links rechts

 

 

 

 

allTEIL C

Weltraum-Sonnensegel (4)

Eine weitere Technologie namens Starwisp geht auf den bereits erwähnten Robert L. Forward zurück. Hierbei wird ein winziges interstellares Raumflugzeug, eben das Starwisp, von Mikrowellen angetrieben, die von einem solarbetriebenen Satelliten in der Erdumlaufbahn ausgesendet werden. Das Hauptmerkmal der Starwisp-Sonde ist ihre niedrige Masse. In den Berechnungen von Landis hat das Netz eine Dichte von nur 100 kg/km2, besitzt eine Gesamtmasse von 1 kg plus eine Nutzlast von 80 g. Dafür weist die Sonde eine extrem hohe Beschleunigung von 24 m/s auf.

Das Raumflugzeug würde hauptsächlich aus einem mit Mikroschaltkreisen belegten Netzsegel mit 1 km Durchmesser bestehen, das die Mikrowellenstrahlung einfängt und in Vortrieb umsetzt. Die Strahlleistung würde bis zu 100 GW betragen und das Raumfahrzeug 20 % der Lichtgeschwindigkeit erreichen lassen. Hierbei würde wiederum eine Fresnel-Zone zur Bündelung der Mikrowellenstrahlen genutzt (s.o.).

Ebenfalls für interstellare Reisen angedacht ist der Einsatz eines großen Laser-Arrays von beispielsweise 1.000 km Durchmesser, das wie die Starwisp Mikrowellensender in einer engen Umlaufbahn um die Sonne plaziert ist, um dort die benötigte Energie für den Betrieb abzapfen zu können. Je nachdem, wie weit das Ziel entfernt ist, soll die Leistung des Lasers-Arrays bis zu 43.000 TW betragen. Zum Vergleich: Der Gesamtenergieverbrauch der Erde beträgt gegenwärtig etwa 1 TW.

Wie groß das entsprechende Segel sein müßte, hängt alleine vom Reiseziel ab. Für eine Reise zum nächsten Stern, Proxima Centauri, in einer Entfernung von etwa 4,3 Lichtjahren, würde ein Segel von etwa 117 km Durchmesser benötigt werden. Für eine Mission zu den äußeren Bereichen der Anwendbarkeit von Lichtsegel-Systemen, also rund 40 Lichtjahre, wäre ein Segel mit 936 km Durchmesser erforderlich. Beide Zahlen gehen von einer 1.000-Tonnen Nutzlast aus.

Und auch diese Technologie schlägt sich in der Science-Fiction nieder. In dem Roman The Annals of the Heechee von Frederik Pohl (1987) werden Starwisps erwähnt, die von einer schon lange toten Rasse von Aliens im Weltraum hinterlassen worden sind, in der Story Fade to Black von Robert Forward (1990) wird der Strahl von einem Solarenergiesatelliten verwendet, um eine Starwisp-Sonde anzuschieben, und der Roman Queen of Angels von Greg Bear aus dem gleichen Jahr beinhaltet eine Starwisp-Sonde, die Videos von einem Planeten zurücksendet, der besetzt werden könnte.

Eine besonders schöne Beschreibung findet sich in dem SF-Roman Saturn’s Children von Charles Stross (2008, dt.: Die Kinder des Saturn, 2009):

M2P2 steht in der Raumfahrt für das neue Antriebskonzept ‚Mini-Magnetospheric-Plasma-Propulsion’ – einer Variante des Sonnenwindseglers, die derzeit entwickelt wird. Beim M2P2-Antrieb erzeugen die Raumsonden eine eigene Magnetosphäre, die im Sonnenwind wie ein Segel wirkt. Ein Elektromagnet erzeugt dabei ein ähnliches Magnetfeld wie das Erdmagnetfeld, in das dann ionisiertes Helium injiziert wird. So entsteht eine magnetische Blase im Sonnenwind, der die Sonde aus dem Sonnensystem herauskatapultiert.

Stross erwähnt die Technologie zudem in seinem 2005 erschienenen SF Accelerando, wo ein Starwisp-Antriebssystem eine kleine Nutzlast zu einem hypothetischen braunen Zwergstern in drei Lichtjahren Entfernung treibt. Zudem werden Starwisps als kinetische Raketen gegen Kampfraumsschiffe eingesetzt. Und auch in der Serie The Corporation Wars von Ken Macleod (2016) taucht eine Starwisp-Sonde auf, die eine Nutzlast aus AIs, aufgezeichneten menschliche Persönlichkeiten und anderer Software zu einem Hunderte von Lichtjahren entfernten System trägt.

DE-STAR-Konzept Grafik

DE-STAR-Konzept (Grafik)


Im Februar 2013 wird ein Projekt der Professoren Philip M. Lubin von der University of California, Santa Barbara (UCSB) und Gary B. Hughes von der California Polytechnic State University (Cal Poly) bekannt, bei dem die Forscher ein massives System vorschlagen, um die Erde mit einem leistungsfähigen Solar-Laser vor gefährlichen Meteoren und Asteroiden zu schützen, indem diese innerhalb einer Stunde zerstört werden.

Unter dem Namen DE-STAR (Directed Energy Solar Targeting of Asteroids and exploRation) soll ein im wesentlichen auf aktuellen Technologien basierendes System entwickelt werden, bei dem ein großes, durch Sonnenenergie aufgeladenes Netzwerk aus Lasern rund um die Erde die potentiell bedrohlichen Gesteinsbrocken so stark erhitzt, bis diese zerplatzen oder verdampfen.

Das System wäre ebenso in der Lage, die Umlaufbahn von Asteroiden zu ändern – sie von der Erde weg oder in die Sonne zu lenken –, oder als Instrument zur Bestimmung der Zusammensetzung von Asteroiden genutzt zu werden, um die Chancen für einen Bergbau zu bewerten. Ein DE-STAR-1 wäre ein quadratisches Array mit 10 m pro Seite und ungefähr so stark wie Lockheeds neuester Laser (s.u. Elektrofluggeräte 2015), während am anderen Ende der Skala ein DE-STAR-4 steht, ein 70 GW Array, das eine Fläche von 100 km2 abdecken würde.

Im April 2015 veröffentlicht Lubin dann seinen Aufsatz ,A Roadmap to Interstellar Flight’, in welchem er vorschlägt, einen leistungsstarken Laserstrahl auf das Segel eines Fluggeräts zu richten, um dieses voranzutreiben. Der Antrieb per Laser sei zwar nicht leicht umzusetzen, ist technologisch aber durchaus machbar. Im Vergleich zu konventionellen Sonnensegeln, die alleine vom Rückstoß der von der Sonne ausgesandten Photonen beschleunigt werden, kann der wesentlich energiereichere Laserstrahl auch deutlich mehr Schub erzeugen.

Gemeinsam mit Kollegen der Experimental Cosmology Group an der UCSB hatte Lubin neue Antriebstechnologien analysiert und ist zu dem Schluß gekommen, daß sich mit der Laser-Methode des Space Sailing eine unbemannte, sehr leichte Sonde von der Größe eines Wafers, die mit einem 90 cm durchmessenden Segel ausgestattet ist, auf etwa ein Viertel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen läßt (~ 75.000 km/s). Zum nächstgelegenen Sternensystem Alpha Centauri, das etwa 4,34 Lichtjahre entfernt ist, bräuchte die Sonde somit etwa 20 Jahre.

Aber auch mit großen bemannten Raumschiffen sollen den Kalkulationen zufolge immerhin noch Geschwindigkeiten von 1.000 km/s möglich sein, womit ein Flug bis zum Mars nur noch einem Monat dauern würde. Die Laser, welche das Raumschiff permanent anschieben, würden um die Erde kreisen und ihre Strahlen auf das mit einem riesigen Segel bestückte Gefährt richten, das sich bereits im Weltall befindet. Ein Vorteil der Technologie ist, daß das ,Antriebssystem’ nahe der Erde bleibt und nicht im Raumschiff steckt – denn dies verringert den Energiebedarf, weil deutlich weniger Masse beschleunigt werden muß.

Das größte Problem bildet vermutlich der gigantische Energiebedarf der Laser. Solange es nur um wenige Gramm schwere, unbemannte Sonden geht, würde laut Lubins Kalkulationen ein DE-STAR 4 Laser mit 50 - 70 GW ausreichen. Derart energieintensive Laserstrahlen könnten diese binnen zehn Minuten auf rund 26 % der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, worauf die Sonde anschließend ohne weiteren Antrieb ungebremst durchs All rast – und schon nach 30 Minuten am Mars vorbeizieht, falls sie in dieser Richtung unterwegs ist. Ein schon wesentlich schwerer CubeSat (s.u.) würde aber auch nur 8 Stunden benötigen, um den Roten Planeten zu erreichen.

Ein weiteres, noch ungelöstes Problem wird dann bei Alpha Centauri auftreten, denn für eine genaue Untersuchung muß die Sonde ja abbremsen. Bei einer entsprechenden Nachfrage durch die Technik-Seite Inhabitat im Februar 2016 nennt Lubin die Möglichkeit eines Ionen-Motors, der von dem Hauptlaser im Erdorbit versorgt wird, da eine chemische Variante eine Menge Treibstoff erfordern würde.

Eine andere Möglichkeit sei, die Sonde mit einem ausfaltbaren Spiegel zu bestücken, der das Laserlicht von der Erde zurückstrahlt, ähnlich wie die Schubumkehr der Triebwerke bei einem Jet nach der Landung. Ich muß allerdings gestehen, daß ich diese Methode logisch nicht nachvollziehen kann. Ohne Bremsung würde die Sache auf eine Fly-by-Mission hinauslaufen, also auf einen ungebremsten Vorbeiflug mit einem nur sehr kurzen Fenster für Fotos.

Eine weitere Option für der Einsatz des DE-STAR Systems ist, einen anderen Laser in der Umlaufbahn um ein gewünschtes Ziel zu bauen, wie z.B. dem Mars, um dann mit Raumfahrzeugen Ping-Pong zu spielen. Zuallererst müssen die Physiker aber Geldgeber finden, um ihr futuristisches Antriebskonzept erst einmal praktisch untersuchen zu können. Nach den bisherigen Laborexperimenten, über deren Natur aber nichts zu erfahren ist, soll zunächst eine Klasse 0 DE-STAR (1 m, 1 kW) gebaut werden, gefolgt von einem Klasse 1 System (10 m, 100 kW) in den nächsten fünf Jahren.

Starshot-Laser Grafik

Starshot-Laser
(Grafik)


Im April 2016 überschlägt sich die Presse dann mit Meldungen über ein neu vorgestelltes Projekt mit dem Namen Breakthrough Starshot, das der russische Milliardär Jurij Milner ins Leben ruft – und dabei öffentlichkeitswirksam den Physiker Stephen Hawking auf’s Podium rollt.

Milner, der auch den hoch dotierten ,Breakthrough Prize’ sowie das Projekt ,Breakthrough Listen’ finanziert, bei dem nach außerirdischen Radiosignalen gesucht wird (ebenfalls mit Hawking als Berater), will in den kommenden Jahren 100 Mio. $ in die neue Initiative stecken – bei der nichts anderes als Lubins Konzept umgesetzt werden soll, mit einigen Änderungen. Geleitet wird das Projekt von Pete Worden, dem ehemaligen Direktor des AMES-Forschungszentrums der NASA.

Die ultraleichten Sonden, die StarChip genannt werden und im Grunde nur aus einem kleinen Computer, Solarzellen, einem Funksender, Sensoren, Batterien und einer Kamera bestehen, sollen dem aktuellen Konzept zufolge durch eine Armada von Lasern angetrieben werden, die auf einem möglichst trockenen Ort in großer Höhe auf der Erde errichtet werden. Hier kann die Leistung viel leichter als im Orbit bis auf 100 GW ausgebaut werden, auch wenn zu Beginn nur wenige Gigawatt ausreichen würden.

In die Erdumlaufbahn gebracht werden die Mini-Raumschiffe an Bord von Raketen. Dort angekommen wird das Lichtsegel aufgefaltet, und die Beschleunigung per Laser kann beginnen. Weil pro Sonde wohl nur ein paar Minuten Laserbeschuß reichen, könnten nach und nach ganze Flotten von Kleinstraumschiffen zu interstellaren Reisen aufbrechen.

Bereits im Juni 2016 folgen Meldungen, demnach noch in diesem Sommer 100 Stück der nun Sprites genannten Minisonden in einem Projekt namens Kicksat-2 zur Internationalen Raumstation gebracht werden sollen, wo ein paar Tage lang ihre Navigations-Hardware und Kommunikationssysteme geprüft werden, bevor die Sonden in der Atmosphäre verglühen. Das Projekt wird von den Ingenieuren Zachary Manchester und Mason Peck der Cornell University geleitet, die auch im Beratungsausschuß von Breakthrough Starshot sitzen. Es läßt sich allerdings nicht verifizieren, ob auch hier Segel eingesetzt werden.

Chipsat

Chipsat

Die Sprites und die Chipsat-Technologie, auf der sie basieren, wird seit 2010 von der amerikanischen Nonprofit-Forschungs- und Entwicklungsorganisation Draper Laboratory mit Sitz in Cambridge, Massachusetts, entwickelt. Im Jahr 2011 werden drei der Sprites der ersten Generation an der Außenseite der ISS befestigt, wo sie eine kräftige Strahlendosis aufnehmen. Zur Freude der Beteiligten funktioniert die handelsübliche Hardware immer noch, als Astronauten die Geräte einige Jahre später wieder abmontieren.

Im April 2014 wird dann als erster großer Test der Technik der 5,5 kg schwere Kicksat-1 in die Umlaufbahn gestartet, der über die Plattform kickstarter.com finanziert worden ist – wo statt der benötigten 30.000 $ tatsächlich 74.586 $ zusammengekommen sind. Der dem U3 CubeSat Standard entsprechende Technologieerprobungs- und Amateurfunksatellit kann bis zu 128 Sprite-Femtosatelliten mitführen Tatsächlich sind aber nur 104 Stück an Bord, die 16 Tage nach dem Start zeitgesteuert durch Federwirkung ausgestoßen werden sollten.

Obwohl der Satellit im Orbit erfolgreich Datenpakete sendet, erreicht die Energieversorgung nicht die erforderliche Spannung, um den Empfänger an Bord in Betrieb zu nehmen. Zudem wird der Container vermutlich von einem Ausbruch kosmischer Strahlung getroffen und kann seine Ladung aus 104 Sprites nicht aussetzen, fällt in die Atmosphäre zurück und verglüht samt Inhalt.

Mit dem ebenfalls durch Crowdfunding finanzierten Kicksat-2, der 100 Stück der kleinen Satelliten mit sich führen wird, versuchen es Manchester und seine Mitarbeiter nun ein zweites mal. Ein wichtiges Ziel ist es, das Kommunikationssystem der Sprites zu testen, das auf einem Protokoll namens Code Division Multiple Access (CDMA) - die gleiche Technik, mit der ein Mobiltelefonturm über dieselbe Funkbandbreite Hunderte von einzelnen Geräten anspricht. Mit den einzelnen Sprites auf diese Weise kommunizieren zu können, ist ein kritischer Schritt zur Verfolgung von Schwärmen kleiner Raumfahrzeuge auf einer Weltraummission.

Einige der 4 g schweren Sprites auf Kicksat-2 enthalten auch eine winzige Drahtschleife, die ein kleines Magnetfeld erzeugt, wenn ein Strom durch sie hindurchgeleitet wird. Dies macht den ganzen Satelliten grundsätzlich zu einer Kompaßnadel, so daß man ihn zum Lenken nach dem Magnetfeld der Erde ausrichten kann. Für interstellare Reisen sollen die Satelliten aber noch auf ein Viertel ihrer gegenwärtigen Größe geschrumpft werden, denn je kleiner die Satelliten sind, desto weniger gigantisch muß das Laser-Antriebssystem sein.


Da solche Nano-Raumschiffe aber viel zu empfindlich wären, um jahrzehntelange Reisen unbeschadet zu überstehen, steigt – wie Meldungen im Dezember 2016 zu entnehmen ist – nun auch die NASA bei dem Breakthrough Starshot Projekt ein und entwickelt gemeinsam mit dem Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) Methoden, mit denen sich der Chip unterwegs selbst heilen kann.

Neben den Ansätzen, das Raumschiff mit eine Schild zu umgeben, was diesem unnötig viel Gewicht hinzufügen würde, oder einen möglichst gefahrlosen Kurs zu wählen, der die Missionszeit allerdings deutlich verlängern würde, gibt es noch eine dritte Methode, auf die sich die Wissenschaftler nun konzentrieren.

Bei dem ,radiation-aware circuit design’, das auf Strahlung reagieren kann, nutzen die Forscher statt herkömmlichen Transistoren einen sogenannten ,gate-all-around’ Nanodraht-Transistor (GAA FET) mit einer winzigen 20-Nanometer-Struktur, der vom KAIST entwickelt wurde. Dieser Schaltkreis reguliert den Elektronenfluß und erzeugt innerhalb von 10 Nanosekunden eine Temperatur von mehr als 900°C, was den Leistungsabfall durch Strahlung, mechanischem Streß und Alter wieder reparieren kann.

Getestet wurde das System bereits in drei verschiedenen Komponenten mit kritischer Bedeutung das Nano-Raumschiff: einem Mikroprozessor, einem DRAM-Speicher und einem Flash-Speicher zur Datensicherung. Dabei erwies sich das System als geeignet, die Lebensdauer aller drei Komponenten zu verlängern und wiederholt mit auftretenden Defekten klarzukommen. Der Flash-Speicher konnte 10.000 mal repariert werden, bei dem DRAM gelang dies sogar unglaubliche 1012 mal. Zudem zeigten sich die Nanodraht-Transistoren als besonders widerstandsfähig gegenüber kosmischer Strahlung.

Exo-brake Grafik

Exo-brake (Grafik)


Die Fachpresse berichtet Anfang März 2015 über ein Projekt der San Jose State University (SJSU) in Kalifornien und der University of Idaho (UI) in Moscow, Idaho, unter der Leitung von Marcus Murbach am Ames Research Center der NASA, bei dem ein CubeSat mit einer Fallschirm-ähnlichen Bremse namens Exo-brake getestet wird, mit der Satelliten verlangsamt werden sollen, um wieder sicher in die Erdatmosphäre einzutreten. Das auch als selbststabilisierender, exosphärischer Rückkehrmechanismus bezeichnete System nutzt einen Bremsschirm mit einer Fläche von etwa einem Quadratmeter pro Kilogramm der Satellitenmasse.

Die Motivation dahinter betrifft Proben, die von der ISS zurück zur Erde geschickt werden sollen. Oft muß monatelang gewartet werden, bis eine Mannschaft oder eine Frachtkapsel in der richtigen Richtung unterwegs ist. Viele Wissenschaftler möchten daher ein billigeres, einfacheres System, das Proben häufiger oder sogar auf Anfrage zurücksenden kann. Dies könnte zwar mit kleinen Wiedereintrittskapseln geschehen, die mit Bremsraketen ausgerüstet sind. Angesichts der Gefahr, die solche Raketen an Bord der Raumstation bilden, bevorzugt die NASA verständlicherweise ein System, das überhaupt keinen Treibstoff benötigt.

Der TechEdSat-4 (Technical and Educational Satellite) ist der vierte einer Serie von Kleinsatelliten, die von einer Gruppe von Studenten entwickelt wird. Das passive Bremssystem wurde bereits im August 2013 beim TechEdSat-3 getestet, der in Januar 2014 in der Erdatmosphäre verglühte, während der neue U3 CubeSat eine Version der zweiten Generation trägt. Gebaut wird der etwa 2,2 kg schwere Kleinsatellit aus Standardkomponenten und zu Kosten von weniger als 50.000 $.

Der TechEdSat ist auch der erste Satellit, der von der ISS mit dem NanoRacks Deployer ausgesetzt wird. Nach dem Öffnen des Bremsschirms geht er auf seine aktuelle Umlaufbahn, um vier Wochen lang Kommunikation- und Telemetrieversuche durchzuführen. Der nächste Satellit in der Serie, der TechEdSat-5, wird eine Exo-Bremse haben, die sich selbst rekonfigurieren kann, so daß er einen kontrollierten Wiedereintritt machen kann.


Im Mai 2015 berichten die Blogs über eine Zufallsentdeckung, die Yongsheng Chen und seine Kollegen an der chinesischen Nankai University in Tianjin machen, als sie mit Hilfe eines Lasers einen mehrere Zentimeter großen Schwamm aus zerknitterten Graphenoxid-Blättern zerschneiden und dabei verblüfft feststellen, daß das Material von dem Laser auf mysteriöse Weise nach vorne bewegt wird.

Als das Graphene – nur ein Atom dicke Blätter aus Kohlenstoff – dann in einer Vakuumkammer erneut einem Laserbeschuß unterschiedlicher Wellenlänge und Intensität ausgesetzt wird, schiebt dieser den Schwamm um bis zu 40 cm vorwärts. Es gelingt sogar, das Graphen durch die Konzentration gewöhnlichen Sonnenlichts mit einer Linse zu bewegen.

Obwohl sich die Wissenschaftler nicht sicher sind, warum dies geschieht, eröffnet die Erkenntnis, daß Graphene Licht in Bewegung verwandeln kann, aufregende neue Möglichkeiten für lichtbetriebene Raumsonden, die keinen Brennstoff benötigen. Eine Erklärung könnte sein, daß das Graphen die Laserenergie absorbiert und eine Ladung aus Elektronen aufbaut. Schließlich kann es diese nicht mehr halten, worauf Elektronen freigesetzt werden und den Schwamm in die entgegengesetzten Richtung drücken. Was aber noch nicht erklärt, warum die Elektronen konzentriert in eine Richtung und nicht nach dem Zufallsprinzip wegfliegen. Ein Lichtantrieb nach dieser Methode würde jedenfalls wesentlich mehr Vortrieb als die bisherigen Sonnensegel erreichen.


Am 30. Juni 2015 wird übrigens der erste offizielle Asteroid Day zelebriert, die u.a von dem Queen-Gitarrist und Astrophysiker Brian May mitbegründet wird - zum Gedenken an das Tunguska-Ereignis am selben Tag des Jahres 1908.


Nikolaos Perakis
und Andreas M. Hein von der Technischen Universität München stellen im Januar 2016 eine Kombination von magnetischem und elektrischem Segel vor (,Combining Magnetic and Electric Sails for Interstellar Deceleration’) um ein Raumfahrzeug abzubremsen, wenn es sein Zielsternsystems erreicht. Die Kombination der Segel kompensiert dabei jede technologische Unzulänglichkeit: Ein magnetisches Segel ist bei höheren Geschwindigkeiten effektiver als das elektrische Segel und umgekehrt. Das magnetische Segel nutzt die Ablenkung der interstellaren Materie über ein Magnetfeld, um das Raumfahrzeug zu verzögern.

Um zum Beispiel ein Raumfahrzeug mit einer Gesamtmasse von 8.250 kg von 5 % der Lichtgeschwindigkeit auf interplanetare Geschwindigkeiten zu bremsen, benötigen beide Segel zusammen etwa 29 Jahre, während das elektrische Segel alleine 35 Jahre, und das magnetische Segel alleine etwa 40 Jahre brauchen würde.

Im Rahmen des Projekts Dragonfly, initiiert von der Initiative of Interstellar Studies (i4is), soll in zukünftigen Arbeit untersucht werden, wie der parallele Betrieb von beiden Systemen, statt einzeln, die Leistung beeinflussen würde. Darüber hinaus müssen Unsicherheiten in der Dichte der interstellaren Materie und die spezifischen Eigenschaften der Segel untersucht werden.


Im Rahmen der 2001 begonnenen Satellitenreihe CanX (Canadian Advanced Nanospace eXperiment) der University of Toronto in Kanada startet im September 2016 zusammen mit sieben weiteren und größeren Satelliten der CubeSat CanX-7 (o. NLS-19) in den Orbit. Während der ersten sieben Monate seines Lebens nutzt der nur 3,5 kg schwere Nanosatellit der Größe 3U seinen automatischen Dependent Surveillance Broadcast (ADS-B) Empfänger, um Flugzeuge zu verfolgen und Daten zu sammeln.

Im Mai 2017 wird die zweite Phase eingeleitet, für welche der CanX-7 vier ausklappbare Segel mit einer Fläche von jeweils ca. 1 m2 trägt. Diese sollen als Schleppsegel die Verweildauer des Kleinsatelliten in der Erdumlaufbahn verkürzen und ihm helfen, schneller auf die Erde zu fallen. Das System soll zeigen, wie sich Raumfahrzeuge selbst entsorgen können, wenn ihre Mission beendet ist, um weiteren Weltraummüll zu vermeiden. Betont wird, daß das kompakte System, das nun ohne Probleme in Betrieb genommen wird, die Hauptaufgabe des Satelliten nicht gestört hatte.

Das Verlangsamen bis zum Verbrennen in der Erdatmosphäre kann noch ein paar Jahre dauern, ist aber trotzdem viel besser als die projizierte Zeitlinie von Jahrhunderten, die es andernfalls wären.


In einem im Februar 2017 erschienen Artikel (,Fast Radio Bursts from Extragalactic Light Sails’) legen die beiden Harvard-Wissenschaftler Manasvi Lingam und Avi Loeb die Theorie vor, daß die erstmals im Jahr 2007 beobachteten sogenannten kurzen Radioblitze (Fast Radio Bursts, FRB), für deren Ursprung es noch keine befriedigende Erklärung gibt, möglicherweise auf ein interstellares Antriebssystem zurückzuführen sind.

Die Forscher, deren Arbeit von der Breakthrough Initiative finanziell unterstützt wurde, berechnen, wie viel Energie nötig wäre, um solch einen Sender anzutreiben, dessen Signale auch noch weit außerhalb einer Galaxie registriert werden könnten, und kommen zu dem Ergebnis, daß das Sonnenlicht ausreichend sei, das auf eine Fläche falle, die doppelt so groß wäre wie die der Erde. Solch eine Konstruktion liege zwar weit außerhalb unserer gegenwärtigen Möglichkeiten, sei aber vorstellbar und widerspreche auch keinen physikalischen Gesetzen.

Die plausibelste Erklärung für solch einen Sender sei daher ein interstellares Antriebssystem für Sonnensegel-Raumschiffe. Die Energie sei ausreichend, um ein Raumschiff mit einer Masse von einer Million Tonnen auf interstellare Reisen zu schicken. Für die nötige Beschleunigung müßte der Sender konstant das Raumschiff anvisieren – während wir das Signal aufgrund von dessen Bewegung relativ zur Erde nur als kurzen Blitz registrieren. Vor allem sich wiederholende Blitze könnten deswegen entscheidende Hinweise auf einen künstlichen Ursprung liefern.


Im Januar 2017 stellen die deutschen Wissenschaftler René Heller und Michael Hippke als Ergebnis von Computersimulationen einen Bremsmechanismus für eine Mini-Sonde vor. Ihre Idee basiert darauf, die Strahlung der Sterne im Alpha-Centauri-System zu nutzen, um das Gefährt gezielt zu entschleunigen. Dafür muß das Sonnensegel der Sonde allerdings genau ausgerichtet sein.

Das Sonnensegel-Exemplar, mit dem die Rechnung gemacht wurde, ist 100.000 m2 groß – was einem Quadrat mit gut 316 m Seitenlänge entspricht – und soll weniger als 100 g wiegen. Wenn die hypothetische Sonde mit einer Geschwindigkeit von 13.800 km/s unterwegs ist, also 4,6 % der Lichtgeschwindigkeit, müßte sie sich der Rechnung zufolge dem Stern bis auf etwa vier Millionen Kilometer nähern, um abgebremst zu werden.

Majak Grafik

Majak
(Grafik)


Mitte Juli 2017 startet an Bord einer Sojus-2.1a-Rakete – zusammen mit 72 anderen Satelliten – der russische CubeSat Majak (Leuchtturm), der ein pyramidenförmiges Segel mit stark reflektierender Folie mit sich trägt. Der von Studenten der Moscow State Mechanical Engineering University (MAMI) um den Projektleiter Alexander Shaenko entwickelte und über eine Crowdfunding-Kampagne mit mehr als 57.000 € finanzierte, ca. 3,6 kg schwere Minisatellit soll das Segel als Solarreflektor nutzen, was ihn zeitweise zum zweithellsten Objekt am Nachthimmel machen wird.

Bei dem ursprünglich schon für 2016 geplanten Projekt geht es um Weltraumschrott und darum, mit einfachen Mitteln maximale Effekte zu erzielen. Die als Schrott geltenden Objekte sollen mit Hilfe von Fallschirmen soweit gebremst werden, daß sie von der Erdanziehung in die Atmosphäre gezogen werden und verglühen. Dies könnte tatsächlich funktionieren, weil es in 600 km Höhe, wo viele erdnahe Satelliten kreisen, noch ein kleines bißchen Luft zum Bremsen gibt – was Mayak nun beweisen soll.

Das Segel aus PET besteht aus vier Dreiecken mit einer Kantenlänge von jeweils 2,7 m und ist mit einer dünnen, stark reflektierenden Schicht überzogen. Ist das insgesamt 16 m2 große, Tetraeder-förmige Segel einmal entfaltet, wird es von der Erde so aussehen, als ob der Satellit blinkt, da Mayak um die eigene Achse rotiert. Klappt der Plan, wird das Segel den Satelliten soweit abbremsen, daß er nach einigen Wochen in die Atmosphäre eintritt und dadurch ‚entsorgt‘ wird.

Im August müssen die Verantwortlichen allerdings das Scheitern des Prototyps bekannt geben. Demnach habe sich der Schirm offenbar aufgrund eines technischen, Konstruktions- oder Designfehlers nicht entfaltet. Auch eine Beschädigung des Satelliten während des Starts wird nicht ausgeschlossen. Ob das Projekt weiterverfolgt wird, ist derzeit noch ungewiß.


Fallkapsel des ZARM


Im November folgt ein Bericht von Forschern der Technischen Universität Delft in den Niederlanden, die ein Segel aus Graphen entwickelten, das sie von dem Spezialunternehmen Graphenea aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts bezogen haben. Das aus Santiago J. Cartamil-Bueno, Rocco Gaudenzi, Davide Stefani und Vera Janssen bestehende GrapheneX-Doktorandenteam hatte seinen Experiment-Vorschlag im Oktober 2016 erfolgreich beim ‚Drop Your Thesis‘-Programm von ESA Education eingereicht – und kann nun im 146 m hohen ZARM-Fallturm der Universität Bremen testen, ob es sich tatsächlich als Segel verwenden läßt.

Hierzu wird ein Stückchen Graphen von nur 3 mm Durchmesser gemeinsam mit einer Kamera und einem Laser in eine Kapsel gesteckt. Im Inneren des Turms befindet sich ein senkrechtes Rohr, in dem ein Hochvakuum herrscht. Insgesamt fünf mal wird die Kapsel in diesem Rohr an die Spitze befördert, um dann im freien Fall auf den Boden der zurückzufallen. Dabei herrscht im oberen Bereich für genau 9,3 Sekunden Schwerelosigkeit, ähnlich wie die Mikrogravitation bei einem Parabelflug.

Sobald sich das Segel im freien Fall befindet – wodurch die Auswirkungen der Schwerkraft effektiv eliminiert werden – richten die Forscher eine Reihe von Lasern auf das Segel. Um den genauen Mechanismus zu untersuchen, wie der Impuls vom Licht auf das Graphen übertragen wird, setzt das Team verschiedenfarbige Laser ein. Der Strahlungsdruck eines 1 W Lasers läßt die Graphen-Membran um bis zu 1 m/s2 beschleunigen, ähnlich der Beschleunigung eines Büroaufzugs, und bewegt das Segelstückchen um etwa 2 mm.

Obwohl das GrapheneX-Experiment damit abgeschlossen ist, plant das Team weitere Tests als Teil eines neuen und ehrgeizigen Forschungsprojekts, um den Einfluß des Strahlungsdrucks auf Graphen-Lichtsegel weiter zu erforschen. Die Firma Graphenea ist übrigens ein Partner des von der Europäischen Kommission finanzierten ‚Graphene Flagship‘, das mit einem Budget von 1 Mrd. € eine neue Form der gemeinsamen, koordinierten Forschung in einem noch nie dagewesenen Ausmaß darstellt und die größte europäische Forschungsinitiative aller Zeiten bildet.

Im Mai 2020 kommt das Thema Graphen wieder auf den Tisch, als das von Cartamil-Bueno Ende 2018 gegründete, in Estland und Deutschland tätige Forschungsunternehmen SCALE Nanotech im Rahmen des ESA-Business-Inkubator-Programms nach kommerziellen Partnern sucht, um das System zu skalieren und im Orbit zu testen. Ein Bericht mit dem Titel ‚Light-induced propulsion of graphene-on-grid sails in microgravity‘, an dem neben Cartamil-Bueno auch Gaudenzi und Stefani beteiligt sind, erscheint im September 2020.


Ebenfalls im November 2017 veröffentlicht der deutsche Physiker Prof. Claudius Gros von der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main eine im Netz einsehbare Untersuchung über magnetische Segel zur Impulsbremsung interstellarer Raumsonden im Grenzbereich von verdünnten interstellaren Medien (‚Universal scaling relation for magnetic sails: momentum braking in the limit of dilute interstellar media‘).

Das von Gros vorgeschlagene Segel besteht aus einer supraleitenden Schleife, die bis zu einem Durchmesser von etwa 50 km entfaltet werden kann. In ihr wird ein verlustfreier Strom induziert, um in der Mitte der Schleife ein starkes Magnetfeld zu erzeugen. Die durch diese Schleife hindurchtretenden geladenen Teilchen – ionisierter Wasserstoff im interstellaren Medium – würden von dem Magnetfeld reflektiert und das sich mit etwa 60.000 km pro Sekunde bewegende Raumschiff dadurch allmählich verlangsamt werden.

Den Berechnungen zufolge müßte die Sonde allerdings weniger als 1.500 kg wiegen und sich weitaus langsamer fortbewegen als mit den in ähnlichen Projekten vorgeschlagenen 20 % der Lichtgeschwindigkeit. In Betracht käme z.B. eine Reisegeschwindigkeit von 1.000 km/s, was 0,3 % der Lichtgeschwindigkeit entspricht. Dabei könnten die langsam fliegenden Sonden von der Größe eines Autos mit demselben Laser gestartet werden, der die nur wenige Gramm leichten Hochgeschwindigkeits-Raumsonden des o.e. Projekts Breakthrough Starshot bis zu Alpha Centauri schicken soll.


Eine Gruppe um Xiangfeng Duan an der University of California in Los Angeles berichtet im Februar 2019 über ein neu entwickeltes Aerogel, das schnelle Temperaturwechsel zwischen minus 198°C und plus 900°C schadlos übersteht und damit gut geeignet für den Einsatz im Weltraum sei.

Die Basis des porösen Materials, das zu mehr als 99 % aus Luft besteht, sehr stark dämmt und extrem leicht und elastisch ist, besteht aus Bornitrid, eine Bor-Stickstoff-Verbindung, die wabenförmige Strukturen bilden kann. Diese schon sehr stabilen, flachen Strukturen werden in ein dreidimensionales, netzartiges Gebilde eingebunden, wodurch sich das Material sehr gut plastisch verformen läßt.

Daß es so gut dämmt, wird auf drei Hauptfaktoren zurückgeführt: Erstens ist durch die sehr geringe Dichte des Materials die Wärmeleitung im Feststoff reduziert. Zweitens existieren in der Bornitrid-Struktur Brüche im Bereich von Nanometern, welche diese die Wärmeleitung behindern. Und drittens sind die Porenwände als Doppelwände ausgestaltet und dämmen dadurch ähnlich wie Doppelglasfenster.

Um die Wirkung thermischer Schocks auf das Material zu testen, entwickeln die Forscher eine besondere Röhre, deren eines Ende in einem Ofen steckt, während ihr anderes mit flüssigem Stickstoff auf minus 198°C gekühlt wird. Durch Luftstöße wird dann eine Probe zwischen den beiden Enden hin- und hergeschickt. Dabei ergeben sich Temperaturwechsel von etwa 275°C pro Sekunde, die trotzdem kein Problem für das neue Aerogel bilden.

Das neue Material bietet zudem zwei weitere Vorteile: Es dehnt sich bei größerer Wärme nicht aus, sondern zieht sich etwas zusammen. Zum anderen besitzt es eine negative sogenannte Poissonzahl: Das heißt, wird es seitlich gezogen, wird es nicht flacher, sondern dehnt sich nach oben und unten aus. Die Forscher können sich daher gut vorstellen, daß das Material für ein Lasersegel geeignet sein könnte.

LightSail 2 Grafik

LightSail 2
(Grafik)


Im Juni 2019 macht das weiter oben vorgestellte LightSail-Projekt der Planetary Society den nächsten Schritt, als der Kleinsatellit LightSail 2 an Bord einer SpaceX Falcon Heavy-Rakete gestartet wird, der neben seinen Kameras und Kommunikationsausrüstungen mit einem 32 m2 großen Mylar-Solarsegel ausgestattet ist. Der CubeSat, der als Machbarkeitsnachweis für den Segeleinsatz dient, wird zwar in der Erdumlaufbahn bleiben, soll aber mit Hilfe der Sonnenphotonen weiter nach außen geschoben werden, wodurch sich die Form seiner Umlaufbahn ändert.

Zur Erinnerung: Der erste LightSail startete im Mai 2015 mit einer ähnlichen Mission, aber das Ziel war damals nur, das Segel zu entfalten, nicht es zu benutzen.

Der LightSail 2 befindet sich in einem koffergroßen, von Studenten der Georgia Tech gebauten Raumschiff namens Prox-1, das etwa 80 Minuten nach dem Start in einer kreisförmigen Umlaufbahn in einer Höhe von 720 km ausgesetzt wird. Exakt eine Woche nach dem Start öffnet Prox-1 seine Luke und setzt den LightSail 2 frei, der daraufhin seine Antenne ausfährt und die Kommunikation mit dem Bodenteam aufnimmt.

Fünf Tage später werden die Solarpaneele ausgefahren, und rund zwei Wochen nach dem Start entfaltet sich schließlich das Sonnensegel, indem die vier 4 m langen Ausleger aus einer Kobaltlegierung von ihrer zentralen Spindel ausfahren. Die Ausleger wickeln sich wie Zimmermannsbandmaße ab und sind an vier dreieckigen Segelabschnitten befestigt, die zusammen das quadratische Sonnensegel bilden.

Der Kleinsatellit paßt den Winkel des Segels während seiner Umkreisung wiederholt an, so daß die Fläche der Lichtquelle zugewandt ist, wenn sich das Objekt von der Sonne wegbewegt, und dann seitlich angewinkelt wird, wenn es auf die Sonne zuschwenkt. Dies geschieht, indem das Raumfahrzeug auf jeder Erdumlaufbahn zwei 90°-Drehungen ausführt, die durch ein Drehimpulsrad umgesetzt werden – d.h. ein Schwungrad, das sich um eine einzige Achse dreht. Die mehrfache Wiederholung dieses Vorgangs sollt die Umlaufbahn so verändern, daß sich das Segel anschließend auf einer höheren Höhe befindet als zu Beginn.

Die Änderungen in der Umlaufbahn werden vom Boden aus mit einem Netzwerk von Lasern gemessen. Diese werden auf den CubeSat gelenkt und prallen an einer Gruppe von Spiegeln an seiner Unterseite ab, so daß die Wissenschaftler feststellen können, wie lange es dauert, bis das Licht zu ihnen zurück reflektiert wird. Damit kann gemessen werden, wie stark sich die Umlaufbahn verändert. In den nebenstehenden Grafik zeigt die rote Linie den Steuerungsbefehl der Segelausrichtung, während die schwarze die tatsächlich gemessenen Winkelstellungen innerhalb mehrerer Stunden darstellt.

LightSail 2 Winkelsteuerung Grafik

LightSail 2 Winkelsteuerung
(Grafik)

Der gesamte Prozeß wird die 90-minütige Umlaufbahn von LightSail 2 elliptischer machen und die tiefsten Punkte der Umlaufbahn näher an die Erdatmosphäre bringen. Schließlich wird der atmosphärische Luftwiderstand den Photonenschub aufheben, wodurch die experimentelle Phase der Mission beendet wird. LightSail 2 wird den Planeten danach noch etwa ein Jahr lang umkreisen, bevor er letztlich wieder nach unten gezogen wird und beim Wiedereintritt verglüht.

Schon eine Woche nach Entfaltung des Segels kann die Planetary Society bestätigen, daß das Raumschiff innerhalb der vier davor liegenden Tage seinen orbitalen Hochpunkt von 726 km um etwa 2 km angehoben hat, während sein tiefster Punkt um eine ähnliche Distanz gesunken ist. Zwei Wochen nach Öffnen des Segels ist es dem Raumschiff bereits gelungen, sein Apogäum auf 729 km zu erhöhen.

Am bisher besten Tag hebt das Raumschiff seinen Gipfelpunkt um etwa 900 m an und zeigt damit die tatsächliche Effektivität dieses vielversprechenden neuen Antriebsmittels – das Hauptziel des Programms. Die Planetary Society präsentiert die ersten Ergebnisse im August auf dem 5. International Symposium on Solar Sailing (ISSS) in Aachen, Deutschland.


Die Ergebnisse des LightSail 2 werden auch der ebenfalls weiter oben erwähnten NEA-Scout-Mission der NASA zugute kommen, die einen mit einem Sonnensegel angetriebenen CubeSat starten will, um bereits im nächsten Jahr einen erdnahen Asteroiden zu besuchen.

Im Rahmen dieses Projekts wird Ende Juni 2018 in einem geschlossenen Reinraum in der NeXolve-Anlage in Huntsville, Alabama, ein erfolgreicher Entfaltungstest des Sonnensegels durchgeführt, das auf der bislang noch nicht terminierten Explorationsmission-1 (EM-1) starten wird. Ein im Netz einsehbarer Bericht über die Ergebnisse des Versuchs erscheint im Juli 2019 (‚Lessons Learned from the Flight Unit Testing of the Near Earth Asteroid Scout Flight System‘).


Im Juni 2020 veröffentlicht ein Team um Prof. Reinhard Dörner und seinen Doktoranden Sven Grundmann an der Goethe-Universität in Frankfurt einen Bericht unter dem Titel ‚Observation of Photoion Backward Emission in Photoionization of He and N2‘, in welchem sie eine 90 Jahre alte Theorie bestätigen.

Wie diese ganze Kapitelteil belegt, übt Licht auf einen Körper einen gewissen Druck aus, weshalb Sonnensegel auf diese Weise künftige Raumsonden antreiben sollen. Physikalisch und intuitiv kann der Licht- oder Strahlungsdruck mit den Teilcheneigenschaften von Licht erklärt werden: Die Lichtteilchen (Photonen) prallen auf die Atome eines Körpers und übertragen einen Teil ihres eigenen ‚Schwungs‘ (physikalisch: Impuls = Masse mal Geschwindigkeit) auf den Körper, der dadurch schneller wird.

Als Physiker im 20. Jahrhundert diese Impuls-Übertragung allerdings im Labor in Experimenten mit Photonen bestimmter Wellenlängen untersuchten, die aus Atomen einzelne Elektronen herausschlugen, stießen sie auf ein überraschendes Phänomen: Der Impuls des herausgeschlagenen Elektrons war größer als der des ankommenden Photons. Anders ausgedrückt: Wenn ein Photon auf ein einzelnes Molekül trifft und aus diesem ein Elektron herausschlägt, so fliegt das Molekül der Lichtquelle entgegen.

Dies ist eigentlich unmöglich, denn seit Isaac Newton ist bekannt, daß es in einem System für jede Kraft ein gleich große, aber entgegengesetzte Kraft geben muß, quasi den Rückstoß. Der Münchener Wissenschaftler Arnold Sommerfeld folgerte daher 1930, daß der zusätzliche Impuls des wegfliegenden Elektrons von dem Atom stammen muß, das es zurückläßt. Dieses Atom würde dann in die entgegengesetzte Richtung und damit auf die Lichtquelle zu fliegen. Nachmessen konnte man das mit den damals verfügbaren Instrumenten aber nicht.

Erst 90 Jahre später gelingt es den Atomphysikern, diesen Effekt mit dem an der Goethe-Universität  entwickelten COLTRIMS-Reaktionsmikroskop zu vermessen. Um aus Helium- und Stickstoffmolekülen Elektronen herauszuschlagen, nutzen sie Röntgenlicht an den Beschleunigern DESY in Hamburg und ESRF im französischen Grenoble. Die Bedingungen wählen sie dabei so, daß dafür jeweils nur ein Photon pro Elektron genügt.

In dem Reaktionsmikroskop können sie den Impuls von herausgeschlagenen Elektronen und der nunmehr geladenen Helium- und Stickstoffatome – also Ionen – mit bislang unerreichter Genauigkeit bestimmen.

Prof. Reinhard Dörner erläutert das Ergebnis mit den Worten: „Wir konnten nicht nur den Impuls des Ions messen, sondern auch sehen, woher er kommt, nämlich vom Rückstoß des herausgeschlagenen Elektrons. Wenn Photonen bei solchen Stoßexperimenten niedrige Energien haben, kann man rechnerisch den Photonenimpuls vernachlässigen. Bei hohen Photonen-Energien führt das allerdings zu Ungenauigkeiten. In unseren Experimenten haben wir jetzt die energetische Schwelle bestimmen können, ab der der Photonenimpuls nicht mehr vernachlässigt werden kann. Unser experimenteller Durchbruch erlaubt uns jetzt viele weitere Fragen zu stellen, wie etwa die, was sich ändert, wenn man die Energie auf zwei oder mehr Photonen verteilt.“

Es darf erwartet werden, daß die Resultate diese Forschungen neue Impulse für die Weiterentwicklung von Solarsegeln geben werden.


Neben den Sonnensegeln gibt es noch diverse weitere Antriebsmethoden, die sich im Weltraum einsetzen lassen - ohne auf chemischen oder nuklearen Techniken zu basieren.

 

Weiter mit den Alternativen Antrieben in der Raumfahrt...