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Im September 2008 berichtet die Presse, daß chinesische Forscher der Northwestern Polytechnical University (NPU) in Xi’an um die Professorin Juan Yang behaupten, die elektromagnetische Theorie hinter einem ,unmöglichen’ Raumfahrt-Antrieb bestätigt zu haben und nun eine Demo-Version davon bauen zu wollen.
Dabei handelt es um den EmDrive (Electromagnetic Drive; auch: Radio Frequency Resonant Cavity Thruster) des britischen Raumfahrtingenieurs Roger J. Shawyer und seiner 2001 gegründeten Firma Satellite Propulsion Research Ltd. (SPR), den Yang seit Juni 2007 untersucht. Im Jahr 2008 kann laut Yang mit einem Input von 2.500 W ein maximaler Schub von 720 mN erreicht werden.
Das Patent dahinter trägt den Namen ,Digitally controlled beam former for a spacecraft’ und stammt noch aus der Zeit, als Shawyer Mitarbeiter der britischen Firma Matra Marconi Space UK Ltd. war (US-Nr. 5543801, angemeldet 1994, erteilt 1996). Der EmDrive soll elektrische Energie in Schubkraft umwandeln, ohne hierfür irgendeine Form von Treibmittel zu benötigen, indem sich Mikrowellen innerhalb eines geschlossenen Containers bewegen.
In einem verspiegelten Hohlraum, der die Form eines abgeschnittenen Kegels hat, breiten sich die elektromagnetische Wellen im Mikrowellenbereich aus. Da es sich um dieselbe ,Menge’ an Strahlung handelt, aber die gegenüberliegenden Flächen verschieden groß sind, soll sich an der kleineren Fläche ein höherer Strahlungsdruck aufbauen als an der größeren. Das Ergebnis ist eine (geringe) Nettokraft, die das komplette Gerät nach vorn bewegt, wie es in der nachstehenden vereinfachten schematischen Darstellung eines EmDrive-Prototyps nach Shawyer abgebildet ist. Allgemein könnte man von einem Hohlraum-Strahlungs-Resonanz-Antrieb sprechen.
Die These ruft allerdings eine ganze Phalanx von Skeptikern auf den Plan, denn einen rückstoßfreien Antrieb darf es einfach nicht geben. Wenn es denn so einer sein sollte, was Shawyer jedoch dementiert.
Da die SPR vom damaligen britischen Ministeriums für Handel und Industrie einen auf drei Jahre verteilten Zuschuß in Höhe von 250.000 £ erhält, kann das Unternehmen schon im Dezember 2002 einen funktionierenden Prototypen demonstrieren, der von einem 850 W Magnetron angetrieben einen Schub von etwa 0,02 Newton liefert. Später wird berichtet, daß das Gerät aber nur für ein paar Dutzend Sekunden betrieben werden konnte, bevor das Magnetron wegen Überhitzung ausfiel.
Im Oktober 2006 wird bei Tests mit einem neuen wassergekühlten Prototyp und 300 W Mikrowellenleistung ein Schub von 0,1 Newton erreicht, worauf Shawyer plant, bis Mai 2009 ein Gerät in den Raum zu bringen, dessen Resonanzhohlraum aus einem Supraleiter bestehen soll. Bei angemessener Finanzierung betrachtet er kommerzielle terrestrische Luftfahrzeuge mit dem neuen Antrieb als Hebe-Motoren bis zum Jahr 2020 als realistisch.
Der erzeugte Schub ist klein, aber signifikant, und Shawyer vergleicht seinen C-Band EmDrive mit dem bestehenden NSTAR-Ionentriebwerk (s.o.). Der EmDrive produziert 85 mN Schub im Vergleich zu den 92 mN des NSTAR, verbraucht aber nur ein Viertel der Menge an Energie und wiegt weniger als 7 kg im Vergleich zu den mehr als 30 kg des NSTAR-Antriebs. Der größte Unterschied ist jedoch der Treibstoff, von dem NSTAR pro Stunde 10 g verbraucht, während der EmDrive überhaupt keinen benötigt. Was bedeutet: Der Transport von Treibmitteln ist überflüssig, und solange eine Stromversorgung sichergestellt ist, macht der elektromagnetische Antrieb endlos weiter.
Die Möglichkeiten sind phänomenal: Anstatt auszufallen, sobald ihnen der Treibstoff ausgeht, hätten Satelliten eine stark erweitert Lebensdauer und wären in der Lage, sich nach Belieben zu bewegen. Raumsonden könnten weiter und schneller fliegen - und auch stoppen, wenn sie ankommen. Mit einem ausgereiften solarbetriebenen EmDrive würde eine bemannte Mission zum Mars nur 41 Tage dauern.
Im Dezember 2008 wird Shawyer ins Pentagon eingeladen, um sinen EmDrive zu präsentieren, und im Jahr 2009 bestätigt Boeing, daß man die Technologie lizenzieren wollte. Das britische Verteidigungsministerium stimmt dem Technologietransfer zu, und die SPR entwirft, baut und testet ein Triebwerk mit 18 g Schub für den Einsatz auf einem Test-Satelliten. Laut Shawyer wird der 10-Monats-Vertrag im Juli 2010 abgeschlossen und das Triebwerk Boeing übergeben. Tatsächlich lizenziert das Unternehmen die Technik dann doch nicht, und die Kommunikation wird unterbrochen.
Im Jahr 2010 wird ein weiterer Demonstrator des Antriebs gebaut und mit verschiedenen Hohlraumformen sowie höheren Leistungsstufen getestet, wobei auf einem Teststand, der üblicherweise verwendet wird, um präzise Tests an Raumfahrzeug-Motoren wie Ionenantriebe durchzuführen, bei 2.500 W Eingangsleistung eine maximale Schubkraft von 720 mN gemessen werden kann. Dieser Versuch wird im November 2012 von dem o.e. chinesischen Forscherteam mit einem 2,45 GHz EmDrive wiederholt und bestätigt. Daneben liegen laut Shawyer seit 2004 bereits sieben unabhängige positive Bewertungen von Experten der Firmen BAE Systems, EADS Astrium, Siemens sowie der britischen Institution of Electrical Engineers (IEE) vor.
Dazu muß allerdings angemerkt werden daß Alvin Wilby, der damalige technische Direktor von EADS Astrium (Shawyers ehemaliger Arbeitgeber) in einem Brief an das US-Magazin New Scientist schon im Oktober 2006 schrieb, daß er „Arbeit überprüft und zu dem Schluß gekommen sei, daß sowohl Theorie als auch das Experiment fatal fehlerbehaftet waren. Roger wurde darauf hingewiesen, daß das Unternehmen kein Interesse am dem Gerät habe, keine Patentabdeckung dafür anstrebt und in keiner Weise damit in Verbindung gebracht werden will.“
Interessanterweise beginnt um etwa 2010 auch die Untersuchung
einer Parallelentwicklung. Unter der Leitung des Physikers Harold
G. White wird an dem Cannae-Antrieb (vormals
Q-drive) gearbeitet, den der US-Wissenschaftler Guido Paul
Fetta im Jahr 2006 erfundenen hatte (,Resonating
cavity propulsion system’, WO-Nr. 2007089284, veröffentlicht 2007).
Im Vergleich zum EmDrive ist der Hohlraum dieses Geräts zwar ebenfalls
asymmetrisch, aber flacher, und auch hier prallen die Mikrowellen von
den Wänden ab, um Schub zu erzeugen. Die Umbenennung bezieht sich laut
Fetta auf die Schlacht von Cannae im August 216 v. Chr.,
als der karthagische Feldherr Hannibal mit einem verhältnismäßig winzigem
Heer 16 Legionen der Römer besiegte.
Fetta, Chef der 2011 gegründeten und in Pennsylvania beheimateten Firma Cannae LLC, hat bereits zwei Patentanmeldungen eingereicht: 2006 ein ,Resonating cavity propulsion system’ (WO-Nr. 2007089284), und 2012 einen ,Electromagnetic thruster’ (US-Nr. 20140013724). Eigenen Angaben zufolge habe er schon Anfang 2011 eine supraleitende Version des Cannae Drive getestet, wobei er durch das Senden von 10,5 W HF-Leistungsimpulsen (bei 1047,335 MHz) eine Schubkraft von 8 - 10 mN erzeugen konnte. NASA-Forscher bestätigen, daß die Düse im Testverlauf, sobald ihre Resonanzkammer durch das Senden von Leistungsimpulsen von 50 W (bei rund 935 MHz) erregt wird, eine Schubkraft von 30 - 50 mN erzeugt.
Eine weitere Patentanmeldung unter dem Titel ,Electromagnetic thrusting system’ meldet die Cannae LLC im Januar 2015 an (WO-Nr. 2016004044, veröffentlicht 2016).
Fetta kündigt im August 2016 zudem an, einen 6U CubeSat starten zu wollen, der mit einer Version des Cannae Drive ausgestattet ist. Dieser soll mindestens sechs Monate lang in einer Höhe von 240 km laufen (anstatt nur sechs Wochen, wie gleichartige Modelle ohne den Antrieb) um zu beobachten, wie die Technologie im Raum tatsächlich funktioniert.
Um den Satelliten zu starten, gründet Fetta zusammen mit den Industriepartnern LAI International aus Tempe, Arizona, und SpaceQuest Ltd. aus Fairfax, Virginia, eine Schwesterfirma namens Theseus Space Inc., welcher der Cannae Drive lizensiert wird. Ein Starttermin ist noch nicht bekannt, könnte aber noch im Jahr 2017 liegen.
Nachdem das o.e. chinesische Team um Yang im Jahr 2012 an
seinem Prototypen einen Schub gemessen hat, muß es 2014 eingestehen,
daß sich dabei wohl um einen experimentellen Fehler gehandelt habe.
Einem 2016 veröffentlichten Bericht zufolge habe ein
zweiter, verbesserter Prototyp gar keinen meßbaren Schub produziert,
was natürlich Wasser auf die Mühlen der Skeptiker ist. Doch ausgestanden
ist die Kontroverse damit noch lange nicht.
2013 und 2014 präsentiert Shawyer neue Ideen
für EmDrive-Designs und -Anwendungen der zweiten Generation – und im
Juli 2014 berichtet ein NASA-Team des Advanced Propulsion
Physics Laboratory am Johnson Space Center (JSC) um Harold
C. White, das informell auch als Eagleworks Laboratories bekannt
ist, über positive Ergebnisse bei einem im August 2013 durchgeführten
achttägigen Test eines ähnlichen Antriebssystems, das ebenfalls Schubkraft
per Mikrowellen erzeugt.
White testet und bewertet im Jahr 2014 auch zwei Prototypen des Cannae Drive. Einer besitzt radiale Schlitze, die entlang des unteren Randes des Resonanz-Innenhohlraums eingraviert sind, wie es laut Fettas Theorie erforderlich ist, um Schub zu erzeugen, während bei dem anderen diese Schlitze fehlen. Beide Antriebe werden mit einem internen Dielektrikum ausgestattet. Ein drittes Testgerät, zur experimentellen Kontrolle, hat gar keinen Resonanz-Innenhohlraum. Die Tests finden bei atmosphärischem Druck statt.
Bei dem Experiment wird festgestellt, daß beide Geräte – mit radialen Schlitzen und ohne – den gleich Netto-Schub erzielen, während bei dem Kontrollgerät gar kein Schub gemessen werden kann. Das Eagleworks-Team kommt daher zu dem Schluß, daß die Schubproduktion nicht von Schlitzen abhängig ist.
Im April 2015 macht Paul March von den Eagleworks neue Ergebnisse öffentlich, denen zufolge mit einem Torsions-Pendel in einem harten Vakuum und bei einer Eingangsleistung von 50 W eine Schub von 30 – 50 μN gemessen worden sei. Das erste Peer-Review-Papier zu diesem Thema veröffentlicht das Team dann im November 2016 im Journal of Propulsion and Power.
Einen weiteren Beitrag liefern im Juli 2015 Forscher
der TU Dresden um Prof. Martin Tajmar,
die eine Schubkraft von 20 µN messen – allerdings auch in Richtungen,
in die eigentlich gar keine Kraft wirken sollte.
Im Rahmen der Meßgenauigkeit interpretieren die Forscher dies als Nullmessung, also weder als Bestätigung noch als Widerlegung des Konzepts.
Tajmar vermutet, daß magnetische Kräfte von den Kabeln den Effekt verursachen und empfiehlt, weitere Messungen zu machen, um diese (und andere) mögliche Ursachen klären.
Ebenfalls im Jahr 2015 veröffentlicht Shawyer einen
Artikel, in dem er die Ergebnisse der Tests am EmDrive zusammenfaßt:
Bei sieben Versuchen produzierten vier eine gemessene Kraft in die
beabsichtigte Richtung, während drei einen Schub in die entgegengesetzte
Richtung produzierten. Darüber hinaus konnte bei einem Test der Schub
in beide Richtungen erzeugt werden – durch Veränderung der Federkonstanten
in der Meßvorrichtung.
Chen Yue, Direktor für kommerzielle Satellitentechnologie
an der China Academy of Space Technology (CAST),
reicht im im März und Juni 2016 zwei Patentanmeldungen
ein, in denen verschiedene Designs von HF-Resonanzhohlraum-Triebwerke
beschrieben werdent. Dazu gehören eine Methode zum Stapeln mehrerer
kurzer Resonanzhohlräume zur Verbesserung des Schubs (CN-Nr. 105781921),
sowie ein Entwurf mit einem Halbzylinder-Hohlraum anstelle eines
Kegelstumpfes (CN-Nr. 105947224).
Im Dezember gibt Yue auf einer Pressekonferenz bekannt, daß die chinesische Regierung die EmDrive-Forschung seit 2010 finanziert und an ihre Vorteile glaubt. Nach erfolgreichen Tests im Labor würde derzeit auf der kurz zuvor gestarteten Raumstation Tiangong-2 ein null-G-Test in der Umlaufbahn stattfinden. Gerüchte darüber gab es schon längere Zeit.
Das Tiangong 2 Raumlabor im niedrigen Erdorbit dient zum Testen der Schlüsseltechnologien, die China in seiner großen modularen Raumstation verwenden möchte, die 2023 starten soll. Yue zufolge habe man im Laufe mehrerer Jahre der Forschung erfolgreich mehrere Prototypen sowie eine experimentelle Forschungsplattform entwickelt, um den Minimalschub zu bestimmen, wobei wiederholte Experimente bestätigen, daß diese Form des Antriebs tatsächlich Schub entwickelt.
Der CAST-Chefdesigner Li Feng zeigt auf der Pressekonferenz eine detaillierte Präsentation der verschiedenen ingenieurtechnischen Probleme, die noch zu lösen sind, bevor die EmDrive-Technologie in der Raumfahrt praktisch eingesetzt werden kann. Zum einen generiere der Prototyp erst Schübe im Millinewton-Bereich, was auf Größenordnungen von 100 mN bis 1 N gesteigert werden soll, um die Höhe von Satelliten im Erdorbit kontrollieren und halten zu können.
Um dies zu erreichen, arbeitet man an einer Verbesserung des Designs, um so elektrische Verluste aufgrund des verwendeten Materials zu reduzieren. Zudem besteht auch noch die Fragestellung, wo das Antriebsmodul am besten plaziert werden soll, da sich dies auf die Temperaturentwicklung der Schubkammer und damit auch auf die Menge des von ihr erzeugten Schubs auswirken könnte. Allerdings befinde man sich schon in der Endphase der Entwicklung und Ausarbeitung, und das Ziel ist die baldmöglichste Nutzung der EmDrive-Technologie für die Satellitenraumfahrt.
Im April 2016 berichten die Fachblogs über die Arbeiten
des Physikers Mike E. McCulloch von der britischen Plymouth
University, der das System des EmDrive mit
Hilfe des sogenannten Unruh-Effekts der Quantenfeldtheorie erklärt.
Der Effekt bewirkt, daß sich ein beschleunigter Körper erwärmt. Bei
sehr kleinen Wellenlängen, so die Idee, könnte dieser Effekt quantisiert
auftreten, so daß man gewissermaßen einen Impuls aus dem Vakuum gewinnt.
Allerdings ist der Unruh-Effekt generell sehr klein – und McCullochs Begründung enthält auch die mit aktueller Physik schwer vereinbare Idee, daß Photonen durch den Unruh-Effekt Ruhemasse gewinnen. Immerhin berechnet der Brite auch Prognosen, die sich nachmessen lassen: Bei veränderter Konfiguration des Antriebs (Länge = Durchmesser des kleineren Endes) müßte sich die Schubkraft umkehren.
Beobachtbare Indizien für diesen Vorgang sieht McCulloch in Form der sogenannten Fly-by-Anomalien, die Raumschiffe beim Vorbeiflug an der Erde und anderen Planeten zeigen, wenn es zu rätselhaften Anstiegen in der Bewegung der Raumschiffe und Sonden kommt. Während es schwer ist, den Unruh-Effekt auf der Erde aufgrund der hierzu notwendigen extrem geringen Beschleunigung zu überprüfen, könne man statt dessen die Größe der Wellenlänge der Unruh-Strahlung reduzieren: „Möglicherweise ist es genau das, was die EmDrive-Apparatur macht.“
Darüber hinaus macht McCullochs Theorie zwei überprüfbare Vorhersagen: Zum einen sollte ein im EmDrive-Kegel plaziertes Dielektrikum die Effektivität des Antrieb erhöhen – und zum anderen könnte sich einhergehend mit der Veränderungen der Ausmaße des Kegels die Schubausrichtung umkehren, wenn die Wellenlänge der Unruh-Strahlung besser mit der Größe des kleinen Endes des Kegels übereinstimmt, als mit der des größeren Endes.
Ein ähnlicher Effekt könne durch die Veränderung der Photonenfrequenz im Innern des EmDrives erzielt werden – und laut McCulloch gibt es Indizien dafür, daß genau dieses in den von der NASA durchgeführten EmDrive-Experimenten passiert ist.
Im Mai 2016 startet der Ingenieur Paul Koclya aus
Aachen, welcher bereits einen Miniatur-EmDrive gebaut hat, der in einen
PocketQube paßt, zusammen mit seinem Partner Jo Hinchliffe aus
Wales eine Crowdfunding-Kampagne, um einen kommerziellen Start zu finanzieren.
Von den anvisierten 24.200 € werden in den ersten 12 Monaten aber nur
gut 10 % gespendet.
Die PocketQubes (PocketQub o. Pocket Cube) sind übrigens würfelförmige Raumfahrzeuge mit einer Kantenlänge von 5 cm, die auf Prof. Bob Twiggs von der Morehead State University zurückgehen und die es erstmals im November 2013 in die Umlaufbahn geschafft haben.
Koclya verfolgt die Sache jedenfalls weiter, und läßt daran auch detailliert teilhaben (EMDrive/satellite auf hackaday.io), wo man z.B. erfährt, daß der Baby-EMDrive V6 im Februar 2017 bei Prof. Tajmar an der Technischen Universität Dresden geprüft wurde – ohne daß bislang aber Details über die Ergebnisse bekannt gegeben worden sind.
Eine weitere mögliche Erklärung, wie der Antrieb funktioniert, veröffentlichen
im Juni 2016 Prof. Arto Annila von
der Universität Helsinki, der Physiker Erkki
Kolehmainen von der Universität Jyväskylä und
der Multiphysiker Patrick Grahn von der Ingenieur-Software-Firma COMSOL –
die mit ihrer These, daß der Antrieb einen ,Auspuff’ hat, eine Erklärung
liefern, warum sich der EmDrive nicht wirklich dem dritten Gesetz
von Newton entzieht – wobei es sich bislang aber nur um eine Hypothese
auf der Grundlage theoretischer Berechnungen handelt.
Den Forschern zufolge sind die ,Abgase’, die abgestrahlt werden, tatsächlich Licht, oder genauer gesagt, Photonen, die mit anderen phasenverschobenen Photon zusammengedrückt worden sind, um aus dem Metallhohlraum zu schießen und Schub zu erzeugen. Demnach ist Licht in Mikrowellenlängen der Treibstoff, der in den Hohlraum eingespeist wird – während der EmDrive gepaarte Photonen nach hinten ausstößt.
Annila erklärt: „Wenn zwei Photonen zusammen reisen, aber entgegengesetzte Phasen haben, dann hat das Paar netto gerechnet kein elektromagnetisches Feld und wird daher nicht von den Metallwänden reflektiert, sondern durchdringt diese“. Mit anderen Worten, die Abgas-Photonen werden aus elektromagnetischer Sicht unsichtbar, weil sie von ihrem andersphasigen Partner maskiert werden. Diese entkommenen Photonen bilden die gleiche und entgegengesetzte Reaktion, die den Schub des EmDrive hervorbringt.
Die Finnen hoffen nun, daß Ingenieure die Herausforderung annehmen, ihre Photonenpaar-Theorie praktisch zu überprüfen. Dies wird aber nicht so einfach sein – ohne eine elektromagnetische Signatur.
Im Oktober 2016 wird eine britische Patentanmeldung
veröffentlicht, die einen neuen EmDrive beschreibt,
der an einem Ende eine einzelne, flache supraleitende Platte aufweist,
während das andere Ende eine besonders geformte, nicht supraleitende
Platte ist (GB-Nr. 2016/050974). Beantragt wird das Patent von Shawyers
Firma SPR, als Erfinder wird neben ihm noch Gilo Cardozo angegeben.
Außerdem bestätigt Shawyer gegenüber der Presse, daß sowohl das britische als auch das US-Verteidigungsministerium daran interessiert seien, den EmDrive für ihre Raumsatelliten zu nutzen. Ein treibstoffloser Raketenmotor würde es dem Militär ermöglichen, sich einem Ziel zu nähern, ohne daß es jemand bemerken würde.
Kurz darauf stellt Shawyer die Neugründung Universal Propulsion Ltd. vor, die sich als Joint Venture mit dem kleinen britischen Luft- und Raumfahrtunternehmen Gilo Industries Group von Giles ,Gilo’ Cardozo ganz auf die Entwicklung und Vermarktung dieser EmDrive-Triebwerke konzentrieren wird. Es ist geplant, Tausende dieser Geräte zu produzieren.
Im November 2016 berichtet die Presse, daß die US-Regierung
eine Version des EmDrive an Bord der Boeing X-37B testen
würde, einem experimentellen, unbemannten und wiederverwendbaren Raumgleiter
der U.S. Air Force. Eine offizielle Bestätigung dafür habe ich bislang
aber nicht finden können. Die weitere Entwicklung bleibt also spannend
- und ich werde zu gegebener Zeit ein entsprechendes Update veröffentlichen.
Doch nun soll ein Blick auf andere elektrische Antriebe geworfen
werden, deren Chronologie an dieser Stelle im Jahr 2010 einsetzt.
Im Januar stellt Prof. Kimiya Komurasaki von der Universität Tokio ein System vor, mit welchem er eine kleine Modellrakete aus Metall mittels Mikrowellen-Energieübertragung zum Starten bringt. Die Idee hierzu soll auf den russischen Raketenwissenschaftler Konstantin Tsiolkovsky zu Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgehen.
Andere Quellen sehen den US-Ingenieur Arthur Kantrowitz als ursprünglichen Innovator, der im Jahr 1972 den Vorschlag gemacht hat, Raketen mittels Lasern oder Masern (also Mikrowellen-Lasern) aus dem Schwerkraftschacht, in dem wir alle hocken, hinauszubefördern. Auch die Antriebsmethode mittels Laserabtragung (Laser ablation prupulsion, LAP) soll von ihm stammen (s.u.). Im selben Jahr soll Wolfgang E. Möckel die grundlegende Theorie der lasergetriebenen Raketen verfaßt haben (noch nicht verifiziert).
Um die Idee zu verwirklichen, wird das Gyrotron des Naka Fusion Institute der japanischen Atombehörde JAEA genutzt, ein Super-Hochleistungs-Mikrowellen-Strahlemitter, der ursprünglich als Teilbeitrag Japans im Rahmen der internationalen Bemühungen um einen praktikablen Fusionsreaktor (International Thermonuclear Experimental Reactor, ITER) entwickelt wurde.
Mit diesem Strahl (170 GHz) sind die Wissenschaftler in der Lage, Mikrowellen-Energieimpulse in den Boden eines hohlen, 126 g schweren Raketenmodells zu schicken, was die darin befindliche Luft fast sofort auf 10.000°C erhitzt, was zu ihrer sehr raschen Expansion führt. Das Ergebnis ist ein Knall, der sich ein wenig wie Donner anhört - während die Rakete abhebt und etwa 120 cm hoch fliegt. Zum Einsatz kommt dabei ein 600 kW starker Strahl, dessen Pulse bei einer Frequenz von 100 Hz jeweils 1 Millisekunde daueren. Stetiger Schub kann durch eine wiederholte gepulste Mikrowellen-Bestrahlungen erzeugt werden.
Bei einem früheren Versuch im Jahr 2003 konnte ein 9,5 g schweres Kunststoff-Modell durch einen Einzelpuls-Mikrowellenstrahl (930 kW / 0,4 Millisekunden) auf eine Höhe von 2 m gebracht werden. Langfristig soll durch Verbesserung des Gyrotrons und der optischen Übertragungssysteme schrittweise schwerere Raketen auf größere Höhen gebracht werden - bis man in der Lage ist, mit dieser Methode 100 kg wiegende Nutzlasten in den Orbit zu befördern. Die Wissenschaftler rechnen damit, im Jahr 2030 mit der Technologie einen 20.000 Tonnen schweren Solar-Satelliten in den GEO transportieren zu können.
2011 wird mit einem 1 MW Mikrowellen-Strahl des Gyrotron ein Schub von 30 N erreicht. Als nächstes soll ein Raketenmodell im Kilogrammbereich auf 10 m Höhe gestartet werden. Über weitere Entwicklungsschritte ist bislang nichts bekannt.
2016 veröffentlichen Komurasaki und seine Kollegen dann den Vorschlag für ein zweistufiges Transportsystem, das aus der Kombination einer Mikrowellen-Rakete mit einer Mikrowellen-Thermal-Rakete besteht, um kleine Satelliten in den Orbit zu bringen.
Im September 2011 wählt die NASA zwei
bahnbrechende Weltraumtechnologie-Projekte für die Weiterentwicklung
aus. Dabei wird betont, daß diese beiden neuen Projekte nur der Anfang
der Bemühungen der Agentur sind, an revolutionäre Technologien zu kommen,
wie sie für zukünftige Missionen erforderlich sind. Zum einen geht
es dabei um die Entwicklung einer Lithium-Ionen-Batterie durch
die Firma Amprius Inc., bei der man sich auf die Materialoptimierung
von Silizium-Anoden und Elektrolytformeln konzentriert, um den Anforderungen
der extrem niedrigen Temperaturen im Raum zu entsprechen.
Das zweite Projekt unter dem Namen Ride the Light soll neue Methoden zur Energieübertragung über große Distanzen erforschen und Wege aufzeigen, wie sich weit entfernte Raumschiffe oder Sonden mittels Licht- oder Mikrowellenstrahlen von der Erde oder von Satelliten aus mit Energie versorgen lassen. Unter dem Titel LightForce wird zudem eine Umsetzung zur Vermeidung von Kollisionen in der Umlaufbahn verfolgt, bei der alleine der Photonendruck eines Boden-Lasers zum Einsatz kommen soll. Indem Trümmer aus dem Weg einer Kollision ,geschubst’ werden, lassen sich diese verlangsamen oder daran hindern, Satelliten zu gefährden, denen ein On-Board-Antrieb fehlt. Im Gegensatz zu anderen Raummüll-Sanierungskonzepte sei LightForce viel billiger. Allerdings ist später nichts mehr darüber zu hören.
Seit Ende 2011 betreibt das Deutsche Zentrum
für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Göttingen einen Teststand
für Elektroantriebe, auf dem hauptsächlich ein RIT-Triebwerk untersucht
wird (s.o.). Die Vakuumkammer des DLR ist mehr als 12m lang und hat
einen Durchmesser von 5 m.
Ab 2015 wird hier ein weiteres ähnliches, aber größeres Triebwerk getestet.
Weiter mit den Alternativen Antrieben in der Raumfahrt...