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Weltraum-Sonnensegel (1)

Im November 1577 beobachtet der sechsjährige Johannes Kepler den Großen Kometen, wird später zu einem Astronomen, bemerkt, daß Kometenschwänze von der Sonne wegführen, und schreibt 1610 an Galileo: „Besorgen Sie Schiffe oder Segel, die an die himmlische Brise angepaßt sind, und es wird einige geben, die auch diese Leere tapfer befahren werden.“ Den Grund für die Ausrichtung des Kometenschwanzes beschreibt er 1619 in seinem Buch Opera Omnia.

Erklären können dieses Phänomen allerdings erst die Arbeiten des schottischen Physikers James Clerk Maxwell zu elektromagnetischen Feldern und elektromagnetischer Strahlung von 18611864, in denen er zeigt, daß Licht Impuls hat und somit Druck auf Objekte ausüben kann.

Als Jules Verne im Jahr 1865 sein Buch Von der Erde bis zum Mond veröffentlicht, ist darin zu lesen, daß auch Licht Schiffe durch den Raum bewegen könnte: „Es wird eines Tages Geschwindigkeiten geben, die weit größer sind als diese [der Planeten und des Geschosses], deren mechanischer Agent wahrscheinlich Licht oder Elektrizität sein wird… wir werden (damit) zum Mond, den Planeten und den Sternen reisen.“

Zwei französische Science Fiction-Autoren, Henry de Graffigny und Georges le Faure, stellen in ihrem 1889 erschienenen Roman Aventures Extraordinaires d’un Savant Russe das Konzept eines Raumschiffs mit einem großen Spiegel vor, das zu seinem Antrieb den Druck des Sonnenlichts sammelt. Überhaupt reflektiert sich bei dieser Technologie die Verflechtung und gegenseitige Beeinflussung futuristischer Visionen und ingenieurtechnischer Umsetzungen höchst eindrucksvoll.

Der russische Physiker Pjotr Nikolajewitsch Lebedew ist 1899 oder 1900 der erste, der den Strahlungsdruck experimentell nachweisen kann, was in einem unabhängigen Experiment 1901 oder 1903 auch Ernest Fox Nichols und Gordon Ferrie Hull am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, mit ihrem selbst erfundenen Nichols-Radiometer tun.

Im Jahr 1908 ist der schwedische Physiker und Chemiker Svante August Arrhenius der erste, der die Möglichkeit in Betracht zieht, daß der Druck der Sonnenstrahlung Lebenssporen über interstellare Distanzen verteilt, um das Konzept der Panspermie zu erklären.

Im Jahr 1915 werden in Rußland die ersten ernsthaften Überlegungen zum photonischen Antrieb von Yakov Pelerman veröffentlicht, und der russische Raumfahrtpionier Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski, der von SF-Literatur und den Erzählungen Jules Vernes angeregt, selbst Geschichten über interplanetare Raumfahrt schreibt und schon 1895 einen Weltraumlift vorschlägt, gilt als der erste, der 1924 den Vorschlag macht, den Druck des Sonnenlichts zu verwenden, um Raumfahrzeuge anzutreiben.

Der deutschbaltisch-sowjetische Gelehrte, Erfinder und Raketenbauer Friedrich Arturowitsch Zander (Fridrickh Arturovich Tsander) wird von Ziolkowski inspiriert und veröffentlicht 1924 ein Buch über dessen Arbeiten. Zusammen mit Ziolkowski und dem ukrainischen und sowjetischen Raumfahrtingenieur Juri Wassiljewitsch Kondratjuk gründet Zander ebenfalls noch 1924 die ,Gesellschaft zum Studium der interplanetaren Reisen’. 1925 veröffentlicht er dann eine Studie mit detaillierten theoretischen und technischen Analysen eines Sonnensegels, um „mit großen Spiegeln aus sehr dünnen Blechen den Sonnendruck zu nutzen, um kosmische Geschwindigkeiten zu erreichen.“

Im Jahre 1927 spekuliert der britische Biologe und Genetiker John Burdon Sanderson Haldane über die Erfindung von röhrenförmigen Raumschiffen, welche die Menschheit in den Weltraum bringen würden und wie „Flügel aus einer metallischen Folie von einem Quadratkilometer oder mehr ausgebreitet werden, um den Druck der Sonnenstrahlen zu fangen.“ Und 1929 prognostiziert der britische Physiker John Desmond Bernal in einem philosophischen Buch das ,Raumsegeln’, das die abstoßende Wirkung der Sonnenstrahlen anstelle von Wind benutzt.

Weitere Spuren lassen sich erst wieder in den 1950er Jahren finden, so z.B. in einem wissenschaftlichen Artikel über die Raumfahrt mit Sonnensegeln von Carl Wiley bei der Firma Rockwell Engineering, der 1951 darüber schreibt, wie die Segel aus dünnem Metallfilm in der Umlaufbahn montiert werden. Aus Angst vor dem Verlust seiner Glaubwürdigkeit, veröffentlicht Wiley der Text über die ,Clipper Ships of Space’ im Magazin Astounding Science Fiction unter Pseudonym (Russell Saunders).

Mitte der 1950er Jahre stellt auch der französische Schriftsteller Pierre Boulle in seinem SF-Roman Der Planet der Affen Sonnensegler vor, die in der späteren Verfilmung leider nicht mehr vorkommen.

1955 entwickelt Hermann Oberth das Konzept von Spiegeln im All, das er in seinem Werk ,Menschen im Weltraum’ beschreibt, während der Ausdruck Sonnensegeln (solar sailing) erstmals 1958 in einem Artikel des US-Magazins Jet Propulsion erscheint, in dem der amerikanische Ingenieur und erater des Verteidigungsministerium im Watson laboratory von IBM Richard Gamin technische Berechnungen eines derartigen Antriebssystems veröffentlicht – und damit u.a. auch den SF-Autor Arthur C. Clarke (Space Oddity 2001) zu dessen 1964 erschienenen Kurzgeschichte The Wind from the Sun inspiriert, in welcher es um eine Sonnensegler-Regatta von der Erde zum Mond geht. Die ursprünglich ,Sunjammer’ genannte Story erscheint übrigens in der Märzausgabe des Magazins Boy’s Life, dem Periodikum der Boy Scouts of America.

Ebenfalls im Jahr 1958 schlägt Ted Cotter von Los Alamos National Laboratory die Entwicklung eines rotierenden Solarsegels vor, was dem Time Magazine immerhin ein Editorial mit dem Titel ,Trade Winds in Space’ wert ist. Die Rotation wird als ein Mittel zur Stabilisierung eines Segels ohne Struktur betrachtet, die Mechanismen für die Kontrolle erweisen sich allerdings als sehr kompliziert.

Solarsegel-Raumschiff Grafik

Solarsegel-Raumschiff
(Grafik)

Weitere SF-Geschichten und Romane, in denen Solarsegel vorkommen, sind u.a. The Lady Who Sailed The Soul (1960) und Think Blue, Count Two (1963) von Cordwainer Smith (Pseudonym von Paul M. A. Linebarger); Sail 25 von Jack Vance (1962); A Mote in God’s Eye von Larry Niven und Jerry Pournelle (1974, dt.: Der Splitter im Auge Gottes, 1977); Sunjammer von Poul Anderson (1964), Windhaven von George R. R. Martin und Lisa Tuttle (1981, dt.: Sturm über Windhaven, 1985); Flight of the Dragonfly von Robert L. Forward (1984, dt.: Der Flug der Libelle, 1985); The Children's Hour von Jerry Pournelle und S. M. Stirling (1991); sowie The Wreck of the River of Stars von Michael Flynn (2003), in welchem es um den letzten Fluges eines Magnetsegel-Raumschiffs geht, da deren Antriebstechnik nun durch Farnsworth-Hirsch-Fusoren abgelöst wird (die es übrigens auch tatsächlich gibt).

Bei Forward - der die Solarsegel-Idee auch in seiner Rolle als Physiker auf interstellare Flüge ausdehnt und erste Konzepte für Laser- und Mikrowellen-Segel entwirft - kommt zudem eine Linse von der Größe des Staates Texas zwischen Saturn und Neptun vor (eine sogenannte Fresnel-Zone), die das Licht von mehreren Tausend um den Merkur kreisenden Sonnenkollektoren bündelt. Diese solargepumpten Laser haben eine Sammelleistung von 65 GW. In Nivens Tales of Known Space (1975) werden Lichtsegel wiederum verwendet, um Raumschiffe so stark zu beschleunigen, daß interstellare Staustrahltrichter genutzt werden können (s.u.). Nivens Lichtsegel werden fast immer von riesigen Lasern angetrieben, die entweder auf Schienen auf dem Merkur oder auf Asteroiden im Gürtel zwischen Erde und Mars plaziert sind.


Als die NASA im Jahr 1960 den ersten passiven Kommunikationssatelliten Echo 1A startet, ein 76 kg schwerer, aluminiumbeschichteter Mylar-Ballon mit 30 m Durchmesser, an dem Mikrowellen abprallen, wird erstmals der Sonnendruck in die Berechnung der Trajektorie mit aufgenommen. Der Sonnendruck bewegt den ,Satelloon’ tatsächlich, läßt ihn aber nicht kollabieren. Ein ähnlicher Ballonsatellit Echo 2 mit 41 m Durchmesser wird 1964 gestartet.


Zu den weiteren Aktivisten der Bewegung gehört Philippe Villers, der 1960 seinen Master am Massachusetts Institute of Technology (MIT) mit einer Arbeit über Solarsegel abschließt.


Im Rahmen des Projekts Needles werden bereits 1963 seitens des MIT etwa 500 Millionen haarähnliche Kupferdrähte in der Umlaufbahn plaziert, um zu sehen, ob sie als passiver Kommunikationsrelais-Satellit arbeiten würden. Tatsächlich gelingt es, Nachrichten von Küste zu Küste zu senden. Die Nadeln verbrennen anschließend harmlos in der Atmosphäre und bestätigen die Vorhersage, daß der Druck des Sonnenlichts ihre Umlaufbahn senken würde.

Heliogyro-Prinzip Grafik

Heliogyro-Prinzip (Grafik)


Im Jahr 1967 führt der Ingenieur Richard MacNeal von der Firma Astro Research Corp. ein innovatives Designkonzept ein: Sein Heliogyro besitzt lange, dünne Blätter, die sich durch Zentrifugalkraft verfestigt als ,Lichtmühle’ um einen zentrale Achse drehen, wie ein Hubschrauber. Nachdem MacNeal zuerst ein System aus zwei Blätter konzipiert, die jeweils 250 kg wiegen, 5.700 m lang, 1,5 m breit und 6 µm dünn sind. Später konzipiert er auch extrem große Konfigurationen über einen Radius von 30 km und einem Gewicht von 45 Tonnen.

Daß das Heliogyro-Konzept realisierbar ist, belegt ein Experiment mit einem 2 m langen, 2 cm breiten und 80 µm dicken Versuchsblatt, mit dem erfolgreich Neigungmanöver in einem rotierenden Raum durchgeführt werden.

Sehr wichtig für die gesamte Entwicklung ist auch Carl Sagan, der das Konzept der Solarsegel bereits im September 1967 in Johnny Carsons US-Fernsehsendung The Tonight Show der Öffentlichkeit vorgestellt.


Eine Art Umsetzung erfolgt erstmals, als die Wirkung des Solar-Drucks zur Ausrichtung der im November 1973 gestarteten Sonde Mariner 10 während ihres Fluges zur Venus und zum Merkur (1974 - 1975) genutzt wird, wobei der Druck auf die Sonnenkollektoren, die wie Schaufeln in unterschiedlichen Winkeln zur Sonne geneigt sind, die Sonde in eine gewünschte Rotation versetzt.

Heliogyro Grafik

Heliogyro (Grafik)


Als die NASA und die Europäische Raumfahrtbehörde ESA im Jahr 1973 über das Rendezvous eines Raumfahrzeugs mit dem Halleyschen Kometen nachdenken, was im Jahr 1986 geschehen könnte, wird auf Vorschlag des Ingenieurs Jerome Wright vom Battelle Memorial Institute ein Forschungsprogramm für Sonnensegler initiiert.

Ein Designteam des Jet Propulsion Laboratory (JPL) unter der Leitung von Louis Friedman sowie Kollegen der NASA-Forschungszentren in Ames und Langley führen ab 1976 eine Heliogyro-Solarsegel-Designstudie durch, bei der sie einen Heliogyro mit zwölf 7,5 km langen Blättern in zwei Lagen konzipieren.

Zwar wird das Programm aus finanziellen Gründen schon 1977 wieder fallengelassen, doch die Designstudie beweist die Machbarkeit von Sonnensegeln, und insbesondere Heliogyro-Solarsegeln. Für die Rendezvous-Mission mit Halley wird statt dessen ein solarbetriebenes Ionen-Triebwerk ins Auge gefaßt (s.u.) - und die NASA beendet die Sonnensegelforschung für mehr als 20 Jahre.

Mehrere Wissenschaftler und Techniker des JPL gründen daraufhin im Jahr 1979 die World Space Foundation (WSF) mit dem Ziel, die technische Durchführbarkeit von Sonnensegeln auch praktisch zu beweisen.


Im Jahr 1980 beantragt Kim Eric Drexler das Patent für ein Solarsegel-Entwurf unter Verwendung eines dünnen Metallfilms (US-Nr. 4.614.319, erteilt 1986), der in seiner Anmeldung auch die bisherige Entwicklung der Technik sehr detailliert darstellt. Drexler gilt u.a. als ein Pionier des Konzepts, abgebaute Materialien von Asteroiden in Richtung Erde zu transportieren.


Im Jahr 1981 schließen sich auch in Europa verschiedene Raumfahrt-Profis mit Interesse an Sonnenseglen zusammen, um die Union pour la Promotion de la Propulsion Photonique (U3P) zu gründen, mit ähnlichen Zielen wie die WSF. Die Initiatoren stammen hauptsächlich aus den französischen staatlichen Forschungsunternehmen Office National d’Études et de Recherches Aérospatiales (ONERA) und Centre National d’Études Spatiales (CNES).

1982 folgt dann die Gründung einer gleichartigen Institution in Japan. Hier wird die Solar Sail Union of Japan (SSUJ) von den Ingenieuren des Institute of Space and Astronautical Science (ISAS) geschaffen.

Von 1985 stammt ein Comic von Olivier Boisard, einem Mitglied der U3P, das auf der o.g. Kurzgeschichte von Arthur C. Clarke beruht (unter Solar Sails Gallery / The Comic Strip zu finden). Boisard zeichnet auch eine ganze Reihe von Solarsegelkonzepten und -designs, die auf der U3P-Seite zu sehen sind.

Das Buch Starsailing: Solar Sails and Interstellar Travel von Louis Friedman erscheint 1988. Friedman ist Mitinitiator der 1980 von Carl Sagan und Bruce Murray gegründeten Planetary Society, einer gemeinnützigen Organisation zur Förderung der Erforschung des Sonnensystems und der Suche nach außerirdischem Leben (s.u.).


Tatsächlich können – wie bei den durch irdischen Wind angetrieben Segelschiffen – auch im Weltall große Lichtsegel entfaltet werden, die mit ihrem extrem dünnen reflektierenden Material auch auf den sehr viel schwächeren, aber nie versiegenden Schub des Teilchenstroms reagieren, der als Solarwind oder Sonnenwind bekannt ist.

Dieser besteht im wesentlichen aus erhitzten Elektronen und Protonen sowie aus Heliumkernen, also einem Plasma, das mit einer mittleren Geschwindigkeit von 350 - 400 km/s von der Sonne weggeschleudert wird (andere Quellen: durchschnittlich 500 km/s), wobei im interplanetaren Raum auf einen Kubikzentimeter etwa 10 ionisierte Atome kommen (andere Quellen: bis zu 100). Dabei haben die die chemischen Elemente des Sonnenwindes unterschiedliche Geschwindigkeiten,  verschiedene Temperaturen und – sehr seltsam – die Temperaturen ändern sich mit der Richtung.

Wie Wissenschaftler am NASA Goddard Space Flight Center um Adam Szabo im März 2013 berichten, stammt die Quelle der Erwärmung des Sonnenwinds aus Ionen-Zyklotron-Wellen, die um das Magnetfeld der Sonne kreisen.

Mit einem genügend großem Segel lassen sich diese Teilen einfangen und als treibende Kraft für ein Raumschiff oder eine Sonde verwenden. Nach Erreichen der höchstmöglichen Geschwindigkeit von 400 km/s kann diese durch den Sonnenwind nicht noch weiter beschleunigt werden - doch auf ein Sonnensegel wirkt ja auch noch der Strahlungsdruck der Photonen ein. Dies erlaubt es einem Solarsegler, nahezu ohne Begrenzungen Kurs durch das Sonnensystem zu nehmen. In Erdentfernung übt das Licht der Sonne einen Schub von 9 Mikro-Newton auf jeden Quadratmeter Segel aus, entsprechend 900 g Masse auf jeden Quadratkilometer. Die Energie wird hierbei ohne Zwischenspeicherung direkt umgesetzt.

Wegen des geringen Drucks der Lichtteilchen beschleunigt ein Solarsegel zuerst zwar nur mit 18 cm pro Stunde, doch je länger das Sonnenlicht auf das Segel wirkt, desto schneller wird es. Nach 100 Tagen liegt die Geschwindigkeit bei rund 16.000 km/h und nach drei Jahren sogar schon bei 160.000 km/h. Zumindest in der Theorie ist es möglich, mit dieser Technologie nahe an die Lichtgeschwindigkeit heranzukommen.

Solarsegel-Regatta Grafik

Solarsegel-Regatta
(Grafik)


Im Jahr 1988 schlägt der amerikanische Ökonom Klaus Heiss vor, zum 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas durch Christopher Kolumbus, dem sogenannten Kolumbus-Jahr 1992, eine Sonnensegel-Regatta von der Erde zum Mars zu organisieren, deren Wendeboje der Mond ist. Teilnehmen sollen drei Solar-Segler – weil Kolumbus ebenfalls mit drei Schiffen unterwegs gewesen war.

In diesem Zusammenhang werden auch erstmals einige technische Daten bekannt. Für die USA könnte das Solar Sail Race Vehicle der World Space Foundation ins Rennen gehen, das mit seinem silberbedampftem 3.000 m2-Kunststoffsegel an einen quadratischen Kinderdrachen erinnert, sowie der nur 20 kg wiegende Heliogyro-Segler des MIT mit acht Segelblättern von jeweils 170 m Länge.

Technisch führend scheint allerdings das Modell der englischen Firma Cambridge Consultants zu sein, dessen Segel sich scheibenförmig um die Nutzlastkapsel auffaltet und bei 276 m Durchmesser eine Rekordfläche von 60.000 m2 erreicht. Dank verstellbarer Rippen kann das Segel außerdem Schüssel- oder Sattelform annehmen.

Enttäuschenderweise finden sich aber keine Sponsoren für den Columbus 500 Space Sail Cup, und der Bau der Weltraum-Clipper wird nicht realisiert.

Im Jahr 1991 tritt der U3P eine spanische Gruppe namens Comision Vela Solar bei, die den Plan hat, schon 1992 ein Solarsegel zu entwickeln und zu bauen. In Paris wird daraufhin das Earth Moon Race Committee gegründet, um die Idee einer Sonnensegler-Regatta zwischen Erde und Mond zu verwirklichen. Doch auch dieser Vorschlag wird bald darauf wieder gestrichen.


Dafür haben die Regatta-Initiativen ein ganz anderes Resultat. So werden an der russischen Raumstation MIR (1986 – 2001) die Entfaltungsmechanismen von Foliensegeln und deren Lagekontrolle getestet, wobei das Experiment dem Plan dient, später einmal mit viel größeren Reflektoren nordrussische Städte zu erhellen. Man erhofft sich dadurch eine Stromersparnis, stärkeres Wachstum von Pflanzen und eine geringere Kriminalität in den beleuchteten Städten.

Der dabei verwendete Spiegel war ursprünglich von Vladimir Syromyadnikov und dem Space Regatta Consortium des Raumfahrtkonzerns RKK Energija in Moskau als Prototyp eines Solarsegel-Antriebssystems für die o.e. Space Regatta zum Mars konstruiert worden, an der auch Russland teilnehmen wollte.

Der erste Versuch namens Znamya 2 (Banner) findet im Februar 1993 statt, nachdem mit einem unbemannten Raumtransporter Progress M-15 bereits im Oktober 1992 ein Spiegelsegel in den Weltraum gebracht worden war. Bei dem Experiment wird der Transporter in 230 m Entfernung von der Raumstation zur Lagestabilisierung in Rotation versetzt, um dann an einer elektrisch angetriebenen Achse den 40 kg schweren Reflektor aus dünner Folie durch Zentrifugalkraft auf einen Durchmesser von 20 m aufzuspannen.

Eigentlich sollte bei dem Sonnenspiegel-Experiment ein mehrere Kilometer großer Lichtkegel auf die Erde reflektiert werden, etwa zehnmal so hell wie der Vollmond, doch die Kanten der acht am Umfang verbundenen Foliensegmente entfalteten sich nicht vollständig und das Ergebnis bleibt unbefriedigend. Der Lichtkegel streicht sieben Minuten lang über die Erde, dann ist der Test vorbei und das Segel verglüht in der Atmosphäre.

Andere Quellen berichten, daß der Spiegel erfolgreich eingesetzt wird und einen 5 km breiten Lichtpunkt produziert, der mit einer Geschwindigkeit von 8 km/s Europa von Südfrankreich ins westliche Russland durchquert. Einige Stunden später wird der Spiegel aus dem Orbit gesteuert und verbrennt beim Wiedereintritt über Kanada.

Genau sechs Jahre später, im Februar 1999, wird mit Znamya 2.5 eine verbesserte Version in den Orbit gebracht, wiederum von der MIR aus. Die Neuerung besteht darin, daß die Spiegelfolie optimiert wurde und mit 25 m Durchmessern auch größer als ihr Vorgänger ist. Zudem verfügt die neue Version über eine Fernsteuerung, die es ermöglichen sollte, den erwarteten, im Vergleicht zum Vollmond 5 - 10 mal so hellen Lichtkegel von 7 km Durchmesser auf eine bestimmte Stelle auf der Erde auszurichten.

Doch auch dieser Versuch geht schief, als sich die empfindliche Folie an den Antennen der MIR verheddert und einreißt, so daß sich der Solarspiegel nicht entfalten kann. Nach mehreren vergeblichen Versuchen der Missionskontrolle, den Spiegel von der Antenne zu befreien, wird er schließlich ebenfalls aus dem Orbit gesteuert und verbrennt – was dann auch das Ende des Projekts der russischen Raumfahrtagentur darstellt. Eine zuvor vorgeschlagene Version Znamya 3 mit einem Durchmessern von 60 – 70 m wird nie realisiert.


Ebenfalls im Jahr 1999 zeigen Tests, die der Luft- und Raumfahrtingenieur Leik Myrabo in Zusammenarbeit mit der U.S. Army auf dem White Sands Übungs- und Testgelände in New Mexico durchführt, die grundlegende Verwendbarkeit von Boden-basierten Lasern, um Objekte fliegen zu lassen. Über das LightCraft genannte System berichte ich ausführlich in der Übersicht des Jahres 2006 bei dem Elektro- und Fluggeräten (s.d.).

Zubrin-Konzept Grafik

Zubrin-Konzept (Grafik)


Bei einem Advanced Propulsion Research Workshop der NASA im April 1999 schlägt Robert Zubrin die Entwicklung magnetischer Segel vor, die anstelle von Sonnenlicht den Sonnenwind als Antriebskraft nutzen. Außerdem existieren irdische, andere planetare, solare und übergeordnete galaktische Magnetfelder, von denen sich ggf. ebenfalls Gebrauch machen läßt.

Zubrin arbeitet zusammen mit Dana Andrews bereits seit 1988 an dem magnetischen Segel, das aus einem Konzept des Bussardkollektors (o. Bussard Ramjet, Staustrahl) weiterentwickelt wurde. Dieses bislang hypothetische Gerät, das nach dem US-amerikanischen Physiker Robert W. Bussard benannt ist, der die Technik bereits 1960 zur Energieversorgung von Raumschiffen vorschlug, nutzt ein elektromagnetisches ,Schaufel-Feld’ im Weltall, um interstellaren Wasserstoff zum Betrieb eines Fusionsreaktors zu sammeln, der wiederum das Raumschiff antreibt.

Übrigens findet auch dieser ,Vorfahre’ des Magnetsegels Erwähnung in der Science-Fiction-Literatur, wie z.B. in einigen Romanen von Larry Niven und Jerry Pournelle. In Poul Andersons Roman Tau Zero (dt.: Universum ohne Ende) von 1970 wird die Reise an Bord eines solchen Raumschiffes beschrieben, nachdem der Autor die Technologie erstmals 1967 in seiner Kurzgeschichte To Outlive Eternity erwähnt hatte. Zudem wird in der Serie Star Trek ein Bussardkollektor zur Rohstoffversorgung des Warpkerns und der Fusionsreaktoren von Raumschiffen verwendet – und in dem Kinofilm Star Trek IX: Der Aufstand sogar zum Sammeln anderer Gase umkonfiguriert.

Doch zurück zur Praxis: Eine verspiegelte Folie ist für das Magnetsegel ungeeignet, denn diese würde von den Ionen einfach durchschlagen werden. Zubrin, der u.a. auch eine nukleare Salzwasserrakete und später das Mars Direct Concept vorgeschlagen hatte, beschreibt sein Magsail als Kabelschleife aus supraleitendem Material, z.B. Niob-Titan oder Niob-Zinn Legierungen, die von einem Raumschiff abgewickelt wird. Im interplantaren Raum wären aber Hochtemperatur-Supraleiter erforderlich, da es hier wärmer ist als die 2,7 Kelvin, die im interstellaren Raum herrschen.

Der vom Raumschiff aus in die Kabelschleife induzierte Strom kreist verlustlos im Kabel und verursacht ein Magnetfeld, das wiederum Zugkräfte erzeugt, die auf die Schleife wirken und zu einer stabilen Kreisform führen. Der Teilchenstrom des Sonnenwindes trifft wiederum auf das kreisförmig ausgedehnte Magnetfeld und erzeugt einen Druck, der sich über die Kabel auf das Raumschiff überträgt.

Als Rechenbeispiel nennt Zubrin eine Magnetschleife mit einem Radius von 31,6 km, deren Kabeldurchmesser 2,5 mm beträgt und die mit einer Stromstärke von 50.000 Ampere aktiviert wird. Und während die Masse der Schleife nur 5 Tonnen beträgt, läßt sich damit eine Fläche von rund 2.800 km2 umfangen. Dabei kann der Strom von einer kleinen 10 kW Anlage innerhalb von zwei Stunden aufgebaut werden. Zwar ergibt sich bei der Sonnenwinddichte auf der Erdbahn nur eine Beschleunigung von 0,0172 m/s2, aber der Aufwand ist viel geringer, als wenn man die Beschleunigung mit einem gleichgroßen Sonnensegel erzeugen wollte.

Und auch im mittleren Sonnensystem ist das Magnetsegel dem Lichtsegel überlegen, da die Leistungsdichte (also das Verhältnis von Schub zu Nutzlast) beim Magnetsegel zwischen 50 und 100 mal so groß ist wie beim Sonnensegel. Und dies, obwohl der Lichtdruck pro Fläche mehr Kraft ausübt als der Sonnenwind. Der Grund liegt darin, daß das Equipment viel leichter ist als ein großes Lichtsegel. Außerdem ist es robuster und leichter zu handhaben als sein fragiles Gegenstück. Ein weiterer signifikanter Vorteil ist, daß sich die Nutzlast innerhalb des selbst erzeugten Magnetfeldes befindet, was den besten Schutz vor ionisierten Teilchen darstellt.

 

Weiter mit den Weltraum-Sonnensegeln...