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Abgesehen von der langen Geschichte der Windenergie in Dänemark, beginnt
auch ihre Nutzung zu Elektrizitätszwecken schon um das Jahr 1890 herum,
und bereits 1908 gibt es diverse Anlagen mit Leistungen
von 5 - 25 kW.
Der Meteorologe und Rektor der Volkshochschule von Askov, Paul la Cour (1846 - 1908), verfügt über einen eigenen kleinen Windkanal für seine Experimente. Als Windkraftpionier entdeckt er die ersten aerodynamischen Gesetze, z.B. daß schnellaufende Anlagen mit wenigen Rotorblättern für die Stromerzeugung effizienter sind.
1891 erhält er die Genehmigung zum Bau der ersten Windkraftanlage auf dem Schulgelände von Askov. Unter seiner Leitung entsteht zur Jahrhundertwende eine Versuchswindmühle, in welche die dänische Regierung hohe Geldsummen investiert.
La Cour beschäftigt sich aber auch mit der Speicherung von Energie und benutzt den Strom seiner Windkraftanlagen, um mittels Elektrolyse Wasserstoff für das Gaslicht seiner Volkshochschule zu erzeugen, was dazu führt, daß er die Fenster der Schulgebäude mehrere Male auswechseln muß, da der Wasserstoff geringe Mengen von Sauerstoff enthält und wiederholt verpufft - sprich explodiert.
1903 gründet La Cour als Plattform für die Unterstützung der ländlichen Elektrifizierung die Gesellschaft der Wind-Elektriker (Dansk Vindelektricitetsselskab, DVES), welche schon ein Jahr später 356 Mitglieder verzeichnen kann. Auch die weltweit erste Zeitschrift für Elektrizität aus Windkraft wird von La Cour herausgegeben.
Ebenfalls um 1900 konstruiert der Däne Christian Störensen einen kegelförmigen Windmotor mit Windflügeln aus dünnem Weißblech, die einen um 50% höheren Wirkungsgrad besitzen, als die bis dahin bekannten flachen Flügel. Dieser Rotor wurde übrigens vor einigen Jahren von der Firma ASEA mit Erfolg nachgebaut.
1918 sind in Dänemark ca. 120 WKA mit Leistungen zwischen 10 kW und 35 kW im Einsatz, die zusammen rund 3 MW erwirtschaften, etwa 2 % des damaligen dänischen Stromverbrauchs. Zumeist handelt es sich um umgebaute Windmühlen.
Der Ingenieur Johannes Juul ist einer der ersten Schüler von Poul la Cour und nimmt ab 1904 an dessen Kursen für Windkraft-Elektroingenieure teil. 1957 wird Juul dann ebenfalls zum Pionier, als er für die Elektrizitätsgesellschaft SEAS in Vester Egesborg an der Küste von Gedser die weltweit erste 200 kW Windkraftanlage zur Wechselstromerzeugung errichtet, mit deren Konstruktion er 1955 begonnen hat.
Gedser ist ein Gebiet mit sehr starkem Wind, und befindet sich an der Südspitze der Insel Falster in Dänemark. Der Betonturm der Anlage wird auch nach 50 Jahren noch immer genutzt, inzwischen trägt er jedoch die Gondel einer modernen dänischen Windkraftanlage.
Juuls dreiblättriger Luvläufer mit elektromechanischer Windnachführung und Asynchrongenerator ist richtungsweisend für die späteren Anlagen. Der Rotor ist außerdem stallgeregelt (Regelung durch Strömungsabriß) und Juul erfindet auch eine aerodynamische Blattspitzenbremse, welche bei zu hoher Drehzahl durch die Fliehkraft automatisch betätigt wird. Seine Windkraftanlage, für lange Zeit die größte der Welt, ist extrem zuverlässig. Sie läuft 11 Jahre lang ohne Wartung.
Im Jahr 1975 wird die Anlage auf Wunsch der NASA generalüberholt, da sie für Messungen im Rahmen des amerikanischen Windenergie-Programms benötigt wird. Nachdem die Maschine einige Jahre für Messungen gelaufen ist, wird sie demontiert. Gondel und Rotor können im Elektrizitätsmuseum im dänischen Bjerringbro besichtigt werden.
Während des 2. Weltkriegs errichtet die dänische Firma F. L. Smidth (heute eine Maschinenbaufirma für die Zementindustrie) eine Anzahl von zwei- und dreiblättrigen Windkraftanlagen, die Gleichstrom erzeugen.
Die 1942 auf der Insel Bogø gebaute dreiblättrige Anlage ist Teil eines kombinierten Wind-Diesel-Systems, welches die Energieversorgung der Insel gewährleistet. Im Jahr 1951 wird der Gleichstromgenerator durch einen Asynchrongenerator (Wechselstrom) mit 35 kW ersetzt. Damit wird die Bogø-Anlage zur zweiten Windkraftanlage überhaupt, die Wechselstrom erzeugt.
1972 wird auf einem Treffen von Erfindern, Technikern und Fabrikanten konstatiert, daß für eine vernünftige Weiterentwicklung das Kapital fehle. Daraufhin wird gesammelt – und es kommen rund 10 Milliarden Dänische Kronen zusammen! Wobei ich bislang nicht herausfinden konnte, was dann mit diesen Mitteln geschah, oder wie sie aufgeteilt wurden.
Doch nicht nur die Industrie ist aktiv. So verhindert in den 1970ern eine agile Anti-Akw-Bewegung den Bau von Atomkraftwerken, und stößt statt dessen die Errichtung erster Windkraftanlagen an.
Bereits 1973 wird damit begonnen, Windkraftanlagen nach einfachen, aber praktischen und wartungsfreundlichen Gesichtspunkten zu bauen - und bald darauf auch zu exportieren. In dieser Zeit gibt es in Dänemark Hunderte von engagierten Windenergie-Fans, deren selbstgebaute Anlagen die Rolle von Prototypen der ab etwa 1979 beginnenden Windindustrie spielen.
Da eine komplette Darstellung zu umfangreich ausfallen würde, beschränke ich mich hier auf Kurzdarstellungen der jeweiligen Protagonisten, was weitergehende, eigene Recherchen ermöglicht.
1973: Karl Erik Jørgensen baut in Herborg seine erste 2 kW Mehrblatt-Windkraftanlage. Ab 1977 ist er mit seiner Firma Herborg Vindkraft aktiv. Als Jørgensen im Frühjahr 1978 den jungen Studenten Henrik Stiesdal trifft, überzeugt ihn dieser von den Vorteilen der 3-Blatt-Technik, und beide bewerben sich erfolgreich um eine Förderung des Dänischen Technologischen Instituts in Höhe von 50.000 dänischen Kronen, um eine 22 kW Prototyp-Turbine mit neuartigem Design zu entwickeln (HVK 22), der bald darauf an das Stromnetz angeschlossen wird – allerdings schon eine Woche später auseinander fliegt.
1979 liefert Jørgensen zwei neu entworfene 30 kW Turbinen an Kunden in Westjütland – und nur wenige Monate später unterzeichnen Jørgensen und Stiesdal einen Lizenzvertrag mit der Firma Vestas, die zum damaligen Zeitpunkt Landmaschinen produziert und ohne viel Erfolg mit einer Darrieus-Windkraftanlage herumexperiment.
Außerdem wird eine 37 kW Anlage entwickelt (HVK 37), die an der Werkstatt und dem Wohnhaus von Jørgensen in Herborg errichtet wird. Im Frühjahr 1980 folgt die Entwicklung einer 55 kW Turbine mit neuen 7,5 m langen Rotorblättern der Firma Økær, die später als Aerostarr-Blätter sehr beliebt werden. Der erste Prototyp wird bei der Vestas-Fabrik in Lem errichtet.
1974: Ricard Matzen und Sonne Kofoed arbeiten in der Kommune Taastrup am Institut für Agrartechnik, wo auch eine Wasserwirbel-Bremse entwickelt wird, die später z.B. bei der LOFA Varmemølle von Knud Berthou, sowie bei der von 1993 bis 2007 produzierten Calorius-Turbine von Hans Henrik Ekner zum Einsatz kommt.
1974: Esra L. Sørensen errichtet in der Nähe der Stadt Hedensted, Jütland, einen wärmeerzeugenden Luvläufer mit 13,4 m Rotordurchmesser aus gebrauchten Materialien vom Schrottplatz, die die ganzjährige Beheizung seines Hauses sichert.
1975: Jørgen Andersen baut in Serritslev, Nordjütland, ebenfalls einen Rotor mit Wasserwirbel-Bremse zur Wärmeerzeugung.
1975: Der Zimmermann Christian Riisager errichtet in Skærbæk nahe Herning eine 7 kW Turbine mit (anfangs illegalem) Netzanschluß, 1976 folgt die erste 22 kW Turbine, und im Laufe der Folgejahre werden von seiner Firma, in der auch seine Frau Boe mitarbeitet, insgesamt 75 WKA mit Leistungen zwischen 10 kW und 45 kW hergestellt. Im Jahr 1979 verkauft Riisager seine Rechte an die neue gegründete Firma Wind-Matic (s.u.), trennt sich 1983 aber im Streit von der Firma, und arbeitet anschließend für kurze Zeit an einem 45 kW Turbinenprojekt in Oxholm, im Norden von Jütland. Danach zieht er auf die Färöer-Inseln, wo er in Zusammenarbeit mit der Autonomieregierung der Färöer neue und größere Windkraftanlagen entwickelt, die allerdings nie in Serie gehen.
1975: Jens Erik Skourup errichtet in Vorbasse einen Rotor mit 10 m Durchmesser, die der Gedser Turbine von Johannes Juul aus dem Jahr 1957 nachempfunden ist (s.o.).
1976: Rud Ingemann Pedersen baut sich in Øsløs eine 11 kW Turbine mit 7,7 m Rotordurchmesser.
1977: Die Arne Friis Gruppe in Jütland, zu der neben Friis noch der Lehrer Torben Andersen sowie die Fachhandwerker Leif Nielsen, Svend Adolfsen und Henry Jørgensen gehören, will fünf Windkraftanlagen für den Eigengebrauch bauen. Bei einem Besuch in Tvind (s.u.) wird vereinbart, daß sie sich dafür die Form für die 4,5 m Rotorblätter ausleihen können. Nachdem die Firma T.V. Glasfiber aus Fovslet bei Kolding den ersten Satz von 3 Blättern an Leif Nielsen ausliefert, geht dessen Turbine im November 1977 in Betrieb. Doch als im Juni 1978 der Bruch eines der Blätter im Wurzelbereich ernsthafte Produktionsfehler aufdeckt, verkauft Nielsen seine Turbine an einen pensionierten Landwirt in der Nachbarschaft und beendet seine Arbeit mit Windkraftanlagen.
1977: Auch Erik Grove-Nielsen leiht sich die Tvinder Blattform aus, die er später für seine in Viborg neu gegründete Firma Økær Vind Energi kauft. Grove-Nielsen, der zu den Aktivisten der ersten Stunde gehört und später durch die Herstellung moderner Rotorblätter bekannt wird und auch ein Materialprüfungs-Institut für Rotorblätter leitet, bietet auf seiner sehr empfehlenswerten Homepage neben anderen Highlights auch eine vollständige und sehr persönliche Darstellung der Entwicklung in Dänemark. Viele der hier veröffentlichten Informationen und Fotos entstammen seinem Fundus.
1977: Torben Andersen, ebenfalls Mitglied der o.g. Arne Friis Gruppe, erhält den ersten Satz der neuen Rotorblätter, die von Økær Vind Energi ausgeliefert werden, hat aber einige Probleme damit, seine Turbine zum Laufen zu kriegen – die schließlich bei einem Sturm auch noch schwer beschädigt wird.
1977: Svend Adolphsen aus Knudstrup wiederum bekommt seinen Blättersatz im November, und kann seine 11 kW Turbine (SA-11) schon bald auf einem 6 m hohen Turm in Betrieb nehmen, den er später auf 12 m, und dann sogar auf 18 m verlängert. Als Getriebe verwendet er einen Teil der Hinterachsen-Übertragung eines Lastwagens, einschließlich dessen Bremssystems. Die Konstruktion kopiert im Grunde die 22 kW PTG-Turbine in Tvind (s.u.). Später folgt eine 18 kW Anlage (SA-18). Adolphsen beginnt die Serienfertigung seiner Turbine, verkauft seine Rechte im Jahr 1979 allerdings an Alfred Christensen und dessen Kuriant Maskinfabrik in Ulfborg, die ursprünglich Strohballen-Anhänger produziert, und wo nun Windturbinen mit 11 kW (KE 11K), 15 kW (KE 15/4) und 18 kW (KE 18/4EH) gebaut werden, die ebenfalls GFK-Blätter von Økær Vind Energi besitzen. Deren 4,5 m lange Blätter haben jedoch zwei entscheidende Nachteile, sie besitzen keine Luftbremsen und laufen schnell und laut. Die Benutzer können damit nicht leben, und schon bald gibt es keine Kunden mehr für den neu gegründeten Blatt-Lieferanten. Insgesamt stellt Kuriant bis 1984 rund 100 WKA her, bevor das Unternehmen vom Markt verschwindet. Das Design wird aber noch bis 1988 von der Firma Hjerm Elektro unter dem Namen Bosted Møllen produziert.
1977: Henry Jørgensen aus Sejrup, der fünfte der Gruppe, erhält im Dezember seinen 4,5 m Blättersatz, kauft aber schon 1978 einen Satz 5 m Økær-Klingen mit Luftbremsen an den Spitzen. Sein robustes und gut durchdachtes Turbinendesign ergibt eine gute Maschine, die bis 2002 Strom in das Netz einspeist. 2007 wird sie demontiert und einem Kunden auf Fünen verkauft. Verhandlungen mit Riisager im Jahr 1979 über eine Zusammenarbeit scheitern an der Einigung über die Frage nach dem umzusetzenden Blatttyp.
1977: Der oben bereits erwähnte Henrik Stiesdal aus Vildbjerg, der zusammen mit seinem Vater mehrmals Tvind besucht, läßt sich von der Segelwindmühle der Princeton University, über die er in dem Buch Sol & Vind erfährt (s.u.), im Frühjahr 1977 zum Bau seiner ersten primitiven Turbine (MK2) inspirieren, deren 2-Blatt-Rotor aus Segelflügeln einen Durchmesser von 3 m hat und auf einem landwirtschaftlichen Anhänger montiert ist, so daß sie in und aus dem Wind genommen werden kann. Nach Beendigung seines Wehrdienstes im Februar 1978 entwirft und baut Stiesdal seine erste ,richtige’ Windkraftanlage (MK3), eine netzverbundene 15 kW Anlage mit einem 9 m durchmessenden Segelflügel-Rotor, die im Juni errichtet und eingeweiht wird.
Während der Konstruktion lernt Stiesdal den o.g. Karl Erik Jørgensen kennen, dessen Firma Herborg Maskinværksted ihm dabei hilft, einige Detailprobleme zu lösen. Aus der Freundschaft entsteht später die HVK-Turbine, die 1979 an Vestas lizenziert zum Ausgangspunkt für deren Windenergie-Aktivitäten wird. Nachdem Stiesdal im Frühling 1979 einige Monaten als studentischer Mitarbeiter an der neu gegründeten Teststation für Kleinwindanlagen am RISØ National Laboratory in der Nähe von Roskilde gearbeitet hat, beteiligt er sich im Oktober an einem Ideenwettbewerb des RISØ zur Förderung eines neuen, innovativen Turbinendesigns, und gewinnt einen der beiden Hauptpreise.
Die vorgeschlagene 20 kW 3-Blatt Turbine mit einem Rotordurchmesser von 11 m wird später in Zusammenarbeit mit Vestas gebaut und am RISØ Prüfstand getestet. Henrik verkauft die Lizenz für diese Technologie dann an Vestas, wo die Turbine zwar nicht in die Serienproduktion übernommen wird, aber die Grundlage für die erste Pitch-gesteuerte 200 kW Vestas-Turbine bildet (V25), die im Jahr 1986 eingeführt wird.
Nachdem Henrik anfangs ein Medizinstudium beginnt, und später Physik und Biologie belegt, was er durch die Lizenzgebühren von Vestas finanziert, arbeitet er dort zwischen 1983 und 1986 als Konstrukteur, wo er die erste Pitchregelung entwirft. Nachdem Vestas 1987 in Konkurs geht, wechselt Henrik zum Windenergieproduzenten Bonus Energy in Brande (s.u.), wo er 1988 zum technischen Direktor ernannt wird. Als Bonus in 2004 dann von Siemens erworben wird, übernimmt er bei Siemens Wind Power die Position des Chief Technical Officer.
1977: Burmand Jensen, ein erfahrener Maschinenbauer mit herausragenden mathematischen Fähigkeiten, der in der Christiania-Kommune in Kopenhagen lebt, konstruiert eine intelligente und hoch entwickelte 1-Blatt-Turbine (Lasst vejrs mølle), deren Prototypen alle gut funktionieren, aber nie in Serie gehen. Die erste Anlage wird bei Svanholm Manor errichtet, einer Lebensgemeinschaft in der Nähe des Dorfes Skibby, 60 km von Kopenhagen entfernt, eine weitere Kraftanlage wird in der Nähe des Dorfes Sønder Hygum in Südjütland aufgestellt. Leider ist über diesen interessanten Ansatz sonst nichts zu finden.
Daneben gibt es noch verschiedene gemeinschaftliche Konstruktionen,
die einen nicht unbeträchtlichen Einfluß auf die weitere Entwicklung
haben.
Während des NOAH ,Miljø-Ø-Lejr’ Sommercamps 1975 am Rugård Strand bei Grenå beispielsweise bauen die Teilnehmer eine 300 W Windturbine. Sie hat Holzflügel und betreibt den Kühlschrank des Energie-Camps, bei dem dazu eine kleine Windpumpe (links im Bild), ein Solarofen mit 121 Spiegeln, sowie ein thermischer Solarkollektor zum Einsatz kommen.
Im Mai 1975 beginnen auch rund 400 Freiwillige der Alternativschule Tvind gemeinsam mit dem jungen Ingenieurbüro Vestjydsk Energi Kontor - und mit viel Begeisterung! - die damals wohl berühmteste Windmühle des Landes zu bauen. Zuvor hatten die Initiatoren einen Besuch bei Prof. Hütter in Stuttgart gemacht.
Als erster Schritt wird von den Lehrern und Schülern der Praktisch-Theoretischen Grundbildung (abgekürzt PTG in Dänisch) ab 1976 eine 22 kW PTG-Turbine mit drei 4,5 m langen Blättern gebaut, die im Frühjahr 1977 auf ihrem 18 m hohen Turm zum Testen bereitsteht. Anschließend beginnt die Arbeit an einer großen Anlage.
Das Windkraftwerk mit einem 3-Blatt-Rotor von 54 m Durchmesser - aufgesetzt auf einen 53 m hohen Turm (mit Fahrstuhl) - wird im März 1978 fertiggestellt und im Mai offiziell eröffnet. Es wird als 2 MW Anlage bezeichnet, obwohl die tatsächliche Nennleistung nur 1,75 MW beträgt. Gekostet hat sie über 1 Mio. DM, wobei andere Quellen allerdings von nur 160.000 DM sprechen, vermutlich nach Abzug der Eigenleistung der dänischen Bürgerinitiative. Getriebe, Generator und Hauptlager werden gebraucht gekauft.
Je nach Windgeschwindigkeit sollen die drei jeweils 5 t wiegenden Rotorblätter dem Wind zwischen 100 kW und 2 MW abzapfen, insgesamt etwa 4 Mio. kWh pro Jahr.
Doch obwohl es am Standort der Anlage in Nordjütland, in der Nähe von Ulfborg an der dänischen Westküste, einen ‚guten Wind’ gibt, produziert die Anlage zwischen Frühjahr und Herbst 1978 nur 5.700 kWh. Statt also, wie geplant, 3/4 der erzeugten Leistung an das Öffentliche Netz abzugeben, sieht sich die Tvind-Schule gezwungen, für ihren Eigenbedarf während der genannten Zeit noch 181.000 kWh zuzukaufen.
Trotz der erfolgten NASA-Hilfe durch Beratung und Know-how scheint das Projekt ein Fehlschlag zu sein und schon knapp ein Jahr nach Inbetriebnahme zeigen sich die ersten schwerwiegenden Mängel. Die ‚Tvind-Skolerne’ versucht daher, die müde Windmühle an die Regierung zu verkaufen - allerdings vergeblich.
Der Gründer Mogens Amdi Petersen verschwindet 1979 ‚spurlos’, um das verschachtelte Finanzimperium mit einem geschätzten Jahresumsatz von 120 Mio. DM (Stand 1996) von einem unbekannten Ort aus zu leiten. Ebenfalls 1996 streicht die dänische Regierung den inzwischen 31 freien Tvind-Schulen wegen Betrugs und Mißbrauchs von Steuergeldern alle Zuschüsse (zuletzt etwa 25 Mio. DM pro Jahr). Aus dem Vorzeigeprojekt der Alternativszene war eine ‚Geld-Melkmaschine’ geworden, zu der u.a. auch die Secondhand-Kette Humana gehört. Petersen wird nun international gesucht - während der Tvind-Sprecher Poul Jørgensen Anfang 2009 wegen Betrugs verurteilt wird.
Im Gegensatz dazu funktioniert die Windmühle auch 30 Jahre später noch mit bescheidenem, aber zufriedenstellendem Ertrag.
Die treibende Kraft hinter der 1976 erfolgten Gründung
des Nordvestjydsk Folkecenter for Vedvarende Energi (aus
dem später das berühmte FolkeCenter wird) ist der Volkswirt Preben
Maegaard, der sich von dem Buch ,Vindkraftbogen’ des Schweden
Bengt Södergård inspiriert bereits 1976 an den Bau
seiner ersten primitiven Windkraftanlage macht. Maegaard erwirbt eine
Farm in der Nähe der Westküste, die er unter dem Namen Syd Thy Lejrskole
als Schullandheim betreibt.
Im März 1977 gründen Maegaard und andere in Thisted das NIVE (Nordvestjydsk Institut für Vedvarende Energi), um in Zusammenarbeit mit der örtlichen Metallwerkstatt HP Maskinfabrik eine dezentrale Produktion von Windkraftanlagen zu etablieren. Man entscheidet sich dafür, eine Windkraftanlage von Grund auf neu zu bauen, woraus ein Vorläufer der modernen Turbinen entsteht – mit Asynchrongenerator, Hohlwelle, zwei leistungsstarken Hauptlagern, drei Flügel aus Fiberglas mit aktiver elektrischer Blattverstellung sowie einem eigens entwickelten Turm.
Als an der Syd Thy Lejrskole ab Februar 1978 mit jungen Arbeitslosen im Alter von 16 - 24 Jahren der erste Kurs für erneuerbare Energien durchgeführt wird, bauen die Teilnehmer mit Hilfe des NIVE eine 5,5 m durchmessende Segelflügel-Windmühle.
Am NIVE selbst versammelt Maegaard derweil vier Personen um sich, die für ihre Wohnhäuser Turbinen haben wollen (Kaj Fjendbo Jørgensen, Bjørn Rossing, Henning Kvejborg und Per Mannstaedt), und bestellt Anfang 1978 von Økær Vind Energi vier Sätze von 5 m langen Rotorblättern, die bei 75 U/m laufen sollen. Da sich die von Økær produzierten 4,5 m Blätter des Tvind-Designs mit 115 U/m drehen, muß Grove-Nielsen für den Auftrag neue Blätter entwerfen. Die erste NIVE-Turbine wird bereits im Juni von Kaj Fjendbo Jørgensen östlich von Thisted errichtet und funktioniert vom ersten Tag an fast perfekt.
Außerdem entwickelt das NIVE die so genannte Smedemester Mølle (Schmied-Turbine) mit dem Ziel, die Herstellung von Windkraftanlagen auf kleine Metallbearbeitungsbetriebe im ganzen Land zu verteilen. Der Prototyp dieser 22 kW Anlage wird von H. Poulsen und dessen Sohn Bendy Poulsen, einem erfahrenen und innovativen Metallhandwerker, in der nahe gelegenen Kleinstadt Lyngs gebaut. Nachdem der Prototyp im Sommer 1979 auf einer Messe vorgestellt wird, erfolgt im September seine Installation an der neu eröffneten Teststation für Kleinwindanlagen am RISØ. 1980 wird eine weitere Anlage bei Holstebro aufgestellt.
Insgesamt scheinen 12 Turbinen bis 500 kW gebaut worden zu sein, von denen sechs 100 kW Anlagen in Hanstholm stehen, bevor die (Firma?) Smedemester Mølle von der Nordex SE übernommen wird.
Nach 1979 wird die Rolle der Graswurzel-Entwicklung schnell obsolet, und als im Juli 1983 das FolkeCenter gegründet wird, wird Maegaard dessen geschäftsführender Direktor. Zu diesem Zeitpunkt gibt es in Dänemark bereits mehr als 20 Hersteller von Windkraftanlagen, und die Politik bringt den Markt durch Zuschüsse für die Käufer ins Rollen.
Im Jahr 1977 macht
die Erfindung des Ingenieurs Lars Arnbak von der Firma Scangear
Ltd. von sich reden, bei der es sich um eine besondere Variante des Flettner-Rotors handelt
(s.d.).
Die Firma Pademo von Helge Petersen (der nichts mit dem Helge Petersen aus Tvind zu tun hat) stellt 1977 zwei WKA mit 18,5 kW bzw. 75 kW her.
Von 1978 bis 1981 besteht die Firma S. J. Wind Power von Svend Jensen, der nicht netzgekoppelte Mehrblatt-Turbinen baut, die Strom zur Haushaltswarmwasserversorgung produzieren. Dies geschieht durch ein Heizelement, das in einem Speicher eingetaucht ist. Interessanterweise werden die Blätter aus Polyurethan-Schaum hergestellt – was aber dazu führt, daß viele davon bei Stürmen wegfliegen. Einige dieser Turbinen sind aber auch noch 25 Jahre später in Betrieb. Ein ähnliches System wird später unter dem Namen Wind Rose Turbine von der kleinen Firma GSS PowerMills aus Fredrikshavn produziert.
In den Jahren 1978 und 1979 ist die Firma Erini von Erik Nielsen in Herning aktiv, ein ehemaliger Unterlieferant von Christian Riisager, der nun 22 kW und 45 kW Turbinen mit geschweißten Stahlblättern baut. Von 1978 – 1982 werden gleichgroß dimensionierte Anlagen auch von der Firma Kongsted Møllen hergestellt, wobei die Gründer Ole und Kenny Hansen Rotorblätter aus Holz bevorzugen. Und zwischen 1979 und 1983 produziert die Sonebjerg Maskinfabrik in Kolding 22 kW und 55 kW Anlagen.
Im Frühjahr 1978 gründen Claus Nybroe u.a.
auf der kleinen Insel Endelave die Firma Dana Vindkraft und
entwickeln ab August das 22 kW Holger
Danske Modell. Nybro war zusammen mit Carl Herforth Mitherausgeber
des bereits 1976 erschienenen
Buches ,Sol & Vind Håndbogen’, und begann schon damals zusammen
mit dem Ingenieur Rio Ordell mit der Gestaltung einer 5
kW Windkraftanlage
Holger Danske 1, deren Testbetrieb Anfang 1978 startete.
Bald darauf erfolgt der Umzug nach Rask Mølle auf dem Festland von Jütland, und im November 1979 errichtet das Unternehmen den 22 kW Prototyp bei der Kolding Højskole, einer visionären, innovativen und grünen Volkshochschule in der Nähe von Kolding. Diese Anlage wird 1986 demontiert und zur Weiterverwendung in einem anderen Ort verkauft.
Nybroe stellt ab 1986, und in Zusammenarbeit mit der Firma Wincon, mehrflügelige Windrotoren zum Wasserpumpen sowie zur netzfernen Stromproduktion im Bereich von 600 W - 4 kW her (Windflower Turbines), bevor er schließlich bei Siemens Wind Power landet, während Ordell mit der Firma Wind-Matic zusammenarbeitet, wo er die erfolgreiche Tellus-Turbine entwickelt (s.u.).
Die 1979 in Herning gegründete Firma Wind-Matic
A/S, welche die Rechte an der Windkraftturbine von Christian
Riisager kauft (s.o.), entwickelt im Laufe der Jahre diverse Anlagentypen
mit Leistungen zwischen 22 kW (WM 10S)
und 200
kW (WM 23-200).
Viele dieser Anlagen werden 1981 auf der Altamont
Pass Windfarm in Kalifornien errichtet, der mit insgesamt
4.930 WKA und einer Kapazität von 576 MW größten
Farm der Welt. Daneben wird auch eine 11 kW Folkemølle
zur netzfernen Warmwasserbereitung entwickelt.
Um 1983 herum scheint die Wind-Matic von dem US-Entwickler Electricity übernommen worden zu sein, der dann aber nicht in der Lage ist, die Millionen Dollar zu zahlen, was sich für die Wind-Matic als tödlich erweist. Die Firma wird später zwar rekonstruiert, baut dann aber nur sieben Anlagen, von denen einige auch noch Probleme mit den Bremsen haben.
1988 wird die Wind-Matic dann von der im Jahr 1986 durch 13 ehemalige Mitarbeiter der Wind-Matic gegründeten dänischen Firma Tellus in Winderup übernommen. Das Unternehmen wird für seine ausgereiften 80 kW Anlagen bekannt (T-1780), von denen 35 Stück produziert werden, sowie für das Modell T-1995 mit 95 kW, von dem neun Stück auf einer Windfarm von Dragör nahe dem Flughafen Kopenhagen errichtet werden.
Im Jahr 1991 ist Tellus nicht mehr aktiv. (Ob dieses Unternehmen etwas mit der Londoner Tellus Energy Ltd. zu tun hat, habe ich bislang noch nicht herausfinden können). Die California Energy Commission zählt im Jahr 1994 noch 176 WKA von Wind-Matic, die in Kalifornien installiert sind und eine Gesamtleistung von 13,6 MW erreichen.
Dänemark ist das erste Land in Europa, das 1979 ein
Energieministerium bekommt. Um den Bereich der Windenergie voranzutreiben
wird die Firma Danish Wind Technology A/S, die sich
im Besitz von zwei Stromunternehmen sowie dem Energieministerium befindet,
damit beauftragt, in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität
Dänemark (DTU) und dem Stromversorgungsunternehmen Elsam verschiedene
WKA zu konzipieren.
Im September 1979 bzw. August 1980 werden in der Nähe der Kleinstadt Nibe auf der Halbinsel Himmerland zwei Versuchsanlagen NIBE A und NIBE B mit 40 m Rotoren und jeweils 630 kW errichtet, die zum Vergleich unterschiedlicher Anlagenkonzepte dienen und bis in die 1990er Jahre hinein betrieben werden, wobei die Turbinen, die zusammen 4,2 Mio. $ gekostet haben, in dieser Zeit mehrfach überarbeitet und mit unterschiedlichen Blättern ausgestattet werden. Diese Anlagen bilden die technische Grundlage für eine ganze Reihe späterer WKA.
Ende der 1970er Jahre beginnt das schon 1945 als
Hersteller von Landmaschinen, hydraulischen Kränen und Kühlsystemen
gegründete dänische Unternehmen Vestas (ab 1987 dann
Vestas Wind Systems A/S mit Sitz in Randers) mit dem
Bau von Windenergieanlagen, nachdem es 1979 einen
entsprechenden Lizenzvertrag mit der Herborg Vindkraft von Karl Erik
Jørgensen geschlossen hat. Von Anfang an setzt die Firma auf Kleinanlagen
bis 100
kW Leistung. Die ersten 80 Produktionsanlagen mit
einer Leistung von 55 kW (HVK 15)
werden bereits 1980 installiert, und 1985 beginnt
das Unternehmen mit der Entwicklung eigener Blätter. Im Jahr 1989 werden
die Danish Wind Technology A/S und Vestas verschmolzen. Bei Gelegenheit
folgt hier noch ein ausführlicheres Unternehmensprofil.
Als sich der Hersteller von Bewässerungssystemen
Danregn im Jahr 1980 mit
Windkraftanlagen zu beschäftigen beginnt, werden anfangs 20
kW Maschinen
mit Rotordurchmessern von ca. 10 m gebaut, doch schon 1981 werden
die Windaktivitäten abgetrennt – und von Peter Stubkjær Sørensen, dem
Sohn des Firmengründers, sowie Egon Kristensen hierfür die Firma Danregn
Vindkraft A/S in Brande gegründet.
Um mehr über den Stand der Technik für Windkraftanlagen zu erfahren, besucht Sørensen unter anderem Erik Grove Nielsen von Økær Vind Energi und Preben Maegaard vom NIVE, wo er diverse gute Ratschläge bekommt. Auch die Ähnlichkeiten der späteren Turbinen mit dem NIVE-Design sollen aus diesen Kontakten herrühren.
Das erste Serienprodukt des Unternehmens ist eine 55 kW Turbine mit einem Rotordurchmesser von 15 m und Blättern der Firma AeroStar, von der knapp 100 Exemplare hergestellt werden. Von einem späteren Modell mit 65 kW werden sogar fast 650 Stück produziert.
Zwischen 1982 und 1987 exportiert die Firma viele ihrer Windkraftanlagen in die USA, wozu sie für den Englisch sprechenden nordamerikanischen Markt ihren Namen 1983 in Bonus Energy A/S ändert, wobei die Danregn Vindkraft A/S weiterhin als Eigentümer aller Rechte gilt. Die Firma verfolgt lange Jahre das dänische Konzept mit Stall-Regelung, Asynchron-Generator, starrer Drehzahl und Getriebe, bevor sie auf das Combi-Stall-Prinzip umschwenkt.
1989 beginnt Bonus die Serienproduktion einer 450 kW 3-Blatt-Maschine mit 35 m Rotor, und 1991 werden elf Stück dieser Turbinen für die 4,95 MW Offshore-Windfarm Vindeby, dem ersten Offshore-Windpark der Welt, geliefert (s.u.). 1994 folgt die Errichtung des Prototyps einer 750 kW Turbine, und 1996 wird eine 1 MW Anlage in Produktion genommen. Nachdem Bonus seine Blätter anfänglich von der Økær Vind Energi bezieht, werden sie später von LM Wind Power bezogen. In den späten 1990er Jahren beginnt Bonus eigene Blätter zu entwickeln, die dann ab den frühen 2000er Jahren in Aalborg produziert werden.
In Deutschland werden die Bonus-Windenergieanlagen ab 1989 von der Firma AN Windenergie GmbH vertrieben (wobei das AN im Firmennamen für Arbeitnehmer steht).
Die Bonus Energy A/S gehört zu diesem Zeitpunkt zu den weltweit fünf größten Anbietern von Windkraftanlagen und erzielt 2002 (?) einen Umsatz von rund 300 Mio. €. Die Produktpalette reicht von 150 kW bis 3,6 MW und das Unternehmen hat in über 20 Ländern bereits mehr als 5.000 Turbinen mit einer Gesamtleistung von über 3 GW installiert.
Auch im rasch wachsenden Offshore-Markt verfügt die Firma über eine ausgezeichnete Marktposition, da die bisherigen Referenzen für die hohe Robustheit der Anlagen sprechen. Bonus hat rund die Hälfte der weltweit in diesem Marktsegment installierten Leistung geliefert – so z.B. für den mit einer Leistung von 166 MW bislang größten Offshore-Windpark im dänischen Nysted, der 2003 in Betrieb geht, und der als zweiter Großdemonstrations-Windpark des Landes gilt.
Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Bonus Energy Ende 2004 für einen ungenannten, aber auf bis zu 400 Mio. $ geschätzten Betrag vom deutschen Siemens-Konzern aufgekauft wird, denn damit kann die Siemens Power Generation (PG) – relativ spät – in das wachsende Geschäft mit der Windenergie einsteigen. Die neue Windenergiesparte von Siemens erhält den Namen Siemens Wind Power A/S, ihr Hauptsitz ist in Hamburg, während in Dänemark Fertigungsstätten und Testfelder betrieben werden. Im November 2005 wird dann noch die AN Windenergie GmbH aus Bremen übernommen, die als exklusiver Vertriebs- und Servicepartner der Bonus Energy in Deutschland bislang 1.300 Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 1.300 MW installiert hat. Über die weitere Entwicklung wird unter Deutschland berichtet.
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