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Um die Begrenzung von Magnetsegeln zu überwinden, macht Prof. Robert M. Winglee an der University of Washington in Seattle den Vorschlag, ionisiertes Gas (Plasma) in das Segel zu injizieren, das die magnetischen Feldlinien weiter auseinander ziehen und eine Blase von 30 – 60 km im Durchmesser erzeugen würde. Das erforderliche Magnetfeld von 0,1 Tesla könnte dabei durch eine herkömmliche Spule erzeugt werden, wobei nur 3 kg Helium als Plasma-Kraftstoff ausreichen sollen, um die Magnetblase drei Monate lang zu betreiben.
Deren Größe würde sich in Abhängigkeit vom Sonnenwind – der durch Sonneneruptionen böig sein kann – ausdehnen und zusammenziehen, damit die Kraft, die auf die 100 kg schwere Raumsonde wirkt, konstant bei 1 Newton bleibt. Die 3 kW Leistung wiederum, um den Magneten und den Plasmagenerator des magnetisierten Plasmastrahlen-Antriebs (Magnetized-beam plasma propulsion) zu betreiben, der kurz MagBeam genannt wird, sollen durch Solarzellen geliefert werden.
Die Idee wird vom NASA Institute for Advanced Concepts (NIAC) aufgegriffen, als Winglee das Konzept im Jahr 2005 auf dem jährlichen NIAC-Kongreß vorstellt. Beim MagBeam soll der antreibende Strahl in Raumstationen erzeugt werden, z.B. im Erd- oder Saturnorbit. Eine andere Raumstation, die das Ziel umkreist, erzeugt einen Strahl, um das Raumfahrzeug bei seiner Ankunft zu verlangsamen und später zur Rückreise wieder zu beschleunigen. Eine erdgebundene Antriebseinheit ist allerdings nicht möglich, da diese Art der Antriebe nur im Vakuum funktioniert.
Zur hohen Beschleunigung des MagBeam-Systems trägt u.a. die hohe Dichte seines Plasmas bei, denn je höher die Plasmadichte, desto größer der Schub. Das System verwendet starke Funkwellen, um Elektronen aus den Atomen seines Treibmittels zu streifen und ein Plasma zu erzeugen, das 100 mal dichter ist als das, was von typischen Ionenmotoren erzeugt wird.
Eine typische Mars-Mission würde beginnen, indem eine konventionelle Rakete das Ziel-Raumfahrzeug in die Umlaufbahn um die Erde bringt, wo die MagBeam-Station (High Power Platform, HPP) etwa vier Stunden lang einen Plasmastrahl darauf richtet, um es mit etwa 20 km/s in Richtung Mars zu schicken. Wenn das Raumfahrzeug nach etwa 50 Tagen dort ankommt, wird es durch den Plasmastrahl einer weiteren HPP in der Umlaufbahn um den Mars abgebremst.
Daß die HPP-Stationen immer wieder verwendet werden können, wird die Kosten für das Mars-Explorationsprogramm ebenso senken, wie die Verringerung der benötigten Masse. Um ein 10 Tonnen schweres Raumfahrzeugs dorthin zu bringen, benötigt eine chemische Rakete 18.000 Tonnen Treibmittel – während das effizientere Magbeam-System nur etwa 7 Tonnen verbraucht. Bei den aktuellen Startkosten von rund 10.000 $/kg sind die Einsparungen signifikant.
Ein weiterer Vorschlag betrifft den Einsatz der Technologie, um Raummüll aus der Erdumlaufbahn zu entfernen, indem die Gegenstände in Richtung der Atmosphäre gedrückt werden, wo sie sicher verbrennen.
Ein ähnliches System zur Verwendung von Teilchenstrahlen, um ein kleines
Magnetsegel anzuschieben, hatte der Wissenschaftler und SF-Autor Geoffrey
A. Landis schon im Jahr 2001 als mögliches
Antriebssystem für interstellare Reisen vorgeschlagen (mini-magnetosphere
magnetic sail). Auch Landis beschäftigte sich damals schon länger
mit solchen Systemen, wie z.B. die Publikation ,Optics and Materials
Considerations for a Laser-propelled Lightsail’ aus dem Jahr 1989 belegt.
Später arbeitet Landis selbst am NIAC, wo er die Verwendung von Laser- und Partikelstrahl-Antrieben für den interstellaren Flug weiter untersucht. Der im Netz abrufbare Endbericht vom Mai 1999 trägt den Titel ,Advanced Solar- and Laser-pushed Lightsail Concepts’. In diesem wird der Einsatz von dielektrischen Dünnfilmen für Solar- und Lasersegel analysiert, welche die Vorteile eines extrem geringen Gewichts mit guten Hochtemperatur-Eigenschaften verbinden. Aufgrund der höheren Temperaturfähigkeit können die Segel unter höheren Laserbestrahlungsniveaus arbeiten und damit eine höhere Beschleunigung erreichen. Dies ermöglicht eine starke Verringerung der Mindestgröße des benötigten Segels.
Daneben wird auch ein Mikrowellen-Segelantrieb untersucht, der den Vorteil hat, daß Hochleistungs-Mikrowellenquellen bereits Stand der Technik sind. Bei einer Neuanalyse des Konzepts von Forward (s.o.) wird zudem festgestellt, daß ein Kohlenstoff-Geflecht-Segel aufgrund der besseren Hochtemperatur-Eigenschaften dem von Forward vorgeschlagenen Aluminium-Segel vorzuziehen ist.
Die vorläufige Analyse zeigt, daß die Leistung, die für eine interstellare Mission mit einem Laser-geschobenen Lichtsegel erforderlich ist, durch die Verwendung eines dielektrischen Segels auf 448 MW reduziert werden könnte – was eine erhebliche Reduzierung gegenüber den 65 GW darstellt, die für die Mission bislang als erforderlich galten. Im Dezember 2004 veröffentlicht Landis einen weiteren Artikel dazu unter dem Titel ,Interstellar Flight by Particle Beam’.
Im Jahr 2001 beauftragt die NASA zwei
Unternehmen, bis zum Folgejahr Prototypen von 400 m2 großen
Solarsegeln zu bauen. Diese haben vier dreieckige Segel, sind an der
Außenseite 20 m lang und werden durch Ausleger unterstützt. Sie entfalten
sich automatisch aus der Größe eines Koffers.
Die Firma L’Garde Inc. verwendet aufblasbare Ausleger, die sich auf der Erde biegen, in der Kälte des Raumes aber versteifen – während sich die Ausleger des Modells der ATK Space Systems wie Schrauben aufdrehen. Die NASA testet die beiden Segel-Prototypen 2005 erfolgreich in einem Raumumwelt-Simulator und schätzt, daß sie auf eine Seitenlänge von 150 m hochskaliert werden könnten. Eine Flugmöglichkeit wird für 2009 in Betracht gezogen, kann aber nicht realisiert werden.
Das Projekt Gossamer Solar Sail – dessen Beginn sich
bislang nicht herausfinden ließ – ist ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen
Weltraumbehörde ESA und des Deutschen Zentrums für
Luft- und Raumfahrt (DLR), das einen Nachweis über die Funktionstüchtigkeit
des Solar Sailing erbringen will. Es gliedert sich in drei Phasen,
wobei die erste Phase die Demonstration der Entfaltung eines 5 x 5
m großen Sonnensegels aus 7,6 μm dünner Kapton-Folie in einer Erdumlaufbahn
von 320 km vorsieht (Gossamer-1). Der geplante Starttermin
dafür liegt Mitte 2013 und soll mittels einer russischen dreistufigen
Schtil-2.1 (o. Shtil') Trägerrakete vom Startplatz Murmansk aus erfolgen.
In den nachfolgenden Phasen will man dann 2014 ein 20 x 20 m großes System rund vier Wochen lang in 500 km Höhe testen (Gossamer-2), während 2015 eine dritte Sonde (Gossamer-3) ein 50 x 50 m großes Solarsegel in einem Orbit oberhalb von 10.000 km Höhe entfalten und anschließend einen Vorbeiflug am Mond absolvieren soll. Der zugehörige Segelcontainer wird eine Masse von rund 80 kg und ein Volumen von 100 x 100 x 100 cm haben.
Das DLR hatte 1998 gemeinsam mit dem Jet Propulsion Laboratory (JPL) eine gemeinsame Studie unter dem Namen ODISSEE (Orbital demonstration of an innovative solar sail driven expandable structure experiment) durchgeführt, bei der es um ein 40 x 40 m großes Segel geht, das ebenfalls aus der 7,6 μm dünnen Kapton-Folie bestehen soll, die in diesem Fall auf der Vorderseite mit 0,1 μm Aluminium, und auf der Rückseite mit 0,015 μm Chrom bedampft ist. Sonst ist über das Projekt jedoch nichts weiter zu finden.
Im Rahmen von Gossamer wird bei einer Bodendemonstration Jahr 1999 die Entfaltung eines 20 × 20 m großen Prototypsegels gezeigt. Das System besteht aus zwei Kohlefaser-Halbschalen mit zusammengeklebten Rohren, die aufgerollt transportiert werden. Zum Entfalten der Mylar- oder Kaptonsegel werden die vier CFK-Auslegerrohre per Elektromotor ausgerollt, wobei sie ihre ursprüngliche Steifigkeit zurückerhalten. In den inneren Ecken der vier Segelteile sind Dünnfilm-PV-Paneele angebracht.
Die weiteren Schritte verlaufen allerdings sehr zögerlich, und erst 2006 soll eine erfolgreiche Demonstration im Orbit mit einem Solarsegel von 28 m Spannweite durchgeführt worden sein, was ich bislang aber nicht verifizieren konnte. Einigen Quellen zufolge wurde das Projekt damals sogar abgebrochen, was aber auch nicht stimmt.
Im Jahr 2007 schließen die ESA und das DLR ihre Vorstudien zu dem Projekt GeoSail ab, einem Konzept zur Erforschung der Erdmagnetosphäre mit einem Solarsegel, das im September 2003 erstmals zur Diskussion gestellt wurde. Die Studien werden mit Unterstützung der Firmen Kayser-Threde GmbH, SCI-SYS (UK) und Astrium Stevenage (UK) durchgeführt.
Die Idee sieht vor, eine 170 – 250 kg schwere Raumssonde, von denen das Segel etwa die Hälfte der Masse ausmacht, lediglich mit solarem Antrieb in einen Orbit zu steuern und möglichst lange in den Zonen von Magnetopause und Magnetotail zu halten. Realisiert wurde das Projekt bislang aber noch nicht.
Im Januar 2014 ist dann zu erfahren, daß das Zentrum für Weltraumwissenschaften der University of Surrey mit Mitteln der ESA bereits ein De-Orbit-Segel entwickelt habe (o. DeorbitSail), welches nun reif für einen Praxistest sei. Dabei handelt es sich um nichts anderes als ein Gossamer-Segel, das nun künstliche Satelliten von weniger als 700 kg Masse aus niedrigen Umlaufbahnen entfernen soll. Es ist eine der Optionen, mit der die ESA ihrer Selbstverpflichtung aus dem Jahr 2008 nachkommen möchte, stillgelegte Satelliten bis in 750 km Höhe innerhalb von 25 Jahren aus ihrer Umlaufbahn zu holen, wo sie ansonsten z.T. über 100 Jahre eine Gefahr bilden würden.
Bei einer Startmasse von nur 2 kg beträgt das Startvolumen des Segels 15 × 15 × 25 cm. Bei seinem Einsatz soll sich das Segel innerhalb einer Minute auf 5 x 5 m entfalten und eine Kombination von Sonnendruck und erhöhtem atmosphärischen Widerstand verwenden, um den Wiedereintritt des Satelliten zu beschleunigen. Würde man den Satelliten mit dem Bordtriebwerk abbremsen wollen, würde der zusätzliche benötigte Treibstoff die zehnfache Masse des Segel-Moduls ausmachen.
In Surrey hofft man auf eine Mitflug-Gelegenheit bis Ende 2014, um einen Demonstrationssatelliten in den Weltraum zu bringen, der nach erfolgreichem Aufspannen zunächst zwei bis drei Wochen lang als Sonnenwind-Segel getestet werden soll. Danach wird der Demonstrationssatellit gedreht, um den Atmosphären-Widerstand zu maximieren. Innerhalb von zwei bis zwölf Monaten soll das Objekt dann in die dichtere Erdatmosphäre eintreten und verglühen. Doch auch in diesem Fall ist es bisher noch nicht zu einer Umsetzung gekommen.
Interessanterweise ist in diesem Zusammenhang auch wieder etwas über das Projekt DLR-ESA Gossamer zu hören. Demnach sollen die o.g. drei Missionen noch immer stattfinden – nun allerdings verschoben auf die Jahre 2015, 2017 und 2019. Dies ließ sich aber ebenfalls nicht halten.
Im September 2016 beschreibt das DLR das Projekt (erneut) als internes Forschungsprogramm mit dem Namen GoSolAr (Gossamer Solar Array), das initiiert wird, um einen 5 x 5 m großen Segel-Demonstrator mit experimenteller Dünnfilm-Photovoltaik zu entwickeln. Dabei ist geplant, auf der zweiten Mission der DLR-Satellitenplattform S2TEP (Small Satellite Technology Platform) im Jahr 2022 eine Demonstration im Orbit durchzuführen, bei der die Segel-Solaranlage den Satelliten versuchsweise mit Strom versorgen soll. Längerfristiges Ziel ist die Entwicklung von 20 m x 20 m großen Arrays mit einer Leistung von bis zu 50 kW für Missionen mit elektrischem Antrieb.
Nachdem im Mai 2017 auf der 5. IAA Planetary Defense Conference in Tokio eine DLR-Studie mit dem Titel ‚Soil to Sail - Asteroid Landers on Near-Term Sailcraft as an Evolution of the Gossamer Small Spacecraft Solar Sail Concept for In-Situ Characterization‘ vorgelegt wird, folgt die nächste Meldung im Februar 2018, als die in Colorado ansässige Firma Ascent Solar vom DLR ausgewählt wird, um spezielle Photovoltaik-Produkte für das GoSolAr-Projekt zu entwickeln.
Das Ziel ist die Erprobung der CIGS-Dünnschicht-PV von Ascent für ein großflächiges Solarstromerzeugungssystem in Form einer flexiblen Membran, um es dem DLR zu ermöglichen, die sehr anspruchsvollen Anforderungen des o.g. Projekts Gossamer-1 zu erfüllen, die mit dem Einsatz von hauchdünnen Solarsegeln einhergehen.
Im Laufe des Jahres 2018 erscheinen mehrere weitere Untersuchungen, wie u.a. die auf der 3. International Conference on Advanced Lightweight Structures and Reflector Antennas im September in Tbilisi vorgelegte Studie ‚GoSolAr DLRs Gossamer Solar Array Conceptual Demonstrator‘, oder den Bericht ‚GoSolAr - A Gossamer Solar Array Concept for High Power Spacecraft Applications using Flexible Thin-Film Photovoltaics‘, der im Oktober auf dem 69. International Astronautical Congress vorgestellt wird.
Ähnlich geht es 2019 weiter, der Schritt zum tatsächlichen Einsatzversuch ist bislang aber noch nicht getan.
Auch weiteres Projekt der ESA befaßt sich mit Solarsegeln. Im Rahmen
des fünfjährigen Programms VisionSpace, das mit 2
Mio. € ausgestattet von 2009 bis 2014 läuft,
untersucht die ESA die Mechanik der Orbital-Satelliten und gelangt
zu dem Schluß, daß es möglich sei einen hybriden Solarsegel/Elektroantrieb-Satelliten zu
bauen, der stabil über einen der Erdpole schweben könnte, indem er
den Zug der Erde und der Sonne ausbalanciert – ähnlich wie es an den
Lagrange-Punkten geschieht, wo die Schwerkraft von Sonne und Erde so
ausgeglichen ist, daß ein kleiner Gegenstand dort mehr oder weniger
an einen festen Punkt im Raum schwebt.
Der ESA zufolge könnte ein ähnlicher Balanceakt über den Polen der Erde erreicht werden, indem ein sehr großes, aber sehr leichtes Raumfahrzeug verwendet wird, das aus einem Sonnensegel und einem Elektroantrieb wie einem Hall-Triebwerk besteht (s.u.). Das Sonnensegel würde die Sonnenwinde fangen, um einen Schub zu erzeugen, der durch das kardanisch angetriebene Triebwerk verstärkt wird, das von kleinen, im Segel eingebetteten Solarzellen versorgt wird.
Getrennt würden Sonnensegel und Triebwerk nicht in der Lage sein, das richtige Schub-zu-Gewichts-Verhältnis zu liefern. Gemeinsam können sie die Kräfte aber ausgleichen und das Raumfahrzeug mit einem minimalen Aufwand an Treibstoffen in einer winzigen Umlaufbahn über einem der Pole stabilisieren.
Das VisionSpace-Projekt untersucht die neuartigen Raumsysteme, die zusätzliche Faktoren wie Sonnenstrahldruck, atmosphärischer Widerstand oder Gravitationsinteraktionen nutzen können, über ein breites Spektrum von Größen. Dies reicht von mikroskopischen Anwendungen wie ,smart dust’-Geräte oder Schwärme von interagierenden Mikro-Raumfahrzeugen für neue kommerzielle und wissenschaftliche Anwendungen, über größere einsetzbare Weltraum-Netze und Sonnensegel, bis hin zu Lösungen auf der Makroskala, wie dem Einfangen von Asteroiden. Koordiniert wird VisionSpace von Colin Robert Mcinnes an der Strathclyde University in Glasgow.
Die Missionsplanung des Weltraumseglers Cosmos 1 der
privaten, gemeinnützigen amerikanisch-russischen Forschungsgesellschaft Planetary
Society in Pasadena beginnt im Jahr 2000,
kostet 3,3 Mio. € und wird mit Sponsorengeldern finanziert. Die
am Babakin Space Center gebaute 100 kg schwere Sonde soll in einem
800 km hohen Orbit eine neue Sonnensegel-Antriebstechnik testen.
Ihre acht dreieckigen und jeweils 15 m großen Segel aus Aluminium-beschichtetem Mylar (= Polyethylenterephthalat, wie bei sogenannten Rettungsdecken verwendet) sind wie die Blätter eines Hubschraubers angebracht und frei beweglich. Das Material ist 5 µm dick (etwa 20 Mal dünner als ein menschliches Haar) und gilt derzeit als das leichteste bekannte Gewebe bei höchster Festigkeit.
Der Start 2001 von einem russischen U-Boot in der Barentssee geht jedoch schief. Nach Angaben der russischen Raketenbaufirma Makejew setzt der Antrieb der ersten Stufe der Trägerrakete aus, und die umgebaute Militärrakete vom Typ Wolna verfügt über keine Ersatzzündung. Auch ein weiterer Versuch 2005 endet mit einem Raketenfehler.
Aufgegeben wird trotzdem nicht. Im Rahmen des Projekts LightSail will die Planetary Society Ende 2010 endlich zeigen, daß Sonnensegel eine reale und praktikable Möglichkeit für die Raumfahrt sind.
Die Sonde LightSail-1 (o. LightSail-A) mit einem Gewicht von rund 5,5 kg und einer Segelfläche von etwa 32 m2 Mylar soll in einer Flughöhe von 800 km zeigen, daß ein Sonnensegler kontrolliert in Erdnähe operieren kann. Mit dem LightSail-2 will man später weiter ins Sonnensystem hinaus fliegen, und LightSail-3 soll bereits wissenschaftliche Arbeit leisten und vor Sonnenstürmen warnen. Das neue Sonnensegel-Projekt wird durch eine anonyme Mehrmillionen-Dollar-Spende gefördert.
Ein UltraSail genanntes System wird wiederum 2003 von
der in Champaign, Illinois, beheimateten Firma CU Aerospace in
Zusammenarbeit mit einem Team der University of Illinois konzipiert.
Es handelt sich um ein sehr großes und extrem leichtes Sonnensegel-Konzept
von mehreren Quadratkilometern Fläche, das mit seinen rotierenden ‚Blättern’ eine
Vielzahl von interplanetaren und Lagrange-Punkt- Missionen möglich
machen soll.
Das Unternehmen und die Universität werden damit beauftragt, ein Low-Cost-Flugexperiment auf Grundlage des UltraSail-Konzepts vorzubereiten. Das CubeSail genannte Experiment soll zwei CubeSat-Satelliten nutzen, um in der Umlaufbahn ein 20 m2 großes Sonnensegel zu entfalten und die Funktionstüchtigkeit der neuen Technologie zu belegen. Der Start des ersten CubeSat ION-1 der University of Illinois im Jahr 2006 geht aber schief und die Rakete stürzt ab. Der Test eines weiterentwickelten ION-2 Satellit (später: IlliniSat-2) wird für 2009 angesetzt, später jedoch verschoben.
Die ursprünglich von Forschern der Stanford University und California Polytechnic State University entwickelten kubischen CubeSats haben eine Standard-Gerätegröße von 10 x 10 x 10 cm, können gestapelt werden, dürfen bis zu 1,3 kg wiegen und werden für weniger als 50.000 $ gebaut. Das LightSail beispielsweise ist ein CubeSat, der sich aus drei Einheiten zusammensetzt.
Tatsächlich ist aber erst wieder im Februar 2015 wieder von dem Projekt zu hören, als die Planetary Society ankündigt, daß das Segel im Mai seinen ersten Testflug machen wird. Der solarbetriebene CubeSat soll mit einer Atlas-V-Rakete von der Cape Canaveral Air Force Basis in Florida aus in den Orbit gebracht werden – als ,Huckepack-Nutzlast’ zusammen mit dem unbemannten Raumgleiter X-37B der US Air Force.
Das LightSail-System besteht aus einem rechteckigen Elektronikpaket von der Größe eines Brotlaibs, das von der Firma Stellar Exploration Inc. aus San Luis Obispo in Kalifornien entwickelt wurde, sowie dem Antriebssystem in Form eines 32 m2 großen Segels aus reflexiver Mylar-Folie, das sich mittels vier 4 m langen Auslegern entfaltet. Die Herausforderung bildet ein Design, das leicht genug ist, um von der Sonne geschoben zu werden, und gleichzeitig stabil genug, um nicht zu kollabieren.
Der aktuelle Test soll bis zu vier Wochen dauern und die Fähigkeit des Raumfahrzeugs belegen, seine Sonnensegel zu entfalten. Aufgrund der sehr niedrigen Umlaufbahn wird allerdings kein kontrollierter Solarflug durchgeführt werden können, dafür wird es möglich sein, die Lagesteuerungssystem zu testen und das Verhalten des Segels zu überwachen.
Nach dem Start am 20. Mai hört das LightSail jedoch am 22. Mai auf zu senden, vermutlich aufgrund eines Design-Fehlers in der Avionik-Software, was zum Absturz des Computers führt. Der Planetary Society zufolge ist der Ausfall wahrscheinlich der kosmischen Strahlung geschuldet, die bei Satelliten-Computern häufig Neustarts erforderlich macht. Nach einer Pause vor mehr als einer Woche kann Bill Nye, Geschäftsführer der Planetary Society, allerdings zufrieden vermelden, daß sich der Sonnensegel-Technologie-Demonstrator wieder selbst neu gestartet hat.
Nach einen Batterieproblem, das aber ebenfalls gelöst werden kann, wird am 7. Juni die erfolgreiche Entfaltung des Segels gefeiert, das dann auch gleich ein ,Sailfie’-Foto von sich zur Erde sendet.
Im Oktober 2015 wird übrigens zum 35-jährigen Jubiläum der Planetary Society eine ,Symphony of Science’ in Form eines YouTube-Clips unter dem Titel Beyond The Horizon veröffentlicht, in welchem Bill Nye, der Astrophysiker Neil deGrasse Tyson, die Geologin Emily Lakdawalla und (posthum) Carl Sagan die Notwendigkeit der Menschheit besingen, die nächste Grenze zu überschreiten und andere Planeten zu erforschen. Witzig und anhörenswert.
Ein zweiter LightSail-Flug wird voraussichtlich im Jahr 2016 stattfinden, wobei dann auch das Sonnensegeln in der Erdumlaufbahn demonstriert werden soll. Das Segel wird im Inneren des kleinen Prox-1 Satelliten der Virginia Tech Universität installiert und soll mit Hilfe der neuen Falcon 9 Rakete von Elon Musks Firma SpaceX in einen Orbit von 720 km Höhe gehievt werden.
Dort wird Prox-1 das LightSail in den offenen Raum entlassen und es bei einem späteren Rendezvous überprüfen. Wenn das Gerät dann seine Sonnensegel entfaltet wird Prox-1 in der Nähe sein, um Bilder von dem großen Moment zu machen. Drei elektromagnetische Drehstäbe an Bord werden mit dem Magnetfeld der Erde in Wechselwirkung treten und das Raumfahrzeug ausrichten. Gleichzeitig soll ein bodengestützter Laser die Wirkung des Sonnenlichts auf das Segel messen.
Um dies zu realisieren, startet Nye im Mai 2015 eine Kickstarter-Kampagne, bei der 200.000 $ eingesammelt werden sollen. Wobei zur Durchführung der Mission insgesamt allerdings 1,2 Mio. $ benötigt werden. Und obwohl für die Beteiligten kein direkter Profit oder irgendein technisches Gadget dabei herausspringt, kommen innerhalb der Laufzeit von rund zwei Monaten sogar 1.241.615 $ zusammen, was beweist, daß die Menschheit doch nicht so dumm ist, wie oftmals behauptet wird.
Im Februar 2016 stellt die Planetary Society das LightSail-2 vor, das sich aber noch in der Entwicklung befindet. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger soll das neue Solar-Segel-Raumfahrzeug in eine hochgelegene Umlaufbahn gebracht, um das tatsächliche Segeln zu ermöglichen. In einem Video wird ein Segel-Entfaltungsrest bei der Firma Ecliptic Enterprises Corp. in Pasadena gezeigt.
Das neue Lichtsegel verfügt über vier dreieckige Segelflächen aus Mylar, die zusammen eine rechteckige Oberfläche bilden. Sobald der 3U Cubesat eine Orbitalhöhe von 800 km erreicht, werden die Segel entfaltet, um sich über eine Gesamtfläche von 32 m2 zu erstrecken. Eine zweite Runde der Systemprüfungen ist nun am Cal Poly geplant. Das Datum für den Start hängt davon ab, wann die Falcon Rakete bereit sein wird.
Im Jahr 2002 denkt das spanische Unternehmen Deimos
Space aus Madrid über Lösungen nach, wie man einen Asteroiden
von seinem Kollisionskurs mit der Erde abbringen kann. Im Rahmen einer
Machbarkeitsstudie für die Europäischen Weltraumagentur ESA wird
eine Mission mit dem Namen Don Quichotte vorgeschlagen,
bei der zwei Raumfahrzeuge, Hidalgo und Sanchez, zu einem geeigneten
Asteroiden starten, wobei Hidalgo dabei als Projektil dient und mit
einem hohen Tempo von rund 10 km/s auf den Himmelskörper prallen soll,
um seine Bahn leicht zu verändern. Sancho wird derweil die Folgen des
Einschlags aus sicherer Distanz beobachten.
Weshalb das Projekt hier erwähnt wird: Als alternativer Ansatz wird auch in Betracht gezogen, auf dem Asteroiden ein riesiges Solarsegel zu befestigen, das ihn dann mit Hilfe des Sonnenwindes von seinem Kurs ablenken würde.
Diese Idee taucht iübrigens m August 2011 wieder auf, als die chinesischen Forscher Shengping Gong, Junfeng Li und Xiangyuan Zeng von der Tsinghua Universität in Peking einen Plan vorlegen, der sicherstellen soll, daß der 2004 entdeckte Asteroid (99942) Apophis mit einem Durchmesser von gut 300 m und einer Masse von rund 50 Millionen Tonnen nicht die Erde trifft. Was ersten Prognosen zufolge im Jahr 2029 möglich sei.
Weitere Beobachtungen zeigen jedoch, daß der Brocken im Jahr 2029 durch ein ,Schlüsselloch’ im Sonnensystem jagen wird – nur um die Erde oder den Mond dann 2036 zu treffen. Ein derartiges Schlüsselloch (oder Eintrittsfenster) ist ein kleiner Bereich der Raum, in dem sich der Kurs eines Asteroiden aufgrund seiner Interaktion mit der Schwerkraft eines Planeten verändert.
Dies eröffnet jedoch die Möglichkeit, Apophis genügend stark von seiner eigentlichen Bahn abzulenken, damit er 2036 keine Bedrohung mehr darstellt. Verwirklicht werden soll dies durch ein unbemanntes Raumschiff, das von einem Sonnensegel angetrieben genügend Schub entwickeln soll, um bei seiner Kollision mit Asteroiden die gewünschte Wirkung zu erzielen. Für das Manöver soll bereits eine Aufschlagsgeschwindigkeit von 90 km/s ausreichen.
Der Impaktor soll mit dem Sonnensegel auf eine retrograde Umlaufbahn gebracht werden und dabei nahezu ausschließlich auf die Kraft des Sonnenwindes angewiesen sein. Schon ein 10 kg schweres Sonnensegel würde genügen, um den Asteroiden ein Jahr vor 2029 zu treffen und ihn so von dem nur 600 m breiten Eintrittsfenster und damit von einer Kollision mit der Erde 2036 abzulenken.
Bislang ist über eine Umsetzung der Pläne nicht neues bekannt, doch präzise Beobachtungen der Bahn des Asteroiden bei seinem Vorbeiflug im Januar 2013 veranlassen die NASA Entwarnung zu geben. Der Besuch am 13. April 2029 wird aber in jedem Fall ein Spektakel werden, denn der vagabundierende Asteroid wird an diesem Tag in nur 31.300 km Abstand an der Erde vorbeischrammen und uns somit näher kommen, als viele Satelliten es sind.
Die japanische Raumfahrtagentur ISAS (später:
Japan Aerospace Exploration Agency, JAXA) führt
im August 2004 einen erfolgreichen Test zur Entfaltung
zweier Sonnensegel während eines suborbitalen Flugs durch. Es
besteht übrigens eine gute Zusammenarbeit zwischen der JAXA und
der Planetary Society.
Die vom Uchinoura Space Center bei Kagoshima aus gestartete S-310 Trägerrakete hat zwei Systeme mit 7,5 µm dicker Folie mit an Bord. Rund 100 Sekunden nach dem Start und in einer Höhe von 122 km entfaltet sich ein Segel mit Kleeblatt-Form - gefolgt von einer Rotorblatt-Form 230 Sek. nach dem Start und in einer Höhe von 169 km. Beide Experimente verlaufen erfolgreich.
Rotorblattförmige Segel (Heliogyro) sind aus schmalen Rotorblättern aufgebaut, die eine Länge von mehreren Kilometern haben können. Sie sind ebenfalls spinstabilisiert, was ihnen die nötige Formfestigkeit während des Fluges garantiert. Zudem können die einzelnen Rotorblätter zur präzisen Lageregelung mit Hilfe des Lichtdrucks genutzt werden.
Erstmal erfolgreich zum Einsatz kommt dann ein Sonnensegel bei der im Mai 2010 gestarteten japanischen Raumsonde Ikaros (Interplanetary Kite-craft Accelerated by Radiation Of the Sun), die speziell der Erprobung dieser Antriebsform dient. Sie startet an Bord einer H-IIA-202-Trägerrakete vom Weltraumzentrum Tanegashima im Süden Japans.
Das neu entwickelte Segel der JAXA geht dabei weit über die vorangegangenen Konzepte hinaus: Auf dem 7,5 µm dicken, viereckigen Polyamidsegel mit einer Kantenlänge von 14 m sind auch acht Staubsensoren angebracht sowie Dünnschichtsolarzellen zur Stromversorgung aufgedruckt.
Außerdem werden 72 hauchdünne Flüssigkristallelemente entlang der Außenkante des gegen Zugkraft, extreme Hitze und kosmische Strahlung robusten Segels verwendet, um dieses in die gewünschte Position zur Sonne hin zu drehen. Das eingesetzte ,Smart Glas’, das seine Reflektionseigenschaften verändern kann, steuert die Reflektivität der äußeren Abschnitte des Segels. Wird etwas davon eingeschaltet, schafft dies eine spiegelähnliche Wirkung, so daß der Druck des Sonnenlichts diesen Teil des Segels stärker anschiebt. Dadurch kann das Segel seinen Winkel um etwa 1° pro Tag verändern.
Der Bau der Ikaros hat 16 Mio. $ gekostet und der Flugverlauf der auf 77 Mio. km angelegten Segeltörn wird laufend in einem Blog festgehalten (leider nur in Japanisch).
Im Juni wird das 196 m2 große und 2 kg schwere Segel erfolgreich entfaltet und mittels Drehung (bis zu 20 U/m) flach gehalten, was durch vier an den Spitzen des Segels angebrachte Massen von jewils 0,5 kg erleichtert wird. Der Einsatz erfolgt in zwei Stufen: Während der ersten Phase wird das Segel statisch eingesetzt, und erst in der zweiten Stufe auch dynamisch. Diese Methode ist mit einem einfacheren und leichteren Mechanismus realisierbar als herkömmliche Mast- oder Baum-Strukturen, die starre Baulemente benötigen.
Mit einer in den Weltraum ausgesetzten Mikrosonde, die eine separate Kamera und eine Batterie enthält, werden einige Tage später Bilder der Sonde mit dem vollständig entfalteten Segel aufgenommen.
Im Juli bestätigt die JAXA, daß sowohl die Lagesteuerung als auch die Stromproduktion der Solarzellen zufriedenstellend funktionieren. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich Ikaros bereits 7,7 Mio. km weit von der Erde entfernt. Die Reise der 270 kg schweren Solarsegel-Sonde führt diese Anfang Dezember an der Venus vorbei, bevor sie die Sonne umrundet und in Richtung Erde zurückkehrt.
Im November 2012 wird Ikaros von Guinness World Records als weltweit erstes Sonnensegel-Raumschiff zwischen den Planeten anerkannt. Nachdem die Sonde aufgrund unzureichender Leistung der Solarzellen mehrfach in den Ruhezustand fällt, gibt es im Juni und September 2013 Kontakte, als die Solaranlage wieder mehr Strom zur Verfügung stellt. Im August gewinnt das Solarsegel erneut Geschwindigkeit und erreicht bald ca. 400 m/s.
Weitere Sendungen mit Telemetriedaten werden im Mai 2014 empfangen, als Ikaros in einer Entfernung von etwa 230 Mio. km an der Erde vorbeifliegt. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Raumschiff auf einer zehnmonatigen Umlaufbahn um die Sonne, bei der es leistungsbedingt jeweils sieben Monate im Ruhezustand verbringt. Im April 2015 wacht die Sonde zum 4. Mal aus dem Ruhezustand-Modus auf.
Nach der erfolgreich verlaufenen Mission wollen die Forscher in einigen Jahren ein zweites Sonnensegel mit 50 m Durchmesser ins All schicken – zum Jupiter und zu den Trojaner-Asteroiden, wobei die Sonde möglicherweise auch noch mit einem solarbetriebenen Ionen-Antrieb ausgestattet wird (s.u.).
Weiter mit den Weltraum-Sonnensegeln...