allTEIL C

Der Thermoelektrische Effekt / Seebeck-Effekt (TEGs) (IX)


Die erwähnte schwedische Firma Termo-Gen AB in Lärbro auf der Insel Gotland war 1997 von Lennart Holmgren und weiteren drei Partnern gegründet worden, nachdem Holmgren zwei Jahre zuvor in Stockholm den Vorgänger Legelab aus der Taufe gehoben hatte, dessen Geschäftsbereich TEG-Anwendungen im Automobilsektor sind. Im Zuge eines Technologietransfers von dem A. F. Ioffe Institut in Sankt Petersburg (s.o.) beginnt die Termo-Gen mit der Entwicklung und Vermarktung von Hochtemperatur-TEG-Modulen, Geräten und Anwendungen.

Im Jahr 1998 wird an 60 W und 100 W Automobilheizung-TEGs gearbeitet, und 1999 erfolgt die Entwicklungen von TEGs auf Basis von Bi2Te3-Modulen. In diesem Jahr erhält die Termo-Gen auch das Patent für ein Hochtemperatur-TEG-Modul (EU-Nr. 0907973; vgl. AU-Nr. 4661999).

Ab 2001 ist die Firma – inzwischen mit Holmgren als Alleininhaber – gemeinsam mit der Automotive Technologies AB (ATAB) und der S. T. Engineering (STE) Partner des bis Ende 2003 laufenden EU-Projekts NanoThermel, bei dem durch Nanotechnik und Nanostrukturierung effizientere thermoelektrische Materialien entwickelt werden sollen. Von den Projektkosten in Höhe von gut 1,6 Mio. € übernimmt die EU einen Anteil von rund 1,2 Mio. €.

Mitbeteiligt sind das Königliche Institut für Technologie in Stockholm, die Technische Universität Chalmers in Göteborg, die dänische Universität Åårhus, das britische NEDO Centre for Thermoelectric Engineering an der University of Cardiff, das Consiglio Nazionale delle Ricerche in Mailand, Italien, die Firma CIDETE Ingenieros SL in Barcelona, Spanien, sowie das Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln.

Aus den neuen Skutterudite-Materialien mit CoSb und ZnSb, die während dieses Projekts entwickelt werden und einen ZT-Wert von 1,7 erreichen, werden schließlich zwei Prototyp-Geräte für die Stromerzeugung und die Kühlung konstruiert. Über weitere Schritte ist jedoch nichts zu finden.

Im Jahr 2003 geht die Termo-Gen neue Partnerschaften mit der deutschen Firma PANCO GmbH sowie der o.e. spanischen CIDETE Ingenieros von Germán Noriega ein. Dieses Unternehmen ist ebenfalls an diversen EU-Forschungsprojekten beteiligt, wie z.B. Integrated Modular System (IMS, 20042006) mit dem Ziel der Entwicklung einer innovativen Technologie und des industriellen Produktionsprozesses für eine komplett integrierte Thermophotovoltaik- und Thermoelektrik-Klimatisierungslösung.

Bei einem späteren Projekt namens NEXTEC (20112014) sollen mittels moderner Nanotechnologie neuartige Materialarchitekturen mit verbesserten TE-Eigenschaften gefunden werden, da theoretische Vorhersagen zeigen, daß der ZT-Wert von niedrigdimensionalen TE-Materialien von derzeit ~ 1 auf spektakulär hohe Werte von 5 – 20 erhöht werden kann. Und im Rahmen von nanoTHERM (2010 - 2015) will man einen wesentlichen Fortschritt im Verständnis der physikalischen Grundlagen der Thermoelektrizität erreichen, um TE-Materialien und -Geräte der nächsten Generation herzustellen.

Die Termo-Gen erhöht 2004 ihre Aktivitäten im Bereich der Kühl- und Wärmeleitungstechnik, wozu auch die Konstruktion von Miniturbinen gehört, und ab 2006 erfolgt im Rahmen eines bis 2010 laufenden nationalen MISTRA-Projekts (MISTRA ist die schwedische Stiftung für Strategische Umweltforschung) die Entwicklung von fortschrittlichen und leichten Hochtemperatur-TEGs. Hier werden als Industriepartner die Firmen Höganäs AB und Volvo Technology AB genannt.

Daneben führt die Termo-Gen noch verschiedene andere Projekte durch. So wird beispielsweise für die schwedische Defense Research Agency (FOI) ein tragbares thermoelektrisches Ladegerät für Mobiltelefone und GSM-Geräte in Form eines Kochtopfs entwickelt, das mit kaltem Wasser eine elektrische Leistung von 9 W, und mit kochendem Wasser von 4 W erzielt. Weitere Entwicklungen sind eine 120 W Automobilheizung mit Hochtemperatur-TEG für die Volvo Aero Corp., sowie der abgebildete wassergekühlte TEG, der bei einer Temperaturdifferenz von etwa 120°C auf 300 W kommt.

Nachdem sich die Termo-Gen 2008 an dem eingangs genannten Projekt HeatReCar beteiligt, gibt es allerdings keine weitere Neuigkeiten mehr – mit Ausnahme einer neuen Preisliste für Module, die im September 2013 auf der Firmenhomepage veröffentlicht wird.


Zurück zur Chronologie. Der zuvor genannte Harald Böttner ist übrigens auch Vorsitzender der fünftägigen European Conference on Thermoelectrics ICT 2009 in Freiburg, die mit über 600 Experten aus rund 40 Ländern als die mit Abstand größte Thermoelektrik-Tagung aller Zeiten gilt.

Highlight der begleitenden Ausstellung ist ein von dem Berliner Unternehmen IAV präsentiertes Prototyp-Fahrzeug von VW mit thermoelektrischem Generator zur Abwärmenutzung. Der integrierte TEG soll bei Autobahnfahrt eine Ausgangsleistung von 600 W erreichen, womit er rund 30 % des elektrischen Bedarfs des Fahrzeugs decken kann. Neben einer Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs um mehr als 5 % führt der Einsatz des TEG auch zu einer reduzierten mechanischen Belastung der Lichtmaschine.

Diese, bereits 1983 als Ausgründung der TU Berlin geschaffene und als Systemintegrator wirkende IAV GmbH (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr), deren Gesellschafter die Firmen Volkswagen AG (50 %), Continental Automotive GmbH (20 %) sowie jeweils mit 10 % die Schaeffler Technologies AG & Co. KG, die Freudenberg SE und die SABIC Innovative Plastics B.V. sind, hatte bereits im Oktober 2008 die 1. IAV-Tagung durchgeführt, deren Thema ,Thermoelektrik – eine Chance für die Automobilindustrie?’ lautete.

Den Teilnehmern zufolge stehen die Fachleute zu diesem Zeitpunkt einem regelrechten ,Materialzoo’ gegenüber, aus dem sich die optimalen Zusammensetzungen für den effektiven TEG-Einsatz erst noch herauskristallisieren müssen. Bisher kommen bei Raumtemperatur vor allem Verbindungshalbleiter wie Bismuttellurid (Bi2Te3) zum Einsatz. Für mittlere Temperaturen von 200 – 600°C wird u.a. Bleitellurid (PbTe) eingesetzt, während Legierungen aus Silizium und Germanium besonders für hohe Temperaturen geeignet sind.

Allerdings sind mit diesen Materialien Probleme verbunden: Blei ist giftig, Tellur auf dem Weltmarkt nur schwer verfügbar und Germanium fast nicht zu bezahlen. Als besser geeignete Alternativen gelten deshalb Skutterudite, Silizide und Halb-Heusler-Legierungen, die verschiedentlich bereits erwähnt worden sind. Alle drei Materialien erreichen im Labor ZT-Werte von > 1 und kommen in der Produktion bereits auf ZT-Werte von ca. 1. Mittelfristig sind sogar maximale ZT-Werte von 1,6 wahrscheinlich.

TEG-Prototypen aus Siliziden und Halb-Heusler-Legierungen erreichen zu diesem Zeitpunkt Wirkungsgrade von 5 – 6 %, Module mit Skutteruditen sogar bis zu 8 %. Man kann pro Kilogramm Material daher mehrere 100 W Leistung erzeugen, wobei Skutterudite momentan etwa 0,8 kW/kg liefern, während Silizide auf rund 1,8 kW/kg kommen.

Zudem sind diese Thermoelektrika relativ gut verfügbar: Skutterudite können im größeren Kilogramm-Maßstab hergestellt werden und auch Halb-Heusler-Legierungen sind problemlos erhältlich. Bei den Siliziden sind derzeit zwar nur Mengen von einigen 100 g zu bekommen, doch gemeinsam mit Industriepartnern arbeitet die IAV daran, die Produktion größerer Mengen voranzutreiben.

DORmino Grafik

DORmino (Grafik)


Das leidige Problem der sich immer wieder schnell entladenen Batterien von Funkmäusen will ein Designerteam aus Singapur lösen, daß sich im Februar 2008 mit seinem Entwurf an der von Core77 veranstalteten Greener Gadgets Design Competition beteiligt. Das DORmino genannte Konzept soll die Wärme von der Unterseite eines normalen Laptops thermoelektrisch sammeln und dann über Induktionsaufladung an die Maus an der Seite übertragen.

Der interessante Ansatz befindet sich in der Konzeptphase, doch von einer Umsetzung ist auch in den Folgejahren nichts zu hören – dabei wäre sogar ich selbst ich ein potentieller Kunde dafür.


Im März 2008 fordert das DOE interessierte Unternehmen dazu auf, Projekte zur Nutzung von thermoelektrischen Materialien in Fahrzeugheizungen und -kühlungen einzureichen. Für die Programme, die voraussichtlich 2,5 - 3 Jahre laufen sollen, werden 7,5 Mio. $ zur Verfügung gestellt.


Im Mai 2008 erhält Prof. Kornelius Nielsch an der Universität Hamburg von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) den Zuschlag für die Einrichtung eines Schwerpunktprogramms SPP 1386 unter dem Titel ‚Nanostrukturierte Thermoelektrika: Theorie, Modellsysteme und kontrollierte Synthese’.

In zwei Förderphasen von 20092012 und 20122015 sollen jeweils 10 - 15 Verbundprojekte mit je 2 – 4 Partnern aus dem gesamten Bundesgebiet Forschungen zu diesem Thema anstellen und dabei Fragestellungen der Physik, Nanotechnologie, Mikrosystemtechnik, Meß- und Energietechnik sowie der Materialwissenschaften miteinander verbinden. Die entsprechende Ausschreibung wird Ende Mai veröffentlicht. Hauptaufgabe der Forscherinnen und Forscher wird es sein, neue thermoelektrische Systeme mit nanostrukturierten Materialien zu entwickeln, die langfristig 50 – 200 % effizienter als die gegenwärtigen Systeme sind.


Im Juli 2008 meldet die Fachpresse, daß Wissenschaftler um Prof. Joseph Heremans an der Ohio State University in Columbus nach zehnjähriger Forschung ein neues thermoelektrisches Material gefunden haben, das die doppelte Effizienz der derzeit gängigen Materialen aufweist. Das bislang effizienteste Material, das kommerziell in thermoelektrischen Generatoren verwendet wird, ist eine Legierung namens Natrium-dotiertes Bleitellurid mit einem ZT-Wert von 0,71.

Als die Forscher dieser Legierung Spuren von Thallium beimischen, verdoppelt sich der ZT-Wert schlagartig auf 1,5. Es zeigt sich außerdem, daß das neue Material am effektivsten im für Kraftmaschinen wie Automotoren typischen Temperaturbereich von 232 – 510°C funktioniert. Ein Nachteil ist allerdings, daß Thallium extrem giftig ist. Sollte sich die Technik trotzdem kommerzialisieren lassen, könnten erste Produkte, wie z.B. thermoelektrische Generatoren als Ersatz für Lichtmaschinen, in drei bis vier Jahren verfügbar sein.

Die Arbeiten werden von der BSST Corp., dem Beckman Institute, der schwedischen Bengt Lundqvist Minne-Stiftung und dem NASA Jet Propulsion Laboratory finanziert.

Interessant ist, daß Heremans und sein Kollege Christopher Jaworski im Zuge ihrer Arbeiten um das Jahr 2012 herum einen Spin-Seebeck-Effekt beobachten – und zwar überraschenderweise bei nichtmagnetischen Materialien wie Indiumantimonit (InSb).

Bei ihren Experimenten dampften sie auf ein 0,5 mm dickes und 5 × 15 mm großes rechteckiges InSb-Plättchen an mehreren Stellen kleine Querbalken aus Platin auf, um sie als Spannungsdetektoren zu nutzen. Anschließend wird das Plättchen auf weniger als 40 K gekühlt und in ihm ein Temperaturgefälle erzeugt, worauf es in ein bis zu 7 Tesla starkes Magnetfeld eingebracht wird, das in Längsrichtung des Plättchens und somit parallel zum Temperaturgradienten orientiert ist.

Als Resultat tritt entlang jedes der Platinquerbalken ein elektrischer Spannungsabfall auf, dessen Stärke vom Temperaturgradienten, von der Magnetfeldstärke und von der Position des jeweiligen Balkens auf dem InSb-Plättchen abhängt. Am kalten und am warmen Ende des Plättchens sind die gemessenen Spannungsabfälle am stärksten, mit unterschiedlichem Vorzeichen. Die gemessenen Spannungen werden durch die im Plättchen fließenden Spinströme hervorgerufen. Demgegenüber tritt an dem Platinbalken, der das Plättchen in der Mitte quert, gar keine Spannung auf.

Die Abbildung zeigt, wie sich die Elektronen im Temperaturgefälle je nach Spinrichtung zum kalten (blauen) oder zum heißen (roten) Ende der Probe bewegen. Da die Elektronenspins bevorzugt in Richtung des Magnetfeldes der Magnetspule zeigen, fließt ein Spinstrom, der im Detektor eine elektrische Spannung erzeugt.

Zum Hintergrund: Der japanische Physiker Prof. Eiji Saitoh hatte gemeinsam mit Prof. Ken-ichi Uchida und weiteren Kollegen von der Keio University in Yokohama im Jahr 2008 an einem metallischen Magneten erstmals den Spin-Seebeck-Effekt entdeckt – also das Spin-Äquivalent des klassischen elektrischen Seebeck-Effekts: Bringt man die beiden Enden des Magneten auf unterschiedliche Temperaturen, so bewegen sich in ihm die Elektronen je nach ihrer Spinrichtung zum wärmeren oder zum kälteren Ende hin. Und da die Spins der Elektronen bevorzugt in die Magnetisierungsrichtung des Magneten zeigen, fließt mit dem elektrischen Strom auch ein Spinstrom. Da ich darüber bereits unter der Magnetischen Batterie sowie unter Schall berichtet habe (s.d.), erübrigt sich eine Wiederholung an dieser Stelle.

Die nun von Heremans und Jaworski gemessenen thermoelektrischen Spannungen sind etwa eintausend mal so groß wie die an den bisher untersuchten magnetischen Materialien auftretenden Spannungen, so daß die Forscher schon von einem ,Riesen-Spin-Seebeck-Effekt’ sprechen. Ob sich dieser für die Energiewandlung nutzen läßt, ist bislang nicht geklärt.


Für diejenigen, die sich mit diesem Thema vertieft beschäftigen wollen, sei hier noch auf einige Entwicklungen und Forschungsberichte der Folgejahre verwiesen:

Im Juli 2012 berichten Prof. Tero T. Heikkilä von der Aalto-Universität in Finnland sowie Jaroslaw Tserkovnyak von der University of California in Los Angeles unter dem Titel ,Solid-state physics: Thermal spin power Wittow magnets’ über ihre Parallel-Entdeckung eines Spin Seebeck-Effekts in einem nichtmagnetischen Material.

Hier folgt im Februar 2014 eine Studie, die Heikkilä gemeinsam mit Forschern der Universitäten Jyväskylä (Finnland), San Sebastian (Spanien) und Oldenburg (Deutschland) erstellt hat. Den neuen Erkenntnissen zufolge können durch Verwendung der ,richtigen’ Kombination von magnetischen Metallen und Supraleitern sehr hohe thermoelektrische Umwandlungswirkungsgrade erreicht werden. Dies ist insofern bemerkenswert, da die meisten metallischen Strukturen eine schlechte thermoelektrische Leistung aufweisen.

Daß es möglich ist, ein magnetisches Feld durch die Verwendung von Wärme anstelle von Strom zu erzeugen, können erstmals Wissenschaftler der Schweizer Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) um Jean-Philippe Ansermet beweisen, wie sie im August 2013 berichten (Evidence for a Magnetic Seebeck effect). Die Ausbreitung der Magnetisierungswellen wird entlang eines isolierenden Materials namens Yttrium-Eisen-Granat (YIG) untersucht. Das Phänomen wird von den EPFL-Forschern, mit denen auch Kollegen der University of Miami in Florida zusammenarbeiten, als magnetischer Seebeck-Effekt oder Thermomagnetismus bezeichnet.


Nanodrähte der PTB

Der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und Berlin wiederum gelingt es einer Meldung vom Oktober 2015 zufolge zum ersten Mal, die thermoelektrischen Eigenschaften einer einzelnen grundlegenden magnetischen Struktur namens magnetische Domänenwand zu messen. Solche magnetische Domänenwände treten in allen makroskopischen und nanoskaligen magnetischen Materialien und Bauteilen auf.

Die Forscher um Patryk Krzysteczko hatten die thermoelektrischen Eigenschaften einzelner magnetischer Nanodrähte detailliert unter die Lupe genommen: Stoßen in einem magnetischen Nanodraht zwei Bereiche mit unterschiedlich ausgerichteter Magnetisierung aneinander, so entsteht im Grenzbereich eine magnetische Domänenwand. Die An- oder Abwesenheit der Domänenwand macht sich dabei durch eine Änderung des elektrischen Widerstandes des Drahtes bemerkbar, der auch zu einer über elektrische Kontakte meßbaren Änderung der von dem Draht erzeugten Thermospannung führt.

Dafür wird in den Experimenten die eine Seite des gebogenen magnetischen Nanodrahts aus einer Nickel-Eisen-Legierung mit einem elektrischen Heizer erwärmt und über zwei Kontakte die Seebeck-Spannung gemessen. Eine Einkerbung des Drahtes erlaubt es, zwischen den Kontakten genau eine einzelne magnetische Domänenwand einzufangen und den daraus resultierenden Unterschied der Seebeck-Spannung zu bestimmen. Dabei zeigt sich, daß der Domänenwand-Magneto-Seebeck-Effekt zu einer Erhöhung der Thermospannung des Nanodrahtes führt.

Im April 2016 folgt die Meldung, daß eine Forschungsgruppe aus Experten der Tohoku University sowie der Firmen NEC Corp. und NEC TOKIN Corp. ebenfalls an einer thermoelektrischen Vorrichtung arbeitet, die auf dem Spin Seebeck-Effekt basiert und einen um 10 mal höheren Wirkungsgrad als die herkömmlichen Technologien erreichen soll.

Die hohe Umwandlungseffizienz wird durch neu entwickelte Materialien und eine neue Bauelementstruktur erreicht. Und um das als Elektrodenmaterial verwendete teure Platin zu ersetzen, wird eine neue Kobalt-Legierung entwickelt. Zudem können die Vorrichtungen aus flexiblen Materialien, wie beispielsweise Harz, unter Verwendung einer neuen Abscheidetechnik produziert werden, die keine Hochtemperatur-Wärmebehandlung erfordert und statt 700°C nur 90°C erfordert.

Diese Forschungsergebnisse sind Teil des ,Saitoh Spin Quantum Rectification Project’, das unter der Leitung des o.g. Prof. Eiji Saitoh (inzwischen an der Tohoku University) durch das ERATO-Programm der Japan Science and Technology Agency (JST) gefördert wird.


Ebenfalls im Juli 2008 berichten Wissenschaftler um Prof. Ganpati Ramanath vom Rensselaer Polytechnic Institute (RPI) darüber, wie unter Nutzung eines biomolekularen Tensids das Wachstum von Nanostäbchen aus zwei Einkristallen gesteuert werden kann. Den Forschern gelingt es durch sorgfältiges Regulieren der Temperatur, der Zeit und der Menge des Tensids während der Synthese sogar ‚verzweigte’ Strukturen herzustellen.

anostäbchen

Nanostäbchen

Dabei besteht jedes Nanostäbchen aus zwei Materialien, bei denen der Nanostäbchen-Kern aus einem Einkristall-Bismut-Tellurid von einer hohlen zylindrischen Schale aus Einkristall-Bismutsulfid umhüllt ist. Die Entdeckung ermöglicht die Realisation zweier sehr wichtiger Eigenschaften für die Wärmeableitung und die Stromerzeugung aus Wärme. Erstens unterstützen die Kern-Schale-Verbindungen der Nanostäbchen die Wärmeabfuhr bei Anlegen einer elektrischen Spannung oder der Erzeugung von elektrischer Energie aus Wärme. Und zweitens öffnen die verzweigten Strukturen die Möglichkeit der Herstellung miniaturisierter Leitungen zur Wärmeabfuhr mittels Nanodraht-Verbindungen.

Im August 2010 beantragen Ramanath und seine Kollegen das Patent für Nanoplättchen aus dotierten Pictogenen, ihre Herstellung, Montage und die Produktion von Filmen daraus (US-Nr. 20120111385, veröffentlicht 2012). Die Dotierung verändert tiefgreifend die elektronische Bandstruktur des Materials – und damit den ZT-Wert.

Im September 2011 berichten die RPI-Forscher, daß es ihnen zwischezeitlich gelungen sei, mit Hilfe eines gewöhnlichen Mikrowellenofens ein Nanomaterial zu schaffen, das sich als äußerst effektives Thermoelektrikum erweist.

In Zusammenarbeit mit Prof. Shi Xue Dou von der australischen University of Wollongong fügen die Wissenschaftler dem Zinkoxid kleine Mengen an Aluminium hinzu und verarbeiten die beiden Materialien dann zusammen in einer Haushalts-Mikrowelle für 40 $, wie sie besonders betonen. Auch das sehr gut geeignete Zinkoxid ist billig, zudem nicht toxisch und weist einen hohen Schmelzpunkt auf. Es ist allerdings auch ziemlich wärmeleitfähig. Nun zeigt sich, daß der neue Aluminium-dotierte Zinkoxid-Nanokomposit die ursprüngliche elektrische Leitfähigkeit beibehalten hat, aber eine viel geringere Wärmeleitfähigkeit aufweist.

Bei dem umweltfreundlichen, weniger kostspieligen und auch besser skalierbaren Prozeß als herkömmliche Alternativen, können in wenigen Minuten 10 – 15 g des Nanokomposits hergestellt werden, was genug ist, um mehrere zentimeterlange Hitze-Erntevorrichtung zu schaffen. Im Gegensatz zu anderen wärmewandelnden Materialien, die direkt auf einer Oberfläche hergestellt werden müssen, kann das neue Nanokomposit zuerst hergestellt und dann auf die gewünschten Oberflächen aufgetragen werden.

Produktionsablauf Grafik

Produktionsablauf (Grafik)

Aus Meldungen vom Januar 2012 sind dann weitere Details zu erfahren. Demnach werden Ausgangsstoffe wie Tellur und Bismut-Chlorid in ein organisches Lösungsmittel gegeben und dann 2 – 3 Minuten lang Mikrowellenstrahlen ausgesetzt. Dabei entsteht eine Lösung mit sechseckigen, plättchenförmigen Nanokristallen, die wie ein dunkelgraues Pulver aussehen und sich anschließend erhitzen und zu festem polykristallinem Bismut-Tellurid zusammenpressen lassen, um Nanopellets zu ergeben. Mit einem Lösungsmittel, das Schwefel enthält, entstehen Nanoplatten, die dem N-Typ entsprechen.

Indem sie das Material mit unterschiedlichen Mengen an Schwefel dotieren, können die Forscher sowohl p-leitendes als auch n-leitendes Bismut-Tellurid erzeugen. Sie glauben, die ZT-Werte von gegenwärtig bis zu 1,1 durch eine Optimierung des Verfahrens noch deutlich steigern zu können.

Im Laufe des Jahres 2011 wird zudem in Colonie, New York, die Firma ThermoAura Inc. gegründet – basierend auf der Doktorarbeit von Rutvik J. Mehta am RPI, dessen Forschungen zu neuartigen skalierbaren Methoden zur Synthese von Nanomaterialien die Grundlage der Kerntechnologie des Unternehmens bildet. Mehta gründet die ThermoAura zusammen mit seinen Doktorvätern, den Professoren Ganpati Ramanath und Theodorian Borca-Tasciuc, mit denen gemeinsam auch das entsprechende Patent beantragt worden war (US-Nr. 8.524.362, angemeldet 2010, erteilt 2013). Ramanath fungierte übrigens von 2008 bis 2010 als Direktor des New York State Center for Future Energy Systems.

Nach der ersten Geldbeschaffung im Jahr 2012 beginnt die Firma mit der Entwicklung und Hochskalierung der Technologie, um sie aus dem Labor zu holen, und im Februar 2013 erhält die ThermoAura von der New York Energy Research and Development Authority (NYSERDA) einen Zuschuß in Höhe von 393.000 $, um die Kommerzialisierung zu unterstützen. Um die Produktion auf eine kommerzielle Ebene zu bringen arbeitet ThermoAura mit dem ebenfalls in Troy beheimateten technischen Beratungsunternehmen Ceralink Inc. zusammen.

Im Mai 2013 schließt das Startup eine Vereinbarung mit der Eastern New York Angels LLC. Der Fonds wird im Laufe dieses Jahres 250.000 $ in ThermoAura investieren. Damit sollen weitere Forschungs- und Enwicklungsarbeiten durchgeführt und die Produktionsfläche ausgebaut werden, um bereits im Herbst mit der Produktion zu beginnen. Im Oktober folgt ein Zuschuß der National Science Foundation (NSF) in Höhe von 750.000 $, der Mittel für weitere F&E-Arbeiten bis 2015 zur Verfügung stellt. Prof. Ramanath selbst wird Im Jahr 2013 mit dem Friedrich-Wilhelm-Bessel-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung ausgezeichnet.

Die bislang letzten Meldungen auf der Homepage der ThermoAura stammen vom Januar 2015. Zu diesem Zeitpunkt bietet die Firma eine Reihe individuell anpaßbarer thermoelektrischer Nanokristalle in Form von Nanopulver an, die zur Herstellung von TE-Zellen verwendet werden können. Im Einzelnen werden die folgenden Produkte aufgezählt: Bismut-Tellurid, Bismut-Tellurid-Selenid, Antimon-Tellurid und Antimon-Bismut-Tellurid (in zwei Mischungsverhältnissen) sowie Bismut-Selenid. Zudem wird die Herstellung spezieller Wafer und Ingots aus den Nanopulver angeboten.

Im Mai 2016 gibt es wieder wissenschaftliche Neuigkeiten, als in der Fachpresse über eine Zusammenarbeit zwischen Forschern des RPI, der University of Missouri und dem Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart berichtet wird. Ziel ist eine signifikante Verbesserung der Effizienz des thermoelektrischen Materials Bismut-Tellurid-Selenid durch die Dotierung mit winzigen Schwefelmengen.

Diese Forschung wird von IBM über das Rensselaer Nanotechnology Center, von S3TEC, einem vom US-Energieministerium Energy finanzierten Frontier Research Center, vom Australian Research Council (ARC) sowie der University of Wollongong gefördert.


Im August 2008 meldet das japanische Unternehmen Furukawa Co. die Entwicklung eines eigenen Skutterudit-Thermoelektrikums. Die Firma stellt ein Modul in den Maßen 5 x 5 cm und einer Dicke von 8 mm vor, das etwa 140 g wiegt. Wird die Oberseite auf 720°C erhitzt, während der Boden bei 50°C gehalten wird, erzeugt das Modul 33 W.

Für automotive Anwendungen sollen rund 20 dieser Module um die Abgasanlage herum befestigt werden. Die rund 7 % der Abwärme, die in Strom umgewandelt werden, könnten den Kraftstoffverbrauch Berechnungen des Unternehmens zufolge um rund 2 % senken. Mit der Massenproduktion soll innerhalb von drei Jahren begonnen werden.


Auf der Clean Technology Messe CopenMind in Kopenhagen im September 2008 stellen auch mehrere Universitäten aus Japan ihre neuesten Forschungsergebnisse vor. Eine der interessantesten Entwicklung stammt von einem Team der Tokyo University of Science um Prof. Tsutomu Iida, das sich mit Siliziumschlamm befaßt hat, einem Abfallprodukt der Elektronikindustrie.

Bei dem Verfahren der Silizium-Wafer-Herstellung werden etwa 60 % des anfänglichen Materials als Siliziumschlamm verworfen, und auch die Herstellung von Solarzellen produziert Siliziumschlammabfälle. Iida und sein Team entwickeln daher eine Technologie, die den Schlamm in Magnesiumsilizid (Mg2Si) umwandelt, ein thermoelektrisch einsetzbares Material.


Der Elektronik-Hersteller Murata Manufacturing Co. Ltd. wiederum präsentiert auf der Ceatec Messe im Oktober 2008 in Japan den Prototyp einer thermoelektrischen Vorrichtung, die bei 360°C bis zu 38 mW/cm2 erzeugt. Bis zu einem vermarktbaren Produkt werden dem Unternehmen zufolge aber noch mindestens zehn Jahre vergehen.


Ende 2008 meldet der Chiphersteller Cypress Semiconductor Corp. aus San Jose, Kalifornien, daß er eine spezielle Abteilung gegründet habe, um Thermoelektrische Anwendungen zu erforschen – gemeinsam mit Wissenschaftlern der Berkeley University. Anstelle von Bismut-Tellurid wollen die Kalifornier mit Gallium-Arsenid experimentieren. Die geplanten Geräte sollen in Autos verwendet werden – bislang scheint allerdings noch kein marktfähiges Produkt entwickelt worden zu sein.


Im Laufe des Jahres 2008 kommt es außerdem zu mehreren Firmengründungen. Dazu gehört die MicroPower Global Ltd., die mit ihrem MicroPower Chip einen neuen Festkörper-Halbleiter ohne bewegliche Teile vorstellt, der ähnlich wie eine thermoelektrische Vorrichtung Temperaturdifferenzen direkt in Elektrizität umwandelt oder alternativ bis -200°C kühlen kann.

Der Chip war ursprünglich im Jahr 2000 von Victor Sevastyanenko erfunden und dann unter dem Namen Thermal Chip erstmals 2001 von der Firma Eneco Inc. patentiert worden, die ihr Labor im Forschungspark der University of Utah in Salt Lake City hatte.

2002 wird die Effektivität des genutzten Materials, über das ansonsten strengstes Stillschweigen bewahrt wird, von verschiedenen unabhängigen, anerkannten Quellen getestet und bestätigt, darunter dem National Institute of Standards & Technology (NIST). Danach hört man nichts mehr davon, bis die Eneco (die übrigens nichts mit dem gleichnamigen niederländischen Energieversorgungsunternehmen Eneco zu tun hat) im Januar 2008 Konkurs anmeldet.

Die neugegründete MicroPower Global erwirbt die Rechte an der Technologie und nutzt ihre guten Beziehungen zur Texas State University um die Chips ab 2010 gemeinsam zu testen und zu perfektionieren. Was sich als nicht so einfach erweist, denn erst im Juli 2011 wird gemeldet, daß man die Arbeiten nun in eine Produktionsstätte im neuen Science, Technology and Advanced Research (STAR) Park der Universität verlegen will, wo die exklusive Verwendung eines V100 Molecular Beam Epitaxy (MBE) Systems mit zwei Betriebskammern der Firma erlaubt, täglich etwa 5.000 Module herzustellen.

Die Fähigkeit, Wärme bei Temperaturen von 200 – 600°C zu ernten, sowie bei den Prototypen erzielte Wirkungsgrade von bis zu 15 % machen den MicroPower Chip der Firma zufolge zum neuen thermoelektrischen Standard für die Abwärmerückgewinnung und eröffnet neue globale Märkte. Weshalb man mit dem US Army Research Laboratory und anderen Partnern zusammenarbeitet, um verschiedene Anwendungen zu entwickeln. Doch auch diesmal geht nicht alles so schnell, wie erhofft.

Im Juli 2013 startet die MicroPower Global eine Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter, bei der 250.000 $ eingesammelt werden sollen, um 100.000 weiter verbesserte Chips zu produzieren und diese als kostenlose Demo-Chips an industrielle Anwender zu liefern. Eine gute Absicht, die aber kaum honoriert wird, denn es kommen nur 18.200 $ zusammen.

Dafür wird im November der Umzug in den STAR Park abgeschlossen, wo ab August 2014 die ersten kommerziellen Prototypmodule für Prüfungen durch Dritte hergestellt werden. Im Dezember folgt der Erwerb von Ingot-Ausrüstungen des Colorado Research Labs zur Produktion des Basismaterials im eigenen Haus.

Im April 2015 wird ein erster Prüfstand in einem großen Zementwerk in Zentraltexas installiert, im August werden Prototypmodule an die Firma Power Practical geliefert (s.u.), die anschließend über eine signifikante Leistungssteigerung gegenüber aktuellen thermoelektrischen Modulen berichtet, und im Dezember beginnt eine Zusammenarbeit mit dem National Renewable Energy Laboratory zur solarthermischen Energieerzeugung.

Die jüngsten Meldungen stammen vom Februar 2016, als das US Army Research Laboratory einen Bericht über Modultests veröffentlicht, und vom März, als das erste thermoelektrische Generatorsystem an eine Kamin-Produktionsfirma geliefert wird.


Weiter mit der Thermoelektrizität...