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Alternative Antriebe in der Raumfahrt (4)

Im Mai 2012 meldet die Presse, daß die 19-jährige ägyptische Physikstudentin Aisha Mustafa der Universität Sohag das Patent für ein Antriebssystem eingereicht habe, das auf dem in der Physik seit längerem bekannten Casimir-Effekt basiert. Damit soll es gelingen, Raumfahrzeuge zu anderen Sonnensystemen zu schicken – ohne einen einzigen Tropfen Kraftstoff zu benötigen. Zwar berichten die Journalisten, daß die Erfinderin bei der Patentanmeldung von ihrer Universität unterstützt wird, ein Beleg dafür läßt sich aber nicht finden. In einem späteren Interview spricht sie auch nur von einer ,Registrierung’ an der (vermutlich ägyptischen) Academy of Scientific Research.

Casimir-Effekt Grafik

Casimir-Effekt (Grafik)

Mustafa geht davon aus, daß der Raum kein Vakuum ist, sondern ein kochendes Meer von (virtuellen) Partikeln und Anti-Materie-Partikel, die entstehen und sich dann augenblicklich wieder zerstören. Über den dynamischen Casimir-Effekt soll dieser Quanteneffekt genutzt werden, indem ein ,bewegter Spiegel’-Hohlraum verwendet wird, in welchem zwei flache, reflektierende Platten, die nur ein paar Mikrometer voneinander entfernt sind, so manipuliert werden, daß sie mit den Quantenteilchen interagieren. Durch das Bewegen der aus Silizium hergestellten Platten, entsteht quasi Energie aus dem Nichts – und eine Nettokraft wird geschaffen. Diese kann wiederum verwendet werden, um ein Raumfahrzeug zu schieben, zu ziehen oder anzutreiben.

Versuche, diese auch ,Zero Point Energy’ genannte Energiequelle zu nutzen, gibt es schon länger. Einige der Protagonisten bislang noch nicht verifizierter Systeme stelle ich in der Datenbank der neuen Energie vor (s.d.). Und sogar die NASA hat die Sache im Rahmen des Advanced Space Transportation Program verfolgt, als am Glenn Research Center von 1996 bis 2002 das Breakthrough Propulsion Physics Project (BPPP) lief.

Unter Leitung des Physikers Marc G. Millis wurden damals in Subprojekten, wie dem Quantum Vacuum Forces Project, Vakuumenergie, Nullpunktsenergie, Casimir-Effekt, Warp-Antrieb, Antigravitation, Überlichtgeschwindigkeit u.a. erforscht – ohne dies an die große Glocke zu hängen. Die Gesamtkosten des Programms beliefen sich auf 1,6 Mio. $. Ein Pressebericht darüber findet sich in dem US-Magazin Popular Science vom Mai 2001.

Millis schlägt darin z.B. einen als Differential Sail bezeichneten Antrieb vor, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Konzept von Mustafa hat: Da die Heisenbergsche Unschärferelation impliziert, daß es keine exakte Menge an Energie an einem exakten Punkt gibt, wird von Vakuumfluktuationen ausgegangen, die zu erkennbaren Effekten wie dem Casimir-Effekt führen.

Das Differentialsegel beruht auf der Spekulation, daß es möglich sein könnte, Unterschiede im Druck von Vakuumfluktuationen auf die beiden Seiten einer segelartigen Struktur zu induzieren – wobei der Druck an der vorwärts gerichteten Oberfläche des Segels irgendwie reduziert wird, während er wie normal von hinten drückt und das Fahrzeug vorwärts treibt. Eine Variante ist das Diode Sail, das von einer Seite kommende Strahlung reflektiert, und die aus anderer Richtung passieren läßt, ähnlich wie ein Einwegspiegel.

Nachdem die Finanzierung des BPPP-Projekts endet, wird Millis von der NASA unterstützt, um die Dokumentation der Ergebnisse abzuschließen. Das daraus entstehende Buch Frontiers of Propulsion Science wird allerdings erst im Februar 2009 vom American Institute for Aeronautics and Astronautics (AIAA) veröffentlicht. Darin werden verschiedene hypothetische ,Space-Drive’ Antriebsmethoden beschrieben: Diametric Drive, Pitch Drive, Bias Drive, Disjunction Drive, Alcubierre Drive sowie drei Variationen von Differentialsegeln.

Zudem gründet Millis gemeinsam mit weiteren ehemalige Mitgliedern des Teams im Jahr 2002 die Tau Zero Foundation (nach dem 1970 erschienenen SF-Roman Tau Zero von Poul William Anderson (dt.: Universum ohne Ende, 1972), eine private Non-profit-Forschungsinitiative, die sich der weiteren Erforschung neuer Technologien für interstellare Raumflüge verschreibt. Auf der Tau Zero-Seite, sowie auf der ab August 2004 gepflegten Seite centauri-dreams.org findet sich eine Fülle entsprechender Hintergrundinformationen (s.a. das Buch Centauri Dreams, 2004).

Ganz aktuell: Im April 2017 beauftragt die NASA die Foundation mit der Erstellung einer dreijährigen Studie mit dem Titel Interstellar Propulsion Review, für die ein Betrag von 500.000 $ bereitgestellt wird. Von der ägyptischen Physikstudentin Aisha Mustafa hört man dagegen nichts mehr.


Mit Millimeterwellen arbeitet dagegen das Millimeter-wave Thermal Launch System (MTLS), ein Startsystem für kleine Nutzlasten von bis zu 230 kg in den Low Earth Orbit (LEO), bei dem die Energie vom Boden aus auf die Trägerrakete gestrahlt wird, um diese mit Antriebsenergie zu beliefern.

Die NASA stellt den Unternehmen Teledyne, Boeing, Aerojet, ATK, LaserMotive, Aerospace Corp. sowie der Carnegie Mellon University in Pittsburgh und dem NASA-eigenen Jet Propulsion Laboratory rund 3,7 Mio. $ zur Verfügung, um bis 2013 entsprechende Machbarkeitsstudien durchzuführen; anschließend soll über die Fortsetzung der Projekte entschieden werden.

Kurz vor Ende des Jahres folgt die Ankündigung der NASA, daß sie Vorschläge für Missions-Konzeptstudien mit einem Ionen-Hochleistungs-Solarelektroantrieb (SEP) angefordert habe, der sich  als ,Raum-Schlepper’ verwenden ließe, um Nutzlasten aus dem erdnahen Orbit (LEO) in höhere Umlaufbahnen zu heben, einschließlich einer geostationären Erdumlaufbahn (GEO) und dem Lagrange-Punkt eins (L1).

Hierfür erhalten die Unternehmen Analytical Mechanics Associates, Ball Aerospace & Technologies, Boeing, Lockheed Martin und Northrop Grumman jeweils viermonatige Studienverträge in Höhe von insgesamt rund 3 Mio. $. Northrop Grumman will in Partnerschaft mit den Sandia National Laboratories und der University of Michigan das Konzept eines bis 300 kW und darüber hinaus skalierbaren Antriebs verfolgen.

Auch auf einem viertägigen Workshop am California Institute of Technology im Oktober 2011, bei dem es um den NASA-Plan geht, einen erdnahen Asteroiden noch näher zur Erde zu bringen und als Basis für künftige bemannte Raumfahrt-Missionen zu nutzen, wird u.a. untersucht, ob eine Roboter-Sonde, die sich auf einem Asteroiden verankert, diesen dann mit einem solar-elektrischen Antrieb aus seiner Bahn drücken kann.


Im Juni 2013 gibt die NASA bekannt, daß ein Ionenantrieb, der in einer Vakuumkammer des Glenn Research Center getestet wird, 48.000 Stunden oder fünfeinhalb Jahre lang ohne Unterbrechung betrieben wurde. Mit den dabei verbrauchten 870 kg Xenon wird ein Gesamtimpuls erwirtschaftet, der dem von mehr als 10.000 kg eines konventionellen Raketentreibstoffs entspricht. Der Motor hält nun den Rekord für die längste Testdauer von jeder Art von Raumfahrt-Antriebssystem.


Daß sich auch Universitäten nicht zu schade sind, Crowdfunding-Kampagnen zu nutzen, beweist Prof. Benjamin Longmire von der University of Michigan, der im Juli 2013 eine ebensolche startet, um einen Miniatur-Plasmatrieb in einen 3U CubeSat zu installieren, damit dieser den LEO verlassen und auf Kreuzfahrt durch das Sonnensystem gehen kann.

Longmire ist einer der Entwickler des VASIMR (s.o.), der Ad Astra im vergangenen Jahr verlassen hat und an die Universität gewechselt ist. Seine Gruppe arbeitet an nun einem sehr kleinen Permanentmagnet-Ionenantrieb namens CubeSat Ambipolar Thruster (CAT), der zur Erzeugung von Plasma ganauso wie der VASIMR eine Helikonentladung nutzt.

Beim CAT wird das Treibgas (in diesem Fall Wasserdampf) durch einen Quarzfeinfilter in eine Quarzkammer geleitet, die ein offenes Ende aufweist. Anschließend wird eine Hochfrequenzleistung in die Kammer eingekoppelt, die sowohl bewirkt, daß das Gas ein Plasma bildet, als auch eine Spiralwelle erregt, die das Plasma effizient auf Temperaturen von einigen 100.000° aufheizt.

Die CAT-Ionisationskammer besitzt Permanentmagneten, die so angeordnet sind, daß sie eine magnetische Düse formen, die das heiße Plasma von der Kammer weg leitet, wodurch der Schub entsteht. Elektronen, die viel leichter sind als die Ionen, versuchen aus der Düse zu fließen, noch bevor sich die Ionen in Bewegung setzen. Sobald sich die Elektronen aber bewegen, verlangsamt das elektrische Feld zwischen den Elektronen und Ionen die ersteren, während die letzteren beschleunigt werden. Damit sind nun sowohl Elektronen als auch Ionen in der gleichen Richtung unterwegs, obwohl sie entgegengesetzte elektrische Ladungen besitzen, ein Phänomen namens ambipolare Diffusion.

Letztlich soll der CAT bei einem Gewicht von etwa 0,4 kg fähig sein, Impulswerte zwischen 2.000 und 5.000 Sekunden mit einer Schubkraft von etwa 0,2 mN pro Watt zu erzielen – und dies solarbetrieben durch vier PV-Flächen, die im Orbit entlang der Seiten des Satelliten ausgeklappt und insgesamt 20 W Leistung liefern werden. Die nominale Dauerleistung beträgt 10 Watt, was etwa 2 mN Schub entspricht. Durch Speichern des Solarenergie für einen kurzen Zeitraum können auch kurze Bursts mit größerem Schub geliefert werden.

Die erste Kickstarter-Kampagne schlägt leider fehl, denn von dem Finanzierungsziel in Höhe von 200.000 $ werden bis zum Zieldatum im August 2013 nur 67.865 $ erreicht. Eine zweite, bei der als Ziel nur 50.000 $ angegeben werden, ist dagegen erfogreich und bringt 96.799 $ ein. Trotzdem ist bislang noch keine Umsetzung des Projekt zu verzeichnen.

Electra Grafik

Electra (Grafik)


Für die Entwicklung einer neuen Generation von geostationären Kommunikationssatelliten von unter 3 Tonnen Startmasse, die mittels Ionen-Triebwerken ausschließlich mit Solarstrom angetrieben werden sollen und deren elektromechanische Antriebsplattform den passenden Namen Electra trägt, schließt die Europäischen Weltraumorganisation ESA im Oktober 2013 einen einjährigen Vertrag in Höhe von 16 Mio. $ mit dem luxemburgischen, kommerziellen Satellitenbetreiber SES in Luxemburg sowie dem Bremer Raumfahrtkonzern OHB Systems AG.

Das Projekt im Rahmen des ARTES-33-Programms war im November 2012 während einer Konferenz der ESA-Regierungsminister beschlossen worden. Zu diesem Zeitpunkt hoffte man, daß der erste Electra-Satellit Ende 2018 ins All fliegen würde. In der 2015 erfolgreich beendeten Phase B1 wird das vorläufige Design der Satellitenplattform festgelegt.

Verzögerungen führen allerdings dazu, daß der Vertrag zur Herstellung der Electra-Satellitenplattform erst im März 2016 unterzeichnet wird. Dies sei vor allem der Verspätung der bei der Entwicklung der ,kleinen europäischen geostationären Plattform’ (SmallGEO o. SMGO) von OHB zu verdanken, auf der Electra basiert. Der Eröffnungsflug ist nun für das Jahr 2021 vorgesehen.

Zum Hintergrund: Die Technologiegruppe OHB SE mit Sitz in Bremen geht auf die 1958 gegründete Firma Otto Hydraulik Bremen GmbH zurück, die 1982 von Manfred Fuchs übernommen wird, dem damaligen Direktor für Raumfahrt bei der MBB-ERNO. Nach den anfänglichen Aktivitäten im Bereich der Marinetechnik, startet 1985 das erste Raumfahrtprojekt bei OHB. Dem Firmenziel entsprechend, kleinere und damit günstigere Satelliten zu entwickeln, erfolgt 1991 die Umbenennung in Orbital- und Hydrotechnologie Bremen-System GmbH – bzw. im Jahr 2000 in Orbitale Hochtechnologie Bremen-System GmbH.

Nach diversen Großprojekten wie der Entwicklung der SAR-Lupe und des Kleinsatellitensystems SmallGEO ist das Unternehmen auch als Ausrüster der Internationalen Raumstation (ISS) und des europäischen Stationsmoduls Columbus aktiv.

Im Januar 2010 erhält das Unternehmen den Auftrag über den Bau von 14 Satelliten für das Galileo-System. Die elektrischen Antriebssysteme für das Satellitensystems SmallGEO stellt die Tochterfirma OHB Sweden her, bei der es sich um die 2011 von OHB übernommene Satellitenabteilung der o.g. staatlichen Swedish Space Corporation (SSC) handelt. Diese war übrigens Hauptauftragnehmer der im September 2003 gestarteten SMART-1 Raumsonde der ESA, bei der europaweit erstmals ein 1,5 kW Hall-Effekt-Elektroantriebssystems zum Einsatz kommt (s.o.).

Der erste Einsatz der Satellitenplattform SmallGEO erfolgt allerdings erst Ende Januar 2017, als mit dem Hispasat 36W-1 auch der erste seit mehr als 25 Jahren in Deutschland gebaute Telekommunikationssatellit für den spanischen Satellitenbetreiber Hispasat vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana durch eine russische Sojus-Rakete ins All gebracht wird. Ursprünglich sollte der erste SmallGEO-Satellit schon 2012 ins All starten, doch auch diesmal gab es aufgrund technischer Probleme große Verzögerungen.

Der Satellit wird sich in den folgenden Wochen aus eigener Kraft auf seine endgültige Umlaufbahn in rund 36.000 km Höhe bewegen, wo er dann in einem geostationären Orbit verbleiben wird. Laut dem Hersteller OHB hat der erste SmallGEO-Satellit inklusive aller technischen Ausrüstung, die von Zulieferern stammt, rund 400 Mio. € gekostet, dabei flossen nach DLR-Angaben mehr als 300 Mio. € öffentliche Förderung in das Projekt, allein Deutschland steuerte rund 150 Mio. € bei.


Im Dezember 2013 berichten die russischen Wissenschaftler Yuri A. Rezunkov vom Institute of Optoelectronic Instrument Engineering sowie Alexander A. Schmidt vom Ioffe Physical Technical Institute in St. Petersburg über einen neuen Weg, um ein Raumschiff während des Starts und im Flug zu beschleunigen, indem es von einem bodenbasierten, fokussierten Super-Hochleistungs-Laser bestrahlt wird (,Formation of laser jet thrust in the supersonic regime’).

Das ASLPE genannte Verfahren verwendet einen durch Laserablation (Laserabtragung) bewirkten Plasmastrom, um die Effizienz eines herkömmlichen Raketenantriebssystems zu erhöhen. Rezunkov soll schon 2006 mit dem ASLPE und einem repetitiv gepulster 6 kW CO2 Laser drahtgeführte Flüge im Labor demonstriert haben, bei denen ein Schub von 2 N erzielt wird.

Dies ist zwar kein eigenständiger Antrieb, aber eine auf elektrischer Energie basierende Verstärkung, weshalb sie hier auch zu erwähnen ist. Neben der Lancierung von Kleinsatelliten in Erdumlaufbahnen sei damit zumindest theoretisch auch bei Überschall-Flugzeugen eine Beschleunigung auf mehr als Mach 10 möglich. Ein bislang ebenfalls nur theoretisches Problem bildet der Fakt, daß ein so starker Laser auch als Waffe genutzt werden kann, um z.B. unliebsame Satelliten abzuschießen.

Interessanterweise wird ebenfalls im Dezember 2013 eine PPT-Präsentation von Claude Phipps der Firma Photonic Associates LLC aus Santa Fe, New Mexico, sowie einem internationalen Team hochgeladen, die den Titel ,A Review of Laser Ablation Propulsion’ trägt, von der Konferenz Advaced Laser Technologies im September 2009 in Antalya, Türkei, stammt und später im Journal of Propulsion and Power vom Juli/August 2010 veröffentlicht wird. Myrabo

Die Autoren beziehen sich u.a. auf die Erfahrungen mit dem LightCraft-System von Prof. Leik Myrabo, das ich ausführlich bei der Elektrofluggeräten 2006 beschrieben habe (s.d.).

Accion-Thruster Grafik

Accion-Thruster (Grafik)


Im Januar 2015 meldet das im Vorjahr gegründete MIT-Startup Accion Systems Inc. aus Cambridge den Erhalt von zusätzlichem Startkapital in Höhe von 2 Mio. $, um die Produktentwicklung seiner qualitativ hochwertigen und kostengünstigen Antriebstechnologie für Mikrosatelliten zu beschleunigen, deren Grundlagentechnik am Space Propulsion Lab des MIT entstand. Die erste erfolgreiche Demonstration war im Oktober 2014 erfolgt, als in einer Vakuumkammer ein CubeSat zum Drehen gebracht wird.

Der unglaublich kleine Ionen-Antrieb, ein goldbeschichtetes Quadrat aus Silizium von der Größe eines Cent, sieht mehr aus wie ein Computer-Chip als ein Raketentriebwerk – denn die in die Oberfläche des Siliziums geätzten 480 Minidüsen sind kaum sichtbar. Für den Einsatz bei Mikrosatelliten lassen sich Dutzende der Accion-Thruster zusammen mit dem notwendigen Treibstofftank in ein Antriebssystem packen, das kaum größer ist als ein Kartenspiel.

Effiziente Antriebssysteme für Mikrosatelliten würden diesen erlauben, in Formation zu fliegen, um damit ähnlich leistungsfähig zu sein wie größere und teurere Satelliten – beispielsweise im Bereich der Bildgebung. Auch der Orbit kann so länger gehalten werden, was eine Verlängerung der Nutzungszeit bis zum Zehnfachen der aktuellen Mikros zur Folge hätte. Das erste Modell von Accion Systems mit dem Namen MIN-0 erreicht bei Tests einen eindrucksvollen Schub von 30 µN (Mikronewton).

Da die Firma im Juni 2015 aus dem Rapid Innovation Fund (RIF) des Department of Defense Mittel in Höhe von 3 Mio. $ erhält, sollte der weiteren Entwicklung nichts im Wege stehen.

Als erstes Produkt ist ein 5 W MAX-1 Small Satellite Electric Propulsion System mit 120 µN vorgesehen, das etwa 110 g wiegt. Diesem soll als nächstes ein elektrisches Linearschub-Antriebssystem mit 5 mN (Millinewton) folgen.

Zwei Boeing 702SP

Zwei Boeing 702SP

Im März 2015 startet von der Cape Canaveral Air Force Station eine Falcon 9 Rakete der Firma SpaceX mit zwei kommerziellen, in weniger als drei Jahren entwickelten Kommunikationssatelliten vom Typ Boeing 702SP (Small Platform) an Bord, dem EUTELSAT 115 West B und dem ABS-3A (o. ABS-2A), der als weltweit erster vollelektrischer Satellit gilt.

Jeweils vier energieeffiziente 25 cm Ionentriebwerke mit Xenon als Treibmittel helfen dem ABS-3A, innerhalb einiger Monate seine Umlaufbahn zu erreichen und diese Position dann zwei Jahrzehnte lang zu halten, wobei nur 5 kg Kraftstoff pro Jahr verbraucht werden. Dem Unternehmen zufolge basiert die Technologie auf 210.000 Stunden Ionenantrieb-Flugerfahrung und sei 10 mal effizienter als von Flüssigkraftstoff-Antriebe.

Die Xenon Ion Propulsion System (XIPS) Antriebe machen die Satelliten auch deutlich leichter als herkömmliche Modelle mit chemischen Triebwerken, weshalb die 61 Mio. $ teure Falcon 9 gleich zwei der 1,8 Tonnen schweren Satelliten auf einmal aufnehmen kann. Der Xenon-Verbrauch der vier 25 cm Triebwerke zur Bahnregelung beträgt 5 kg pro Jahr, während der benötigte Strom von Galliumarsenid-Solarzellen kommt, die bis zu 18 kW Leistung erzeugen.

Im Juni 2015 wird bekannt, daß der Kunde Asia Broadcast Satellite (ABS) mit der Leistung des ABS-3A so glücklich ist, daß er - noch bevor dieser seine operative Umlaufbahn erreicht hat – einen weiteren 702SP bestellt, der als ABS-8 bis Ende 2017 gestartet werden soll. Im September 2015 meldet Boeing, daß der Satellit jetzt voll funktionsfähig sei.


Im April 2015 gibt die im Jahr 2006 durch den Neuseeländer Peter Beck gegründete Firma Rocket Lab Ltd. mit Hauptsitz in Auckland und einen Startplatz auf Great Mercury Island, die von dem Waffenhersteller Lockheed Martin Corp. und anderen High-Tech-Investoren wie Khosla Ventures,  K1W1, Bessemer Venture Partners und Callaghan Innovation finanziert wird, bekannt, daß sie noch vor Ende des Jahres die erste „mit Batterien betriebene“ Rakete ins All bringen will.

Bislang hatte das Unternehmen nur im November 2009 eine 6 m lange und 60 kg schwere suborbitale Höhenforschungsrakete namens Ātea-1 (Māori für ,Weltraum’) gestartet, die eine Nutzlast von 2 kg in eine Höhe von 120 km tragen kann. Eine größere Serie Ātea-2 war zwar geplant, wurde bislang aber nicht umgesetzt.

Im Dezember 2010 folgte dann der Auftrag des Operationally Responsive Space Office (ORS) der USA, um eine kostengünstige Trägerrakete namens Electron zu konzipieren, die Nanosatelliten in einer Umlaufbahn plazieren kann.

Im Jahr 2011 präsentiert die Firma unter dem Namen Instant Eyes übrigens eine kleine Rakete, die aus der Hand aus einem Rohr gestartet wird, bis auf 750 m Höhe steigt und schon 20 Sekunden nach dem Start Bilder mit hoher Auflösung, GPS und Meta-Daten für mobile Geräte liefert. Die UAVs sind gemeinsam mit der Firma L2 Aerospace aus Florida entwickelt worden, bestehen ihre abschließenden Testflüge im Februar 2012 und sollen nun in den Folgemonaten militärischen Nutzern der NATO und USA demonstriert werden.

Erste Flugdemonstrationen der Electron-Trägerrakete erfolgen 2012, im Folgejahr 2013 wird eine neue elektrische Turbopumpe konstruiert, und im Juli 2014 wird gemeldet, daß das Unternehmen bereits an der Entwicklung der zweistufigen, 20 m langen und 1 m durchmessenden Rakete aus Kohlefaser-Verbundwerkstoffen arbeitet, mit der Nutzlasten von 150 - 500 kg billig und schnell in den erdnahen Orbit gebracht werden sollen.

Im April 2015 veröffentlicht das Unternehmen dann Details über seinen neuen Rutherford-Motor - benannt nach dem in Neuseeland geborenen Physiker Ernest Rutherford -, dessen Turbopumpe anstelle eines Gasgenerators, Expanders oder Vorbrenners von einem batteriebetriebenen Elektromotor angetrieben wird – was auch der Grund dafür ist, die Rakete als batteriebetrieben zu bezeichnen. Die Turbopumpe gilt als das Herzstück eines typischen Raketenmotors, die sich als Hochdruck-Treibstoffpumpe mit bis zu 30.000 Umdrehungen pro Minute drehen muß, um den für die Verbrennung des Treibstoffs erforderlichen Druck zu generieren.

Electron-Trägerrakete

Electron-Trägerrakete

Rocket Lab ersetzt die Gasturbine durch leistungsstarke bürstenlose Gleichstrommotoren, die von Lithium-Polymer-Batterien versorgt werden, um den flüssigen Sauerstoff und das Kerosin  in die Brennkammer zu fördern, womit eine Effizienzsteigerung von den 50 % eines typischen Gasgenerators auf nun 95 % erreicht wird. Die Batterien der neuen Trägerrakete sollen knapp ein Megawatt Strom liefern.

Sehr interessant finde ich auch, daß alle Hauptkomponenten des Motors, der in beiden Raketestufen eingesetzt wird, einschließlich der Motorkammer, des Injektors, der Pumpen und der Haupttreibstoffventile über Elektronenstrahlschmelzen im 3D-Druckverfahren hergestellt werden, wobei überwiegend Titan und andere Legierungen verwendet werden. Der leichte Motor kann in nur drei Tagen ,gedruckt’ werden – was mit traditionellen Herstellungsmethoden etwa einen Monat dauern würde.

Das Unternehmen erwartet, die ersten kommerziellen Satellitenstarts mit einer Nutzlast von 400 kg in Erdumlaufbahnen bzw. 100 kg in eine 500 km entfernte, sonnensynchrone Umlaufbahn schon im Jahr 2016 durchzuführen – zu Kosten von 4,9 Mio. $ pro Start. Dies läßt sich jedoch nicht verwirklichen.

Immerhin wird Ende September 2016 auf der Halbinsel Mahia an der Ostküste der Nordinsel Neuseelands der neu errichtete Rocket Lab Launch Complex 1 offiziell eröffnet, der erste des Landes – und auch der weltweit erste private und rein kommerzielle Orbital-Startplatz.

Im Februar 2017 wird endlich die erste flugbereite Rakete antransportiert, den den pragmatischen Namen ,It’s a Test’ erhält und anstelle einer Nutzlast wissenschaftliche Instrumente trägt, um Daten über den Flug zu sammeln. Insgesamt plant Rocket Lab nun drei Starts, denen im Erfolgsfall die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kunden folgen soll.

Zu diesen gehören die kleinen Satelliten-Betreiber Planet und Spire ebenso wie die NASA, mir der im Jahr 2015 ein Vertrag in Höhe 6,95 Mio. $ abgeschlossen worden war, um eine kleine Nutzlast in die untere Erdumlaufbahn zu befördern. Darüber hinaus plant die Firma, einen kleine Mond-Lander für Moon Express zu starten, ein Raumfahrt-Unternehmen mit den langfristigen Ambitionen, eines Tages auf dem Mond Bergbau zu betreiben.

Im März meldet Rocket Lab, daß man in einer weiteren Finanzierungsrunde D unter der Leitung von Data Collective und mit Beteiligung von Promus Ventures sowie mehreren früheren Investoren 75 Mio. $ für die Produktion der Raketen erhalten habe, sobald die Testphase vorbei ist. Diese vierte Finanzierung erhöht die Gesamtinvestition auf 148 Mio. $ - und das Unternehmen wird nun mit 1,4 Mrd. $ bewertet. Die anschließenden kommerziellen Flüge werden bereits zu einem Startpreis von 4,9 Mio. $ angeboten.

Ende Mai 2017 findet der erste von drei Teststarts statt, bei dem die (nun) 17 m lange Rakete aber nicht die geplante Umlaufbahn erreicht, statt der beabsichtigten 300 – 500 km in einer sonnensynchronen Umlaufbahn kommt sie nur auf etwa 250 km Höhe.


Im Mai 2015 wird eine kleine Ecke des Schleiers um den schon mehrfach erwähnten hochgeheimen experimentellen Raumgleiter X-37 gelüftet, der ursprünglich im Auftrag der NASA von der Boeing-Tochter Boeing Phantom Works entwickelt worden war. Bei der der nun erfolgten vierten Mission (OTV-4), an der Spitze einer Atlas V Rakete, setzt das Raumfahrzeug vier Kleinstsatelliten aus - und testet ein 32 m2 großes Solarsegel sowie einen Hallantrieb, der den Ionentriebwerken der Dawn Raumsonde ähnelt (s.o.).

Hall-Effekt-Antrieb

Hall-Effekt-Antrieb

Der Hallantrieb (o. Hall-Effekt-Antrieb; Hall-Effect Thruster, HET), benannt nach dem amerikanischen Physiker Edwin Herbert Hall, ist ein Ionentriebwerk, bei dem ein Magnetfeld die Effizienz erhöht, indem es die Elektronen dabei behindert, die Anode zu erreichen.

Mit dieser Art Ionenquelle sind hohe Schubwirkungsgrade und eine hohe Einsatzdauer auch bei hohen Leistungen bis in den 100 kW-Bereich möglich. Als Stützmasse wird typischerweise Xenon verwendet, dessen positive Ionen durch ein elektrisches Feld auf Geschwindigkeiten von 10 – 80 km/s beschleunigt werden.

Zur Flugreife gebracht wird der Hall-Effekt-Antrieb in der damaligen Sowjetunion von der Firma OKB Fakel in Kaliningrad, die ursprünglich im Jahr 1956 als Laboratorium für Antriebe der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften gegründet worden war und 1962 den Status eines Experimental-Designbüros erhielt, das im Laufe der Zeit mehrfach seinen Namen wechselt.

Bereits im Jahr 1959 wird ein Prüfstand gebaut, um mit Hochtemperatur-Plasma zu arbeiten, und gleichzeitig wird ein Team beauftragt, Mikro-Modell-Plasmageneratoren und Elektroantriebe für die Raumfahrt zu entwickeln. Die sowjetischen Wissenschaftler unter der Leitung von A. I. Morozov (o. Morosow) am Kurchatov-Institut konzentrieren sich dabei auf ein Hall-Effekt-Triebwerk mit breiter Beschleunigungszone, das auch Stationary Plasma Thruster (SPT) genannt wird. Am Zentralen Forschungsinstitut für Maschinenbau (TsNIIMASH) wird parallel dazu ein einem Triebwerk mit schmaler Beschleunigungszone gearbeitet (DAS; o. Thruster with Anode Layer, TAL).

Der erste SPT, der im Raum betrieben wird, ist ein SPT-50 an Bord des im Dezember 1971 gestarteten sowjetischen Satelliten METEOR 1-10. Das Gewicht der zylinderförmigen Satelliten dieser Baureihe beträgt beim Start etwa 3,8 Tonnen, sie sind 5 m lang und haben einen Durchmesser von etwa 1,5 m. An Bord sind jeweils zwei Plasmatriebwerke vom Typ SPT-50, -60 oder -70 zu Test- oder Lageregelungszwecken installiert.

Auf Basis der Meteor-1-Plattform wird auch der Satellit Astrofisika (Kosmos 1066) gebaut, der ebenfalls über zwei Plasmatriebwerke verfügt und im Dezember 1978 in einen kreisförmigen Orbit in 854 km Höhe gebracht wird. Im Laufe der Folgejahre werden mehr als 50 Satelliten mit den neuen Antrieben ausgerüstet.

In den frühen 1980er Jahren entwickelt Fakel im Rahmen des Hercules-Projekts ein stationäres 25 kW Plasma-Triebwerk SPT-25 bis zur Perfektion. Der Höhepunkt der Produktion wird 1987 und 1988 erreicht, als jährlich zehn Satelliten mit dem Fakel-Antrieb an Bord in den Weltraum starten. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR in den frühen 1990er Jahren sind sowohl die Kunden als auch die Regierung mit schweren Problemen konfrontiert und über mehrere Jahre gibt es fast keine Aufträge mehr.

Als Resultat entdeckt Fakel den internationalen Markt. Das Ergebnis der Zusammenarbeit mit ausländischen Unternehmen ist im Sommer 1996 die Genehmigung der Regierung der Russischen Föderation für die Anwendung der Produkte an Bord von US- und europäischen Raumfahrzeugen.

SPT-140D

SPT-140D

So wird beispielsweise im Jahr 2014 ein Liefervertrag mir der Firma Airbus Defence and Space geschlossen, um SPT-140D Antriebe in den vollelektrischen Satelliten auf Basis der neuen Eurostar E3000e Plattform zu installieren (z.B. EUTELSAT 172B und SES-12).

Anläßlich des 60-jährigen Jubiläums des Experimental Design Bureau (EDB) Fakel wird im Oktober 2015 die dreitägige Konferenz ,Electric Propulsion. Yesterday. Today. Tomorrow’ veranstaltet. Hier ist u.a. zu erfahren, daß die Elektroantriebe seit 1982 in den Satelliten der Firma Reshetnev Information Satellite Systems (ISS) eingesetzt werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es 44 Satelliten im Orbit, die mit insgesamt 277 Hall-Effekt-Triebwerken ausgerüstet sind. Im Einzelnen sind dies: 60 Stück M-70, 208 Stück M-100 (SPT-100B), 8 Stück KM-60 sowie 1 Exemplar des Modells T-120.

Im August 2016 wird ein von SSL hergestellter Telekommunikationssatellit mit dem 100. SPT-100 gestartet. Das ehemals als Space Systems/Loral LLC (SS/L) bekannte Unternehmen in Palo Alto, Kalifornien, ist eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der kanadischen Firma MacDonald Dettwiler and Associates Ltd. (MDA).


Weitere Entwicklungen, insbesondere nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs, in deren Folge die Technologie des Hall-Antriebs in die westliche Welt exportiert wird, werden dann in Frankreich (Snecma, SMART-1, s.o.), Italien (Alta Space SpA, erster erfolgreicher Prototyp im Jahr 1994) sowie in den USA (Busek, Aerojet, JPL, NASA, U.S. Airforce Research Laboratories) durchgeführt.

Auch in in Japan wird seit den 1980er Jahren an Hall-Antrieben geforscht, und bereits 1982 fliegt ein japanisches Kaufman-Ionentriebwerk der 2 mN-Klasse mit Quecksilber als Treibstoff auf dem Engineering Test Satellite (ETS-III) ins Weltall, das einige hundert Stunden erfolgreich arbeitet. Anschließend wird geplant, Anfang der 1990er Jahre den Satelliten ETS VI mit einem Xenon-IT zur Lageregelung auszustatten.


In China überlegen sich Weltraumwissenschaftler bereits in den 1980er Jahren, elektrische Triebwerke für Satelliten zu benutzen, kommen dann aber wieder davon ab. Praktische Arbeiten beginnen erst in den 1990er Jahren am Harbin Institute of Technology (H.I.T.) unter der Leitung von Daren Yu, einem Wunderkind, das dem Institut bereits im Alter von 15 Jahren beigetreten war. Zu diesem Zeitpunkt bejubeln die Russen den Erfolg ihrer Hall-Effekt-Triebwerkstechnik, während in den USA kommerzielle Satelliten ab 1997 mit Ionen-Triebwerken ausgestattet werden.

Nachdem die chinesischen Forscher zunächst versuchen, Morozovs Ergebnisse zu replizieren, beschließen sie bald, über die Technik der Russen hinauszugehen, indem sie den Magnetismus benutzen, um die schädigende Wirkung des Triebwerkstrahls zu minimieren. Mozorovs Team hatte zwar schon ein rudimentäres Magnetfokusystem entwickelt, doch als Yus Team Mozorov in Moskau besucht, stellt es fest, daß die russische Technologie genauso unzuverlässig ist wie ihre eigene und eine unbeständig Leistung hat.

Den Strahl konsequent kontrollieren und ständig konzentrieren zu können, erfordert viele Jahre an Forschung und Versuchen. In dieser Zeit wächst auch das Interesse an der neuen Technologie. Während an der ersten National Electric Propulsion Conference am H.I.T. im Jahr 2005 nur 20 Personen teilnehmen, werden für die Jahrestagung 2016 bereits 150 wissenschaftliche Arbeiten eingereicht.

Im Oktober 2012 werden die beiden von der Shanghai Academy of Spaceflight Technology (SAST) entwickelten Satelliten Shijian-9 (A und B) gestartet, um u.a. die Funktionen von zwei experimentellen Antrieben zu testen, die bis zu 5 kW leisten. Der eine Satellit ist mit einem Kaufman-Triebwerk, der andere mit einem Hall-Effekt-Triebwerk ausgestattet. In einigen Quellen wird ein XIPS-20 Xenon-Gas-Ionen-Triebwerksystem erwähnt. Jeder Triebwerksversuch dauert sieben Minuten – in welche vierzig Jahre Arbeit eingeflossen sind.

Im Jahr 2015 melden Forscher des Institute 801 der China Aerospace Science and Technology Corp. einen Durchbruch in Hall-Effekt-Technologie, indem sie ein Triebwerk mit einer Lebensdauer von 75.000 Stunden entwickelt haben, das sich 15.000 Mal entzünden ließ und auch 18.000 Stunden ohne Pause brennen konnte.

Im Januar 2016 berichtet die Presse, daß das neue Hall-Effekt-Triebwerksystem, das von Yus Forschungsteams am H.I.T. gemeinsam mit Kollegen des Institute 502 der China Acdemy of Space Technology (CAST) entwickelt wurde, nun an chinesische Kunden in der Raumfahrtindustrie ausgeliefert worden sei.

Mit seiner neuen magnetischen Fokussierungsmethode soll das System die Wettbewerbsfähigkeit entsprechend ausgestatteter Kommunikationssatelliten auf dem kommerziellen Markt erheblich verbessern, da sie deren Lebensdauer stark verlängert und ihre Effizienz steigert. Im Vergleich zu ähnlichen Produkten anderer Länder sei das neue System um 20 – 30 % effizienter.

Basierend auf der Magnetfokus-Technologie, entwickelt das Beijing Institute of Control Engineer­ing (BICE) Hall-Triebwerke mit Leistungen von Hunderten von Watt bis zu fünf Kilowatt - darunter    das Modell HEP-100MF mit 1.500 W, sowie die Ausführung HEP-140MF mit 5 kW.

Bis Ende 2016 soll ein Kommunikationssatellit mit einem Hybrid-Antrieb in den Orbit gebracht werden, und um 2020 herum ist geplant, den ersten Satelliten mit einem vollelektrischen Antrieb in eine Umlaufbahn zu schicken. Zu diesem Zweck will die CAST bis dahin ein 50 kW Elektrotriebwerk entwickeln.

Im November 2016 startet dann der Satellit Shijian-17 an der Spitze der erstmals eingesetzten Rakete des Typs Langer Marsch 5. Der Satellit ist mit den neuen HEP-100MF Hall-Antrieben ausgestattet, die für seine Positionierung in einem geostationären Orbit eingesetzt werden und dem Satelliten erlauben, zur Unterstützung seiner experimentellen Mission zu verschiedenen Orbitalpositionen zu manövrieren.

Weiterreichende Pläne betreffen die zukünftige chinesische Raumstation, auf der ebenfalls elektrische Antriebssysteme verwendet werden sollen – sowie eine Marsmission, bei der ein 300-Tonnen-Raumschiff, das von einem Gitter aus 40 elektrischen 50 kW Triebwerken bewegt wird, den Roten Planeten in 200 Tagen erreichen könnte.


Erfolgreich in eine sonnensynchrone Umlaufbahn in 600 km Höhe gestartet wird im November 2013 der Erdbeobachtungssatellit DubaiSat 2 der Vereinigten Arabischen Emirate, der für die Satellitenbahn-Korrektur mit einem Hall-Effekt-Antriebssystem der südkoreanischen Firma Satrec ausgestattet ist.

Und auch der bereits im Juli 2013 gestartete Kommunikationssatellit Alphasat I-XL (o. Inmarsat-4A F4), der im Auftrag von Inmarsat und der ESA von einem europäischen Firmenkonsortium unter Führung von Thales Alenia Space (TAS) und Astrium gebaut wurde, verwendet vier schwenkbare PPS 1350 Hall Effect Thruster der Firma Snecma (inzwischen: Safran).

Durch die langjährige Optimierung werden bereits Schubwirkungsgrade über 50 % realisiert, wobei mit Experimentalmodellen sogar schon bis zu 75 % erreicht worden sind. Im Jahr 2015 arbeitet ein Team am Plasmadynamics and Electric Propulsion Laboratory (PEPL) der University of Michigan am Bau des Prototyps eines 100 kW X3 Hall-Thrusters.


Dem Stand von 2015 zufolge bietet die Firma Airbus Defence and Space drei unterschiedliche RIT-Antriebe an: RIT µX (50 - 500 µN / > 50 W), RIT 10 EVO (5 mN – 15 mN – 25 mN / 145 W – 435 W – 760 W) und RIT 2X (80 mN – 115 mN – 168 mN – 200 mN / 2.185 W – 2.985 W – 4.650 W – 5.785 W).

Auch die Busek Co. Inc. hat drei Ionenantriebe im Angebot: BIT-1 (0,1 mN / 10 W), BIT-3 (1.4 mN / 60 W) und BIT-7 (11 mN / 360 W).

Der Hersteller Aerojet Rocketdyne wiederum nennt auf seiner Homepage ein Produktportfolio, das einen 100 W Pulsed Plasma Thruster (PRS-101), einen 0,8 kW Electrothermal Hydrazine Thruster (Resistojet, MR-502), eine 2 kW Hydrazine Arcjet and Power Processing Unit (MR-510) und ein 30 kW High Power Ammonia Arcjet and feed system umfaßt (ESEX). Hinzu kommen ein 5 kW Hall thruster sub-system (Zero-Erosion XR-5) sowie der oben erwähnte NASA Evolutionary Xenon Thruster (NEXT) mit 6,9 kW.

 

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