allTEIL C

Entwicklung der photovoltaischen Nutzung 2017 (a)

 

In dieser Jahresübersicht wird der Schwerpunkt Balkonkraftwerke bis einschließlich 2024 zusammenfassend behandelt.


m Januar 2017 berichtet die Presse, daß 39 Gruppen die Ukraine um Erlaubnis bitten, in der radioaktiven Ausgrenzungszone um das stillgelegte Kernkraftwerk Tschernobyl eine Solarfarm mit etwa 2 GW errichten zu dürfen. Unter den 13 internationalen Investoren mit Interesse befinden sich Unternehmen aus China, Deutschland, Irland, Dänemark, Österreich, Bulgarien, Weißrussland und aus der Ukraine selbst.

Im Juli des Vorjahres war eine solare Erschließung der bestehenden Netzinfrastruktur von Tschernobyl erfolgt, und im November hatten die chinesischen Unternehmen GCL System Integration Technology Co. Ltd. und China National Complete Engineering Corp. gemeldet, daß sie planen, in mehreren Phasen ein 1 GW-Solarprojekt auf dem Gelände zu bauen. Ein ungenannter deutscher Hersteller von erneuerbaren Energien hatte sich wiederum für die Installation von 500 MW beworben, die verbleibenden Projektvorschläge gelten für Anlagen von etwa 20 MW. Als erster Schritt sollen nun die ursprünglich von dem 4 GW Kernkraftwerk ausgehenden Stromübertragungsleitungen erneuert werden.

Im Juni 2018 folgt die Meldung daß die im Oktober des Vorjahres begonnenen Arbeiten an einer Solaranlage abgeschlossen sind, die 1 MW in das lokale Stromnetz einspeisen soll. Die neue Anlage aus 3.762 PV-Paneelen, die 1 Mio. € kostet, liegt nur 100 m von der auch ,Sarkophag’ genannten, geschlossenen Metallkuppel entfernt, die den havarierten Kernreaktor umhüllt. Initiator des Projekts ist das Unternehmen Solar Chernobyl (o. Chernobyl Solar Co.), ein Gemeinschaftsunternehmen der Rodina Energy Group Ltd.  in Kiew und der Enerparc AG in Hamburg. Die Partner hatten das Pilotprojekt bereits 2016 in Angriff genommen.

Die Errichtung der PV-Anlage im verstrahlten Gebiet brachte einige Besonderheiten mit sich, die es bei der Planung und Konstruktion zu berücksichtigen galt. So durfte auf dem Gelände beispielsweise nicht gegraben oder gebaggert werden, um keine Strahlung aus dem Erdreich freizusetzen. Alle für die Anlage benötigten Leitungen mußten daher oberirdisch in eigens errichteten Zementblöcken geführt werden.

Dem aktuellen Entwicklungsstand zufolge hat die ukrainische Regierung bisher etwa 25 km2 für die Entwicklung der Solarenergie zur Verfügung gestellt, wobei derzeit 60 Vorschläge mit einer möglichen Gesamtleistung von 4 GW geprüft werden. Weiter umgesetzt wurde davon bislang aber nichts.

Arclight Solar Scope

Arclight
Solar Scope

Ebenfalls im Januar erscheint in den Blogs ein neues solarbetriebenes Ophthalmoskop, das von einem Team unter der Leitung der britischen University of St Andrews entwickelt wurde und das das Augenlicht von Millionen Menschen retten könnte. Schätzungsweise 285 Mio. Menschen auf der Welt sind sehbehindert und 360 Mio. hörgeschädigt. Während die meisten dieser Fälle als vermeidbar oder behandelbar gelten, wenn sie rechtzeitig diagnostiziert werden, verfügen Ärzte in ärmeren Ländern selten über Ophthalmoskope, die komplex, schwer und teuer sein können.

Der Arclight Solar Scope genannte Augenspiegel im Taschenformat ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit eines kleinen Teams von Enthusiasten um Andrew Blaikie, zu dem auch Kollegen der University of Leicester und des University College London gehören. Es ermöglicht, die Vorder- und Rückseite des Auges sehen und so alle wichtigen Erblindungszustände wie Bindehautentzündung, Grauer Star, Glaukom oder Diabetes erkennen.

Mit einem Gewicht von weniger als 18 g kann das Arclight in einer Hemdtasche oder um den Hals getragen werden. Das kompakte Design umfaßt ein kleines, direktes Ophthalmoskop an einem Ende mit einer beleuchteten Vergrößerungslupe und ein abnehmbares Otoskop am anderen Ende mit dem Probleme im Ohr zu erkennen sind, die zu Hörverlust führen können. Das Gerät verwendet hierzu drei LED-Lichtquellen - zwei weiße LEDs zur präzisen und gleichmäßigen Darstellung von Augen- und Ohrgewebe und eine violett/blaue LED zur Erkennung subtiler, aber wichtiger Hornhautdefekte.

Der eingebaute, wiederaufladbare Akku kann über das integrierte Solarpaneel oder über ein USB-Anschluß mit Strom versorgt werden. In Zusammenarbeit mit der Fred Hollows Foundation (Australien) und der International Agency for Prevention of Blindness (Vereinigtes Königreich) wurden bereits Tausende von Arclights in Malawi, Äthiopien, Kenia, Fidschi und anderen Ländern verteilt. Als nächsten Schritt plant das Team, das Gerät mit einem internen Speicher auszustatten, in den Lehrmaterial geladen werden kann und der die Aufnahme von Bildern über Handys ermöglicht.


Im März folgt ein Bericht über Ingenieure der Universität Glasgow, die eine synthetische Haut entwickelt haben, die Amputierten helfen könnte, ihren Tastsinn wiederzuerlangen. Die ,elektronische Haut’ besteht aus Graphen, einer Form von Graphit, die nur ein Atom dick, aber 200 Mal stärker als Stahl ist, und nutzt Solarzellen, um sich Strom aus der Sonne zu beschaffen.

Laut Prof. Ravinder S. Dahiya, dem Leiter der Gruppe, sind Graphen und Solarzellen aufgrund der einzigartigen physikalischen Eigenschaften von Graphen ideale Partner. Die optische Transparenz des Materials läßt zum Beispiel 98 % des Lichts, das auf seine Oberfläche trifft, hindurch. Graphen ist auch elektrisch leitfähig, was bedeutet, daß es Strom an Sensoren leiten kann, die Eigenschaften wie Temperatur, Druck und Beschaffenheit messen.

Da die neue Haut nur 20 nW Leistung pro Quadratzentimeter benötigt, reicht selbst die einfachste auf dem Markt erhältliche Photovoltaikzelle aus. Die von den Zellen der Haut erzeugte Energie kann derzeit nicht gespeichert werden, aber die Forscher arbeiten bereits daran, ungenutzte Energie in Batterien umzuleiten, um sie zu einem späteren Zeitpunkt abzurufen.

Die Entwicklung kann die Konstruktion einer völlig energieautonomen, berührungsempfindlichen Handprothese ermöglichen, die in der Lage ist, schwierige Aufgaben wie das richtige Greifen weicher Materialien auszuführen, womit andere Prothesen Schwierigkeiten haben. Die Ergebnisse bilden zudem einen wichtigen Schritt bei der Entwicklung großformatiger gedruckter E-Haut, die auf Signale des Gehirns reagieren kann.

Ein ausführlicher Bericht über den Fortgang der Arbeiten und den Bau eines Prototypen erscheint im Juni 2022 unter dem Titel ,Printed synaptic transistor-based electronic skin for robots to feel and learn’.


Ebenfalls im März 2017 wird einmal mehr das Thema Balkonkraftwerke aktuell, dessen Anfänge in den Übersichten der vergangenen Jahre dargestellt worden sind. Grund dafür ist, daß Deutschlands größter Verteilnetzbetreiber Westnetz - eine frühere RWE-Tochter (heute innogy) - nach einem Verfahren vor der Bundesnetzagentur (BNetzA) auf Druck der Energiegenossenschaft Greenpeace Energy seinen Widerstand gegen die Nutzung kleiner Solarmodule für Balkone und Terrassen aufgegeben hat.

Im Versorgungsgebiet von Westnetz genügt es ab sofort für Nutzer, Namen und Adresse, Leistung und Fabrikat der Module zu melden, um Kleinanlagen bis zu einer Leistungsgrenze von 300 W ohne sonstige Auflagen mit der heimischen Steckdose zu verbinden. Nun hoffen die Verfechter der Balkonkraftwerke, daß die anderen deutschen Netzbetreiber dem Vorbild von Westnetz folgen.

Tatsächlich rudert Westnetz aber schon wenige Tage später zurück und verweist darauf, daß die Anlagen, um angeschlossen zu werden, den Vorschriften des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik e.V. (VDE) entsprechen müssen, was aber nicht der Fall sei.  Bei einem Anschluß drohen daher Sach- und Personenschäden.

Greenpeace Energy kontert den Verweis auf Sicherheitsbedenken mit den im Verfahren vor der BNetzA vorgelegten zahlreiche Studien u.a. vom Fraunhofer ISE, dem TÜV sowie der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control, die alle aufzeigen, daß die Mini-Solaranlagen sicher sind. Sie werden in Österreich und der Schweiz ohne Probleme eingesetzt, und auch in den Niederlanden nutzen inzwischen rund 200.000 Haushalte solche kleinen Solaranlagen. Greenpeace strebt beim VDE nun die Schaffung einer neuen Produktnorm für Solar-Minianlagen sowie einer Bagatellgrenze bis zu einer Anlagenleistung von 600 W an.

An dieser Stelle soll ein Hinweis der DGS eingefügt werden, der die Nomenklatur betrifft: „Die Geräte werden unter zahlreichen zum Teil eher irreführenden Bezeichnungen beschrieben, wie Mini Solar Anlage, micro Solar Anlage, plug in Solar Anlage, mini Solar Generator, plug in Solar Gerät, plugin PV Anlage, plug in Solar Generator, mikro Solar Generator, plug in PV Gerät, micro Solar Modul, Balkon-Solaranlage, Guerilla-PV oder Balkonmodul. Aus fachlicher Sicht plädieren wir für die Bezeichnungen Stecker-Solargerät, Steckdosen-Solarmodul oder Balkonmodul, da es sich nicht um eine fest installierte ,Anlage' nach dem üblichen Verständnis handelt, sondern eher um ein Strom erzeugendes Haushaltsgerät.“

Der nächste Schritt erfolgt im Oktober 2017, als eine Änderung der DIN VDE 0100-551 durch den VDE und die Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE) nun auch Laien erlaubt, stromerzeugende Geräte in jedem Stromkreis anzuschließen. Um den Normungsantrag auf den Weg zu bringen, hatte sich das zuständige Normungs-Gremium ,Photovoltaische Solarenergie-Systeme’ im Rahmen eines Workshops Ende des 2016 mit den Herstellern zusammengesetzt. Mit der Veröffentlichung der neuen Norm wird jedoch erst für Anfang 2019 gerechnet.

Derweil klagt Greenpeace Energy am Landgericht Hamburg gegen den Netzbetreiber Stromnetz Hamburg, weil dieser die Nutzung eines modernen steckbaren Solarmoduls untersagt.

SolMate

SolMate

In Österreich wird bereits im Mai 2017 die Firma EET – Efficient Energy Technology GmbH (anfangs: E2T) gegründet, die im Dezember ihre erste Finanzierungsrunde mit Privatinvestoren durchführt. Das Unternehmen der Gründer Florian Gebetsroither, Christoph Grimmer und Stephan Weinberger ist ein Spin-Off der Technischen Universität Graz, wo die Kerntechnologie entwickelt wurde, ein intelligentes Photovoltaik- und Speichersystem für den Balkon, das den Namen SolMate bekommt. Neben diversen anderen Auszeichnungen erhält die EET dafür auch den TÜV Wissenschaftspreis 2017.

Um die Serienproduktion des SolMate zu realisieren, wird auf Kickstarter eine Crowdfunding-Kampagne durchgeführt, bei der ab 2.100 € Vorbestellungen getätigt werden können. Das Ziel von 50.000 € wird innerhalb von nur fünf Stunden erreicht, und bis Ende der Kampagne kommen von nur 155 Unterstützern insgesamt 205.143 € zusammen, was die Planungen der EET realistisch macht, im Jahr 2019 dann 1.000 SolMates zu produzieren und zu verkaufen.

Das 28 kg schwere System besteht aus einer PV-Leistung von bis zu 2 kW und einem LiFePO4-Speicher mit einer Kapazität von 1,44 kWh / 30 Ah, dessen Maße 730 x 498 x 100 mm betragen.

Der SolMate - hier abgebildet ist ein Funktionsprototyp vom September 2018 - ist zudem mit einer besonders innovativen Meßtechnik namens NetDetection kombiniert, bei der das System über die Steckdose ermitteln kann, ob im Haushalt gerade Strom verbraucht wird. In diesem Fall wird der produzierte Solarstrom direkt dafür verwendet. Ist dies nicht der Fall, fließt der Strom in den integrierten Energiespeicher. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß möglichst viel Strom direkt selbst verbraucht wird, was bei den aktuellen Strompreisen und Einspeisevergütungen die wirtschaftlich sinnvollste Variante ist.


Um die Thematik hier weiterzuverfolgen: Nachdem die Anmeldung von Steckdosen-Solargeräten in Deutschland bislang nur über einen Elektroinstallateur möglich war, können Anlagen bis zu einer Leistung von 600 W mit Inkrafttreten der neuen VDE-Norm AR-N 4105 im April 2019 künftig vom Betreiber der Anlage selbst angemeldet werden. Außerdem sind nun alle Netzbetreiber verpflichtet, die Anmeldung durch Laien zu akzeptieren.

Mit der novellierten Norm werden auch in Deutschland EU-Vorgaben umgesetzt, die in Portugal, Österreich, Luxemburg und der Schweiz längst gängige Praxis sind. Europaweit sind geschätzt 200.000 - 250.000 solcher Kleinanlagen im Einsatz, in Deutschland soll ihre Zahl zu diesem Zeitpunkt bei 40.000 liegen.

Im September vereinfacht Stromnetze Berlin, der Betreiber des Verteilernetzes in der Hauptstadt, das Anmeldeverfahren für Balkonmodule. Der Besitzer muß nur noch ein A4-Blatt auszufüllen, das von der Internetseite von Stromnetze Berlin heruntergeladen werden kann, und dieses per E-Mail zurückschicken. Anzugeben sind die Kontaktdaten, der Anlagenstandort, die Anzahl der Steckermodule und die Nennleistung der gesamten Anlage, die damit angemeldet ist und in Betrieb gehen kann. Die Anmeldung befreit den Anlagenbetreiber aber nicht davon, vorher seine Steckermodule bei der Bundesnetzagentur im Marktstammdatenregister online zu registrieren.


Im Herbst 2021 werden vom Verein Solare Zukunft e.V. und vom FESA e.V. in Freiburg drei Workshops durchgeführt, die Sebastian Müller und Rolf Behringer organisieren. Dabei wird untersucht, ob es möglich ist, aus alten Solarmodulen, die bereits 20 Jahre auf dem Dach einer Schule lagen, neue Balkonsolargeräte zu bauen. In einem im April 2022 veröffentlichten Artikel werden die Ergebnisse ausführlich besprochen und das benötigte Material sowie Werkzeug aufgelistet (,Upcycling: Photovoltaik auf dem Balkon realisieren’).


Einen ähnlichen Ansatz verfolgen übrigens die Elektroingenieure Christoph Kirschner und Tillmann Durth mit ihren vermutlich 2023 gegründeten Start-Up Panelretter (o. Panelretter. kurzschlussFest GmbH) im bayerischen Oberpöring.

Die Retter kaufen sie Solarpaneele, die aufgrund optischer Makel wie beispielsweise Kratzer am Alurahmen oder Verfärbungen nicht mehr als Neuware verkauft werden können, und bauen diese zu Balkonkraftwerken um. Zukünftig soll aber nicht nur B-Ware verwendet, sondern auch gebrauchte Paneele aus Solarparks gekauft, aufbereitet und zu neuen Kraftwerken umgebaut werden.


Laut einer Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin und der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen vom Februar 2022 wurden in Deutschland in den letzten Jahren zwischen 140.000 und 190.000 Plug-in-Solaranlagen, wie sie inzwischen häufig genannt werden, installiert, etwa 128.000 davon allein in den Jahren 2020 und 2021. Bislang dominieren einige wenige größere Anbieter den Markt, während gleichzeitig neue Anbieter und viele kleinere Unternehmen für einen regen Wettbewerb sorgen.

Die unter der Leitung der Volkswirtin Prof. Barbara Praetorius durchgeführte Studie zeigt zudem, daß nur 10 - 20 % der Balkonsolaranlagen im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur angemeldet werden, das das Meldeverfahren als zu komplex betrachtet wird. Außerdem stellt sich heraus, daß nur jedes dritte Gerät den Balkon als Standort hat, während sich die Hälfte der Anlagen erhöht auf Flachdächern oder im Garten befinden.

Die 57-seitige Studie unter dem Titel ,Der Markt für Steckersolargeräte 2022’ ist im Netz einsehbar. Praetorius fordert zudem, die Minianlagen in Deutschland anmeldefrei zu machen und die erlaubte Leistung auf 900 W zu erhöhen. Andere Experten schätzen die Zahl der installierten Minianlagen inklusive der Eigenbauten sogar auf bereits 300.000 - 500.000 Stück.


Alle Hürden sind aber noch immer nicht überwunden. Wie im Mai 2022 berichtet wird, hält der VDE den Anschluß per Schutzkontaktstecker (Schuko-Stecker) für keinen geeigneten Weg, obwohl das technisch funktioniert und z.B. in den Niederlanden, Österreich und der Schweiz der Standard ist. Stattdessen sehen die Normen eine Einspeisesteckdose des deutschen Herstellers Wieland vor, die eine Elektrofachkraft installieren und mit einer eigenen Zuleitung anschließen muß - was mit Kosten von etwa 150 - 250 € verbunden ist und damit die Amortisationszeit der Klein-PV-Anlage verlängert.

Die DGS hatte sich in dem Arbeitskreis der DKE, der einen Normenentwurf für steckerfertige Solargeräte hervorbringen sollte, für den Schuko-Stecker als normgerechte Lösung engagiert, doch die Bedenken der Versicherungsindustrie, des Elektrohandwerks und der Netzbetreiber hinsichtlich des Berührungsschutzes und der Auslösebedingungen des Leitungsschutzschalters gipfeln in einer Kampfabstimmung, die mit einer Patt-Situation endet.

Der Kompromiß lautet: Der Schuko-Stecker gelangt zunächst in den informellen Anhang der Vornorm, die in den nächsten Monaten veröffentlicht wird, woraufhin ein Einspruchsverfahren mit neuen Chancen beginnt, den Schuko-Stecker in die Norm zu bringen. Kritiker halten die Argumente von Netzbetreibern und Elektrohandwerk für vorgeschoben: Erstere hätten kein Interesse an dezentralen Energieerzeugungsanlagen, weil sie ihr Geld mit dem Transport von Energie durch ihre Netze verdienen, während das Elektrohandwerk sich die Aufträge für Einspeisesteckdosen nicht entgehen lassen wolle.

Für Interessierte, die ein Balkonkraftwerk installieren wollen, bleiben damit drei Optionen: Abwarten und auf einen Erfolg des Widerspruchsverfahrens hoffen, eine Einspeisesteckdose installieren lassen, oder den Pfad des normentreuen Bürgers verlassen – schließlich haben Normen keinen Gesetzesstatus.

Laut Aussagen der Bundesnetzagentur im Juli beträgt die Anzahl der bislang angemeldeten Balkon-Solargeräte bis 600 W Leistung rund 23.500 Stück (andere Quellen: 46.000 Stück). Man wisse aber, daß die Zahl der tatsächlich in Deutschland betriebenen Mini-Photovoltaikanlagen sehr weit darüber liegt, da die Mehrheit ihre Geräte nicht anmeldet und sie schwarz betreibt.


Im August ist es das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, das als erstes Solaranlagen auf dem Balkon mit einer Leistung von bis zu 600 W mit einen Zuschuß von bis zu 500 € fördert. Auch eine spezielle Genehmigung ist mehr nicht erforderlich. Allerdings muß die Anlage dem Netzbetreiber zur Kenntnis gebracht werden.

PV-Werbung von Netto

PV-Werbung
von Netto


Einen wesentlichen Schub bekommt die Entwicklung, als Anfang Januar 2023 die Umsatzsteuer auf Photovoltaik für Wohnhäuser wegfällt, was einerseits den Ausbau beschleunigen und andererseits die Finanzämter entlasten soll. In § 12, Absatz 3, des Umsatzsteuergesetzes heißt es neu, der Nullsteuersatz gilt für „Lieferungen von Solarmodulen an den Betreiber einer Photovoltaikanlage, einschließlich der für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern.“

Durch den Wegfall der Umsatzsteuer sinken die Preise für die Mini-Solaranlagen merklich. Hinzu kommt, daß immer mehr Anbieter auf den Markt für Balkonkraftwerke drängen, wie beispielsweise Baumärkte wie Obi oder Discounter wie Netto, der für 700 € ein 600 W Komplett-Set aus zwei PV-Paneelen, einem Mikrowechselrichter und einem AC-Kabel anbietet, das wiederholt ausverkauft ist.


Der Bundesnetzagentur zufolge hat sich die Zahl der Balkonkraftwerke alleine in der ersten Hälfe des Jahres 2023 mehr als verdoppelt. Im Juli umfaßt das Marktstammdatenregister rund 230.000 steckerfertige Erzeugungsanlagen. Für knapp 137.000 davon liegt das Inbetriebnahmedatum im laufenden Jahr – und der Boom geht weiter. Im Oktober sind bereits mehr als 300.000 Kleinanlagen in Betrieb, und die Bundesregierung rechnet für die Zukunft mit jährlich etwa 200.000 neuen Steckersolargeräten.


Im Mai 2024 ändern sich im Rahmen des Maßnahmenbündels Solarpaket I, bei dessen Formulierung mehr als 50 bürokratische Hemmnisse für diese Art der Stromerzeugung identifiziert worden sind, auch mehrere Regelungen in Bezug auf den ,Megatrend’ Balkonkraftwerke.

So wird die zulässige Ausgangsleistung von 600 W auf 800 W erhöht, wobei die Gesamtleistung noch höher sein kann, aber nur bis zu 800 W dürfen ins Netz eingespeist werden. Der Austausch herkömmlicher Stromzähler durch smarte Modelle nicht mehr erforderlich, der Anschluß an Schuko-Steckdosen künftig offiziell erlaubt. Seit Mitte Mai genügt zudem die Eintragung im Marktstammregister der Bundesnetzagentur; eine Anmeldung beim Netzbetreiber ist nicht mehr notwendig.

Neben Mecklenburg-Vorpommern bieten inzwischen aus die Bundesländer Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen sowie immer mehr Städte und Gemeinden finanzielle Unterstützungen für Mieter an, die Mini-Solaranlagen anschaffen und installieren möchten. Je nach Wohnort und Leistung der Anlage liegen die Förderbeträge zwischen 50 und 500 €. Wesentlich ist auch, daß keine spezielle Versicherung ist für Balkonkraftwerke notwendig ist, da die meisten Mieter bereits durch ihre Hausratversicherung ausreichend abgesichert sind.

Schätzungen vom Juli 2024 zufolge sind im ersten Halbjahr 220.000 neue PV-Balkonanlagen hinzugekommen, so daß bundesweit von bereits 566.000 installierten Anlagen ausgegangen wird. Die o.e. DGS-Arbeitsgruppe PVplug geht im August sogar von einer Million installierter Anlagen aus.

Ende September werden Balkonkraftwerke auf Beschluß des Bundesrates zu den ,privilegierten Maßnahmen’ aufgenommen, womit Mieter künftig einen Anspruch auf die Installation von Balkonsolargeräten haben. Nur in gut begründeten Fällen (z.B. Denkmalschutz) kann ein Eigentümer oder Vermieter die Zustimmung zur Montage verweigern. Den Status der privilegierten Maßnahmen hatten bislang barrierefreie Umbauten, der Einbruchsschutz oder Ladeanlagen für das E-Auto. Anfang Oktober wird gemeldet, daß sich die Zahl der Balkonkraftwerke seit Jahresbeginn verdoppelt hat. Die Bundesnetzagentur zählt aktuell 706.509 offiziell registrierte steckerfertige Solaranlagen.


Weiter mit der allgemeinen Jahresübersicht:

Die erste Meldung über bifaziale Solarmodule (o. bifacial, doppelseitig) begegnet mir im April 2017, als Forscher des Solar Energy Research Institute of Singapore (SERIS), der National University of Singapore (NUS) und des International Solar Energy Research Center Konstanz e.V. (ISC) in Deutschland das weltweit erste Solarmodul in Originalgröße vorstellen, das Licht von beiden Seiten aufnimmt.

Im Gegensatz zu Standardzellen haben bifaziale Zellen einen modifizierten Rückkontakt (Interdigitated Back Contact, IBC), der den Eintritt von Photonen von der Rückseite der Zelle ermöglicht, was einen Mehrertrag von bis zu 30 % ermöglicht.

Diese Zellenart war erstmals 1960 von einem japanischen Forscher vorgestellt worden, damals handelte es sich allerdings noch um eine Zweifach-Solarzelle. Ab Mitte der 1970er Jahre werden die Solarzellen in der Weltraumforschung eingesetzt, so auch zur Energieversorgung der internationalen Weltraumstation ISS. Auf der Erde finden bifaziale Solarmodule erst kurz vor der Jahrtausendwende Verwendung, hier zuerst als Teil einer Schallschutzwand.

Anfang der 2000er Jahre überführen dann vor allem japanische Hersteller die Photovoltaik-Module in die Massenfertigung.

Modul der bSolar

Bifaziales Modul
der bSolar

Bei der aktuellen Recherche stellt sich heraus, daß das 2007 von Naftali Eisenberg und Yossi Kofman gegründete israelische Start-Up bSolar bereits im Juli 2012 bekannt gegeben hat, daß es das unidirektionale Design monokristalliner Standard-Silizium-PV-Zellen mit einer doppelseitigen Solarzelle verbessert habe, die bei einer vertikalen Installation bis zu 50 % mehr Energie erzeugen kann. Dies gelingt mit einem Rückseitenfeld aus Bor anstelle einer undurchsichtigen Aluminiumrückseite.

Im Gegensatz zu anderen in der Vergangenheit entwickelten doppelseitige Solarzellen sollen die bifazialen Zellen der bSolar leistungsfähiger, effizienter und billiger in der Herstellung sein. Das Unternehmen behauptet, die Hochleistungs-Zellen in seinem Werk in Heilbronn mit einer Kapazität von 30 MW/Jahr herzustellen, daß sich bereits große Module-Hersteller für die bifazialen Zellen interessieren, und daß diese in einem neuen 730 kW PV-Projekt in Japan eingesetzt werden sollen.

Tatsächlich läßt sich aber nichts davon bestätigen - und es ist fraglich, ob die Firma überhaupt noch existiert.


Die 2010 gegründete kanadische Firma Silfab Solar in Mississauga, Ontario, kündigt im September 2015 an, bis Ende des Jahres ein neues bifaziales Solarmodul auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen hatte das Potential für ein zweiseitiges Solarpaneel erkannt, das die von einer schneebedeckten Oberfläche reflektierte Sonne einfangen kann, was in Kanada sicherlich sinnvoll ist.

Die Firma nennt das Paneel BiSoN und beschreibt es als „bifaciale monokristalline Zelle mit sehr hohem Wirkungsgrad“. Die Silfab gibt es auch 2024 noch, nur heißen die Paneele inzwischen Silfab Utility bifacial panel.


Weitere Details zur Technologie: Die beidseitige Beschichtung der Module mit Glas kann die Lebensdauer der Solarzellen verlängern, da sie die Anfälligkeit für UV-bedingte Alterungsprozesse verringert. Außerdem sind Bifazial-Module in der Lage, durch die beidseitige Absorption von Licht auch bei schlechten oder diffusen Lichtverhältnissen, wie z.B. abends oder an bewölkten Tagen, effizient Strom zu erzeugen. Ihre vertikale Installation führt aber auch zu 10 - 20 % höheren Investitionskosten.

Der eingangs erwähnte neue Prototyp des SERIS, der auf der International Photovoltaic Power Generation Conference & Exhibition im April in Shanghai vorgestellt wird, ist mit bifazialen ZEBRA IBC-Solarzellen des ISC hergestellt, die einen Wirkungsgrad von bis zu 22 % haben und für ihre Zuverlässigkeit und Langlebigkeit bekannt sind. Die strukturelle Sicherheit des Moduls wird durch die Verwendung einer vom SERIS seit 2009 perfektionierten Doppelglas-Isolationstechnik gewährleistet.

Mit dem neuen Moduldesign können Paneele mit 350 W Leistung auf der Vorderseite mit 60 siebgedruckten IBC-Zellen mit einem Wirkungsgrad von 23 % hergestellt werden. Unter Berücksichtigung zusätzlicher 20 % Leistung über die transparente Rückseite des Moduls wird das Modul in der Praxis eine Leistung von 400 W erzeugen. Der nächste Schritt ist die Übertragung der Technologie an Industriepartner, damit das Produkt in etwa zwei Jahren, also um 2019 herum, auf den Markt kommen kann.

Bifazialer Solarpark Kozani

Bifazialer Solarpark
Kozani

Zur Abrundung des Themas sei noch darauf verwiesen, daß im November 2020 in Griechenland der Bau des aktuell größten Solarparks mit bifazialen Solarmodulen in Europa beginnt. Für Juwi Hellas, die griechische Tochter des deutschen Projektentwicklers Juwi aus Rheinland-Pfalz ist es zudem das bislang größte Einzelprojekt in der fast 25-jährigen Unternehmensgeschichte. Der Standort befindet sich etwa 120 km südwestlich von Thessaloniki im Norden des Landes.

Den Zuschlag für den 204 MW Solarpark Kozani hatte Juwi Hellas im Frühjahr 2019 im Rahmen einer staatlichen Erneuerbare-Energien-Auktion erhalten, gebaut wird er im Auftrag der Hellenic Petroleum Group. Durch die Verwendung der bifazialen Module steigt die Energieausbeute des 130 Mio. € teuren Solarparks nach Angaben von Juwi um bis zu 5 %. Das Kraftwerk soll durch seine 500.000 Solarzellen jährlich 300 Mio. kWh Solarstrom liefern. Die turbulente Historie des gesamten Projekts bis zur offiziellen Einweihung im April 2022 ist auf der Juwi-Homepage umfassend dokumentiert.


Im April 2021 melden die deutschen Lechwerke AG (LEW), ein regionale Energieversorger, der sich im mehrheitlichen Besitz der E.ON-Tochtergesellschaft Innogy befindet, daß sie in Biessenhofen und Gersthofen zwei sehr kleine Agriphotovoltaik-Testanlagen errichtet haben, bei denen senkrecht installierte bifaziale Solarmodule streifenförmig auf den Flächen angeordnet sind. Darüber findet sich mehr im Kapitelteil Agrophotovoltaik.


Im Juni 2021 bringt die deutsch-österreichische Firma Next2Sun einen bifazialen Solarzaun auf den Markt, eine Kombination aus PV-Anlage und Gründstückseinfriedung. Bei der Konstruktion kommen rahmenlosen Glas-Glas-Module mit einer Bifazialität von mehr als 80 % zum Einsatz. Es gibt verschiedene Varianten des Zauns für unterschiedliche Anwendungen wie Eigenheim, Gewerbe oder Landwirtschaft, wobei Zaunhöhen von etwa 1,20 - 1,60 m und zweireihige Aufbauten für höhere Einfriedungen möglich sind.

Der Solarzaun paßt sich dabei fast jeder Geländeform an und ist mit nur wenigen Schraubverbindungen schnell zu installieren. Beim Grundgerüst handelt es sich um eine Stahlkonstruktion mit jeweils zwei Pfosten pro Zaunabschnitt. Die Leistung der nPert- oder Heterojunction-Solarmodule, die Next2Sun benutzt, liegt pro Abschnitt bei 400 W.


Die Idee eines Solar-Zauns an sich ist dabei nicht neu. Nach der Firma SolarConsult AG aus Freiberg am Neckar, die im Dezember 2019 den möglicherweise weltweit ersten Solarzaun baute, gibt es noch diverse andere Unternehmen, die einen Solar-Zaun im Angebot haben - bislang aber nicht mit den  hier behandelten bifazialen Modulen.

Zur weiteren Vertiefung des Themas verweise ich auf den exzellenten Artikel von Eva Goldschald mit dem pragmatischen Titel ,Solarzaun: Kosten, Hersteller und Genehmigungen’, der im Februar 2023 auf efahrer.chip.de veröffentlicht wird.

MP3ForLife

MP3ForLife

Im Mai 2017 berichten die Blogs über eine Initiative, bei der die deutsche gemeinnützige Organisation URIDU gGmbH - gegründet von der Psychologin Felicitas Heyne und ihrem Ehemann Marcel, einem Diplom-Betriebswirt - Frauen in ländlichen Gebieten in Entwicklungs- und Schwellenländern stärkt - und zwar mit einem kleinen, robusten, solarbetriebenen Audiogerät namens MP3ForLife, das grundlegende und lebenswichtige Informationen über Gesundheit, Kinderbetreuung, Familienplanung, Ernährung, Hygiene u.a. vermittelt. Ich denke, daß der Name der Organisation aus dem Arabischen stammt, denn uridu heißt dort nichts anderes als „ich will.“

Das sprachgesteuerte Gerät, das eine kleine Solarzelle auf der Rückseite hat, enthält die Antworten auf mehr als 400 häufig gestellte, relevante Fragen, die auf die Bedürfnisse von Analphabetinnen in ländlichen Gebieten ausgerichtet sind, von Experten geprüft und von rund 10.000 Muttersprachlern in mehr als 100 Sprachen übersetzt und aufgenommen wurden.

Das Gerät wird unter dem Slogan ,Press Play, Save Lives’ mit Hilfe lokaler NROs und anderer Agenturen kostenlos an die Frauen verteilt, wo es Einzelpersonen und kleinen Gruppen die Inhalte der sogenannten ,Uridupedia’ in ihrer eigenen Sprache vermitteln kann, die auch online auf uridu.com in Arabisch, Englisch, Französisch, Indonesisch, Spanisch, Swahili, Tagalog und Vietnamesisch verfügbar sind.

2019 ist die URIDU eine von neun Gewinner-Organisationen des SmartDevelopmentHack, ausgeschrieben vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), woraus ein vollständig vom Ministerium finanziertes Projekt mit dem Ziel entsteht, in der nächsten Zukunft 5 - 9 Mio. Frauen in Entwicklungsländern zu erreichen. Partner sind der Deutsche Lepra- und Tuberkulose-Hilfsverband (DAHW) und die GIZ Pakistan. Im Jahr 2022 wird die URIDU gGmbH in Audiopedia Foundation gGmbH umbenannt.

Solar-Sonnenbrille

Solar-Sonnenbrille

Eine Sonnenbrille, die Solarstrom produziert, wird im Mai 2017 von Forschern des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) präsentiert. Die als Produktstudie hergestellte Solarbrille mit farbigen, halbtransparenten organischen Solarzellen in den Glasflächen versorgt sich selbst mit Strom, um die Sonneneinstrahlung und die Umgebungstemperatur zu messen und anzuzeigen - was aber nur als Demonstration gedacht ist.

Die in ein handelsübliches Kunststoffgestell eingepaßten Solarzellen-Gläser sind jeweils 1,6 mm stark und etwa 6 g schwer - ähnlich wie die Gläser einer herkömmlichen Sonnenbrille. In den Bügeln sind ein Mikroprozessor und die beiden Displays untergebracht, auf denen sich die Information über Sonnenstärke und Temperatur in einer Balkengrafik ablesen läßt.

Die Solar-Brille funktioniert auch im Innenraum bei einer Beleuchtungsstärke von 500 Lux, die der einer üblichen Büro- oder Wohnraumbeleuchtung entspricht. Dabei produziert jedes der beiden Brillengläser etwa 200 µW elektrische Leistung, was ausreichen würde, um zum Beispiel ein Hörgerät oder einen Schrittzähler zu betreiben. Der Bericht des Teams um Prof. Alexander Colsmann und den Doktoranden Dominik Landerer trägt den Titel ,Solar Glasses: A Case Study on Semitransparent Organic Solar Cells for Self-Powered, Smart, Wearable Devices’.


Im September 2017 wird auf dem Caravan Salon in Düsseldorf ein vollelektrisch angetriebenes Reisemobil namens E.Home vorgestellt, das mit Solarenergie gespeist wird und dafür gedacht ist, Schauspieler am Set unterzubringen.

Angetrieben wird die rund 5,6 t schwere Studie des Herstellers Dethleffs im Allgäu von einem 108 PS starken Elektromotor, der es auf eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h beschleunigen kann. Seine Energie bezieht das E-Triebwerk aus drei Natrium-Nickelchlorid-Batterien, deren Reichweite bislang auf 200 km begrenzt ist. Dafür läßt sich das Elektromobil an einer herkömmlichen Haushaltssteckdose innerhalb von 24 Stunden komplett aufladen.

Da das E.Home komplett mit Strom betrieben werden soll, was auch für den Herd und Kühlschrank gilt, sind auf dem Dach und den Seiten des Fahrzeug auf einer Fläche von 31 m2 Dünnschicht-Solarzellen angebracht, die bis zu 3 kW Leistung generieren. Darüber hinaus besitzt das E-Mobil Latent-Wärmespeicher-Platten, die bei Temperaturen über 26°C Energie aufnehmen und bei kühleren Bedingungen wieder abgeben. In den Wänden, in Möbeln und im Boden befinden außerdem sich Flächen-Heizelemente, die mittels Infrarot-Technik für einen warmen Innenraum sorgen. Das Fahrzeug wird später mit dem European Innovation Award 2018 ausgezeichnet.


Im Jahr 2017 wird auch die finnische Firma Solar Foods Ltd. (o. Solar Foods Oy) als Hersteller von einzelligem Protein gegründet, um das weltweite Nahrungsmittelproblem zu lösen. Solar Foods entsteht aus einem wissenschaftlichen Forschungsprogramm des VTT Technical Research Centre of Finland und der Lappeenranta University of Technology, bei dem das Team eine Möglichkeit entdeckt, emissionsfreien Strom und abgeschiedenes CO2 in eßbare Kalorien umzuwandeln. Die Entwicklung wird hier aufgeführt, da sie energetisch auf der Nutzung von Photovoltaik basiert.

Solein

Solein

Die Forscher Pasi Vainikka und Juha-Pekka Pitkänen erkennen schnell, daß die Forschung so viel Potential hat, daß sie kommerziell genutzt werden sollte, und gründen das Start-Up Solar Foods, das 2018 seinen Betrieb aufnimmt. Hergestellt wird Solein, ein einzelliges Protein mit allen essentiellen Aminosäuren. Das mehlähnliche Produkt, das 2021 auf den Markt kommen soll, hat nicht nur einen hohen Proteingehalt von 50 %, sondern enthält auch 5 - 10 % Fett und 20 - 25 % Kohlenhydrate. Und es sieht es aus und schmeckt wie Weizenmehl.

Der gelbe Bakterienbrei wird hergestellt, indem Kohlendioxid aus der Atmosphäre extrahiert und mit Wasser, Nährstoffen und Vitaminen kombiniert wird. Anschließend kommt es zu einer natürlichen Gärung, die der von Milchsäurebakterien oder Hefe ähnelt. Für den Prozeß wird Elektrizität benötigt, wozu Ökoenergie in Form von photovoltaischem Strom des Partners Fortum genutzt wird, einem Energieversorger mit Sitz in Espoo.

Außerdem schafft es die saubere Technologie den ökologischen Fußabdruck von Nahrungsmitteln erheblich zu reduzieren. Um ein Kilogramm Solein zu erzeugen, sind 10 Liter Wasser notwendig – zum Vergleich: Soja braucht 2.500 Liter und Fleisch 15.500 Liter, wenn es gewöhnlich landwirtschaftlich angebaut wird.

Die Realisierung der zellulären Landwirtschaft erfordert jedoch wesentlich mehr Zeit als erwartet, und mit dem Bau der Factory 01 im finnischen Vantaa wird erst 2021 begonnen, nachdem der finnische Klimafonds 10 Mio. € in Solar Foods investiert. Insgesamt hat das Unternehmen damit bis zu diesem Zeitpunkt 35 Mio. € Venture Capital erhalten. Im April 2022 steigt auch der Pharmacy Pension Fund ein und investiert ebenfalls 10 Mio. €, und Ende Oktober erreicht die Firma einen wichtigen Meilenstein, als die Singapur Food Agency eine behördliche Zulassung für den Verkauf von Lebensmitteln auf Basis von Solein erteilt.

Die Großproduktion des „nachhaltigsten Proteins der Welt“ wird Mitte April 2024 aufgenommen, wobei die hochmoderne Anlage jährlich 160 t Solein produziert und als Firmenhauptsitz mit Küche und Showroom dient. Wichtig ist jetzt die Frage, wie schnell das Unternehmen in der Lage sein wird, zusammen mit Partnern aus Solein ,Clean Food’ und ,Clean Meat’ zu machen. Im Vorfeld hat Solar Foods bereits mehr als 20 Lebensmittel auf Basis von Solein hergestellt: Von Brot über Eis bis Fleisch.

Im September findet die Erstnotierung der Solar Foods Aktie an der Nasdaq First North Growth Market Finland ohne Ausgabe zusätzlicher Aktien statt. Neben namhaften Investoren wie Fazer, Lifeline Ventures und CPT Capital freuen sich mehr als 2.000 Aktionäre darüber.


Ein wesentlicher Konkurrent ist das Air Protein des gleichnamigen kalifornischen Start-Ups, das schon bei seiner ersten Finanzierungsrunde im Januar 2021 eine Summe von 32 Mio. $ in die Kasse bekommt, und zwar von GV (früher: Google Ventures), ADM Ventures und dem weltgrößten Händler von Agrarrohstoffen, Archer-Daniels-Midland. Mit den Geldmitteln will die Air Protein nun ein Innovationslabor gründen, um die Produktentwicklung und die Vermarktung der Produkte zu beschleunigen.

Air Protein

Air Protein

Die grundlegende Technologie ähnelt der von Solar Foods und basiert auf Forschungen der NASA in den 1970er Jahren, um Astronauten auf langen Weltraumreisen zu ernähren, indem Elemente in der Atemluft der Besatzung in Proteine umgewandelt werden. Der Prozeß geriet später in Vergessenheit und wurde erst von Lisa Dyson und John Reed wiederentdeckt und im Rahmen der 2011 gegründeten Firma Kiverdi Inc. zur Produktion von Talg verwendet.

Der erste Patent wird 2015 erteilt, und 2016 legt das Unternehmen den Machbarkeitsnachweis für die Herstellung von Protein aus der Luft vor. Anfang 2019 wird dann die Air Protein gegründet und kann bereits nach kurzer Zeit ,Luft-Fleisch’ produzieren.

Im Zentrum der inzwischen mehrfach ausgezeichneten Technologie stehen die Luft-Bestandteile Kohlendioxid, Sauerstoff und Stickstoff, wobei die Reaktoren hier mit Wind- und Sonnenenergie betrieben werden. Eine Aussage, wann das luftbasierte Fleisch auf den Markt kommen und was es kosten soll, gibt es bislang nicht.


Hierzu paßt die Information vom Juni 2021, daß ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universität Göttingen, an dem auch Kollegen des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie (MPI) in Potsdam, der Universität Neapel Federico II, des Weizmann Institute of Science in Rehovot und der Universität Tel Aviv beteiligt sind, eine Studie zur Erzeugung von mikrobiellem Protein veröffentlicht, das mit Strom aus Solarzellen erzeugt wird.

Das daraus entstehende eßbare Pulver ist reich an Proteinen und anderen Nährstoffen. Es könnte an Nutztiere verfüttert oder zu Nahrungsmitteln für den menschlichen Verzehr verarbeitet werden, wodurch sich die Notwendigkeit des Anbaus von Pflanzen verringert.

Für ihre Studie modellieren die Wissenschaftlern mikrobielle Lebensmittelproduktionsanlagen, analysieren den Energiebedarf für jeden einzelnen Schritt auf dem Weg dorthin und untersuchen verschiedene Anordnungen und Arten von Mikroben. In den modellierten Anlagen kommen erneuerbare Energiequellen zum Einsatz, um Kohlendioxid aus der Außenluft aufzufangen und mit Hilfe von Strom aus Solarzellen in Nahrung für Mikroben in einem Bioreaktor umzuwandeln. Diese wiederum produzieren die Biomasse, die dann zu Lebensmitteln verarbeitet werden kann.

Das Team findet heraus, daß für die Produktion von mikrobiellem Eiweiß pro Kilogramm nur 10 % der Anbaufläche von Sojabohnen benötigt wird. Auch der Wasserverbrauch ist geringer, und der Bedarf an Düngemitteln entfällt vollständig. Hinzu kommt, da Mikrobenfarmen auch Gebiete nutzen können, die für die herkömmliche Landwirtschaft nicht geeignet sind, wie etwa Wüsten. Die Modelle zeigen sogar, daß das System auch in höheren Breitengraden, wo nicht so viel Sonnenlicht zur Verfügung steht, noch effizient genug ist.

Die Studie mit dem Titel ,Photovoltaic-driven microbial protein production can use land and sunlight more efficiently than conventional crops’ ist im Netz vollständig einsehbar.

Solarzug vor Solarbahnhof

Solarzug vor Solarbahnhof

Im Dezember 2017 berichten die Blogs, daß ab Anfang des kommenden Jahres in Byron Bay, Australien,  der „erste zu 100 % solarbetriebene Zug der Welt“ über die Gleise gleiten wird. Die Byron Bay Railroad Co. hat hierfür einen 3 km langen Streckenabschnitt renoviert, einen historischen Zug restauriert und ihn mit einer 6,5 kW starken Solaranlage aus flexiblen Solarzellen ausgestattet. Mit dem Solarzug können 100 sitzende und weitere stehende Fahrgäste fahren, und es gibt Platz für Gepäck, Fahrräder und Surfbretter.

Die flexiblen SunMan-Solarpaneele auf den Waggondächern erzeugen Energie, die in einem 77 kWh Batteriesystem gespeichert wird, das zwischen den Fahrten auch über eine 30 kW Solaranlage am Hauptbahnhof aufgeladen werden kann. Die Batteriebank hat etwa die gleiche Kapazität wie ein Tesla Model S und kann mit einer Ladung 12 - 15 Fahrten absolvieren, da der Solarzug für jede Strecke nur etwa 4 kWh benötigt. Zudem gewinnt ein regeneratives Bremssystem bei jedem Bremsvorgang etwa 25 % der verbrauchten Energie zurück.

 

Das quantitative Jahresfazit lautet:

Die installierte PV-Leistung in Deutschland erreicht 2017 nach Angaben der Bundesnetzagentur knapp 43 GW, wobei der Zubau im Laufe des Jahres ca. 2,27 GW betragen hat.

International wird das starke Photovoltaik-Wachstum hauptsächlich von massiven Installationen in China angetrieben, wobei Bernreuther Research einen weltweiten Zubau von über 95 GW ausgeht, während andere Seiten von sogar 98 GW bzw. 100 GW sprechen.

 

Weiter mit der photovoltaischen Nutzung 2018...