allTEIL C

WINDENERGIE

Segelschiffe (I)


In diesem Kapitelteil sollen - ungeachtet des Titels - nicht nur neue Segelschiffe behandelt werden, sondern auch andere Arten von Booten und Schiffen, die mit Hilfe des Windes bewegt werden oder diesen anderweitig verwerten. Denn ein Segel ist keineswegs die einzige Methode, die Windenergie zu nutzen.

Die Geschichte der Segelboote möchte ich hier nicht rekapitulieren, da sie auf vielen anderen Seiten ausreichend und umfassend präsentiert wird. Allerdings haben auch Windmühlen-Boote (Autogiro Boats) eine lange Geschichte, die weit weniger bekannt ist und mindestens bis zu der City of Ragusa im Jahr 1870 zurückreicht (der alte Name für Dubrovnik). Gerüchteweise soll dieses Schiff mittels seiner Rotoren sogar den Atlantik überquert haben – was sich nach Lektüre der Logbücher jedoch als unzutreffend herausstellt, ebenso wie die Abbildung aus der Juni-Ausgabe des Magazins Illustrated London News, die wohl eher auf die Phantasie des Illustrators zurückgeht.

City of Ragusa

City of Ragusa

Das nur 6 m lange umgebaute Rettungsboot überquert mit zwei Männern und einem Hund an Bord zwischen Juli und September 1870 tatsächlich den Atlantik von Ost nach West, von Liverpool bis Boston, wobei die Idee dafür und für den Einsatz der Windkraftanlage, um auch gegen den Wind voranzukommen, auf den als exzentrisch bezeichneten Iren John Buckley zurückgeht. Als 2. Mann war der Kroate Pietro di Costa (o. Nicholas Primoraz aka Nikola Primorac) mit an Bord, wie der Hund hieß, ließ sich nicht herausfinden.

In Realita wird diese Fahrt unter normalen Segeln durchgeführt – während der Unterwasser-Propeller, der ursprünglich mit der Windmühle verbunden war, zumindest theoretisch aus der Kabine des Bootes aus von Hand gedreht werden konnte, jedoch nicht zum Einsatz kam. Die Windmühlen-Ausrüstung war in Liverpool eigentlich installiert worden, um das Boot als Werbegag für di Costas Tabakwarengeschäft zu nutzen, auf der Atlantiküberwuerung ist die Windkraftanlage jedenfalls nicht an Bord.

Auf die Gegenwind-Boote und -Fahrzeuge werde ich weiter unten noch ausführlich eingehen (s.d.).


Seit den 1970er Jahren bekommt eine der ältesten Nutzformen des Windes wieder ‚frischen Wind’: Neue Segelschiffe und sogar Segeltanker für bivalenten Betrieb durchfahren wieder energiesparend die Weltmeere, Enwickler stellen neue Designs und Hybridformen vor.

Im Sportbereich haben sich Wind- und Strandsurfer weltweit verbreitet, es gibt aber auch schon Landsegler (oder Windmobile), wie die des kalifornischen Unternehmers James L. Amick, der 1973 auf dem Tecumseh Products Co. airport in Michigan mit seinen Fahrversuchen beginnt. Auch über diese Technologien berichte ich weiter unten noch ausführlich, hier soll es erst einmal nur um Wasserfahrzeuge gehen.

In den 1970er Jahren wird an der Hamburgische Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) und vom Bundesministerium für Forschung und Technik gefördert ein modernes Rigg für den Einsatz auf Lastenseglern in Indonesien entwickelt.

Das maßgeblich von dem Hamburger Schiffsbauingenieur Peter Schenzle entwickelte und in einem bilateralen Forschungsvorhaben in Indonesien gebaute Indosail-Frachtschiff Maruta Jaja ist seit 1993 im Einsatz und beliefert vor allem Borneo mit Massengütern.

Das Schiff erzielt außerdem mehrere Regattaerfolge und bewährt sich im jahrelangen Einsatz, wobei die Entlastung des Dieselmotors zu einer Treibstoffersparnis von bis zu 70 % führt. Im Folgejahr 1994 wird das Versuchsboot mit einem Designpreis ausgezeichnet. Das hier abgebildete Foto stammt vom September 1996.


Inzwischen besegeln zwei weitere Schiffe mit diesem Indosailrigg die Weltmeere. Eines davon ist der umgebaute Fischdampfer von Greenpeace, der ab dem Juli 1989 unter dem Namen Rainbow Warrior II bekannt wird und durch die Besegelung 41 % Treibstoff einspart.

Dieses Schiff wir nach vielen Abenteuern im Jahre 2011 an die NGO Friendship in Bangaladesh übergeben, um als schwimmendes Krankenhaus zu dienen, während die Fassmer Werft im niedersächsischen Berne, Deutschland, seit 2009 bereits an dem Nachfolger Rainbow Warrior III baut, der im Oktober 2011 in Dienst gestellt wird – pünktlich zum 40. Geburtstag der Organisation.

Es ist das erste Aktionsschiff, das von vornherein als Segelschiff konzipiert wurde. Das 838 GT Boot hat eine Länge von 58 m und eine eine Breite von 11,5 m, besitzt zwei 54 m hohe Masten mit einer Segelfläche von 1.325 m2 und ist mit zwei Hilfsmaschinen sowie einem Elektromotor für Geschwindigkeiten bis 10 Knoten ausgestattet.

Und zur Erinnerung: Das erste Greenpeace-Schiff, die Rainbow Warrior I, wird im Juli 1985 bei einen Anschlag des französischen Geheimdienstes DGSE versenkt, während sie im neuseeländischen Auckland im Hafen liegt, wobei der Greenpeace-Fotograf Fernando Perreira getötet wird...


In den 1980er Jahren recht berühmt werden die Schiffe des Meeresforschers Jacques-Yves Cousteau, die – obwohl häufig so dargestellt – nicht durch Flettner-Rotoren, sondern durch sogenannte Turbosails (Turbovoile) angetrieben werden, bei denen eine Absaugtechnik zum Einsatz kommt.

Turbosail-Patent

Turbosail-Patent

Cousteau und seine Mitarbeiter, die Prof. Lucien Malavard und dessen Doktorand Bertrand Charrier von der Université Pierre et Marie Curie in Paris, verwenden für ihre Erfindung einen festen Hohlzylinder mit ovalem Querschnitt, der wie ein Schornstein aussieht und wie eine Tragfläche funktioniert. Er kommt ohne eigene Drehbewegung aus. Eine bewegliche Klappe verbessert die die Trennung zwischen Innen- und Außenbogen. Innerhalb der Röhre wird durch einen innen liegenden 12 PS Ventilator und siebartige Öffnungen ein Unterdruck auf einer der Seiten des Segels erzeugt. Damit soll die gleiche Leistung wie durch einen konventionellen 150 PS Motor erbracht werden.

Nach rund 600 Windkanaltests wird das Turbosail erstmals 1981 auf einem gebrauchten, 22 m langen Katamaran montiert, der den klangvollen Namen Moulin à Vent I bekommt. Im November desselben Jahres wird auch die erste US-Patentanmeldung eingereicht (US-Nr. 324624) – die später allerdings zugunsten einer, dann auch erteilten, Neuanmeldung 1984 aufgegeben wird (US-Nr. 4.630.997, von 1986).

Um das neuartige Segel-System zu testen, wird im Oktober 1982 eine Überfahrt von Tanger nach New York durchgeführt. Nach erfolgreicher Fahrt, und nicht mehr weit von der amerikanischen Küste, gerät der Katamaran allerdings in einen Sturm mit Windstärke 9, bei dem der 13,5 m hohe Turbosail-Prototyp herunterkommt und ins Meer stürzt. Cousteaus Gruppe richtet ihre Aufmerksamkeit daraufhin auf ein größeres Schiff, die Alcyone (Tochter des Windes) – während der Katamaran 1994 mit einem Aluminium-Mast und Standardsegel ausgerüstet wird.

Alcyone

Alcyone

Das neue Schiff, das mit zwei der inzwischen auch als Malavard-Cousteau- bzw. Cousteau-Pechiney-Turbosails bekannten Systeme ausgestattet ist, wird von der Firma Pourprix in Lyon konstruiert und beim Aluminium-Konzern Cegedur-Pechiney in Voreppe, Deptartment Isère, in Auftrag gegeben; gebaut wird es anschließend in der Werft Société Nouvelle des Ateliers et Chantiers de la Rochelle-Pallice. Der Betrieb der beiden jeweils 10,2 m hohen Turbosails mit einem Durchmesser von 1,35 m erfolgt mittels zweier Dieselmotoren, welche die notwendige Saugkraft zur Verfügung stellen. Dazu enthalten beide Segel auch noch axiale Turbinen für die Stromerzeugung. Die beiden Zylinder mit ihrer Gesamtberfläche von 42 m2 liefern etwa 25 – 30 % der Antriebsenergie zur Unterstützung des Schraubenantriebs.

Schon bald nach dem Stapellauf im April 1985 überquert Cousteau mit der 31 m langen und 76 t schweren Alcyone den Atlantik ohne jeden Zwischenfall, und setzt seine Erprobungsfahrt anschließend in den Pazifik fort. Die inzwischen erschwinglichen Computer optimieren die Funktionsweise der Turbosails und Motoren. Dadurch wird eine konstante Geschwindigkeit erreicht, indem die Motoren automatisch übernehmen, wenn der Wind abflaut, während sie vollständig stoppen, wenn ein Wind von ausreichender Stärke in der richtigen Richtung bläst. Das Schiff ist noch lange Zeit für die Cousteau Society unterwegs, und wird 1993 für einen Preis von knapp 2 Mio. $ verkauft.

Ab 1985 wird für Cousteau das 66 m lange und 800 t schwere Forschungsschiff Calypso II geplant, das ebenfalls mit zwei Turbosegeln mit einer projizierten Segelfläche von 150 m2 ausgerüstet werden sollte. Andere Pläne sahen nur ein einziges Turbosail vor. Durch den Tod von Cousteau wird das Vorhaben aber nicht verwirklicht.

Nachdem das Turbosail-System durch die französische Firma Cegedur-Pechiney serienreif gemacht wird, erhält im Jahr 1986/1987 auch ein 600 t Chemietanker ebenfalls dieses System - wobei ich bislang aber noch keine Details über diesen Einsatz gefunden haben.


Im Jahr 1981 rüstet die von Lloyd Bergeson gegründete US-Amerikanische Firma Windship Development Corp. aus Norwell, Massachusetts, den griechischen 3.000 t (andere Quellen: 3.100 t) Frachter Mini-Lace der Ceres Hellenic Shipping Enterprises aus Piräus mit einem 30,5 m hohen und vollständig drehbaren Stahlmast aus, der ein 279 m2 großes Segel trägt. Das Schiff operiert von New Orleans aus in der Karibik.

Es soll die Effizienz des Kraftstoffverbrauchs steigern und dem Schiff zusätzliche Geschwindigkeit und erhöhte Stabilität bieten. Tatsächlich zeigt sich nach einer Betriebsdauer von 15 Monaten, daß sich der Kraftstoffverbrauch um 24 % verringert hat, was mehr ist als die eigentlich erwarteten 20 % Einsparung. In besonders günstigen Situationen werden sogar bis zu 30 % erreicht. Ein weiterer Vorteil ist, daß das Schiff auch in rauhen Gewässern seine Fahrtgeschwindigkeit nicht reduzieren muß. Zwar soll das Unternehmen im Anschluß daran an einer weiterentwickelten Version mit einem Starrsegel arbeiten, doch dafür habe ich noch keine Belege finden können.

Daneben beschäftigt sich Bergeson auch intensiv und erfolgreich mit dem Flettner-Rotor als Schiffsantrieb (s.d.).

 

Gama

Gama

Eine von Bob Date und Peter Gardiner angführte Gruppe, die auch als ,The Bristol Mob’ bekannt ist, konstruiert mit der Gama einen Quersegler-Katamaran (Proa) mit geneigtem Flügel, der ursprünglich im Jahr 1983 von Adrian Thompson konzipiert worden ist, um Peter Gardiner das Erreichen eines Geschwindigkeitsrekords mit 24,58 Knoten zu ermöglichen.

Für diese Boots- bzw. Segeltechnologie macht sich besonders Robert Biegler aus Norwegen stark, der im Lauf der Zeit auch eine voll funktionsfähige Proa mit Gelenkflosse entwickelt.

Daneben wird zunehmend auch an Soft Wing Sails gearbeitet, die Dschunkensegeln (JunkRig) nachempfunden sind. Die Fangemeinde dieser Segelform wächst zusehendst, und die im Jahr 1980 gegründete Junk Rig Association gibt ein eigenes Fachblatt heraus und führt Ralleys durch.

Außerdem werden noch diverse andere Formen von Tragflächen-Segeln entworfen, deren Auflistung aber den Rahmen sprengen würde. Trotzdem geht es mit der Umsetzung von Neuentwicklungen nur sehr langsam vorwärts.


Eine Kombination von Windkraftanlage und Schiff bildet das Konzept von Günter Wagner aus List (auf Sylt), mit dem dieser 1982 an die Öffentlichkeit geht.

Durch das Kippen der Rotorachse um 45° sollen große Windkraftanlagen auch an Deck von Frachtern installiert werden können. Damit würden bei Offshore-Anlagen die sehr aufwendigen Tragkonstuktionen und Masten entfallen, die andernfalls unter Wasser verankert werden müssen.

Nach ersten Versuchen muß die Flügellänge allerdings von 25 m auf 15 m reduziert werden, und auch sonst gibt es so viele Anfangsschwierigkeiten, daß dieses Projekt bald darauf endgültig eingestellt wird.

Das Patent meldet Wagner unter dem Namen der Schweizer Firma Oeko-Energie AG in Zürich erst im März 1985 an (EP-Nr. 193624, erteilt im September 1986).


Ende 1982 soll von der Kieler Lindenau-Werft der 6.500 t schwere Chemietanker Indio ausgeliefert werden, mitsamt zwei jeweils 200 m2 großen und computergesteuerten Segeln. Man erhofft sich davon eine Treibstoffersparnis von 20 %. Leider wird das Projekt nicht realisiert.

Starrsegel-Boote Zefyr und Planesail

Zefyr und Planesail

Der in London zugelassene Frachter Ashington wird zwischen 1986 und 1988 mit einem Wingsail ausgerüstet, der den Antrieb entlasten soll. Man rechnet mit einer Einsparung von 10 %. Die Erfahrungswerte zeigen, daß das Segel etwa 8 % des Schubs der Schiffsmaschinen leisten kann. Bei dem Wingsail handelt es sich um ein 8 t schweres Starrsegel der 1982 gegeründeten Firma Walker Wingsail Systems plc (später: Wingtek plc), deren weitere Arbeit jedoch stark durch den Preisverfall des Erdöls behindert wird.

Das Unternehmen beschließt daraufhin, sich auf Luxusyachten zu konzentrieren und baut bis 2001 mehrere Trimarane mit Starrsegeln, darunter vier Stück des 13 m langen Modells Zefyr.

Auf dem Foto ist neben einer Zefyr auch die 16 m lange Planesail zu sehen. In Folge langer Gerichtstreitigkeiten muß das Unternehmen jedoch Konkurs anmelden.

2001 wird eine Studie in Auftrag gegeben um das Zukunftspotential des Wingsail abzuschätzen. Alison Cooke arbeitet diese gemeinsam mit ehemaligen Wingsail-Mitarbeitern, Segel-Designern, Studenten und Akademikern der Cambridge University aus. Über weitere Aktivitäten oder Umsetzungen ist jedoch nichts bekannt.

Auch die Starrsegel-Technologie (ebenfalls als Tragflächen-Segel oder Speedsail bekannt) von Wingsail hat ihre Vorläufer, wie beispielsweise Bernard Smith, der schon in den 1950ern damit beginnt, ein ‚ultimatives’ Segel zu entwickeln.

Im Laufe der Jahre baut er diverse Modelle und Boote – wie das hier wiedergegebene Boot Monomaran – und schlägt mit seinem ‚Sailloon Concept’ eine überraschende Weiterentwicklung vor, bei der das Segel aus einer großen, ballonartigen Tragfläche besteht, die das Boot  nicht nur antreibt sondern auch leichter macht.

Auf seiner von 2000 bis 2003 gepflegten Homepage zeigte Paul Dunlop die Entwicklungen von Smith – nebst einer Vielzahl weiterer Kollegen mit ihren jeweiligen Segelbooten. Leider ist diese Seite inzwischen nicht mehr erreichbar.

In einem im Mai 1996 veröffentlichen Artikel des US-Magazins Pacific Maritime wird darüber berichtet, daß in den Jahren 1984 bis 1993 auch zwi japanische Frachter, die Aqua City und die Usuki Pioneer, mit Starrsegeln ausgerüstet worden sind.

Shin Aitoku Maru

Shin Aitoku Maru

In dieser Zeit sollen zwar 30 – 40 % der Treibstoffkosten eingespart worden sein, doch hohe Wartungskosten und die später fallenden Ölpreise führen dennoch zum Abbruch des Projekts.

Ab 1980 fährt der japanische Frachter Shin Aitoku Maru mit zwei großen computerkontrollierten Starrsegeln über die Weltmeere. Bereits nach vier Betriebsjahren erreicht das Schiff eine Kraftstoffeinsparung von 50 % im Vergleich zu konventionellen Frachtern gleicher Größe und Bauart. Außerdem zeigt sich, daß die Segel zu einem deutlich verringerten Rollen, Kippen und Gieren führen, was als weiterer Faktor für ihren Erfolg gewertet wird.

Die für die Entwicklung verantwortliche Japan Marine Machinery Development Association (JAMDA) stattet im Laufe der nächsten drei Jahre sechs weitere Schiffe mit verschiedenen Segeln aus, die ihren Dienst in heimischen Gewässern leisten.

Im Juni 1984 wird der 26,000 MT Frachter Usuki Pioneer auf Kiel gelegt, der bereits im November seinen Stapellauf feiern kann. Das 162,5 m lange und 25,2 m breite Schiff, das auf der Saiki Werft der Firma Usuid Iron Works gebaut wurde und 15.700 t Fracht aufnehmen kann, ist mit zwei Soft-Segeln ausgestattet. Bei einer Höhe von 16 m und einer Breite von 20 m ergibt sich eine Segelfläche von 320 m2 pro Segel.

Jedes Segel ist außerdem in einen oberen und einen unteren Abschnitt  unterteilt, die separat aufgerollt und entfaltet werden können. Dies ermöglicht dem Schiff, Windgeschwindigkeiten bis zu 25 m/s effektiv nutzen zu können. Da das Schiff auf der Nordpazifik-Route verkehren wird, wo die klimatischen Bedingungen oft sehr kalt sind, wurde ein spezielles, kälteresistentes Segeltuch ausgewählt – außerdem sind die Segel mit einem Enteisungssystem ausgestattet.

Starrsegel-Boot Tahiticat

Tahiticat

Neben dem Segelsystem verfügt das Schiff über eine beträchtliche Anzahl weiterer Energiesparmaßnahmen, sodaß eine Kraftstoffersparnis von 15 – 40 % erwartet wird.

Ansonsten wird erst wieder im Jahr 1990 ein Schiff damit neu ausgerüstet, nämlich der koreanischen Frachter Swift Wings, der zwei Starrsegel erhält.

Auf den Yachtsektor gibt es bereits mehrere Hersteller, die Boote mit Starrsegeln anbieten, wie die Firma Chantier Naval Gilles Triboulat (Tahiticat, 18 Knoten Höchstgeschwindigkeit) bzw. die Omer wing sail Ltd. in Israel (wing sail Mark II) - oder die noch am entwickeln sind, wie die Wing Sails Co. in Vancouver, Kanada, das Aeroskimmer Wingsail Team in Holland oder die amerikanische Gruppe Windrocket mit ihrem 5 m langen US wingsailer.

Ein phantastisches und überaus detailliertes Buch mit futuristischen wie auch realistischen Konzepten zukünftiger Segelschiffe bildet das Werk ‚Windschiffe’ von Helmut Risch und Jochen Bertholdt, das 1990 im VEB Verlag Technik Berlin erscheint.

Windrotor-Schiff Grafik

Windrotor-Schiff (Grafik)

Hieraus sind auch die beiden hier abgebildeten Zeichnungen entnommen – als Beispiele für die schier unglaubliche Bandbreite an technisch denkbaren Umsetzungsformen, die von den Autoren in ihrem üppig bebildertem Werk vorgestellt werden.


Schon 1975 beginnt Alain Thébault von einem ,fliegenden Segel-Trimaran’ zu träumen, doch es dauert bis 1994, bis er gemeinsam mit seinem Team am 1. Oktober zur Jungfernfahrt aufbrechen kann.

2005 überquert die mit Unterwasser-Tragflächen ausgestattete und 18,24 m lange und 5,5 t (andere Quellen: 7 t) schwere L’Hydroptère den Ärmelkanal – schneller als dies Blériot 1909 in seinem Flugzeug geschafft hat. Das mit 400 m2 Segelfläche bestückte Schiff, das seinen Namen von den griechischen Wörtern hydros (Wasser) und ptère (Flügel) hat, bricht Anfang 2007 zwei Geschwindigkeitsweltrekorde mit Spitzenwerten von 41,69 bzw. 44,81 Knoten.

Nun arbeitet Thébault am Durchbruch der bislang unerreichten Grenze von 50 Knoten, was in der Welt des Segelns als genauso wichtig betrachtet wird wie der Durchbruch der Schallmauer bei Flugzeugen.

L’Hydroptère

L’Hydroptère

Im Dezember 2008 kentert das Schiff bei einem vielversprechenden Rekordversuch mit 55 Knoten, doch im Jahr 2009 kann die Hydroptère erstmals wieder Rekorde über beide Kurzstrecken erzielen: 51,36 Knoten (95,22 km/h) über 500 Meter und 50,17 Knoten (92,91 km/h) über die Seemeile.

Dabei soll bei einer Windgeschwindigkeit von nur 30 Knoten kurzzeitig auch die 100 km/h Grenze überschritten worden sein.

Nach zwei Europa-Tourneen wird das Tragflügelboot 2010 nach Los Angeles transportiert, wo es im März 2011 an dem Transpacific record teilnehmen und dabei von LA nach Honolulu, Hawaii, segeln will.

Anderen Quellen zufolge hat der Franzose Alexandre Caizergues bereits 2008 auf seinem von einem Drachen gezogenen Kiteboard eine Geschwindigkeit von 50,57 Knoten erreicht. Über die Technologie der von Drachen gezogenen Boote werde ich weiter unten noch zu sprechen kommen (s.d.).


Auf der Ausstellung ‚boot 95’ in Düsseldorf stellt der Erfinder Wilhelm Brinkmann 1995 ein 10,5 m langes Schiff mit einem selbststellenden, reffbaren Halbflügelsegel vor, welches innerhalb von zwei Minuten elektrohydraulisch oder manuell eingefahren werden kann. Das trapezförmig geteilte Segel von 24 m2, das den dreiteiligen Teleskop-Mast aus elastischer Kohlenstoff-Faser umhüllt, ist durch aerodynamische Optimierung so effektiv wie ein konventionelles Segel von 36 oder mehr Quadratmetern.

Das 6-Personen-Boot soll unter dem Namen Wing Traveler in der Delta Werft in Köpenick (Berlin) hergestellt werden und zu einem Preis ab 300.000 DM zu haben sein. Bei durchschnittlichen Windstärken wird eine Geschwindigkeit von 7 bis 8 Knoten (= ca. 13 km/h) versprochen.


Im Dezember 1997 berichtet die Presse, daß ein Team der Fachhochschule Furtwangen um die Professoren Rolf Katzsch und Reiner Schmid ein 11,3 m langes Segelschiff namens RelationShip baut, das Anfang des Folgejahres ohne Crew an Bord selbst- und ferngesteuert in mehreren Etappen rund um den Globus schippern soll.

Das aus Zedernholz, Epoxidharz und Kohlefaser gebaute Boot, eine modifizierte Echo Class des US-Designers Dick Newick, der auch Hauptsponsor des Projekts ist, besitzt einen 13 m hohen, drehbaren Kohlefasermast und 53 m2 Segelfläche.

Während der Fahrt sollen zwei bewegliche, hochauflösende Farbkameras die Sicht des Geisterschiffs auf Stürme und Sonnenuntergänge via Satellit ins Internet funken, versorgt von 20 m2 Hochleistungssolarzellen.

Tatsächlich schafft es der 3 Mio. DM teure Trimaran im August 1998 aber nur bis zu den Azoren, da das Projekt mit dem internationalen Seerechts zu kämpfen hat und deshalb von einem bemannten Schiff begleitet werden muß. Das Seerecht verbucht ein derartiges unbemanntes Schiff trotz Selbst- und Fernsteuerung derzeit in der Kategorie ,Treibgut’. Würde es entwendet, käme dies nur einer anstößigen, nicht aber rechtswidrigen Inbesitznahme gleich.

Im April 1999 soll die erste unbemannte Etappe von Bayona nach La Palma auf den Kanarischen Inseln, begleitet von einer Yacht im Abstand von ca. 2 Seemeilen, gesegelt werden, um den Beweis anzutreten, daß das Konzept technisch realisierbar ist. Zur unbemannten Nordatlantikumsegelung soll dann im Juni gestartet werden, zur Beobachtung vom Hochseekatamaran Moby Dick begleitet.

Tatsächlich geht es dann aber erst im Juni 2000 los, mit Kurs auf die Azoren, doch immer wieder  gibt es Energieprobleme auf dem Trimaran. Im Juli bricht die RelationShip mit Kurs auf Lajes/Flores auf, um nur Stunden später zurückzukehren, da die Bordspannung kontinuierlich abfällt. Der Rest ist ein Abgesang: Im Mai 2002 liegt das Schiff immer noch auf der Azoreninsel Terceira, und im Juli 2003 wird es ausgeschlachtet.

 

In den Jahren 2000 und 2001 wird Richard Dryden von der britischen Organisation National Endowment for Science, Technology, and the Arts (NESTA)dabei gefördert, sein ‚Transition Rig’ fortzuentwickeln, das der seit 1983 passionierte Windsurfer Insekten- oder Fledermausflügeln nachempfunden hat.

Neben kleineren Segeln entwickelt Dryden bereits Ende der 1980er Jahre ein ausfaltbares Rigg, das in Containern an Deck verstaut werden kann und so den Löschbetrieb von Frachtschiffen nicht stört. Auch diese Segel sehen aus wie Fledermausflügel und lassen sich auch genauso spreizen bzw. aus ihren Hülsen ausklappen.

bat wing sails auf Schiffsmodell

bat wing sails (Modell)

Dryden schlägt seine ‚bat wing sails’ für große Frachtschiffe und Tanker vor, wo mehrere der kartuschenförmigen Segelhülsen auf Deck installiert werden sollen.

Elementar ist die Tatsche, daß die segmentierten Flügel-Segel ihre Form verändern können. Sie bilden damit eine weitere und sehr interessante Umsetzung aus dem Feld die Bionik.

2002 und 2005 beteiligt sich Dryden mit seinem Segelflügel-Konzept an Wettbewerben - einmal als Transition Dinghy gestaltet (hierfür erhält er eine Auszeichnung der London Boat Show 2003), und zum anderen als sogenanntes Flèche (ein Dreiecksegel, für das er den 1. Preis für Designs und Konzepte der London Boat Show 2006 gewinnt).


Von Karsten Bittner und Michael Block stammt 2002 das Schiffskonzept Indiga, zunächst nur als Bauskizzen und als virtuelles Modell.

Mit dem Segel-Großraumschiff sollen weltweite Expeditionskreuzfahrten angeboten werden.

Sail Log Modell

Sail Log (Modell)

Eine Entwicklung mit ausgefeiltem, historisch nachempfundenem Rigg stammt von Kapitän Hans-Bernd Schwab.

Sein Unternehmen Sail Log AG plant 2003 als Ergebnis der mehr als 10-jährigen Forschung den Bau des größten Segelschiffs der Welt und dessen Einsatz als Bulk-Carrier für den Massenguttransport.

Ein Modell des Prototyps existiert bereits, doch um für das Projekt die Segel zu setzen wird ein Startkapital von ca. 30 Mio. € benötigt.


Ein Projekt, das nach über 50 Jahren endlich auf zunehmende Resonanz stößt, ist das Dynaschiff, ein riesiger Frachtsegler des deutschen Ingenieurs Wilhelm Prölss.

Das von ihm erfundene Dynarigg ist ein Segel ohne Takelage mit drehbaren Masten, das erstmals eine durchgehende Segelfläche an den Masten aufweist und sowohl für große Frachtschiffe wie auch für Yachten geeignet ist.

Prölss mit Dynarigg-Modell

Prölss mit Dynarigg-Modell

Prölss entwickelt das Dynarigg Ende der 1960er Jahre an der Hamburgischen Schiffbau-Versuchsanstalt, als er gemeinsam mit dem Institut für Schiffahrt der Universität Hamburg an einer neuartigen Besegelung für Frachtschiffe arbeitet. Einfach zu bedienende Vierecksegel mit bis zu 9.000 m2 Fläche an fünf Masten sollen die Renaissance der Windkraft für die Berufsschiffahrt einleiten.

Der 1974 verstorbene Hamburger Erfinder träumte davon, daß mit dem dynamischen Rigg Frachter ausgerüstet werden, die mit bis zu 20 Knoten auf fast allen Kursen nur mit Windkraft vorankommen.

Die Idee Prölss fließt 2006 in den Bau eines Dreimasters mit einem Dynarigg ein, also mit automatisiert betriebenen Rahsegeln. Da der größte Teil des Wissens mit den Jahren jedoch verloren gegangen ist, muß der niederländische Schiffskonstrukteur Gerry Dijkstra bei der Konzeption der Maltese Falcon quasi von vorn anfangen.

Die Yacht des amerikanischen Internetmilliardärs Tom Perkins sieht aus wie die strenge Version eines Windjammers und wird für rund 88 Mio. € bei Perini Navi in der Türkei gebaut.

Das 88 m lange und knapp 13 m breite Schiff verfügt über drei 58 m hohe Masten mit je sechs Rahen, an denen die Segel mit einer Gesamtfläche von 2.400 m2 aufgespannt werden. Die gerefften Segel verbergen sich aufgerollt im Mast und werden beim Setzen motorgetrieben nach außen gezogen. Oben und unten werden sie wie in Vorhangschienen geführt. Das System soll doppelt so effizient sein wie ein konventionelles Rahsegel und von nur einer Person bedient werden können.

Die Kunststoffsegel können so schräg zum Wind stehen wie an herkömmlichen Yachten, und das Schiff kann im Winkel von 40° gegen den Wind segeln. Windjammer schaffen nur 60° und müssen daher weite Umwege fahren. Auf der Jungfernfahrt, einer Atlantiküberquerung, erreicht die 1.180 t schwere Maltese Falcon eine Geschwindigkeit von 24 Knoten (44,5 km/h), vergleichbar mit Rennbooten. Mitte 2009 verkauft Perkins das luxuriöse Segelschiff für 101 Mio. €.


Weitere neue (große) Segelschiffe und -yachten aus dieser Zeit sind die Schwesterschiffe Wind Star und Wind Spirit’ (Viermaster, Baujahr 1988), die 188 m lange Wind Surf (größtes Segelschiff der Welt, Baujahr 1990), der Royal Clipper (Fünfmast-Vollschiff, Baujahr 1990 - 2000), die Schwesterschiffe ,Star Clipper und ,Star Flyer (Baujahr 1991), die Athena (Baujahr 2004) und die Mirabella V (größte einmastige Segelyacht der Welt, Baujahr 2004).


Ein etwas besonderer Kahn ist das Wind-Wasserstoff-Produktionsschiff Hydrogen Challenger, das vom dem Bremerhavener Unternehmen Hydrogen Challenger GmbH entwickelt und im Jahre 2004 fertigstellt wird. Die wissenschaftliche Betreuung des Gesamtkonzeptes übernimmt die Hochschule Bremerhaven.

Hydrogen Challenger

Hydrogen Challenger

Auf dem 66 m langen ehemaligen Küstentanker (Bernd) sind vertikale Windräder in verschiedenen Höhen und Leistungsstärken installiert, mit deren Strom durch Elektrolyse Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff umgewandelt wird. Die Idee ist, in Starkwindgebiete bei Bremerhaven oder Helgoland zu fahren, wo das Potential der Windenergie voll ausgenutzt werden kann um Strom bzw. Wasserstoff zu produzieren und anschließend mit vollen Gastanks zum Kunden zu fahren, an den die Gase verkauft werden. Die Speicherkapazität des Schiffes beträgt 1.194 m3.

Das Unternehmen setzt nach eigenen Aussagen auf die mobile Wind-Wasserstoff-Produktion, weil stationäre Offshore-Windanlagen in ihrer Energieausbeute begrenzt sind und nur die am jeweiligen Standort verfügbare Energie genutzt werden kann.

Nachdem im laufenden Pilotprojekt die wirtschaftliche Tragfähigkeit nachgewiesen ist, sollen weitere Schiffe dieser Art gebaut und in Dienst gestellt werden. So lauteten jedenfalls die Planungen des Unternehmens – die augenscheinlich nie umgesetzt wurden, worauf es im Jahr 2008 von Amts wegen gelöscht wird. Dem letzten Informationsstand nach ist der Hydrogen Challenger seit Juli 2009 in der Deutschen Bucht stationiert (in der Rethe).

Durch persönliche Korrespondenz erfahre ich dankenswerterweise kurz nach dem Update dieses Kapitelteils, das sich das Projekt im Nachhinein als mutmaßlicher Subventionsbetrug entpuppte. Das verwendete Schiff hat nie Fahrten in seiner geplanten Funktion gemacht, und der Umwandler, der den Wasserstoff erzeugen sollte, wurde vom Hersteller im guten Glauben geliefert, später aber wieder zurückgeholt, da die Rechnung nicht bezahlt wurde.

Ebenso lief die viel zu kleine Windturbine im Grunde leer, da der Strom gar nicht verwendet wurde. Hinter dem Projekt steckte eine dubiose Firma, deren Spur später im Sande verlief. Vermutlich aus dem Grund, daß sich die Wirtschaftsförderung Bremerhaven hatte aufs Glatteis führen lassen, wurde die Sache vertuscht, und heute redet niemand mehr darüber. Der verwendete kleine Tanker versank fast im Hafen und kam später auf den Schrott.


‚The Clean Queen Of The Sea’ wird Orcelle heißen und das erste moderne Transportschiff sein, das vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Die drei großen Segel sind gleichzeitig mit Solarzellen belegt, und es gibt eine Anlage um die Wellenenergie zu nutzen. Außerdem wird Wasserstoff hergestellt, gespeichert und in Brennstoffzellen zur Stromerzeugung genutzt. Am 13. März 2005 berichtet die britische Presse ausführlich über das etwa 250 m lange Schiff, das 15 Knoten erreicht und beim skandinavischen Unternehmen Wallenius Wilhelmson in ihrem englischen Büro in Southampton entwickelt wird.

Die Orcelle Grafik

Orcelle (Grafik)

Eingesetzt werden soll das Öko-Schiff zum Transport von jeweils 10.000 Autos aus britischer Herstellung, denn Auftraggeber des Projekts ist die International Shipping Company, die jährlich etwa 160.000 Wagen, darunter Jaguars, Land Rovers und BMWs, nach Australien, Neuseeland und in andere Länder verschifft. Was wahrlich kafkaesk ist wenn man bedenkt, wie viele Abgase diese Autos dann später produzieren werden...

Möglicherweise wird die erste Orcelle schon 2010 vom Stapel laufen, doch die ‚Endversion’ wird wohl erst ab 2025 die Weltmeere befahren, vermuten die Planer. Auch der Preis wird wahrscheinlich höher liegen als bei einem vergleichbaren, konventionellen Frachter, der zur Zeit mit rund 46 Mio. £ zu Buche schlägt.

 

Weiter mit den Segelschiffen...