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Andere Wärmeenergie-Systeme


Hier möchte ich einige der grundlegenden Effekte aufzählen, die uns im Bereich der Wärmeenergie begegnen - sowie die wichtigsten aktuellen Entwicklungen und umgesetzten Technologien darstellen, die mit ihnen zusammenhängen.


Der Curie-Effekt


Im Rahmen der Wirkungen von Wärmeeinflüssen ist als erstes der sogenannte Curie-Effekt zu nennen, bei dem es sich um eine Art molekularen ‚Vergessensseffekt’ handelt. Denn alle ferromagnetischen Körper verlieren oberhalb einer für die einzelnen Substanzen charakteristischen Temperatur ihre ferromagnetischen Eigenschaften. Dies stellte 1895 Pierre Curie fest, und nach ihm ist dieser Temperatur-Schwellenwert dann auch benannt worden (Curie-Temperatur).

Genau betrachtet handelt es sich um ein Temperaturintervall mit Hysterese, und die hier angegebenen Zahlen sind der Einfachheit halber Mittelwerte:

Kobalt
1.130°C
Eisen
780°C
Nickel
370°C
Gadolinium
17°C

Auch wenn man ferromagnetische Legierungen erhitzt, werden diese beim Erreichen einer genau festliegenden Sprungtemperatur plötzlich paramagnetisch.

Im Zusammenhang mit Elektromotoren und Elektrogeneratoren wurde und wird versucht, diesen Effekt zur Energieerzeugung zu nutzen. Bislang sind mir aber noch keine entsprechenden Umsetzungen bekannt geworden. Der Curie-Effekt wird jedoch häufig zur hochpräzisen Temperaturmessung genutzt.


Der Thermoelektrische Effekt / Seebeck-Effekt (TEGs) (I)


Schon im 18. Jahrhundert berichten namhafte Forscher wie beispielsweise Nicolas Lémery (1717), Aepius (1762), Joseph Priestley (1767), Johann Wilhelm Ritter (1798) oder Johann Salomo Christoph Schweigger (1810), daß elektrische Erscheinungen hervorgerufen werden können, wenn man gewisse Materialien erwärmt. Sie denken darüber nach, ob man daraus vielleicht eine der Volta-Säule ähnliche, aber mit Wärme arbeitende elektrische Batterie herstellen könne.

Seebeck-Versuch Grafik

Seebeck-Versuch (Grafik)

Doch erst der deutsche Physiker Thomas Johann Seebeck (1770 – 1831) beschäftigt sich eingehend mit diesen Beobachtungen und berichtet zum ersten Mal auf einer Tagung der Berliner Akademie der Wissenschaften im August 1821 über den später nach ihm benannten Seebeck-Effekt.

In seinem ursprünglichen Experiment beobachtet er die Bewegung einer Kompaßnadel, wenn sich diese in der Nähe einer geschlossenen Schleife aus zwei Metallen (Eisen und Kupfer) mit unterschiedlichen Temperaturen befindet. Er beschreibt dies allerdings als eine rein magnetische Wirkung, die er demzufolge Thermomagnetismus nennt („magnetische Polarisation durch Temperaturdifferenz“). Anderen Quellen zufolge soll er jedoch erkannt haben, daß die Bewegung der Kompaßnadel das Auftreten eines elektromagnetischen Feldes belegt.

Auf Grundlage seiner Forschungen stellt Seebeck auch als erster eine ‚thermomagnetische Reihe’ auf, die von späteren Forschern dann als ,Thermoelektrische Spannungsreihe’ verifiziert und ergänzt wird.

In einem im Jahr 1994 veröffentlichten Sonderband zur Thermoelektrik von dem ukrainischen Prof. L. I. Anatychuk wird aber auch erwähnt, daß sich schon Volta selbst um 1794 herum mit dem thermoelektrischen Effekt beschäftigt haben soll – womit die Thermoelektrik sogar älter wäre als die Elektrizität. Volta zu Ehren wird im Jahr 2005 in seinem Geburtsort Como jedenfalls eine entsprechende Gedenktafel aufgehängt (Dank an Prof. Dr. Georg Bastian für diesen Hinweis).


Die Umsetzung des thermoelektrischen Effekts ist ausgesprochen einfach: Verbindet man zwei ungleiche, elektrisch leitende Materialien, z.B. zwei verschiedene Metalldrähte, an einem Ende miteinander und erwärmt diese Verbindungs- bzw. Kontaktstelle, so kann zwischen den beiden kalten Enden der Drähte eine elektrische Spannung gemessen und damit Strom erhalten werden. Hierbei ist die Spannung von der Art der verwendeten Materialien und von der Temperaturdifferenz zwischen heißer und kalter Kontaktstelle abhängig.

Verantwortlich dafür sind die Thermodiffusionsströme von Elektronen. Am wärmeren Ende des Thermoelektrikums haben die Elektronen eine größere Beweglichkeit als am kalten Ende. Weil sie sich dadurch besser verteilen können, nimmt die Elektronendichte im Vergleich zum kalten Ende ab. Wegen dieser ungleichen Verteilung wird eine elektrische Spannung aufgebaut, die so lange währt, bis die Temperaturdifferenz ausgeglichen ist. Die durch den Seebeck-Effekt hervorgerufenen Spannungen sind allerdings sehr klein (einige Mikro-Volt per Grad Temperaturdifferenz), doch durch das Zusammenschalten sehr vieler Thermoelemente kann man auch technisch relevante Spannungen erzeugen.

Der enorme Vorteil: Das System erlaubt eine direkte Erzeugung elektrischer Energie aus Wärme, ohne den verlustreichen Umweg über mechanische oder andere Wandler-Systeme. Es gibt keine beweglichen Teile, keine Betriebsflüssigkeiten, und nur sehr wenig, was falsch gehen kann. Ein signifikanter Nachteil ist allerdings der außerordentlich geringe Gesamtwirkungsgrad von anfangs höchstens 1 – 2 %, wobei der theoretische Wirkungsgrad bei 10 % liegt.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fehlt es nicht an Versuchen, diese bequeme Art der Energieerzeugung zu verbessern und nutzbringend umzusetzen. Die entsprechenden Geräte aus in Reihe geschalteten Thermoelementen nennt man anfangs - in Anlehnung an die Voltaischen Säulen - Thermoelektrische Säulen oder Thermosäulen (Thermopiles), später und bis heute werden sie Thermogeneratoren oder Thermoelektrische Generatoren (TEG) genannt. Neben der Stromerzeugung ist der Effekt auch die Basis für das Thermoelement (TE) in seiner Form als bis heute weit verbreitete Methode der Temperaturmessung. Diverse aktuelle Umsetzungen lassen sich auch im Kapitel Micro Energy Harvestung unter Wärme finden (s.d.).


Vorangestellt sei noch eine interessante Betrachtung von Christian Mähr, der in seinem beachtenswerten, im Jahr 2002 erschienenen Buch Vergessene Erfindungen - warum fährt die Natronlock nicht mehr? den Seebeck-Generator als eine Erfindung mit weitreichenden Folgen im historisch negativen Sinn bezeichnet. Sie wurde gemacht, aber kaum genutzt. Dadurch ist vieles unterblieben, was im anderen Fall geschehen wäre: Eine Entwicklung der Technik unter dem Paradigma der direkten Energieumwandlung. In Beantwortung der Frage: ,Was wäre gewesen, wenn ...?’, schreibt Mähr:

„Beim Seebeck-Effekt entsteht Gleichstrom, wir aber leben in einer Wechselstromkultur; der Wechselstrom stammt aus riesigen Generatoren, die von Dampfturbinen angetrieben werden, die umso besser funktionieren, je größer sie sind. Die Konzentration der Bereitstellung der Energie in großen Dampfkraftwerken liegt schon in der Dampftechnik begründet. Beim Seebeck-Effekt ist das nicht in derselben Weise gegeben. Er hätte sich wahrscheinlich eher für kleine Einheiten und dezentrale Bereitstellung geeignet.

Im Nebel des historischen Möglichen zeichnen sich zwei alternative, technische Kulturen ab: Auf der einen Seite Wechselstrom aus großen Einheiten, auf Hochspannung transformiert (weil er mit möglichst geringen Verlusten über große Entfernungen geleitet werden muß), entsprechend große Verwaltungseinheiten der Energieerzeugung, ,Energieriesen’. Starre Bindung an einem Primärenergieträger (Kohle, Öl, Atom). Diesen Zweig haben wir verwirklicht.

Auf der anderen Seite Gleichstrom mit relativ niedriger Spannung, erzeugt auf Haus- oder Stadtteilniveau, völlig dezentral in Einheiten vom ,Ofentyp’. Energieriesen gibt es keine, dafür eine breite Palette möglicher Primärenergieträger mit früher Einbindung von Biomasse und Sonne. Das wäre der nicht verwirklichte ,Seebeck-Weg’.“


Die ersten thermoelektrischen Säulen werden um 1823 von dem dänischen Physiker und Chemiker Hans Christian Ørsted gemeinsam mit dem französische Mathematiker und Physiker Jean Baptiste Joseph Fourier gebaut. Ørsted hatte 1820 die magnetische Wirkung des elektrischen Stromes entdeckt und stellt nun fest, daß der thermoelektrische Effekt ein elektromagnetischer Prozeß als Folge der Erzeugung einer Potentialdifferenz (Spannung) ist, weshalb er dafür die Bezeichnung ,thermo-elektrischer Kreis’ einführt. Beide Wissenschaftler nutzen für ihre Säulen in Serie geschaltete Paare von kleinen, zusammengeschweißten Antimon- und Bismutstäben (Bismut = Wismut, veraltet auch Wismuth).


Ebenfalls im Jahr 1823 entdeckt der deutsche Finanzrat und Physiker Julius Conrad von Yelin thermomagnetische Ströme in Metallen und meint auch bewiesen zu haben, daß alle Metalle thermoelektrisch wirken.


Einer der berühmtesten Thermosäulen-Benutzer seiner Zeit ist der deutsche Physiker Georg Simon Ohm, der 1825 die Beziehung zwischen Strom und Spannung untersucht, indem er Drähte mit unterschiedlichem Widerstand über eine voltaische Säule verbindet – und nahe daran ist, diese kurzzuschließen. Nachdem einem anfänglichen Anstieg des Stroms führt die schnelle Polarisation der Säule dazu, daß die Spannung stetig abnimmt, was die Messungen beträchtlich kompliziert.

Als Ohm auf Rat eines Kollegen die voltaische durch eine Thermosäule ersetzt, sind die Ergebnisse viel besser, wodurch er im Frühjahr 1826 die Proportionalität zwischen Stromstärke und Spannung in einem elektrischen Leiter bestimmen kann – was als ohmsches Gesetz in die Terminologie der Elektrizitätslehre eingeht. Die Proportionalitätskonstante wird als elektrischer Widerstand bezeichnet, dessen SI-Einheit das Ohm ist (Ω).


Der französische Physiker Antoine César Becquerel, der 1819 die Piezoelektrizität entdeckt hatte, beobachtet im Jahr 1823 im Zuge seiner Forschungen zur Thermoelektrizität auch Thermoströme an einmetallischen Kreisen. 1826 empfiehlt er dann die Verwendung eines Thermoelementes aus Platin und Palladium zur Herstellung eines elektrischen Thermometers, womit er als erster den Werkstoff Platin in die thermoelektrische Meßtechnik einführt - dem bis heute gebräuchlichen Werkstoff zum Bau von Edelmetall-Thermoelementen.


1826
(andere Quellen: 1828 bzw. 1831) wird die Thermosäule von den italienischen Physikern Leopoldo Nobili und Macedonio Melloni weiterentwickelt (Thermomultiplier o. Electric Thermoscope) und zunächst für Messungen von Temperatur und Infrarotstrahlung verwendet - aber auch schnell als stabile Stromversorgung für diverse physikalische Experimente eingesetzt. Ein W. Sturgeon untersucht 1831 wiederum das thermomagnetische Verhalten von Metallen, die in verschiedenen Gestalten gegossen worden sind.


Prof. John P. Emmet von der  University of Virginia führt 1834 Versuche mit den thermo-magnetischen Erscheinungen von kalten und heißen Metallen durch, die aufeinander angeordnet sind. Einen entsprechenden Bericht veröffentlicht er im Band 26 des American Journal of Science in Form eines Briefes an den Herausgeber.


Eine der ältesten erhaltenen Thermosäulen, die im Conservatoire National des Arts et Metiers (CNAM) in Paris zu sehen ist, soll auf den französischen Physiker Claude Servais Mathias Pouillet um das Jahr 1840 herum zurückgehen, einem Pionier bei der Detektion von Infrarotstrahlung, der u.a. einen selbst entwickelten Pyroheliometer benutzt, um die Intensität der Sonnenstrahlung zu messen.

Thermosäule von Rühmkorff

Thermosäule von Rühmkorff

Im selben Museum wird auch eine weiterentwickelte Thermosäule des deutsch-französischen Mechanikers und Elektrotechnik-Forschers Heinrich Daniel Rühmkorff gezeigt, die um 1860 entstanden sein soll. Rühmkorff ist bekannt für die bemerkenswerten Verbesserungen, die er bei der Induktionsspule gemacht hat.

Die Gasbrenner seiner Thermosäule befinden sich im Inneren des schwarzen Körpers der Vorrichtung; das Ventil für die Gaszufuhrleitung ist unten links zu sehen. Die Messingtanks beinhalten das Kühlwasser für die kalten Seiten der Anschlüsse. Ein interessantes Merkmal ist der gleitende Kontakt an der Oberseite, der es ermöglicht, die Ausgangsspannung durch Verbinden einer veränderlichen Anzahl von Übergängen zu ändern. Die Ausgangsklemmen befinden sich oben rechts. Die abgebildeten Fotos der Thermosäulen von Pouillet und Rühmkorff stammen von Douglas Self.


Über den 1834 entdeckten Peltier-Effekt, demzufolge ein elektrischer Strom an der Verbindungsstelle von zwei ungleichen Metallen Wärme oder Kälte produziert, berichte ich weiter unten (s.d.).


Im Jahr 1843 meldet Moses Poole ein Patent zur Nutzung von Thermoelektrizität anstelle von Batterien zur Speicherung von Elektrizität an – lange bevor es praktische Dynamos und Generatoren gibt (GB-Nr. 9741). Poole ist der Patentanwalt von Werner von Siemens, damals noch ein junger Artillerieoffizier, der im Jahr zuvor sein erstes preußisches Patent für eine neuartige Galvanisierungstechnik beantragt hatte.


1851 entdeckt der deutsche Physiker und Chemiker Heinrich Gustav Magnus (über dessen bekannten Magnus-Effekt ich im Kapitel Windenergie bei den Flettner-Rotoren berichte), daß die Seebeck-Spannung nicht von der Verteilung der Temperatur entlang der Metalle zwischen den Knotenpunkten abhängt, was darauf hinweist, daß die Thermokraft eine thermodynamische Zustandsfunktion ist – was die physikalische Basis für ein Thermoelement (TE) ist.


Über thermoelektrische Erscheinungen an gleichartigen Metallen berichtet erstmals der deutsche Physiker Rudolph Franz in den Annalen der Physik im Jahr 1855. Franz hatte bereits 1853 gemeinsam mit Gustav Heinrich Wiedemann des Wiedemann-Franzsche Gesetz entwickelt, das besagt, daß das Verhältnis von elektrischer Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit bei allen reinen Metallen bei konstanter Temperatur nahezu gleich ist.


Der aus dem  deutschen Malchin stammende Siegfried Samuel Marcus, ein später überwiegend in Wien lebender Mechaniker und Erfinder, der 1864 für seine Thermosäule einen Preis der Wiener Gesellschaft für die Förderung der Wissenschaft gewinnt, kann die Rechte daran im darauf folgenden Jahr für 2.500 fl. an die Österreichische Akademie der Wissenschaften verkaufen (was einer Kaufkraft im Jahr 2000 von ca. 22.500 € entspricht), und dies, obwohl der Wirkungsgrad des Geräts nur 0,0035 % beträgt.

Das negative Metall der Thermosäule von Marcus besteht aus einer 10:6:6-Legierung von Kupfer, Zink und Nickel, während das positive Metall aus einer 12:5:1-Legierung von Antimon, Zink und Bismut gebildet wird. Ein Fehler dieser Konstruktion ist der rascher Anstieg des Innenwiderstands, da die beiden Legierungen an ihrem Kontaktpunkt schnell oxidieren.


Im Jahr 1866 konstruiert der französische Physiker Alexandre Edmond Becquerel (Sohn des o.g. Antoine César Becquerel und Vater des Entdeckers der Radioaktivität Antoine Henri Becquerel) eine Thermosäule, deren Kontaktpunkte aus Kupfersulfid und Silber bestehen. Erhitzt wird sie mit einem Gasbrenner.


Einer der ersten erfolgreichen Versuche, Thermosäulen in der Industrie zu implementieren, geht auf den amerikanischen Elektroingenieur und Erfinder Moses Gerrish Farmer aus Salem in Massachusetts zurück, der u.a. bereits 1847 eine elektro-magnetische Lokomotive konstruiert, 1852 in Boston die erste elektrische Brandmeldeanlage installiert und 1859 einen selbsterregten Dynamo konzipiert hatte.

Farmers patentierte Glühlampe erwirbt übrigens Thomas Edison, der sich selbst 1883 mit dem thermoelektrischen Effekt beschäftigt haben soll.

Ein gemeinsam mit H. J. Smith aus Boston im Jahr 1865 beantragtes Patent beschreibt eine verbesserte thermoelektrische Batterie (US-Nr. 51.442; vgl. Nr. 109.603 von 1870), und auf der Weltausstellung von 1867 in Paris kann Farmer zwei seiner neuen Modelle ausstellen. Diese basieren auf ,Deutschem Silber’ (60 % Cu, 20 % Ni und 20% Zn) als negativem und einer Antimon-Zink-Legierung als positivem Material. Die Thermosäulen werden zwar mehrere Jahre in der Industrie verwendet, der rasche Verlust ihrer Kapazität und die Zerbrechlichkeit der thermoelektrischen Stäbe verhinderten jedoch ihren weitverbreiteten Gebrauch.

Farmer, der schon im Jahr 1868 einen Raum seines Hauses in Salem für mehrere Monate mit einem selbst erfundenen Dynamo beleuchtet – was als der weltweit erste Einsatz von Glühlampen im Innenbereich gilt – ist zwar ein Pionier vieler elektrischen Erfindung des 19. Jahrhunderts, da seine Frau und er aber Spiritualisten sind, betrachten sie ihre Talente als gottgegeben und wollen selbst keine Anerkennung für die Erfindungen. Infolgedessen scheitert Farmer aber auch damit, seine Ideen zu kommerziellem Erfolg zu führen.

Thermosäule von Clamond und Mure Grafik

Thermosäule von
Clamond und Mure
(Grafik)


Die 1870 von den französischen Ingenieuren Charles Clamond und Louis Mure erfundene Thermosäule wird in einem Bericht des Telegraphic Journal vom November 1872 wie folgt beschrieben: „Unter den verschiedenen in jüngster Zeit erfundenen thermo-elektrischen Säulen vereinigt die der Herren Mure und Clamond am besten die Bedingungen der Ökonomie mit denen der Solidität und Stärke.“

Die Konstruktion eignet sich für die Ausführung in großem Maßstab und liefert in ökonomischer Hinsicht sehr vorteilhafte Resultate; die Anordnung läßt sich überdies so abändern, daß sie mit Gas, Petroleum oder sogar mit Koks beheizt werden kann. Die Elemente, Eisen und Bleiglanz (eine Zink-Antimon-Legierung), aus denen jedes Paar besteht, werden beide selbst bei sehr hohen Temperaturen nicht angegriffen und sind zudem sehr billig.

Da die Hauptanwendung dieser Vorrichtungen die Galvanisierung ist, wird der Ausgangsstrom mit der Aussage bemessen, daß eine Säule von 60 Elementen gasbefeuert pro Stunde durch Elektrolyse rund 3,3 g Kupfer abscheiden kann, während dabei 150 Liter Gas verbraucht werden. Der französischen Zeitschrift La Nature im Jahr 1874 zufolge ist eine dieser Thermosäulen bei der Druckerei der Banque de France im Einsatz, vermutlich ebenfalls für die Galvanisierung. Zwei Exemplare sind heute im Historischen Museum der Universität Pavia in der Lombardei in Italien zu sehen.

Nach einem Bericht des Bulletin de Ronen im Jahr 1879 werden Clamonds Säulen inzwischen auch zur Erzeugung von elektrischem Licht verwendet. Eine entsprechend weiterentwickelte größere Ausführung namens Clamond Improved Thermopile, verbraucht demnach in der Stunde 10 kg Koks und liefert Strom für zwei elektrische Lichter, die je 40 Gasbrennern entsprechen; dabei kann die zur Erzeugung der Elektrizität nötige Wärme auch zur Heizung der Zimmer benutzt werden.

Den Quellen zufolge beträgt die Maximalleistung des aus 3.000 Elementen bestehenden Geräts von knapp 2,5 m Höhe und einem Durchmesser von 1 m rund 192 W bei 54 V und 3,5 A. Die TE basieren auf der Legierung von Marcus (66,6 % Zn und 33,3 % Sb) als negatives Material und Eisen positives. Dieser effiziente und leistungsfähige Generator übertrifft alle anderen ähnlichen Säulen und gilt als der beste TEG zu diesem Zeitpunkt – wofür er auch den Goldpreis der Französischen Nationalen Industrie gewinnt.

Eine kleinere Säule ist wiederum so eingerichtet, daß sie als vier verschiedene Säulen wirken kann, deren jede einen Strom zu liefern vermag, welcher einem Licht von 20 bis 25 Gasbrennern entspricht, was die Aufstellung von vier Lampen an vier verschiedenen Orten erlaubt.

Das Bulletin berichtet ferner, daß in Frankreich eine Gesellschaft namens Générateur Thermoélectrique Co. mit einem Stammkapital von 5.000.000 Franc gebildet worden sei, welche im Jahr 1876 mit der Massenproduktion von Clamond’sche Säulen begonnen haben soll, um die in allen relevanten Ländern angemeldeten Patente auszubeuten.

Es stellt sich jedoch bald heraus, daß die Generatoren ernsthafte Probleme haben: Das thermoelektrische Material (TM) schmilzt und oxidiert zu schnell, zudem blättert es bei Abkühlung der heißen Seite ab, was die Effizienz stark beeinträchtigt. Clamond benötigte vier Jahre, um neue TMs zu entwickeln und den Bau der anfälligen Elemente zu verändern.

Mehrere Monate, nachdem der neue Clamond-Generator im Mai 1879 der französischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt worden war, überträgt Clamond die gesamten Rechte an diesem Generator an eine Industriegruppe, die auf dem Gebiet des elektrischen Lichts und der Telekommunikation tätig ist. Als Ergebnis dieser Transaktion endet seine Forschung auf dem Gebiet der Thermoelektrizität – und der beste TEG des 19. Jahrhunderts wird in der Industrie nie verwendet.

Noë-Thermosäule Grafik

Noë-Thermosäule
(Grafik)


Während sich die Wissenschaftler hauptsächlich mit verschiedenen Erklärungsmodellen herumschlagen und fleißig weitere Versuche durchführen – viele davon mit Quecksilber – wird im Jahr 1871 über eine neue Thermosäule von großer Wirksamkeit berichtet, welche Franz Noë aus Wien erfunden hat. Sie besteht aus einer Anzahl von Einzelelementen, etwa 7 mm dicken und 27 mm langen Stäbchen aus 83 % Antimon und 37 % Zink.

Die robusten Elemente liegen in einem Kreis herum auf einer Glimmerplatte, die dazu dient, die Flamme des mittigen Gasbrenners auszubreiten. Die Kaltstellen werden durch vertikale Streifen an der Außenseite mittels Abstrahlung und Konvektion gekühlt. Mit 128 TE wird eine Spannung von ca. 2 V erreicht.

Zu den besonderen Vorzügen der neuen Säule gehört neben ihrer Dauerhaftigkeit, daß sie auch ohne nasse Kühlung – nämlich mit einer Luftkühlung – funktioniert, was ihre Handhabung viel bequemer macht. Im Jahr 1872 bietet Noë eine besondere Gattung kleiner Säulen an, die mit der Flamme einer gewöhnlichen runden Weingeistlampe oder der eines Bunsenbrenners beheizt wird und (ohne Lampe) nur 12 Gulden kostet.

Diese Hochleistungsversion ist von kleinen zylindrischen Lamellen zur Kühlung der Kaltstellen umgeben und kann heute ebenfalls im Historischen Museum der Universität Pavia bewundert werden.


Ein Franzose namens E. Sudré, über den ich bislang  noch keine weiteren Details herausfinden konnte, soll um 1880 herum Thermosäulen mit bis zu 720 Elementen und einer Ausgangsspannung von 40 V hergestellt haben (die meisten anderen Modelle haben 36, 72, 108 oder 144 Elementpaare).


Besonders interessant finde ich einen 1882 erschienen Bericht über die Verwendung der Thermoelektrizität in der Technik von Ferdinand Fischer, der von seinen Experimenten mit kleinen Thermosäulen der Firma Koch aus Eisleben handelt, die im Wesentlichen dem Clamond’schen Modell gleichen und besonders zum Gebrauch in chemischen Laboratorien gut geeignet sind. Der erzeugte Strom genügt, um kleine mechanische Geräte wie Motoren und Pumpen, sowie einen kleinen Funkeninduktor in Netrieb zu setzen.

Neben dem Fakt, daß die Thermosäulen bequem zu handhaben und im Gegensatz zu dynamo-elektrischen Maschinen wenig Reparatur bedürfen, wird insbesondere hervorgehoben, daß diese Geräte für die Technik sehr wichtig werden würden, da mit ihrer Hilfe die „jetzt noch vielfach verlorene Wärme ausgenutzt werden könnte.“


Der französische Chemiker und Physiker Henry Louis Le Chatelier entwickelt 1885 das erste Thermoelement, das in der praktischen Meßtechnik Anwendung findet. Dessen positiver Schenkel besteht aus einer Platin-Rhodium-Legierung mit einem Rhodiumanteil von 10 %, der negative Schenkel aus reinem Platin. Le Chatelier konstruiert zudem ein thermoelektrisches Pyrometer, mit dem man Temperaturen unterhalb des Bereichs eines Quecksilberthermometers messen kann.


Der Erste, der eine Stromerzeugung mit dem Seebeck-Effekt vorschlägt, ist im Jahr 1885 der englische Physiker John William Strutt, 3. Baron Rayleigh, Professor für Experimentalphysik und Leiter des Cavendish-Laboratoriums in Cambridge.

Hauck-Thermosäule Grafik

Hauck-Thermosäule
(Grafik)


Der deutsche Mechaniker und Elektrotechniker Wilhelm Philipp Hauck veröffentlicht 1883 eine aktuelle Beschreibung der hydro- und thermo-elektrischen Stromquellen mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der Praxis (,Die galvanischen Batterien, Accumulatoren und Thermosäulen’). Er scheint aber auch eine eigene Thermosäule entwickelt zu haben, die kommerziell in verschiedenen Größen hergestellt und in der wissenschaftlichen Lehre sowie der Galvanisierung eingesetzt wird.

Die Hauck-Säule wird durch eine Bunsenbrenner-ähnliche Vorrichtung mit Gas erhitzt, während die Kaltstellen durch eine Reihe von kleinen zylindrischen Tanks mittels Wasser gekühlt werden. Das Glasgerät in der Mitte dient vermutlich zur Anzeige des Gaszuflusses.


Im Jahr 1889 läßt sich ein M. W. Dewey aus Syracuse, New York, eine Methode zur elektrischen Kühlung patentieren (US-Nr. 413.136). Ob seine Firma Dewey Corp. daraus auch ein Produkt macht, ist nicht mehr festzustellen.


Der amerikanische Chemiker, Techniker und spätere Industrielle Edward Goodrich Acheson aus Pittyburg, Pennsylvania, der von 1880 bis 1883 als Mitarbeiter von Thomas Alva Edison arbeitete, meldet 1887 das Patent für eine Thermosäule unter dem Namen Thermo-Electric Generator an (US-Nr. 375.242). Über Versuche oder Umsetzungen ließ sich bislang nichts finden.


Im Jahr 1890 meldet der Amerikaner Harry Barringer Cox aus New Haven, Connecticut, unter dem gleichen Namen Thermo-Electric Generator ein eigenes Patent für eine Thermosäule an, die für den Einsatz im industriellen Gewerbe gedacht ist und Stäbe aus einer Mischung von Zink und Antimon besitzt (US-Nr. 434.428).

Cox-Thermosäule Grafik

Cox-Thermosäule
(Grafik)

Obwohl diese Mischung als die bislang beste entdeckte Legierung gilt, hat sie sehr schlechte mechanische und physikalische Eigenschaften. Schon das Mischen und Gießen der Stangen ist sehr schwierig, denn beide Metalle sind leicht oxidierbar, wenn sie geschmolzen sind, und lassen sich nicht gut vermischen. Zudem ist die Legierung so spröde wie Würfelzucker, es ist schwierig, sie mit anderen Metallen zu verbinden, und beim Abkühlen dehnt sie sich auch noch aus. Die großen Generatoren, die mit Koks oder Kohle beheizt werden, gelten daher als ziemlich unzuverlässig.

Cox entwickelt zudem viele kleine Thermobatterien, die man wie die damals üblichen Gas-Leuchten an die Wand montieren und mit Gas betreiben kann. Solche kleinen Geräte können etwa 6 W erzeugen, was ausreicht, um kleinere Akkumulatoren aufzuladen. Der Gasverbrauch wird mit ca. 45 l Leuchtgas pro Stunde angegeben.

Der ernsthafte Versuch, die Thermoelektrizität großräumig einzusetzen, scheitert jedoch daran, daß der zeitgleiche Siegeszug der Dynamo-Maschine nicht mehr aufzuhalten ist.


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