine Isolationsschicht. Gegen außen schließt eine weitere Betonschicht das Dach ab, auf welcher Dünnschicht-Solarzellen angebracht werden. Dank dieser Technologie und einer adaptiven Solar-Fassade soll die Wohneinheit dereinst mehr Energie generieren, als sie verbraucht.
Die Konstruktionsmethode für das Dach wurde von Forschern der Block Research Group der ETH zusammen mit dem Architekturbüro supermanoeuvre entwickelt und an einem Prototyp im Maßstab 1:1 erprobt. Der Prototyp ist 7,5 m hoch und hat eine Fläche von 162 m2. Die Dicke des Betons variiert zwischen 3 cm an den Rändern des Dachs und 12 cm an den Auflageflächen. Geschalt wird mit einem Netz aus Stahlseil, auf das ein Textil aus Polymer zu liegen kommt.
Weiter mit der Jahresübersicht der Solarhäuser 2018...