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Sobald die Menschheit Raumschiffe zu anderen Sternen schicken will, muß sie hierfür neue Antriebstechnologien einsetzen, denn für herkömmliche chemische Raketen sind die Entfernungen viel zu groß. Neben den vorstehend behandelten Lichtsegeln wird derzeit eine ganze Reihe verschiedener alternativer Antriebstechnologien erforscht, darunter sogenannte ,Warp-Antriebe’, die den Raum biegen sollen, oder Motoren, welche die Energie einer Materie/Antimaterie-Reaktion nutzen. Eine weitere Möglichkeit bildet die Kernfusion, die allerdings seit über 50 Jahren – und auch heute noch – in entfernter Zukunft liegt.
Wesentlich realistischer – und thematisch auch viel besser zu diesem Kapitelteil passend – sind elektrische Raketentriebwerke, die nach dem zugrunde liegenden Prinzip der Schuberzeugung zumeist in elektrothermische, elektrostatische und elektromagnetische Antriebe unterteilt werden.
Besonders weit entwickelt sind inzwischen Ionentriebewerke, an denen schon seit vielen Jahren geforscht wird. Bei dieser Technologie, die auch als elektrostatisches Triebwerk bezeichnet wird, beschleunigen elektrisch geladene Teilchen in einem elektrostatischen Feld, wobei der Ausstoß des (neutralisierten) Ionenstrahls nach dem Prinzip des Rückstoßes zur Fortbewegung genutzt wird.
Die Erzeugung der Ionen in einem Plasma geschieht entweder durch eine Hochfrequenz- oder eine Gleichstromentladung, und je nach Energiequelle wird unter solar-elektrischen (Solar Electric Propulsion, SEP) und nuklear-elektrischen Antrieben (Nuclear Electric Propulsion, NEP) unterschieden. Für einen Raketenstart direkt von der Erde aus haben Ionentriebwerke zwar einen zu geringen Schub (bislang nur ungefähr 0,1 N), dafür sind sie aber optimal als Sekundärtriebwerke für den Dauerbetrieb interplanetarer Sonden auf langen Flugmissionen geeignet.
Zuerst angedacht wird das Prinzip dieses elektrischen Antriebs im Jahr 1906 von
dem amerikanischen Raketenpionier Robert Goddard.
Sein deutscher Kollege Hermann Oberth beschreibt den
Ionenantrieb dann ausführlich in seinem 1923 erscheinenden
Werk Die Rakete zu den Planetenräumen. In dem Buch Die
Möglichkeiten der Raumfahrt von 1939 erwähnt
er dann eine Konstruktion, die in der Lage wäre bis zu 150 Tonnen Last
zu transportieren.
Ernst Stuhlinger wiederum, ein weiterer deutscher Wissenschaftler, der nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zusammen mit dem Oberth-Schüler Wernher von Braun in die USA kommt, und der von diesem auf Oberths Arbeiten aufmerksam gemacht wird, veröffentlicht 1955 die Abhandlung Die Möglichkeiten des elektrischen Raumschiff-Antriebes, in welcher er ebenfalls auf die Vorzüge des elektrischen Ionen-Antriebes eingeht.
Sein Vorschlag bezieht sich auf einen Ionen-Raumschiffantrieb mit elektrisch erzeugtem Cäsium- oder Rubidium-Dampf, dessen Energiebedarf von etwa 8 MW durch 40 große Solar-Parabolspiegel mit jeweils 15 m Durchmesser erzeugt werden soll. Ein derartiges Raumschiff würde etwa 250 t wiegen und 10 Personen plus 250 t Nutzlast transportieren können. Die Reisezeit aus dem Erdorbit bis zum Mars würde ein Jahr betragen.
Das Design eines Solar Butterfly genannten Raumschiffs mit einem derartigen solar-elektrischen Antrieb erscheint im Januar 1956 in einem längeren Artikel des US-Magazins Mechanix Illustrated – also zu einer Zeit, in der weder die USA noch die damalige UdSSR schon einen Satelliten in der Umlaufbahn hatten.
Nach Beginn der Arbeiten am Ionenantrieb in den 1950er Jahren
am Lewis Research Center (später: Glenn Research Center,
GRC) der NASA in Cleveland, Ohio, durch Prof. Harold
Kaufman (s.u.), der 1959 den ersten Breitstrahl-Elektronen-Beschuß-Ionentrieb
entwirft und baut, erfolgen in den 1960er Jahren praktische
Versuche, bei denen als Treibstoff Cäsium oder Quecksilber genutzt
wird, was die metallischen Bauteile zur Ionenerzeugung allerdings rasch
korrodieren läßt.
Die wichtigsten Entwicklungsprogramme umfassen Triebwerke von 5, 10, 20 und 50 cm Durchmesser, wobei das größte Ionentriebwerk überhaupt, das am GRC getestet wird, ein Labormodell von 1,5 m Durchmesser ist, welches auf dem Foto noch wesentlich größer wirkt.
Im Jahr 1961 läßt die NASA sieben Kapseln bauen, die mit elektrischen Antrieben ausgestattet sind. Außerdem erhält die Firma Electro-Optical Systems im November den Auftrag der U.S. Air Force, einen Cäsium-Ionenantrieb mit 8,9 mN (Micronewton) Schub für drei suborbitale Flugtests zu entwickeln (Programm 661A), bei denen eine genaue Messungen der Motorleistung durchgeführt werden sollen. Das erste Flugexperiment erfolgt im Dezember 1962, doch intermittierende Hochspannungsstörungen setzen die Strahlstromversorgung außer Betrieb und ein Motorschub wird bei diesem Test nicht erzielt.
Die erste erfolgreiche Demonstration eines Ionentriebwerks im Weltraum
findet im Juli 1964 statt, als im Zuge des Space
Electric Rocket Test 1 (SERT I) ein gut halbstündiger suborbitaler
Flug durchgeführt werden kann. Bei diesem Versuch sind ein ein 10
cm Quecksilber-Elektronenbeschuß-Ionenantrieb (Kaufman-Antrieb, s.u.)
sowie 8 cm durchmessendes Cäsium-Kontakt-Ionentriebwerk (0,6 kW /
5,6 mN) an Bord, das allerdings nicht zündet.
Auch als im April 1965 ein SNAP 10 A Nuklearenergiesystem in eine 1.300 km Umlaufbahn gehievt wird, trägt das System als sekundäre Nutzlast einen Cäsiumionenantrieb mit sich, der bei 4.500 V und 80 mA betrieben wird, um einen Schub von etwa 8,5 mN zu produzieren. Das von Batterien versorgte Ionentriebwerk kann etwa eine Stunde lang betrieben werden, worauf die Batterien unter Verwendung von 0,1 kW des nominellen 0,5 kW SNAP-Systems etwa 15 Stunden lang wieder aufgeladen werden müssen. Während das SNAP-Stromsystem erfolgreich für etwa 43 Tage betrieben werden kann, funktioniert das Ionentriebwerk nur für einen Zeitraum von weniger als einer Stunde, bevor es dauerhaft abgeschaltet wird.
Als erste Anwendung eines elektrischen Raumfahrtantriebs gilt
aber die sowjetische Marssonde Zond 2, die im November 1964 mit
einer Molnija-Rakete gestartet wird und ein gepulstes Plasmatriebwerk an
Bord hat.
Diese elektromagnetischen, auch als gepulste magnetoplasmadynamische Triebwerke (Pulsed Plasma Thruster, PPT) bekannten Systeme werden meist zur Lage- und Bahnregelung von Satelliten eingesetzt.
Im vorliegend Fall geht der Funkkontakt mit der Sonde allerdings schon im Mai 1965 verloren.
In den 1960er und frühen 1970er Jahren
wird am Jet Propulsion Laboratory (JPL) ein Forschungsprogramm
unter dem Titel Solar Electric Propulsion System Technology (SEPST)
durchgeführt. Das hierbei entstandene 20 cm lange Quecksilberionen-Triebwerk
besitzt anfänglich eine thermisch beheizte Oxidkathode, später wird
eine Hohlkathode verwendet. Die maximale Leistung des Triebwerk beträgt
2,5 kW.
Die Forscher unter der Leitung des NASA-Wissenschaftlers Prof. Harold Kaufman arbeiteten zudem an einem Antrieb, der mit Hilfe einer Lichtbogenentladung ein Plasma erzeugt, und dessen Ionen durch ein Gitter extrahiert werden. Ein Magnetfeld hält das Plasma von den Wänden fern und erhöht die Ionenausbeute. Als Kathoden werden meist Wolfram-Hohlkathoden benutzt, die in der Regel mit einem Schutzschild versehen sind, um eine Zerstörung durch Ioneneinschlag zu verhindern. Das anfänglich als Elektronenstoß-Ionentriebwerk bezeichnete Gerät wird später Kaufman-Triebwerk genannt.
In den USA werden Kaufman-Triebwerke vor allem am NASA Lewis Research Center und im Hughes Research Laboratory entwickelt und getestet, wobei Geräte mit Gitterdurchmessern zwischen ca. 10 cm und 50 cm gebaut werden, was einem Schubbereich von ca. 20 mN - 0,6 N entspricht. Gegenüber Hall-Effekt-Triebwerken sind sie sparsamer und haben auch einen höheren spezifischen Impuls. Im Gegenzug ist der Hall-Effekt-Triebwerksmechanismus aber weniger kompliziert und kleiner als sein Konkurrent.
Im August 1968 werden an Bord der Raumsonde ATS-4 zwei Cäsium-Kontaktionentriebwerke gestartet (5 cm / 0,02 kW / etwa 89 mN), um deren Schub zu messen und die elektromagnetische Verträglichkeit mit anderen Subsystemen der Sonde zu untersuchen.
Im Februar 1970 werden im Rahmen von SERT II auf dem Satelliten ATS-6 zwei modifizierte Ionentriebwerke in den Orbit gebracht, von denen eines für fast drei Monate in Betrieb ist, das andere sogar mehr als fünf Monate. Beide Motoren erleiden jedoch vor dem geplanten Ende der Mission Kurzschlüsse, vermutlich aufgrund von Ablagerungen aus der Verschleiß des Antriebsgitters. Nach einem Lagesteuerungsmanöver, bei dem sich die Ablagerungen lösen, gelingt es 1974, einen der Motoren wieder zu starten – der daraufhin für weitere sechs Jahre wiederholt an- und abgeschaltet werden kann.
Spätere Arbeiten am Lewis Research Center konzentrieren sich auf die Entwicklung eines Quecksilber-Ionentriebwerks mit 30 cm Durchmesser, das im Vergleich zur SEPST-Maschine bei gedrosseltem Leistungspegel betrieben wird. Im Rahmen des Ion Auxiliary Propulsion System (IAPS) Projekts erfolgt ferner zwischen 1974 und 1983 die Entwicklung eines acht Zentimeter durchmessenden Quecksilber-Ionen-Hilfsantriebs zur Positionsstabilisierung von Satelliten.
Im Jahr 1983 startet in Japan das Raketenexperiment Microwave
Ionosphere Nonlinear Interaction Experiment (MINIX), um mögliche
Effekte der Übertragung von Hochleistungs-Mikrowellen durch die Ionosphäre
zu untersuchen, wie es für die Energieübertragung von orbitalen Solarkraftwerken
(Satellitenkraftwerke)
vorgeschlagen ist (s.d.). Das zweite Ziel des Projekts, an dem sich
das Institute of Space and Astronautical Science,
die Kobe University und die Kyoto University beteiligen,
ist, eine Mikrowellentechnik mit hoher Leistung für Raumnutzung zu
entwickeln.
Über das später folgende Mikrowellen-betriebene Flugzeug der Kyoto University, das im August 1992 erstmals in die Luft abhebt, berichte ich im Kapitelteil Elektro- und Solarfluggeräte. Dieses Microwave Lifted Airplane Experiment (MILAX) gilt als vorbereitender Versuch für ein Raketenexperiment namens Microwave Energy Transmission in Space (METS), das für das Internationale Weltraumjahr 1992 geplant wird.
METS zielt darauf ab, ein neu entwickeltes Mikrowellen-Energieübertragungssystem für den Weltraumgebrauch zu verifizieren und nichtlineare Effekte des Mikrowellenenergiestrahls in der Raumplasma-Umgebung zu untersuchen. Dabei soll ein Hochleistungs-Mikrowellenstrahl von 936 W von einer ,Phased-Array-Antenne’ an der Mutter-Rakete durch das ionosphärische Plasma zu einem abgetrennten Ziel (der Tochter-Rakete) übertragen werden, wo er von einer aus sechs Rectenna-Elementen bestehenden Mikrowellen-Empfangsantenne aufgenommen wird.
Das aktive Phased-Array-System hat die Fähigkeit, die Mikrowellenenergie um jeden räumlichen Punkt zu fokussieren, indem die digitalen Phasenverschieber einzeln gesteuert werden.
Im Februar 1993 wird die International Space Year - Microwave Energy Transmission in Space (ISY-METS) Rakete vom Kagoshima Space Center gestartet, wobei die Raumflugergebnisse eine exzellente Aufnahme von Mikrowellenenergie bei 2,411 GHz zeigen. Weitere Details darüber konnte ich bislang nicht finden.
Nachdem in den 1980er Jahren ansonsten kaum relevante
Aktivitäten zu verzeichnen sind, arbeitet die NASA mit Beginn der 1990er Jahre
wieder verstärkt an Ionen-Antrieben. Inzwischen hat man auch die Probleme
mit dem Cäsium und Quecksilber besser in den Griff bekommen – durch
den Einsatz des Edelgases Xenon als Treibstoff.
Dessen wichtigste Vorteile sind, daß es im Gegensatz zu Metallen nicht verdampft werden muß, ungiftig ist und aus einem Druckgastank leicht in das Triebwerk befördert werden kann, was in der Praxis besonders bei dem normalerweise festen Cäsium sehr schwierig war. Als Nachteil gegenüber dem Quecksilber gilt andererseits die niedrigere Atommasse, und außerdem benötigt das Xenon gegenüber den beiden Metallen höhere Ionisationsenergien.
Gemeinsam mit dem JPL wird nun das Projekt NASA Solar Electric Power Technology Application Readiness (NSTAR) ins Leben gerufen, zu dessen Aufgabe es zählt, einen solarbetriebenen Xenon-Ionen-Antrieb zu entwickeln.
Der Prototyp dieses 30-Zentimeter-IPS mausert sich im Laufe von mehr als 8.000 Stunden im Testbetrieb unter Weltraumbedingungen in einer Vakuumkammer des JPL zu einem Bestandteil der Deep Space 1 (DS1) Raumsonde, die von den Firmen Hughes Electron Dynamics Division und Spectrum Astro Inc. gebaut wird – als Teil des New Millenium-Programms der NASA, das auf neueste Technik setzt.
Der Kaufman-Antrieb, der von der amerikanischen Firma Busek stammt (s.u.), liefert zwar nur eine relativ geringe Schubkraft - in etwa gleichbedeutend mit dem Schwerkraft-induzierten Druck, der ein einzelnes Blatt Papier flach auf einem Tisch hält. Im Weltraum ist das jedoch genug, um das Raumfahrzeug auf eine Geschwindigkeit von bis zu 32 km pro Tag zu beschleunigen.
Eine besondere Herausforderung ist die Entwicklung einer kompakten und leichten Stromverarbeitungseinheit, die den Strom von den Solarzellen der Sonde in die Spannungen umwandelt, die für den Motor erforderlich sind. Der NSTAR-Projektpartner Hughes Aircraft Co. konzipiert hierfür einen 2.500 W Power-Prozessor, die etwas mehr als 15 kg wiegt und einen Wirkungsgrad von 93 % erreicht.
Nachdem die DS1 im Oktober 1998 an Bord einer Delta II Trägerrakete in den Weltraum geschickt wird, passiert sie Ende Juli 1999 den Asteroiden (9969) Braille in nur 26 km Abstand, und da im Ionenantrieb noch genügend Reaktionsmasse vorhanden ist, kann die Sonde im September 2001 auch noch in etwa 2.200 km Abstand am Kometen 19P/Borrelly vorbeifliegen, bevor sie im Dezember endgültig abgeschaltet wird.
Das NSTAR-Triebwerk bewährt sich und bewegt die DS1 als Hauptantrieb unter Verwendung von weniger als 74 kg Xenon über eine Strecke von 263.179.600 km – und dies mit einer Geschwindigkeit von bis zu 4,5 km/s. Über die gesamte Mission verzeichnet das Triebwerk im Laufe von 678 Tagen 200 Starts mit insgesamt 16.246 Betriebsstunden. Damit erreicht das Kaufmann-Triebwerk eine längere Lebensdauer als bislang alle weltweit eingesetzten chemischen Antriebsmotoren zusammen.
Mit einem kontinuierlichen und ununterbrochenen Schub über mehr als 330 Stunden wird auch der bislang längste durchgehende Schub eines Weltraum-Antriebssystem erzielt.
Beim dem darauf folgenden NASA-Projekt unter dem Namen NASA Evolutionary Xenon Thruster (NEXT) wird die Entwicklung eines 40 cm Hochleistungsantriebs verfolgt, der als Solar Electric Propulsion (SEP) System die Kosten von Missionen und ihre Reisezeit signifikant reduzieren soll. Im Jahr 2003 wird ein NEXT-Triebwerk mit 7 kW über 2.000 Betriebsstunden lang getestet.
Dem schließt sich ab 2002 das High Power Electric Propulsion (HiPEP) Projekt an, aus dem ein weiterer Hochleistungsantrieb entsteht, der für die Sonde Jupiter Icy Moons Orbiter (JIMO) vorgesehen ist. Das mit mehreren Ionentriebwerken ausgestattete Raumschiff, das im Rahmen des Projekts Prometheus entwickelt wird, soll eine umfassende Erforschung des eisigen Jupitermonde Callisto, Ganymed und Europa durchführen.
Geplant wird hierbei ein Ionentriebwerk der 20 - 50 kW Klasse mit einem spezifischen Impuls von 6.000 – 9.000 Sekunden und einem Treibmittel mit der Durchsatzleistung von mehr als 100 kg/kW.
Das HiPEP Team besteht aus dem Glenn Research Center (GRC), der Colorado State University, der University of Michigan und der University of Wisconsin. Bei Bodentests im Jahr 2004 werden Leistungsstufen von 40 kW und Austrittsgeschwindigkeiten von über 90.000 m/s erreicht.
Die Mission der neuartigen, mit einem Atomreaktor betriebenen Sonde, die eigentlich 2017 oder danach starten sollte, wird aber schon im Februar 2005 auf Eis gelegt, da sie sich für den ersten Test eines nuklearen Antriebs als zu ehrgeizig erweist.
Das 1. International Symposium on Beamed Energy Propulsion findet
übrigens im November 2002 in Huntsville, Alabama,
statt.
Eine weitere Variante des Plasmatriebwerks ist der Magnetfeldoszillationsantrieb (Magnetic
Field Oscillating Amplified Thruster, MOA) auf Basis
von Alfvén-Wellen, der erstmals Mitte der 1980er Jahre
von Manfred Hettmer, Präsident der österreichischen
Mars Society, vorgeschlagen wurde. In der Presse häufig als Plasmatriebwerk
bezeichnet, handelt es sich um ein vielseitig verwendbares elektrothermodynamisches
System, das beinahe jedes Medium auf eine hohe Ausströmgeschwindigkeit
beschleunigen und so einen Plasmastrahl ausstoßen vermag.
Da das MOA-Konzept eine Plasmaquelle benötigt, um die ionisierten Teilchen zu erzeugen, ist es prinzipiell ein elektrisches Antriebssystem wie andere Ionenantriebe auch. Indem es mit einem veränderlichen Magnetfeld innerhalb des Plasmas eine massetransportierende Welle erzeugt, beschleunigt es den Ausstoß der Gaspartikel, wobei das Triebwerk rund 90 % weniger Stützmasse als die üblichen Ionentriebwerke benötigt.
Zwar erreichen Ionenantriebe höhere Ausströmgeschwindigkeiten, doch der MOA-Antrieb verarbeitet eine höhere Massedichte. Zudem hat das MOA-Konzept den Vorteil, daß es weitgehend korrosionsfrei ist. Die Magnetfelder, welche zur Erzeugung der Alfvén-Wellen zum Einsatz kommen, verhindern nämlich, daß die hochenergetischen Teilchen mit der Wand oder einer anderen Strukturkomponente in Berührung kommen und dabei Schaden anrichten.
Nachdem der erste MOA am Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation (IKS) der Technischen Universität Graz gebaut worden ist, wird der Prototyp des Triebwerks in einer Vakuumkammer am Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt in Garching bei München getestet. Die Meßergebnisse, die im Oktober 2005 beim International Astronautical Congress im japanischen Fukuoka präsentiert werden, bestätigten die Realisierbarkeit der Technologie.
Die im gleichen Jahr in Österreich ausgegründete Firma Qasar Technologies GmbH entwickelt die Technologie nun weiter und testet potentielle Anwendungen für die Raumfahrt und im Bereich der High-Tech-Beschichtungen, wie der Härtung von Materialien Oberflächenbehandlung. Ähnlich dem VASIMR (s.u.) kann der MOA zwischen mehr Schub und höherem spezifischen Impuls variabel gehandhabt werden, wobei sich zudem mehr Parameter kontrollieren lassen und fast jeder Treibstoff verwendbar ist. Das entsprechende, von Hettmer et. al. angemeldete Patent über die Erzeugung von Alfvén-Wellen ist unter der EP-Nr. 1671333 einsehbar (angemeldet 2004, erteilt 2006; vgl.: WO-Nr. 2005027142; Priorität von 2003: AT-Nr. 1448/2003).
Inzwischen läßt sich das Unternehmen aber nicht mehr finden, und auch mit dem MOA scheint es nicht weitergegangen zu sein.
Tatsächlich auf Reisen geht die Raumsonde Dawn des
Discovery-Programms der NASA, die – ursprünglich für den Mai 2006 vorgesehen
– im September 2007 startet und als Hauptantrieb drei
NSTAR Hall-Ionentriebwerke verwendet (s.u.). Diese
werden von einer 10 kW Solaranlage mit Triple-Junction-Zellen versorgt
und jeweils einzeln angeschaltet. Bei maximalem Schub verwendet das
einzelne Triebwerk nur etwa 3,25 Milligramm Xenon pro Sekunde, weshalb
Dawn für die gesamte Mission nicht mehr als 425 kg des ,Treibgases’
benötigt.
Im Juli 2011 erreicht die Raumsonde den Asteroiden Vesta und wird die erste Sonde überhaupt, die auf eine Umlaufbahn um ein Objekt im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter geht. Im September 2012 beginnt sie ihre Weiterreise zum Zwergplaneten Ceres, in dessen High-Altitude Mapping Orbit (HAMO) sie im März 2015 eintritt und aus einer Entfernung von rund 3.900 – 4.400 km eine Fülle atemberaubender Bilder von der Oberfläche des Zwergplaneten macht. Ende Juni gibt es eine Orientierungs-Anomalie aufgrund einer Störung in einem der Kardan-Systeme des Raumfahrzeugs, worauf auf das zweite der drei Ionen-Triebwerke umgeschaltet wird.
Im Juli wird Dawn in eine dritte, niedrigere Mapping-Umlaufbahn bewegt, welche bis etwa 1.450 km an die Oberfläche heranführt und die bislang detailliertesten Ansichten von Ceres liefert – so auch von den geheimnisvollen weißen Flecken, die die Wissenschaftler verwirrt hatten.
Die voraussichtlich letzte Phase der Reise der Sonde bildet dann fünf Wochen später der Wechsel in einen endgültigen Low-Altitude Mapping Orbit (LAMO). Sobald dort die Hydrazin-Treibstoffversorgung ausgeht, ist das Raumfahrzeug nicht mehr in der Lage ist, seine Sonnenkollektoren in Richtung Sonne zu drehen, was in wenigen Stunden zum Ende der Bordbatterien führen wird. Es wird erwartet, daß Dawn etwa 50 Jahre später auf die Oberfläche von Ceres schlägt.
In Deutschland wird ab 2007 am Institut für Raumfahrtsysteme
(IRS) der Universität Stuttgart ein instationär
gepulstes magnetoplasmadynamisches Triebwerk (iMPD) untersucht
und entwickelt, um im Rahmen des Kleinsatelliten-Programms als Technologiedemonstratoren
für elektrische Raumfahrtantriebe zu dienen. Geplant sind zwei Missionen:
der Kleinsatellit Perseus zur Erprobung der neuen
elektrischen Antriebe und Durchführung astronomischer UV-Beobachtungen
– sowie der Kleinsatellit Lunar Mission BW1, der zum
Mond fliegen und diesen umkreisen soll.
Zur Förderung der Kooperation im Rahmen von gemeinsamen Projekten wird im selben Jahr 2007 auf Initiative des IRS und mit Unterstützung des DLR eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, an der Kollegen internationaler Forschungszentren teilnehmen, die ebenfalls gepulste MPD-Triebwerke entwickeln. Genannt werden zu diesem Zeitpunkt u.a. das RIAME Moskau, die Universität Tokio, die University of Surrey und das Austrian Research Center.
Als Ingenieurmodell für wissenschaftliche Untersuchungen und die Qualifikation entwickelt das IRS das Triebwerk SIMP-LEX (Stuttgart Impulsing MagnetoPlasmadynamic thruster for Lunar Exploration), das auf mehreren Versuchsständen unter Hochvakuumbedingungen betrieben werden kann. Der zwischen den Elektroden zugeführte Treibstoff ist in den meisten Fällen Polytetrafluorethylen (PTFE), untersucht werden aber auch alternative Treibstoffe wie z.B. Wasser.
Weltweit konzentriert sich die Forschung und Entwicklung von Pulsed Plasma Thruster (PPT) Antrieben vor allem auf Russland, die USA, Europa, Japan und China – wobei aber auch Entwicklungen in Südkorea, Argentinien, dem Iran und der Türkei stattfinden. Nach Zond 2 (s.o.) sind die Antriebe zudem erfolgreich auf mehreren Satellitenmissionen eingesetzt worden.
Ihre Vorläufer, die magnetoplasmadynamischen Antriebe (MPD), die ebenfalls auf dem Prinzip der elektromagnetischen Beschleunigung basieren, sind seit dem Beginn ihrer Entwicklung in den 1960er Jahren aufgrund des hohen elektrischen Leistungsbedarfs allerdings nur in wenigen Fällen im Weltraum erprobt worden – hauptsächlich durch Japan und die ehemalige Sowjetunion.
Zu Erklärung: Der MPD-Antrieb stellt eine Weiterentwicklung des thermischen Lichtbogentriebwerks (TLT) dar, dessen elektrothermische Beschleunigung hier durch die effizientere elektromagnetische Beschleunigung ersetzt wird. Beim TLT-Antrieb wird zwischen einer Kathode und einer Anode ein Lichtbogen gebildet, der den Treibstoff auf ca. 5.000° K aufheizt und den Schub durch den thermischen Effekt der Expansion erzeugt, und nicht durch elektrische oder magnetische Felder.
Dieses als Arcjet-Triebwerk bezeichnete System (von arc = Bogen) wird ebenfalls zur Lageregelung von Satelliten eingesetzt wird ebenfalls zur Lageregelung von Satelliten eingesetzt verwendet als ,Treibstoff’ zumeist Ammoniak oder Hydrazin. Die genannten Chemikalien liefern aber nur den Impuls, denn die eigentliche Antriebsenergie ist auch in diesem Fall der Strom, der beispielsweise von Solarzellen oder Nuklearbatterien geliefert werden kann.
Die Weiterentwicklung des TLT-Antriebs erfolgt unter anderem am o.g. IRS, wo Leistungsklassen von 1 kW und einigen Ampere bis 100 kW und ca. 1 kA untersucht werden. Die dabei mit Wasserstoff erzielten Austrittsgeschwindigkeiten liegen im Bereich von 15 km/s.
Das Konzept des MPD-Antriebs wiederum wurde im Jahr 1979 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelt, und zwar von dem Plasmaphysiker Franklin Ramon Chang-Diaz, dem späteren NASA-Astronaut (mit sieben Flügen) und Inhaber der 2005 in Webster, Texas, gegründeten Firma Ad Astra Rocket Co. (AARC), welche die MPD-Technologie weiter vorantreibt. Diese besteht im Grunde aus einer trichterförmigen Anode, in deren Mitte eine stabförmige Kathode angebracht ist. Sobald zwischen den beiden Elektroden eine elektrische Spannung angelegt wird, ionisiert die sich im Trichter befindende Stützmasse und erlaubt so einen Stromfluß radial durch das Gas zur Kathode, wodurch wiederum ein starkes Magnetfeld erzeugt wird.
Die Wechselwirkung zwischen dem elektrisch erzeugten Magnetfeld (um die Brennkammer) und der ionisierten Stützmasse beschleunigt diese in axialer Richtung und läßt sie mit sehr hoher Geschwindigkeit entweichen und die gewünschte Schubkraft erzeugen. Als Grundlage für das Plasma werden vor allem Argon, Lithium oder Wasserstoff eingesetzt, wobei in Versuchslabors – unter Nutzung eines externen Magnetfeldes – bereits Austrittsgeschwindigkeiten von 40 km/s erreicht werden.
Bei dem VASIMR (Variable specific impulse magnetoplasma rocket) genannten System der AARC erfolgen die Erzeugung des Plasmas, dessen weitere Erhitzung und die Beschleunigung in der Düse in drei getrennten Kammern, wodurch sich das Verhältnis zwischen dem spezifischen Impuls und dem Schub variieren läßt. Zum Einsatz kommen dabei Helikonwellen (auch Helicon geschrieben; o. Spiralwellen), d.h. elektromagnetische Niederfrequenzwellen, die im Plasma in einem Magnetfeld geführt werden.
Das erste Abkommen mit der NASA, das zur Entwicklung des VASIMR-Motors führt, wird bereits im Juni 2005 unterzeichnet, und im Dezember 2007 folgt eine weitere Vereinbarung in Bezug auf das potentielle Interesse der Raumfahrtbehörde an der VASIMR-Technologie, die den Flug von der Erde zum Mars auf weniger als vier Monate verkürzen würde – was beträchtlich ist, im Vergleich zu den rund acht Monaten, die chemische Raketen dafür benötigen würden.
Ebenfalls im Jahr 2005 wird auf dem Campus der privaten EARTH-Universität (Escuela de Agricultura de la Región Tropical Húmeda) in Guácimo, Costa Rica, die hundertprozentige Tochtergesellschaft Ad Astra Rocket Company Costa Rica (AARC CR) gegründet. Das dortige Team erzeugt seine erstes Plasma im Dezember 2006. Das ganze Unternehmen über Wasser zu halten, ist nicht leicht, doch es gelingt Ad Astra, während der letzten zehn Jahre 30 Mio. $ von privaten Investoren einzuwerben.
Nachdem das AARC-Aggregat VX-50, das Radiowellen mit einer Leistung von 50 kW einsetzt, einen Wirkungsgrad von knapp 59 % erreicht, kann das Unternehmen mit dem Modell VX-100 bereits einen Gesamtwirkungsgrad von 72 % erzielen. Kurz nach der Meldung im Oktober 2008, daß nun auch der VX-200 Ionenmotor mit 200 kW Leistung einsatzbereit sei, erhält die AARC im Dezember den Auftrag der NASA, den Einbau und Test eines einsatzbereiten VF-200-Motors auf der Internationalen Raumstation (ISS) vorzunehmen. Damit soll die Höhe der Station gehalten werden, ohne wie bisher immer wieder Raketenbrennstoff zur ISS schaffen zu müssen. Die erwarteten Kosten betragen ein Zwanzigstel der gegenwärtig anfallenden.
Im Jahr 2009 werden umfangreiche Bodentests an dem VX-200-Prototypen mit integrierten supraleitenden Magneten vorgenommen, und das Unternehmen will nun eine dreijährige Testflug-Mission durchführen. Die NASA stellt daraufhin im Februar 2011 etwa 100 Personen für das Projekt ab, um die Anlage in die Raumstation zu integrieren. Da die auf der ISS zur Verfügung stehende Leistung geringer als 200 kW ist, erhält der VASIMR-Motor ein eigenes Batteriesystem, das für einen 15-minütigen Schubimpuls sorgt.
Nachdem im Frühjahr 2009 als frühestmöglicher Starttermin das Jahr 2012 in Betracht gezogen, aber nicht eingehalten wird, wird dieser im April 2014 aus finanziellen Gründen auf das Jahr 2016 verschoben – obwohl die AARC noch im Juni 2013 ein formelles Preliminary Design Review (PDR) mit der NASA abgeschlossen hatte, was als erster wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Einsatz des nun VF-200-1 genannten Ionenmotors auf der ISS galt. Außerdem hatte die Firma ihre Technologie im Oktober 2010 angeboten, um Raumschlepper-Missionen bei der Beseitigung des Weltraummülls zu helfen.
Im Juni 2014 erklärt Chang-Diaz, daß das Projekt wahrscheinlich nicht verwirklicht werden kann, sofern es nicht gelingt, Mittel aus dem Space Act Agreement (SAA) der NASA zu erhalten. Tatsächlich wird dann im März 2015 gemeldet, daß die NASA die AARC für das NextSTEP-Programm ausgewählt hat, um die VASIMR-Technologie weiterzuentwickeln, was mit einem Zuschuß in Höhe von etwa 10 Mio. $ verbunden ist. Dabei geht es um einen VX-200 SS Ionenmotor (das SS steht für steady state = stationären Zustand), der die Bedürfnisse einer Vielzahl von Weltraum-Missionskonzepten erfüllen könnte.
Die größte Herausforderung bei MPD- wie auch VASIMR-Entwicklungen besteht in der Erzeugung der elektrischen Leistung, die bei sinnvollen Anwendungen im Bereich mehrerer Megawatt liegt, was mit Solarpaneelen oder auch mit Nuklearbatterien bislang aber nicht erreicht werden kann – weshalb die gegenwärtigen Planungen auf Kernspaltung oder Kernfusion setzen.
Doch schon im Jahr 2015 streicht die NASA den Plan, den VF-200 zur ISS zu fliegen, das die ISS „keine ideale Demonstrationsplattform für das gewünschte Leistungsniveau der Motoren“ darstellen würde. Geplant wird statt dessen ein 100-stündiger Vakuumkammer-Tests des VX-200 SS Triebwerks.
Im August 2016 kündigt Ad Astra an – nach dem erfolgreichen Abschluß der Meilensteine des ersten Jahres seines 3-jährigen NextSTEP-Vertrags – daß nun bis Mitte 2018 Hochleistungs-Plasma-Zündungen der Motoren anvisiert sind, um die geforderten 100 kW über 100 Stunden zu erreichen.
In der bislang jüngsten Meldung vom Februar 2017 wird über Versuche in einer Vakuumkammer von der Größe eines Tanklastkraftwagens berichtet, in welchen das Argon-Plasma eine Temperatur von 3,5 Millionen Grad erreicht. Dabei können mit einem neuen Prototyp des VASIMR-Motor für 10 Sekunden 100 kW, und für eine Minute 50 kW erzielt werden.
Weiter mit den alternativen Antrieben in der Raumfahrt...