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Weltraum-Sonnensegel (3)

Der amerikanische Physiker und Luft- und Raumfahrtingenieur Jordin T. Kare schlägt im Dezember 2004 eine weitere Variation vor. Demzufolge könnten magnetische Segel auch mit einem Strahl-Antrieb verwendet werden - indem ein Hochleistungs-Teilchenbeschleuniger eingesetzt wird, der einen Strahl geladener Teilchen auf das Raumfahrzeug richtet.

Kare, der bis 1996 am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) tätig war, gehört zu den führenden Befürwortern des Laserantriebs (Laser Power Beaming), organisierte bereits 1986 einen entsprechenden Workshop am LLNL und führte später ein von der Strategic Defense Initiative Organization (SDIO, allgemein als ,Star Wars’ bekannt) unterstütztes Entwicklungsprogramm für den Laserstart vom Boden in den Orbit durch.

Im Rahmen seiner eigenen Firma Kare Technical Consulting präsentiert Kare im Dezember 2001 dem Institute for Advanced Concepts der NASA das Konzept eines magnetischen Segels, das durch einen Strahl (SailBeam) vorangetrieben wird (,High-acceleration Micro-scale Laser Sails for Interstellar Propulsion’). Eine Kernidee dabei ist, daß sich durch das Beschleunigen einer großen Zahl von kleinen Segeln, anstatt einem einzigen großen, die gleiche Menge an Masse mit einem weniger komplexen optischen System auf hohe Geschwindigkeiten bringen läßt.

Zudem ist Kare Chefwissenschaftler der US-Firma LaserMotive Inc., die im Jahr 2009 bei dem Space Elevator Power-Beaming Wettbewerb der NASA ein Preisgeld von 900.000 $ gewinnt (s.d.) und später Multikopter sowie Starrflügel-Drohnen im Flug über Laser mit Energie versorgt.


Im Jahr 2004 stoppt die Bush-Administration die meisten Arbeiten an Solarsegeln und leitet das Geld zu einer vage definierten Mond-Mars-Mission um. Den technischen Zwischenstand 2005 kann man wie folgt zusammenfassen:

Für die Schubkraft einer kleinen Mondsonde (0,07 N) benötigt man eine Segelfläche von 9.000 m2. Es ist sinnvoll, Sonnensegel mit einer spiegelnden Schicht zu versehen, da reflektiertes Licht infolge der doppelten Impulsübertragung einen größeren Druck ausübt. Bislang werden insbesondere die Kunststoffe Mylar und Kapton verwendet, die beide sehr dünn, leicht und widerstandsfähig sind. Kapton ist zudem UV-beständig, was bei sonnennahen Missionen entscheidend ist.

Auch andere Materialien befinden sich in der Entwicklung, wie z.B. Aluminium, das mit Löchern etwas kleiner als Lichtteilchen versehen werden soll. Dadurch kann viel Material und Gewicht eingespart werden. Allerdings ist Aluminium alleine zu fragil, um starken Kräften standhalten zu können. Hierfür besser geeignet sind Karbonfasern oder Graphen, die durch ihre Knitterfreiheit auch Glättungsmechanismen nach der Entfaltung überflüssig machen.


Unter den im Jahr 2006 bekanntgegebenen sechs sogenannten ,Centennial Challenges’ der NASA, bei denen Preisgelder zwischen 0,5 und 5 Mio. $ zu gewinnen sind, gibt es auch einen Station-Keeping Solar Sail Challenge zur Entwicklung neuer Raumfahrzeuge mit Solarsegel-Antrieb.

Der Wettbewerb ist in zwei Kategorien unterteilt: 2,5 Mio. $ erhält, wer als Erster mit einem Solar-Fahrzeug einen Streckenverlauf im All mit definierter Mindestbeschleunigung absolviert. Ziel ist der rund 1,5 Mio. km von der Erde entfernte Lagrange-Punkt L1. Ebenfalls 2,5 Mio. $ bekommt, wer als Erster eine Zielregion ober- oder unterhalb des Lagrange-Punktes L1 erreicht und diesen Punkt 90 Tage fixiert.

Ein entsprechendes Konzept ist bereits durchgerechnet worden: Ein 67 x 67 m großes Solarsegel würde ausreichen, einen Sonnensatelliten quasi am inneren Lagrange-Punkt festzunageln – womit die Vorwarnzeit für schwere Sonnenstürme verdoppelt werden könnte.

Überraschenderweise ist später nichts mehr darüber zu erfahren, obwohl das Wissenschafts- und Technologiebüro des Weißen Hauses im September 2010 eine neue Website veröffentlicht (challenge.gov), auf dem die Preise und Herausforderungen der staatlichen Agenturen bekanntgegeben werden – darunter auch die der NASA.


Im Juni 2007 findet in Herrsching am Ammersee, Bayern, das mehrtägige 1. Internationale Symposium zum Solar Sailing (ISSS 2007) statt.


Mitte 2008 will ein Team um Edward ‚Sandy’ Montgomery vom Marshall Space Flight Center der NASA gemeinsam mit einer Gruppe um Elwood Agasid vom Ames Research Center ein Solarsegel namens NanoSail-D in den Orbit bringen, pünktlich zum 50jährigen Jubiläum der NASA. Es soll das erste voll entfaltete Sonnensegel im All werden - und der seitens des Polytechnikum der University of California entwickelte Poly Picosatellite Orbital Deployer (P-POD), der das Segel aussetzt, damit auch das erste Raumfahrzeug, das den Solardruck als primäres Mittel zur Lageregelung oder zum orbitalen Manövrieren nutzt.

Ausgefaltetes NanoSail-D

Ausgefaltetes NanoSail-D

Die Struktur, die sich an den früheren Prototypen bedient, besteht aus Aluminium und einem speziellen Kunststoff, wobei das ganze Raumschiff weniger als 5 kg wiegt. Komplett geöffnet breitet sich das drachenförmige, lichtfangende Segel über eine Fläche von etwa 100 Quadratfuß aus. Mit dem Fehlstart der Falcon 1 Rakete des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX ist das Projekt jedoch leider ein Mißerfolg.

Der nächste Versuch erfolgt Ende 2010, als eine Minotaur IV Trägerrakete die Sonde NanoSail-D in einen 640 km hohen Orbit befördert. Dort soll das System 70 bis 120 Tage lang getestet werden. Anschließend will man versuchen, es auf einen niedrigeren Orbit zu steuern um mehr über die Rückführungsmöglichkeit von Weltraumschrott mit dieser Methode zu lernen.

Das Experiment ist Resultat gemeinsamer Bemühungen der NASA, der University of Alabama, des von Braun Center for Science and Innovation Space in Huntsville, Alabama, der Firma Dynetics Inc., ebenfalls in Huntsville, sowie weiterer lokaler Unternehmen. Parallel dazu arbeiten NASA-Ingenieure an einer 3. Version namens FeatherSail.

Am 6. Dezember 2010 wird der NanoSail-D Nanosatellit (Gewichtsklasse 1 kg bis 10 kg) erfolgreich von dem Mikrosatellit FASTSAT (Fast, Affordable, Science and Technology Satellite) ausgestoßen. Es ist das erste Mal, daß die NASA einen P-POD an einen Mikrosatelliten (Gewichtsklasse 10 kg bis 100 kg) anbaut.

Der mit insgesamt 6 wissenschaftlichen Nutzlasten ausgestattete FASTSAT war im Rahmen der STP-S26 Mission der NASA und dem U.S. Department of Defense Space Test Program am 19. November von Kodiak Island in Alaska aus gestartet worden.

Eigentlich soll sich das Segel drei Tage nach dem Ausstoß vollautomatisch auf seine Fläche von 100 Quadratfuß entfalten, wofür es nur 5 Sekunden braucht. Doch auch dieser Versuch läuft nicht problemlos ab.

NanoSail-D Lichtspur am Himmel

NanoSail-D Lichtspur

Mitte Dezember gibt es keinen Kontakt mehr zu der Sonde, und bislang liegt noch keine eindeutige Bestätigung dafür vor, daß der Ausstoßvorgang erfolgreich verlaufen ist, auch wenn die Telemetriedaten dies nahelegen. Der FASTSAT Mikrosatellit und die restlichen fünf Experimente an Bord funktionieren dagegen wie geplant.

Im Januar 2011 geben die NASA-Ingenieure bekannt, daß sich das Segel zu ihrer Überraschung nun doch noch ,spontan’ vom FASTSAT getrennt und nach drei Tagen planungsgemäß entfaltet habe. Jetzt soll es 120 Tage lang in einer orbitalen Höhe von 650 km verbleiben. Im Februar gibt es ein Foto, auf dem die Lichtspur des NanoSail-D zu sehen ist.

Dem Sonnensegel fehlt zwar die Manövrierfähigkeit, doch bis zu seinem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre im Mai werden wertvolle Daten gesammelt, die in zukünftige Missionen einfließen.

Eine solche kündigt die NASA im August an: Bis 2015 soll als eine von drei aktuell vorgeschlagenen ,Technology Demonstration Missions’ auch die nächste Generation eines Solarsegel-Raumfahrzeugs bereit stehen, das mit einer Kantenlänge von 38 m und einer ,Nutzfläche’ von gut 1.200 m2 etwa 7-mal größer ist als alle, die bislang im Weltraum geflogen sind. Zu den Zielen der Mission unter der Leitung der kalifornischen Firma L’Garde Inc. aus Tustin, an der neben der NASA auch noch die National Oceanic and Atmospheric Administration und die Space Services Inc. aus Houston beteiligt sind, gehören u.a. die Demonstration der Lageregelung des Segels, seine passive Stabilität und die Trimmsteuerung.

Das Interesse der Partner hat einen handfesten Hintergrund, da es mit der kostengünstigen Technologie der Solarsegel möglich ist, Kleinsatelliten in Weltraummüll-Sammler zu verwandeln. Der jüngsten Schätzung des Space Surveillance Network befinden sich gegenwärtig 6.000 Tonnen oder 20.000 Stück Weltraumschrott im Orbit. Ein entsprechendes Projekt umfaßt die Testplanung, die Entwicklung der Flughardware, den Bodenbetrieb u.a.m. Weitere Möglichkeiten umfassen eine direkte Kommunikationsverbindung zum Südpol der Erde sowie die Installation von Weltraumwetter-Observationssystemen um Satelliten vor Sonnenstürmen zu warnen.

Im Januar 2013 nennt die NASA den Starttermin für den Praxistest des bislang größten Sonnensegels. Das Projekt, das als Hommage an Arthur C. Clarke nun den Namen Sunjammer bekommt (s.o.), soll 2014 verwirklicht werden.

Durch den Einsatz des 5 Mikron dünnen Kunststoffs Kapton von DuPont wiegt das neue Sonnensegel nur 32 kg, kann aber eine 80 kg schwere Nutzlastkapsel durchs All ziehen, in der sich auch Aschekapseln mit den sterblichen Überresten von Star Trek-Erfinder Gene Roddenberry und seiner Frau Majel Barrett-Roddenberry befinden (bei der ersten Weltraumbestattung von Gene im Jahr 1997 wurde nur ein kleiner Teil seiner Asche ins All geschickt).

Die Sunjammer-Mission dient in erster Linie Steuerungstests. So soll das Gefährt zunächst den Lagrange-Punkt L1 der Erdumlaufbahn um die Sonne erreichen und diese Position dann halten. Daneben wird die Sonde zwei britische Nutzlasten tragen: Den Sonnenwind Analyser (SWAN), den das Mullard Space Science Laboratory des University College London entwickelt hat, sowie den MAGIC Magnetometer des Blackett Laboratory am Imperial College London.

Im September wird ein Meilenstein erreicht, als sich bei einem bodengestützten Test einer der vier Quadranten des Segels erfolgreich entfaltet. Und im Dezember richtet das NASA George Marshall Space Flight Center eine Anfrage an Firmen, um 10 x 10 m große Segel zu entwerfen und herzustellen, die in einen CubeSat-Würfel passen.

Der eigentlich für Januar 2015 geplante Start (zusammen mit dem Wetter- und Erdbeobachtungssatelliten DSCOVR) wird im Oktober 2014 jedoch gestrichen – aus Mangel an Vertrauen in die Umsetzungsfähigkeit des Auftragnehmers SpaceX, wie es heißt. In meinen Augen ein unfairer Vorbehalt oder Vorwand, denn die private Raumfahrtfirma hat in wesentlich kürzerer Zeit, zu beträchtlich geringeren Kosten und mit signifikant kleineren Unfällen mehr erreicht, als alle vorherigen staatlichen oder privaten Unternehmen.

Lunar

Lunar Flashlight (Grafik)

Im April 2015 gibt die NASA stattdessen bekannt, daß bei dem für November 2018 geplanten unbemannten Jungfernflug der NASA-Trägerrakete der nächsten Generation, dem Space Launch System (SLS), im Rahmen der Exploration Mission-1 (EM-1) neben der neuen Orion-Kapsel auch noch elf (später: 13) CubeSats in die Erdumlaufbahn transportiert werden sollen. Die SLS wird die stärkste Rakete sein, die je gebaut wurde.

Etwa 10 Minuten nach der Trennung von der oberen Stufe der Trägerrakete werden sich die Minisatelliten unter Verwendung eines Feder-basierten Systems sicher lösen. Bislang sind allerdings erst drei der 11 CubeSat-Entwürfe festgelegt, darunter BioSentinel, der Hefe in den interplanetaren Raum tragen soll, im Versuch, die negativen Auswirkungen der Strahlung in der Tiefe des Weltraums besser zu verstehen.

Bei der NEA Scout mission (Near Earth Asteroid) ist das Rendezvous einem kleinen Asteroiden vorgesehen. Dort gelandet soll der Minisatellit als Antrieb ein Sonnensegel verwenden. Und auch der CubeSat Lunar Flashlight, der über Krater des irdischen Mondes fliegen wird, die gewöhnlich in ewige Dunkelheit gehüllt sind, soll ein Sonnensegel nutzen, und dies nicht nur für den Antrieb, sondern auch um Licht in die dunklen Krater zu spiegeln. Dieses Licht wird wiederum von den eisigen Ablagerungen im Boden der Krater zurück zu dem Satelliten reflektiert, wo es von einem Spektrometer analysiert werden kann.

Im Februar 2016 werden neben den drei o.g. viwe weitere CubeSats benannt, die bei der EM-1 dabei sein werden: Skyfire von Lockheed Martin wird Sensordaten von der Mondoberfläche beschaffen; der Lunar IceCube der Morehead State University wird den Mond in 100 km Höhe umkreisen und nach Wassereis und andere Ressourcen suchen; der Satellit LunaH-Map wird Licht in die dunklen Krater und andere schattige Regionen um den Südpol werden, um Wasserstoff zu finden; und der CuSP soll als Wetterstation dienen, die Partikel und Magnetfelder im Weltraum mißt.


In diesem Zusammenhang werden auch Überlegungen von Les Johnson am Advanced Concepts Office des NASA Marshall Space Flight Center in Huntsville bekannt, der davon ausgeht, daß es noch 300 – 500 Jahre dauern wird, bis die allererste interstellare Sonde auf Kreuzfahrt durch den Raum geht, angetrieben von hochkonzentriertem Licht, das auf ein Segel von der Größe Texas, gestrahlt wird.

Im Idealfall würde das Raumfahrzeug seine enormen Segel relativ nahe an der Sonne entfalten – vielleicht in der Nähe der Umlaufbahn des Merkur – um von Anfang an den möglichst stärksten Photondruck zu ernten. Später sollen dann weltraumgestützte Laser ihr Licht auf das Segel richten, deren Leistung Schätzungen zufolge vergleichbar mit der heutigen planetaren Gesamtleistung sein müßten.


Ab 2008 plant das Finnische Meteorologische Institut den Bau eines elektrischen Sonnensegels (Electric Solar Wind Sail o. Electric Sail; auch E-Sail,  ESAIL), das die Erde immer schneller umkreisen soll, um die damit erreichbare Beschleunigung herauszufinden. Eine mögliche Mission für dieses Raumfahrzeug wäre ein Flug aus dem Sonnensystem hinaus, um Gas, Staub, Plasma und Magnetfelder im ungestörten interstellaren Raum zu messen.

Bei diesem radikal anderen Ansatz für Sonnensegel, einer 2006 von Pekka Janhunen aus dem Kumpula Space Centre gemachten Erfindung, werden lange metallische Verbindungen und eine Elektronenkanone zu einem elektrischen Segel verbunden, das sich sehr von den bisherigen Vorschlägen unterscheidet und mehr wie eine Antenne aussieht.

Electric Sail Grafik

Electric Sail (Grafik)

Eine Version in voller Größe würde aus bis zu 100 Stück 25 µm dünnen und jeweils 20 km langen Drähten bestehen, die mittels einer solarbetriebenen Elektronenkanone mit einigen 100 W Leistung auf einem hohen positiven Potential von etwa 20 kV gehalten werden. Dieses elektrische Feld verwandelt die Drähte in 50 m breite Segel, die den Sonnenwind nutzen können. Man schätzt, daß ein 20 km langer ‚Solardraht’, der nur ein paar hundert Gramm wiegt, einem Segel von 1 km2 Fläche entsprechen würde.

Die Arbeiten an dem elektrischen Segel werden von der Finnischen Akademie und privaten Stiftungen finanziert. Im November 2010 gewinnt das elektrische Segel den Finnischen Quality Innovation Prize für zukünftige Innovationen.

Im Rahmen eines EU FP7 Projekts (2011 - 2013) sollen Labor-Prototypen der wichtigsten Komponenten des E-Sail entwickelt werden. Das Projekt umfaßt fünf Länder, neun Institute und hat ein Budget von rund 1,7 Mio. €. Ziel ist ein Prototyp mit 8 km langen Drähten, der auf einen hohen Erdorbit gebracht werden soll.

Schon für 2012 ist im Rahmen eines studentischen Projekts an der estnischen Universität Tartu der Start eines ESTCube-1 Satelliten mit einem 10 m langen Testdraht geplant, um die theoretisch vorhergesagte Elektro-Segelkraft im Raum zu messen – was sich allerdings verzögert.

Im Januar 2013 kann die Universität Helsinki dafür bekanntgegeben, daß die Produktion eines 1 km langen E-Sail-Drahts gelungen sei – was von den meisten internationalen Experten in Ultraschallschweißen bislang für unmöglich gehalten worden war, da bei der Herstellung die extrem dünnen Drähte jeden Zentimeter miteinander verschweißt werden müssen – damit Mikrometeoriten keine schwächenden Schäden an der Struktur verursachen können. Mit 90.000 Ultraschallschweißungen erbringen die Forscher den Nachweis, daß es möglich ist, E-Sail-Drähte in voller Größe herzustellen.

Als der Technologieerprobungs- und Amateurfunksatellit ESTCube-1 dann zusammen mit zwei Erdbeobachtungssatelliten im Mai 2013 mit einer Vega-Rakete vom Centre Spatial Guyanais bei Kourou in Französisch-Guayana aus ins All geschickt wird, soll er innerhalb einer Woche per Zentrifugalkraft einen 10 m langen und nur 50 µm dicken Draht aus Aluminium abwickeln, der anschließend mittels einer Elektronenkanone mit einer Spannung von 500 V aufgeladen wird. Dann soll über die Umdrehungen des Satelliten die Lorentzkraft des E-Sails gemessen werden – und versucht, das negativ geladene E-Segel zu verwenden, um den Satelliten aus der Umlaufbahn zu nehmen und wieder in die Erdatmosphäre zurückzuführen.

Der Plan scheitert jedoch, da der Abwicklungs-Mechanismus die Vibrationen des Raketenstarts nicht überlebt hat. Die Prüfung eines 100 m Drahts, die im Jahr 2014 folgen sollte, scheint verschoben worden zu sein.


In diesem Zusammenhang soll auch auf einen im März 2013 veröffentlichen Bericht verwiesen werden, dem zufolge Wissenschaftler am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics um Justin Kasper anhand von Daten, die von der bereits 1998 gestarteten NASA-Solarsonde Wind gesammelt wurden, eine Energiequelle identifiziert werden konnte, die bewirkt, daß sich Sonnenwinde erwärmen und beschleunigen, wenn sie sich weiter von ihrer Quelle entfernen.

Die Entdeckung weist auf Ionenzyklotronwellen als Quelle dieses seltsamen Phänomens hin, das u.a. die Kernenergieindustrie revolutionieren könnte. Schwere Ionen interagieren mit Ionenzyklotronwellen und gewinnen mit der Entfernung Energie und Wärme.


Im Juli 2015 folgt die Meldung, daß sich am NASA Marshall Space Flight Center in Huntsville, Alabama, ein internationales E-Sail-Team mit der Entwicklung eines Heliopause Electrostatic Rapid Transit System (HERTS) beschäftigt, das auf der Erkenntnis beruht, daß ein Raumschiff mit E-Sail in weniger als zehn Jahren 100 Astronomische Einheiten (AE) weit reisen kann – oder in gut 15 Jahren bis an die Heliopause in einer Entfernung von 120 – 150 AE. Als Heliopause wird die äußeren Regionen des Sonnensystems bezeichnet, wo der Einfluß der Sonne endet und der interstellare Raum beginnt.

Das Team besteht aus dem Erfinder und Patentinhaber des E-Sail-Antriebssystems Pekka Janhunen, dem NASA-Forschungsleiter für die Tether-Experimente Nobie Stone, Rob Hoyt von der Firma Tethers Unlimited Inc., sowie einem Team der Utah State University unter der Leitung von Robert Schunk. Mehr über deren jeweils eigenständige Aktivitäten findet sich weiter unten.

Das magnetische HERTS-Sonnensegel wird einen Durchmesser von 40 km haben und soll eine Geschwindigkeit von bis zu 150 km/s erreichen. Um die Protonen als Antrieb zu verwenden, besitzt HERTS 10 bis 20 Aluminiumstränge, die zwar nur etwa einen Millimeter dick, aber dafür 20 km lang sind. Im Zentrum dieses Netzes aus Strängen würde sich dann eine unbemannte Raumsonde befinden. Die nur wenige Gramm schweren Stränge werden nach dem Start aus der rotierenden Sonde ausgestoßen, wobei die Zentrifugalkraft bewirkt, daß sie sich ausstrecken und in Form eines großen, runden Netzes versteifen, das sich mit einer Umdrehung pro Stunde dreht.

HERTS-Tests

HERTS-Tests

Um die sich schnell bewegenden, positiv geladenen Protonen des Sonnenwindes abzustoßen, ist es elektrostatisch aufgeladen. Die Abstoßung drückt das Raumfahrzeug dann wie ein Segelboot vorwärts, das vor dem Wind läuft. Um die elektrostatische Ladung korrekt auszugleichen, besitzt das E-Sail eine Elektronenkanone, die denjenigen ähnelt, die in altmodischen Kathodenstrahlröhren verwendet wurden, um ein Bild zu erzeugen. Anstatt jedoch einen Fernsehbildschirm zu betreiben, spritzt diese Kanone ihre Elektronen in den Weltraum hinaus, um jede sich aufbauende Ladung zu neutralisieren.

Berichten vom April 2016 zufolge hat die NASA nun begonnen, das Konzept in ihrem High Intensity Solar Environment Test System – bei dem es sich um Plasmakammer handelt, die das Vakuum und das Plasma des interplanetaren Raums simuliert – zu untersuchen, um zu eruieren, wie viel Vortrieb genau durch das Sonnensegel erzeugt werden kann. Damit sollen dann die benötigten Modellierungsdaten verbessert werden, um die Technologie für ein richtiges Raumfahrzeug zu vergrößern. Bei den Tests werden statt Aluminium allerdings Drähte aus rostfreiem Stahl verwendet, da dieser aufgrund seiner nicht korrosiven Eigenschaften während der Tests nicht abgebaut wird.

Für die NASA steckt die E-Sail-Technologie noch in den Kinderschuhen - die erste HERTS-Mission wird daher wohl erst zwischen 2025 und 2030 starten.


Zusammen mit dem weltweit führenden Luft- und Raumfahrt Unternehmen EADS-Astrium und der ESA entwickeln Forscher der University of Surrey im Jahr 2009 ein Solar-Segel mit dem Namen CubeSail (zuvor auch NanoSail genannt; nicht mit dem CubeSail der University of Illinois zu verwechseln, s.o.), das 2011 zu seinem ersten Einsatz kommen soll.

Der nur 10 x 10 x 30 cm kleine, 3 kg leichte und vor allem günstige Kleinsatellit soll im Wesentlichen zwei Aufgaben erfüllen. Zum einen soll er bei der Beseitigung von Weltraumschrott helfen, und zum anderen könnte er notwendige Bahnkorrekturen anderer Satelliten unterstützen.

Im Erdorbit wird er ein 25 m2 großes Segel aus Spezialpolymer entfalten, und sich an dort befindlichen Weltraummüll, wie alte Satelliten oder Raketenteile, ankoppeln, wodurch sich deren Reibungswiderstand erhöht. Dadurch verringert sich die Geschwindigkeit, und das Objekt verglüht früher in der Erdatmosphäre, nachdem das CubeSail sich wieder von ihm gelöst hat.

Durch Ausnutzung des Sonnenwindes kann das System auch an Satelliten andocken und deren Bahn ohne den Verbrauch von Treibstoff korrigieren. Das Projekt kostet etwas mehr 1 Mio. € und die Wissenschaftler hoffen, daß es etwa ab 2013 möglich sein wird, den im Weltraum herumfliegenden Müll mit einem CubeSail zu versehen und damit langsam mit dem Aufräumen im Orbit zu beginnen.

Auf der 5. Europäischen Konferenz zum Thema Weltraumschrott in Darmstadt im April 2009 wird ein Segeldesign mit einer Fläche von 350 m2 und einem zusammenklappbaren 12 m Mast vorgestellt, das möglicherweise schon 2011 mit einer Ariane 5 Trägerrakete in den Orbit geschossen werden soll. Für den Mast selbst gibt es mehrere Alternativen: Die einfachste wäre ein gewebtes Polymer- und Aluminiumrohr, das durch Stickstoff aufgeblasen wird.

Ein weiteres Verfahren beinhaltet die Verwendung einer Röhre aus einem Polymer-Verbundwerkstoff, die durch die UV-Strahlen aushärtet, nachdem sie mit Stickstoff aufgeblasen wird. Ein dritter Entwurf nutzt Epoxydharz, das durch Verdampfung des Lösungsmittels aushärtet.

ISSS Poster 2010

ISSS Poster 2010

Im Juli 2010 findet am New York City College of Technology der City University of New York in Brooklyn das mehrtägige 2. International Symposium on Solar Sailing (ISSS) statt.


Im September 2010 schlagen Joel Poncy und sein Team bei der Firma Thales Alenia Space vor, den Transport großer Datenmengen, die bei Missionen zu entfernten Planeten und anderen Himmelskörpern gewonnen werden, mittels sogenannten Data Clippern zu bewerkstelligen. Diese sollen auch von Solarsegeln angetrieben werden.

Ein Data Clipper ist ein wendiges, solarbetriebenes Raumschiff, das wissenschaftliche Daten sammelt und diese beim Vorbeiflug an der Erde zur Bodenstation sendet. Bislang bildet die Übermittlung dieser Daten seitens konventioneller Orbiter einen signifikanten Flaschenhals, so daß die Übersendung der vielen Terabytes einer hochauflösenden Karte des Jupitermondes Europa beispielsweise, selbst beim Gebrauch einer sehr großen Antenne, mehrere Dekaden Zeit erfordern würde. Das Unternehmen plant, den ersten Clipper Ende 2020 starten zu können.


Auch das Unternehmen KiteShip in Martinez, Kalifornien, das sich mit VLFFS-Lenkdrachen als Antriebsquelle für Schiffe beschäftigt (s.d.), schaut über den Planetenrand hinaus und projektiert bereits Segel für den Einsatz in der Marsatmosphäre und für Reisen zum Jupiter.

Neben der konventionellen Solarsegel-Technologie gibt es nämlich noch die Möglichkeit, den Sonnenwind mittels magnetischer Segel einzufangen (s.o.). Damit meint man ein um das Raumschiff erzeugtes starkes Magnetfeld, das in einer Plasmablase eingeschlossen ist.

Der Vorteil eines solchen Segels wäre die große Nutzfläche – man denkt an Durchmesser von bis zu 15 km – fast ohne Materialeinsatz. Der Nachteil ist, daß ständig Plasma nachgeliefert werden muß, da es langsam aus dem Magnetfeld entweicht.

Diese Methode wird als Mini-Magnetospheric Plasma Propulsion (M2P2) bezeichnet und ist ursprünglich 1985 von Robert M. Winglee in die Diskussion eingebracht worden. Weiterführende Arbeiten werden um das Jahr 2000 herum von Geoffrey A. Landis durchgeführt.

 

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