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An dieser Stelle begegnet uns erneut die Rohr Industries aus
Chula Vista, Kalifornien - als US-Unternehmen der Luft- und Raumfahrtindustrie,
das von Bertins Aérotrain beeindruckt ist und sich von ihm die Luftkissentechnologie
und den Linearinduktionsmotor (LIM) lizenzieren läßt, um diese Transportmittel
auch in den USA zu bauen.
Nachdem sich die TRW 1965 für die spurgeführte Luftkissen-Technologie (TACV) ausgesprochen hatte (s.o.), geht die Urban Mass Transportation Administration (UMTA) 1968 verschiedene Luft- und Raumfahrtunternehmen auf der ganzen Welt um Angebote zum Bau von Hochgeschwindigkeitsfahrzeugen an. Unter den Bietern ist natürlich Rohr, aber auch die Westinghouse Electric Corp. führt ab 1969 Studien durch, um den Strombedarf von spurgeführten Luftkissenfahrzeugen (mit einer Geschwindigkeit von 480 km/h), Schienenfahrzeugen mit Linearinduktionsmotor (400 km/h), Rad-Fahrzeugen (400 km/h) und radgetriebenen Schienenfahrzeugen (320 km/h) zu ermitteln. Ebenso arbeitet Boeing an einem TACV-Design.
Etwa 1971 wählt die UTMA drei Unternehmen aus, die als Kandidaten für die Entwicklung und Umsetzung eines neuen Hochgeschwindigkeits-Bodentransportsystems (High-Speed Ground Transportation, HSGT) gelten, welches die Verkehrsprobleme der Zukunft lösen soll: Neben der Rohr Industries Inc. sind dies die Garrett Corp. und die Grumman Aerospace Corp., für die im Rahmen des TACV Projekts nun ein Standort des US Department of Transportation (USDOT) im Nordosten von Pueblo, Colorado, zur Installation von Teststrecken bereitgestellt wird.
Während Garrett Anfang 1972 nur ein Kleinmodell vorweisen kann, und Grumman noch in der Entwurfsphase steckt, kann Rohr schon mit dem Aufbau des Aérotrain-Prototyps beginnen. Einen Motivationsschub gibt es als bekannt wird, daß Los Angeles nach einer Lösung sucht, um den L.A. International Airport (LAX) mit dem San Fernando Valley und mit San Diego zu verbinden. Und der UMTA zufolge läßt sich dies nur mit einem HSGT-System verwirklichen!
Es ist nachvollziehbar, daß Rohr Industries nun hofft, mit dem Aérotrain genau diese Lücke ausfüllen zu können und bereits damit beginnt, Pläne für den vorgeschlagenen 26 km langen aufgeständerten Fahrweg entlang dem San Diego Freeway zu machen. Schließlich ist die Technologie aufgrund der Vorarbeiten in Frankreich ausgereift und bereit für den kommerziellen Einsatz. Die UMTA konzentriert sich derweil auf den Aufbau der drei Teststrecken für die Prototypen von Rohr, Grumman und Garrett auf dem High Speed Ground Test Center (HSGTC).
Das Linear-Induktionsmotor-Forschungsfahrzeug (Linear-Induction-Motor Research Vehicle, LIMRV) der Garrett AiResearch benötigt für seine Tests eine Standard-Bahnstrecke aus Stahlschienen, die mit einer zusätzlichen mittigen Reaktionsschiene ausgestattet ist. Das Schienenfahrzeug selbst ist mit einer 3.000 PS Gasturbine und einem 3.000 kW Generator als Energiequelle für seinen Linearmotor ausgestattet und auf Geschwindigkeiten bis zu 400 km/h ausgelegt. Garrett liefert sein LIMRV, noch bevor die Teststrecke fertig ist, doch nach Installation der Reaktionsschiene werden der Linearinduktionsmotor, die Bordnetze und die Schienendynamik getestet, wobei im Oktober 1972 eine Geschwindigkeit von 302,4 km/h erreicht wird.
Da die Geschwindigkeit aufgrund der relativ kurzen Strecke von 10 km und der geringen Beschleunigung des Fahrzeugs limitiert ist, werden ihm zwei Pratt & Whitney J52 Düsentriebwerke aufgesetzt, um es auf höhere Geschwindigkeiten zu bringen. Nach der Beschleunigung werden die Triebwerke soweit gedrosselt, daß ihr Schub nur noch ihrem Widerstand entspricht. Im August 1974 erreicht das LIMRV während eines Tests tatsächlich eine Spitze von 411,5 km/h – und setzt damit einen Weltrekord für Fahrzeuge auf konventionellen Schienen.
Das LIMRV endet allerdings mit geknickter Nase – und man hört etwas über ein Ausbrechen aus der Spur und Mängeln an den Bremsen. Das DOT verlangt daraufhin zusätzliche Bremssysteme für die Testfahrzeuge, sodaß auch Rohr den Aérotrain überarbeiten muß. Das Ergebnis sind außen angebrachte Platten, die im Notfall durch explosiven Luftaustritt ‚ausfahren’, damit das Fahrzeug für zusätzlichen Halt auf seinem Betonfahrweg entlang rutschen kann.
Einen Großteil der Mittel für die Teststrecken verschlingt das Tracked Air Cushion Research Vehicle (TACRV) von Grumman (teilweise auch bekannt als Track Levitated Research Vehicle, TLRV). Der Grund dafür sind die sehr teuren Angebote der Baufirmen, wobei es jedoch keine günstigere Lösung gibt, um die Strecke zu bauen. Daher werden zwar 35 km der kanalartigen Spurführung gebaut, doch Geld für die zusätzliche Reaktionsschiene bleibt nicht mehr übrig.
Grumman kann seinen Prototyp daher ab 1972 nur mit Luftkissen und verschiedenen Luftantrieben testen – und seinen LIM überhaupt nicht. Und auch die Finanzierung einer ursprünglich geplanten unterirdischen Teststrecke ist damit vom Tisch.
Das TACRV wird zunächst von Turbofan-Triebwerken angetrieben, und später mit einem Düsentriebwerk, mit dem aber nicht mehr als 145 km/h erreicht werden. Man plant daher, die Spur für den LIM irgendwann gegen Ende des Jahres 1973 zu installieren, da das TACRV mit dem Linearmotor theoretisch Geschwindigkeiten von bis zu 480 km/h erreichen soll. Grummans Ziel ist es, diese Art von Strecken entlang der Autobahn-Mittellinien zu bauen, um mit TACRV-Zügen aus drei bis vier Wagen in 18 Stunden von New York bis nach Los Angeles reisen zu können.
Womit wir beim Dritten im Bunde angekommen sind, dem Urban Tracked Air Cushion Vehicle (UTACV) von Rohr Industries.
Der auf Bertins Aérotrain basierende LIM-Schwebezug mit Sitzplätzen für Fahrgäste wird 1974 von Cula Vista kommend in Pueblo angeliefert, wo inzwischen fast kein Geld mehr übrig ist, so daß sich das Fahrzeug mit einer nur 2,4 km langen Strecke begnügen muß, auf der eine Maximalgeschwindigkeit von höchstens 233 km/h möglich ist. Eigentlich wollen die Rohr-Ingenieure mindestens 4,6 km, um auch noch höhere Geschwindigkeiten zu erreichen. Als der UTACV-Prototyp zum Testen bereit ist, ist das Budget des TACV Projekts jedoch fast aufgebraucht und weitere Gelder sind auch nicht zu erwarten.
Das Fahrzeug bekommt zumindest einen neuen Anstrich – während sich gleichzeitig Gerüchte verbreiten, daß das DOT die Federal Railroad Administration (FRA) übernehmen würde. Die Bauherren bemühen sich daher, die Strecke möglichst schnell fertig zu bekommen.
Tatsächlich kommt der umgebaute Aérotrain gerade rechtzeitig, um noch ein paar Testfahrten durchzuführen, bevor das DOT alles übernimmt. Die FRA hat sowieso kein Geld mehr. Für die neuen Tests unter der Ägide des DOT gibt es ein weiteres Mal einen neuen Anstrich – und natürlich auch neue Aufkleber. Der schwarze Teil darunter ist der Schürze, die die Luft zurückhält, auf welcher der Aerotrain während seines Betriebs schwebt. Mit dem Linearinduktionsmotor kann der UTACV von 240 km/h auf rund 30 km/h abbremsen, worauf die Graphitbremsen ausfahren, an der Reaktionsschiene entlang reiben und das Fahrzeug auf der Plattform zum Anhalten bringen.
Das Geländer auf der linken Seite des Streckenfotos zeigt die 2.000 kW Stromschiene, welche den Schwebezug versorgt, dessen zwei Kompressor-Ventilatoren mit einem Durchmesser von jeweils 1 m pro Sekunde 27 kg Schub bei 2,5 PSI entwickeln, um den Aérotrain vom Boden abzuheben.
Etwas seltsam mutet an, daß das Gefährt keine Windschutzscheibe besitzt. Statt dessen wird die Frontansicht durch eine Kamera auf den Piloten-Monitor übertragen. Daneben gibt es auch eine Kamera in der Rückseite des Fahrzeugs, das die hintere Ansicht wiedergibt. Die Passagierkabine besitzt zwei Türen, ist mit sehr bequemen Sitzen ausgestattet und wirkt wie ein Szenenbild aus Kubricks Film 2001.
Die letzten Versuchsfahrten des Fahrzeugs werden im Oktober 1975 abgeschlossen und das Gefährt wird eingemottet. Als Hauptprobleme des Systems werden die Notwendigkeit für eine Stromversorgung, die niedrige Energieeffizienz und die hohe Geräuschentwicklung gesehen. Der Schwebezug, mit dem nun niemand mehr etwas anfangen kann, wird der Stadt Pueblo unter der Bedingung überlassen, ihn gut sichtbar zu präsentieren. Der Rohr Aérotrain wird daraufhin vor dem Pueblo Weisbrod Aircraft Museum geparkt, während die Testanlage bei Pueblo seitdem für konventionelle Züge verwendet wird und ab 1998 unter dem Namen Transportation Technology Center Inc. (TTCI) firmiert.
Nach mehr als 35 Jahren, in denen es ungeschützt der Witterung ausgesetzt ist, findet das Experimentalfahrzeug von Rohr im August 2009 seine neue Ruhestätte in der Innenstadt von Pueblo vor dem Eisenbahnmuseum. Im April 2010 wechselt auch der Grumman TACRV vom Luftfahrtmuseum ins Eisenbahnmuseum und wird daneben geparkt. Als schließlich im Oktober 2012 auch noch der Garrett dorthin transportiert wird, ist das Trio wieder komplett und bildet jetzt den ganzen Stolz des Pueblo Railway Museums.
Und in Deutschland? Nun, hier entsteht im Rahmen
der Entwicklung der Magnetschwebebahn Transrapid auch ein besonderer
Versuchsträger, der Transrapid 03 von Krauss-Maffei,
bei dem es sich um eine linearmotorgetriebene Luftkissenschwebebahn
handelt, doch nach negativ ausgefallenen Vergleichstests mit dem Transrapid
02 im Sommer 1972 – vor allem in Sachen Energieverbrauch
– wird auch hier das Konzept nicht weiter verfolgt.
Man könnte also
meinen, daß das Kapitel dieser Technologie damit abgeschlossen sei
– doch dem ist nicht so, denn zumindest in einigen kleineren Projekten
hat sie überlebt:
Im Jahr 1985 installiert das Ingenieurbüro Lässer-Feizlmayer aus Innsbruck im Tiroler Wintersportort Serfaus in eine 1,28 km lange Luftkissenschwebebahn mit dem Namen Dorfbahn Serfaus, die unter der Serfauser Dorfstraße – die mittlerweile Dorfbahnstraße heißt – in einem Tunnel verkehrt und den Parkplatz am Rand des Dorfes mit der Talstation der Seilbahnen und Skilifte des Skigebiets Komperdell verbindet. Sie besitzt vier Haltestellen, die Fahrzeit beträgt je Richtung sieben Minuten, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 40 km/h und die maximale Höhendifferenz auf der Fahrstrecke 20,1 m. Angetrieben wird Dorfbahn über ein seitlich verlaufendes Seil, weshalb sie betriebstechnisch als Standseilbahn behandelt wird – obwohl es sich eigentlich um eine der kleinsten U-Bahnen der Welt handelt.
Der einzige Zug der Bahn besteht aus zwei fest miteinander gekuppelten Kabinen von jeweils rund 14,6 m Länge und 2,2 m Breite. Die Kapazität je Kabine beträgt 135 Personen. Das Zugseil treibt ein mit Gleichstrom betriebener 950 kW Elektromotor in der bergseitigen Endstation an, und die Bahn gleitet rund 1 mm über dem Boden auf einem Luftkissenpolster, das von drei Kompressoren je Kabine erzeugt wird. Die elektrischen Anlagen der Kabinen wie Innenbeleuchtung, Kompressoren und Türantriebe werden durch eine dreipolige 950 V Wechselstrom-Oberleitung versorgt.
Im Dezember 2007 wird bekannt, daß die Dorfbahn Serfaus einer Modernisierung unterzogen werden muß, um dem großen Ansturm gerecht zu werden und neuen technischen Auflagen zu genügen, wobei der bisherige Betrieb mit einem Wagenverbund aus zwei Wagen zugunsten eines Betriebs mit zwei unabhängigen Fahrzeugen geändert werden soll. Als Termin für eine Realisierung sind ursprünglich die Jahre 2009 und 2010 geplant, bislang scheint jedoch noch nichts geschehen zu sein.
Eine weitere Luftkissenschwebebahn verbindet seit September 2003 am Flughafen Zürich das alte Flughafengebäude (Airside Center) mit dem neuen Vorfeld-Terminal E über eine Strecke von knapp 1,14 km Länge. Die von Poma-Otis gebaute Skymetro, die ebenfalls über Seile angetrieben wird, verläuft unterirdisch durch zwei getrennte Tunnelröhren, wird vollautomatisch betrieben und benötigt für ihre Fahrstrecke zwei bis drei Minuten. Und auch hier erzeugen Luftkompressoren ein 0,2 mm dickes Luftkissen, auf dem die Kabinen entlangschweben.
Besonderes Highlight dieser Bahn, die im Jahr 2010 beispielsweise 6,73 Mio. Passagiere befördert, sind auf die Geschwindigkeit angepaßte Bilder an der Tunnelwand, wodurch eine Animation wie bei einem Daumenkino erreicht wird, die die Alpen sowie eine überaus hübsche und Luftküßchen gebende ‚Heidi’ zeigt, während auf der Tonspur Naturgeräusche, muhende Kühe und Jodeln zu hören sind. Sehr nett! Mehr über seilgezogene Verkehrsmittel findet sich im Unterkapitel Innerstädtische Seilbahnen.
Im Mai 2011 stellt ein Team um Prof. Yusuke
Sugahara von der Tohuku Universität auf der IEEE, der internationalen
Ausstellung für Robotertechnik in Shanghai, China, den ersten Prototyp
eines neuartigen Transportmittels vor, der als Aero
Train bezeichnet
wird. Der elektrisch betriebene Zug schwebt ohne jegliche Magnetkraft
wenige Zentimeter über dem Boden, und auch Luftkissen gibt es nicht.
Statt dessen beruht die Technik auf dem sogenannten Bodeneffekt –
einem physikalischen Phänomen umströmter Körper in Bodennähe, bei
denen ein dynamischer Auftrieb durch eine Art Luftwalze entsteht.
[Bodeneffektfahrzeuge, in geringster Höhe über ebene Oberflächen,
meist Wasser, fliegen, sind besonders in der UdSSR entwickelt und
gebaut worden (Ekranoplan), waren bis zu 450 t schwer und bis zu
500 km/h schnell.]
An der Technologie scheint man am Kohama Laboratory der Tohoku University schon länger zu arbeiten, denn auf veröffentlichten Videos ist ein kleiner ferngesteuerter Vorläufer des Aero Train zu sehen – während auf Foto bereits sehr ausgereift wirkende Modelle die Jahreszahlen 2002 und 2003 eingeblendet sind. Außerdem sind mindestens drei sehr unterschiedliche Ausführungen zu sehen – leider ohne weitere technischen Details in Englisch. Falls sich also jemand mit Japanisch-Kenntnissen der Sache annehmen und eine zusammenfassende Übersetzung erstellen würde, wäre das sehr freundlich.
Der Zug, für den spezielle U-förmige Straßen entstehen sollen, die ihn in der Bahn halten, soll sicherer als viele andere Transportmittel sein und bis zu 200 km/h erreichen. Die Route würde ein Tunnel vorgeben, dessen Dach aus Solarzellen besteht. Der hier produzierte Strom soll dann per Induktion in die Batterien des Aero Train geleitet werden und dessen Rotoren antreiben. Das letztliche Ziel der japanischen Forscher ist, wie bei Magnetschwebebahnen und Luftkissenbooten von Rädern wegzukommen, höhere Geschwindigkeiten zu erzielen und den Verschleiß zu minimieren.
Im Oktober 2011 berichten die Blogs über das AirFLoW Konzept des litauischen Designers Lukas Medeisis, ein solarbetriebenes Luftkissenfahrzeug für den öffentlichen Nahverkehr in Helsinki, das diesen im Jahr 2020 vom Stadtzentrum zur Küstenlinie verschieben soll. Was recht sinnvoll ist, da ein solches Transportmittel gleichermaßen über Wasser, Schnee oder Eis gleiten kann.
Betrieben
werden soll der schwebende Bus, der neben 39 Passagieren auch Platz
für Rollstühle, Kinderwagen und Fahrräder bietet, mit Hybrid-Motoren,
die durch transparente Solarmodule auf dem laminierten Polycarbonat-Dach
des Hovercraft mit Strom versorgt werden.
Das Thema der urbanen
Seilbahnen ohne Luftkissen
behandle ich nachfolgend in einem separaten Kapitelteil.
Weiter mit den Magnetschwebebahnen (Maglev)...