allTEIL C

MICRO ENERGY HARVESTING


FlÜssigkeiten (II)


Über ein weiteres bakterielles System, das die Ausscheidungen von Astronauten in Treibstoff zu verwandeln vermag, wird im Oktober 2011 berichtet. Forscher der Radbout Universität Nijmegen um den Mikrobiologen Mike Jetten beschreiben erstmals präzise das Bakterium Brocadia anammoxidans, das in einer Reaktion namens Anaeroben-Ammoniak-Oxidation (Anammox) den Raketentreibstoff Hydrazin produziert. Sie stellen dabei fest, daß das Hydrazin tatsächlich ein Zwischenprodukt ist, und erklären auch wie es gebildet wird.

Daß das Bakterium im Zuge der Anammox-Reaktion das im Urin enthaltene Ammoniak verzehrt und dabei Hydrazin abgibt, ist schon seit den 1990er Jahren bekannt. Als sich damals aber herausstellte, daß die mit dieser Methode erzeugbaren Hydrazin-Mengen nur sehr gering sind, verlor auch die NASA das Interesse, die zuvor noch mit Astronauten-Urin zum Mars fliegen wollte.

Jetten erforscht trotzdem die genaue Kristallstruktur des Proteinkomplexes, der dem Anammox-Bakterium seine außergewöhnliche Fähigkeit verleiht, um zumindest zu einer Verbesserung des Hydrazin-Produktionsprozesses beizutragen. „Und bis zum Marsflug vergehen ja noch einige Jahre“, so der Mikrobiologe.

Kommerziell wird die Anammox-Reagtion bereits in der Wasserpurifikation eingesetzt – als eine Alternative zur klassischen Kläranlage, die ebenso Stickstoff entfernt, dabei jedoch ohne Sauerstoff und somit auch ohne Luftpumpen auskommt, was den Vorgang wesentlich billiger macht.


Im Dezember 2011 folgen Berichte über ein Urin-System, das den passenden Namen Uri charger system trägt, umweltfreundlich und auch tragbar ist. Es verfügt über eine separate Einheit, die in die Seite einer passenden Toilette eingesteckt wird und den Urin von anderen Abfällen trennt. Dier Flüssigkeit kommt in einen Sammelbehälter, in welchem sich ein aus Schichten von Kupfer und Magnesium bestehender Metallstreifen befindet, welcher eine elektrische Ladung erzeugt, sobald er in Kontakt mit dem Urin kommt.

Das sehr handliche und leichte System, das pro 0,2 ml Urin bis zu 1,5 V Strom erzeugt, kann einfach transportiert werden, um insbesondere beim Camping, Wandern oder Trekking genutzt zu werden, wenn man an Orte gelangt, wo es möglicherweise keine Stromversorgung gibt. Leider ist inzwischen nicht mehr herauszufinden, wer diese Entwicklung durchgeführt hat – oder was aus ihr geworden ist.


Das Thema der Ammonium-Rückgewinnung und Energieerzeugung aus Urin wird auch von dem Centre of Excellence for Sustainable Water Technology (Wetsus) im niederländischen Leeuwarden verfolgt, wie einem im Februar 2012 veröffentlichen Bericht zu entnehmen ist.

Als Alternative zur energieintensiven Stickstoff-Rückgewinnung durch das Strippen von NH3, d.h. dem ,Ausblasen’ flüchtiger Stoffe aus einer wässrigen Lösung und Überführung in die Gasphase, das zudem große Mengen an Chemikalien erfordert, entwickeln die Wetsus-Forscher eine MFC, um das Ammonium wieder zu gewinnen und gleichzeitig Energie zu erzeugen.

Diese MFC verwendet eine Gasdiffusionskathode, wobei der Ammoniumtransport zur Kathode aufgrund der Abwanderung von Ammonium und der Diffusion von Ammoniak erfolgt. In der Kathodenkammer wird ionisches Ammonium aufgrund des hohen pH-Werts zu flüchtigem Ammoniak umgewandelt, welches von der Flüssigkeits-Gas-Grenze über Verflüchtigung und anschließende Absorption in einer sauren Lösung wiedergewonnen wird.


Im August 2013 ist zu erfahren, daß es Forschern der Ruhr-Universität Bochum (RUB) durch Genmanipulation gelungen ist, Mikroorganismen dazu bringen, Wasserstoff zu produzieren. Sie erreichen dies in einem zweistufigen Prozeß, bei dem Hydrogenasen entstehen, also Biokatalysatoren bzw. Enzyme, welche die reversible Oxidation des molekularen Wasserstoffs katalysieren. Ein einziges Hydrogenase-Molekül kann im günstigsten Fall 9.000 Wasserstoffteilchen pro Sekunde herstellen.

In einem weiteren Schritt sollen diese Moleküle in hoch produktive Bakterien eingeschleust werden, die in einer Nährlösung schwimmend und von der Sonne oder Kunstlicht beschienen wirtschaftlich relevante Mengen an Wasserstoff erzeugen. Damit seien MFCs möglich, die Sonnenlicht direkt in Strom umwandeln.

Trimble mit Dupe

Trimble mit Dupe


Im Februar 2014 berichten die Blogs über die Arbeit des Designers Peter Trimble, der eine eine tragbare Maschine namens Dupe vorstellt, die eine Mischung aus Sand, Bakterien und Urin verwendet, um einen Biostein herzustellen. Das Machbarkeits-Design, das derzeit für die Herstellung eines kleinen Hockers eingerichtet ist, war Teil eines offenen Auftrags während Trimbles Studiums am Edinburgh College of Art. Der Biostein ist nicht nur umweltfreundlich, sondern könnte auch problemlos als Ziegelstein für den Wohnungsbau in Entwicklungsländern oder abgelegenen Orten verwendet werden.

Das Verfahren zur Herstellung von Biostein besteht darin, eine Form mit Sand zu füllen, bevor eine Bakterienlösung von Bascillus pasterurii (der in einer Nährlösung gezüchtet wurde) in die Form gepumpt wird und die Mischung sich über Nacht etablieren kann. Anschließend wird eine Lösung aus Calciumchlorid, Harnstoff und Nährlösung in die Form gepumpt. Die Bakterien nutzen den Harnstoff als Energie, um das Kalziumchlorid zu absorbieren und in Kalziumkarbonat umzuwandeln, eine zementartige Mischung, die den Sand in der Form zusammenhält.


Schon im Mai folgt die Meldung, daß die französische Designgruppe Faltazi ein tragbares Kompostpissoir für große Festivals entwickelt hat, das dabei hilft, einen Heuballen in Dünger zu verwandeln. Der Name L’Uritonnoir leitet sich von den französischen Wörtern ,urinnoir’ (Urinal) und ,entonnoir’ (Trichter) ab, und ein einzelnes Uritonnoir sieht tatsächlich aus wie ein breiter Trichter mit einer spitz zulaufenden Spitze am Ende und ist entweder aus rostfreiem Stahl vorgefertigt oder aus einer flachen Polypropylenfolie zusammengefaltet.

Die einfachen Urinale sind so konzipiert, daß sie sich mit einem Heuballen als Ständer leicht aufstellen lassen. Der Dorn am Ende muß nur in bequemer Höhe in das Heu gesteckt und dann mit einem Riemen gesichert werden, der um den gesamten Ballen gewickelt wird. Je nach Größe des Ballens können so viele Uritonnoirs angebracht werden, wie benötigt.

Der Stickstoff im Urin reagiert mit dem Kohlenstoff im Stroh und beschleunigt den Zersetzungsprozeß, so daß ein ganzer Ballen in 6 - 12 Monaten zu Dünger wird. Im Rahmen von Faltazis größerem Projekt Ekovores, bei dem die Technologie ausgebaut und ergänzt wird, wird der Falt-Urinator für 31,80 € angeboten (Stand 2024).


Die Universidad de Alcalá in Madrid, Spanien, veröffentlicht im September 2014 eine Studie, in der es darum geht, in einem Bio-Elektrochemischen System (BES) die schrittweise Akklimatisierung von bioelektroaktiven Mikroorganismen an konzentriertes Human-Urin zu fördern, sowie unterschiedliche Anodenpotentiale und Kohlenstoffmaterialien in MFCs zu beurteilen.


Urin-MFC


Im April 2016 berichtet ein britisches Forscherteam um Jon Chouler von der University of Bath über die Entwickelung einer Miniaturbrennstoffzelle, die mit menschlichem Urin atbeitet, wobei als treibende Kraft hinter dem Prozeß Glucose sowie das Protein Ovalbumin genannt werden, das in Vogeleiern vorkommt.

Die biologischen Katalysatoren beschleunigen den Umwandlungsprozeß und sind im Gegensatz zu dem sonst als Katalysator verwendeten Platin nicht nur günstig, sondern auch erneuerbar und gut verfügbar. Bislang produziert die Brennstoffzelle zwar nur 2 W/m3, soll jedoch bei einen Stückpreis von 1 – 2,50 € eine günstige Methode bieten, elektrisch Energie zu erzeugen.


Im Juli 2016 kursieren in der Presse Meldungen über belgische Forscher um Arne Verliefde von der Universität Gent, die eine spezielle Filteranlage testen, um aus Urin Düngerstoffe und Trinkwasser heraus zu filtern. Damit soll eine Möglichkeit für Entwicklungsländer gefunden werden, beides auf möglichst billige Art und Weise zu gewinnen. Hier geht es wohlgemerkt nicht um eine Energiegewinnung.

Unter dem Motto ,peeforscience’ hatten die Wissenschaftler auf einem Musikfestival ein Pissoir aufgebaut und rund 1.000 Liter Urin gesammelt, aus dem mit einer speziellen Anlage Stickstoff, Kalium und Phosphor gefiltert und dazu rund 950 Liter Trinkwasser gewonnen wurden. Nun soll das Wasser in staatlichen Laboren getestet und dann zum Brauen eines Spezialbieres genutzt werden. Gemeinsam mit der Genter Stadtbrauerei De Wilde Brouwers hatten die Forscher bereits Bier aus geklärtem Abwasser gebraut – und als lecker befunden.


Daneben gibt es noch einige weitere Ansätze, Urin energetisch nutzen, die nicht auf bakteriellen Prozessen basieren.

Auf der Erfindermesse Maker Fair 2012 zeigen vier Mädchen aus Nigeria, alle im Alter von 14 und 15 Jahren, einen selbstentwickelten Urin-Generator, wofür sie auch prompt mit dem Erfinderpreis Africa 2012 ausgezeichnet werden. Das Gerät funktioniert über eine Elektrolysezelle, die den Wasserstoff im Urin abtrennt. Das H2 wird anschließend durch ein Wasserreinigungssystem geschleust und dann in eine Gasflasche gepreßt, von wo aus es in einen mit Natriumborat gefüllten Zylinder geführt wird, um die Feuchtigkeit aus dem Gas zu trennen. Der gereinigte Wasserstoff kann dann in dem Generator eingesetzt werden, wobei 1 Liter Urin Elektrizität für rund 6 Stunden liefert. Wieviel Strom dabei produziert wird, ist jedoch nicht bekannt.


An einer weiteren Anwendung von Urin arbeiten Forscher der Australian National University (ANU), die sich 2012 mit der Entwicklung eines neuen Plasmatriebwerks für tiefe Weltraummissionen befassen (s.d.). Im Gegensatz zu den meisten derartigen Triebwerken, die teure Edelgase wie Xenon verwenden, soll der Helicon Double Layer Plasma Thruster (HDLT) in der Lage sein, praktisch jede Art von Treibmittel zu verwenden, einschließlich menschlichem Urin.


Im April 2012 melden die Blogs, daß die Delft University of Technology Tests mit Ammoniak aus Urin durchführt, das für Brennstoffzellen in Abwasserbehandlungsanlagen verwendet werden soll – als Alternative zu den teuren und verlustreichen Wasserstoff-Brennstoffzellen. Für die erfolgreiche Erprobung des Systems in einer Versuchsanlage in der Nähe von Groningen war das Hochschulteam um P. V. Aravind, das von der Beratungsfirma Royal Haskoning DHV geleitet wird, bereits 2010 mit dem Vernufteling-Preis ausgezeichnet worden.

Bei der Technologie, die nicht nur Energie spart, sondern auch Phosphat recycelt, werden die Nährstoffe chemisch entfernt, um die Energieerzeugung zu optimieren. Dies geschieht, indem man dem Urin Magnesiumhydroxid hinzugefügt, welches das Nitrat und das Phosphat in ein unlösliches Salz bindet. Das Struvit genannte Salz wird für die Kraftstofftests nach Delft transportiert, wo es erhitzt wird, bis das Ammoniak entweicht. Wird dieses dann auf hohe Temperaturen von mehr als 750°C aufgeheizt, trennt es sich in Wasserstoff und Stickstoff. Die Brennstoffzelle verbrennt den Wasserstoff mit Sauerstoff aus der Luft und erzeugt Energie mit einen Wirkungsgrad von 50 – 60 %.


Ebenfalls im Jahr 2012 veröffentlicht ein Team der University of California, Santa Cruz um Yat Li gemeinsam mit Kollegen des Lawrence Livermore National Laboratory und der Sun Yat-Sen University in Guangzhou, China, eine Studie über Harnstoff als potentielle Wasserstoffquelle.

Die Forscher berichten über die erste Demonstration der solarbetriebenen Wasserstoff-Freisetzung aus Harnstoff sowie aus menschlichem Urin in einer photoelektrochemischen Zelle mit Hilfe von Metalloxid-Photoelektroden (z.B. TiO2 und α-Fe2O3), die mit Ni(OH)2 modifiziert wurden, das als Katalysator für die Oxidation von Harnstoff dient.

Bei Lichteinfall oxidieren die an der Metalloxid-Elektrode erzeugten photoangeregten Löcher den Harnstoff, während die photoangeregten Elektronen das Wasser reduzieren und an der Gegenelektrode kontinuierlich und stabil Wasserstoffgas erzeugen.


Michael Hoffmann
vom California Institute of Technology in Pasadena stellt 2013 ein Strom-Klo vor, das ebenfalls mittels Elektrolyse funktioniert. In seinem Reaktor entsteht aus Urinbestandteilen Wasserstoffgas, mit dem wiederum eine Brennstoffzelle angetrieben wird, während die Überreste der Reaktion genutzt werden, um die Toilette zu spülen. Bei der Reinvent the Toilet Challenge der Bill und Melinda Gates Stiftung gewinnt Hoffmann mit seiner Idee 100.000 $.


Ebenfalls nicht bakteriell ausgerichtet, aber dennoch auf Urin basierend, ist ein Plan der NASA, der im April 2014 in der Presse kursiert. Astronauten gewinnen schon seit Jahrzehnten Wasser, das aus recyceltem Urin hergestellt wird. Nun soll mit Hilfe eines anderen Verfahrens namens Vorwärtsosmose auch Ammoniak daraus gewonnen werden, um damit Brennstoffzellen zu versorgen. Das Urea Bioreactor Electrochemical system (UBE) genannte Gerät wird von Eduardo Nicolau, Carlos R. Cabrera und ihren Kollegen entwickelt.

Im Juli 2022 erscheint wieder eine Meldung über diese Idee im Zusammenhang mit der Internationalen Raumstation ISS. Demnach wurde im Rahmen einer Partnerschaft zwischen der Firma NuVant Systems, mehreren Universitäten und der NASA, die das Projekt finanziert hat, ein autonomes elektrochemisches Gerät entwickelt, das Ammoniak in Energie umwandelt.

Die Forschung, um Energie aus aus Abwasser zu gewinnen, ist das erste elektrochemische Experiment, das jemals auf der ISS durchgeführt wird. Die Ergebnisse sollen den Astronauten eine alternative Treibstoffquelle für künftige Reisen zum Mond, Mars oder darüber hinaus bieten. Da es sich bei der Studie ‚Autonomous Electrochemical System for Ammonia Oxidation Reaction Measurements at the International Space Stations‘ jedoch um eine Arbeit handelt, deren primäres Ziel ein Brennstoff ist, werde ich die Angelegenheit an dieser Stelle nicht weiter verfolgen.


Im Januar 2017 veröffentlichen Forscher der Stanford University, der Shandong University of Science and Technology in China und der National Taiwan University of Science and Technology eine Studie über ihre Entwicklung einer Aluminium-Ionen-Batterie, die einen Elektrolyten aus Harnstoff verwendet, einem der Hauptbestandteile von Urin (‚High Coulombic efficiency aluminum-ion battery using an AlCl3-urea ionic liquid analog electrolyte‘).

Die von Prof. Hongjie Dai, Michael Angell und ihrem Team konzpierte Batterie ist speziell für die Netzspeicherung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonne konzipiert. Es handelt sich um eine Aktualisierung der ersten Aluminium-Ionen-Batterie, die bereits 2015 von Dai vorgestellt wurde. Sie verwendete eine chemische Mischung namens EMIC (1-Ethyl-3-Methylimidazoliumchlorid) als Hauptbestandteil des Elektrolyten, die jedoch teuer ist, weshalb die Forscher nach einer Alternative suchten.

Die neue Batterie ist größtenteils identisch, mit Ausnahme der Verwendung des 100 Mal billigeren Harnstoffs. Sie hat zwar nur die halbe Energiedichte einer Lithium-Ionen-Batterie, aber ihre Lade-/Entladerate ist höher, sie ist nicht brennbar, läßt sich in 45 Minuten aufladen und kostet viel weniger. Unter Laborbedingungen erreicht die Harnstoffbatterie bereits 1.500 Ladezyklen, was durch eine Optimierung der chemischen Prozesse noch erhöht werden soll.

Mit 99,7 % ist zudem der coulombische Wirkungsgrad der Batterie sehr hoch, also das Maß für die Ladungsmenge, die man von der Batterie zurückbekommt, geteilt durch die Ladungsmenge, die man ursprünglich hineingesteckt hat. Das bedeutet, daß die chemische Reaktion der Batterie sehr reversibel ist, was eine lange Lebensdauer erwarten läßt. Um kommerziell nutzbar zu sein, muß eine Netzspeicherbatterie eine Lebensdauer von mindestens zehn Jahren haben.


Danach scheint das Interesse an der energetischen Urin-Nutzung abzunehmen, denn in den Folgejahren lassen sich keine weiteren signifikanten Veröffentlichungen mehr finden.

Doch neben Glukose, Blut und Urin kommen bei MFCs auch noch diverse weitere Flüssigkeiten zum Einsatz.


Im August 2010 präsentieren Wissenschaftler der Saint Louis University in Missouri um die Chemikerin Shelley Minteer, die uns bereits weiter oben begegnet ist, den ersten Prototyp einer Bio-Brennstoffzelle, die mit einigen Tropfen Speiseöl, Cola oder ähnlichen Flüssigkeiten funktioniert.

In ihrer Bio-Batterie befindet sich eine hauchdünne Folie mit Mitochondrien, die genauso wie in lebenden Organismen Zucker- und Fettmoleküle in den Zelltreibstoff Adenosintriphosphat (ATP) umwandeln, wobei Elektronen transportiert werden, die über eine Elektrode abgegriffen werden können. Der Strom entsteht durch den Zusatz von Sauerstoff, der sich an einer zweiten Elektrode mit Protonen zu Wasser verbindet. Bei ihren Versuchen zeigen die Wissenschaftler, daß sich in ihrem System sowohl mit zucker-, als auch mit fetthaltigen Substanzen Strom erzeugen läßt, machen aber keine Angaben zu Spannung, Stromstärke oder Lebensdauer der Module.

Bis zu einer konkreten Anwendung wird es noch ein weiter Weg sein. Zudem ist eine lange Betriebsdauer unwahrscheinlich, da bei dem Stoffwechsel der deponierten Mitochondrien auch Abfallprodukte entstehen können.

Interessanterweise hatte Minteer bereits im Vorjahr einen streichholzschachtelgroßen Sprengstoffsensor entwickelt, der vor allem Nitrosprengstoffe detektieren kann. Der Sensor enthält eine Flüssigkeit, in der zwei elektrisch leitende Plättchen stecken, von denen eines mit Mitochondrien bestückt ist, die aus Kartoffeln isoliert worden sind. In der Flüssigkeit des Sensors zersetzen sie Abbauprodukte der Zuckermoleküle zu Kohlendioxid und Wasser - wobei elektrischer Strom entsteht.

Damit der Biosensor aber nur dann anschlägt, wenn Sprengstoffe vorhanden sind, wird der Stromfluß erst einmal blockiert, indem die Mitochondrien in eine Schicht Oligomycin eingebettet werden. Dieser Naturstoff setzt einen Mechanismus außer Kraft, bei dem elektrisch geladene Teilchen aus der Flüssigkeit in das Innere der Zellkraftwerke befördert werden. Diese Stromblockade löst sich erst wieder auf, wenn sich Sprengstoff in die Flüssigkeit mischt, da die Nitroverbindungen die Mitochondrienhülle porös machen, sodaß die geladenen Teilchen wieder ins Innere gelangen und die Stromproduktion in Gang setzen.

IMTEK-Prototyp

IMTEK-Prototyp


Für seine Dissertation am Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg wird Sven Kerzenmacher, der an der Entwicklung biologischer Brennstoffzellen arbeitet, im Juli 2011 der FAM-Förderpreis verliehen. Gemeinsam mit seinem Team hat der Wissenschaftler eine Zelle entwickelt, die ihren Strom aus dem eigenen Blutzucker (Glukose  o. Traubenzucker) des Patienten bezieht.

Ein Artikel des Forscherteams mit dem Titel ‚Glukose-Brennstoffzellen als autarke Energieversorgung für medizinische Mikro-Implantate: Stand der Technik und aktuelle Entwicklungen‘ ist im Netz abrufbar. In diesem wird u.a. aufgeführt, daß implantierbare Glukose-Brennstoffzellen auf Basis von Platin und Aktivkohle bereits in den 1960er Jahren als Alternative zu den damals in Herzschrittmachern verwendeten Batterien entwickelt wurden. Aus der üblichen Glukosekonzentration in Körperflüssigkeit von einem halben bis einem Promille läßt sich eine Leistungsdichte von bis zu 4 μW cm2 erreichen.

Die deutsche Firma Siemens stellt bereits 1972 erste Modelle einer implantierbaren Glukose-Brennstoffzelle vor – und die Tragfähigkeit des Konzepts kann auch durch Tierversuche demonstriert werden, in denen über einen Zeitraum von bis zu 150 Tagen Leistungsdichten von 1,6 μW cm2 erreicht wurden. Trotzdem verliert das Konzept mit der Markteinführung leistungsstarker Lithium-Iod-Batterien im Jahre 1975 an Bedeutung und wird lange nicht weiter verfolgt.

Die von Kerzenmacher, Roland Zengerle und ihrem Team seit 2007 entwickelte Glukose-Brennstoffzelle soll als dünne Beschichtung auf der Oberfläche des Implantats angebracht werden. Sie sind gegenüber dem bisherigen Stand der Technik nur noch halb so dick und erbringen etwa 30 % mehr Leistung. Zudem sind Platinelektroden gegen ungewollte chemische Reaktionen wie Hydrolyse und Oxidation unempfindlich.


Im Mai 2013 publizieren Forscher der University of California San Diego (UCSD) um die Professoren Joseph Wang und Liangfang Zhang den Stand ihrer Arbeiten bei der Entwicklung einer epidermalen, d.h. auf der Haut anzubringenden Bio-Brennstoffzelle.

Da sich Gesundheit zunehmend mehr personalisiert, werden gegenwärtig neue Möglichkeiten entwickelt, den Körper kontinuierlich zu überwachen, ohne dafür Bluttests machen zu müssen, wie es bislang üblich ist - was auch für Sportler beim Training von Interesse ist. Tragbare Biosensoren bieten zwar eine Lösung hierfür, benötigen aber Strom.

Um den Bedarf an Batterien für diese Sensoren zu vermeiden, konstruiert das kalifornische Team winzige Elektroden, die ihre Energie aus dem Laktat im menschlichen Schweiß beziehen und die Form eines hauchdünnen, flexiblen Klebetattoos haben, das aber äußerst stabil gegenüber Bewegungen ist. Damit werden invasive Systeme umgangen, die in den Körper implantiert werden müssen.

Schweiß-MFC

Klebe-Tattoo
mit Schweiß-MFC

Laktat wird gebildet, wenn der Körper nicht genug Energie aus der aeroben Atmung erzeugen kann und die anaerobe Atmung auslöst, welche Glukose oder Glykogen in Milchsäure umwandelt und dabei Energie erzeugt. Das Team macht sich dies zunutze, indem es eine Biokraftstoffzelle herstellt, die ein Laktat-Oxidase-Enzym an der Anode verwendet,  um das Laktat zu Pyruvat zu oxidieren (auch als Brenztraubensäure oder Acetylameisensäure bekannt). Eine auf Platinpartikeln basierend Kathode reduziert den vorhanden Sauerstoff, was gemeinsam die Zelle betreibt.

Als die Zellen an 15 Freiwilligen getestet werden, erzeugen diese auf den Trainingsfahrrädern mit 5 70 μW/cm2 ganz unterschiedliche Mengen an Strom, wobei die am wenigsten fitten Teilnehmer den meisten Strom produzieren. Dies ist insofern logisch, da der Körper einer untrainierten Person schneller schlappmacht und daher früher zusätzliche Energie mobilisieren und größere Mengen an Laktat produzieren muß. Für fittere Personen schlägt Wang daher vor, die Biokraftstoffzelle kontinuierlich zu tragen und mit einer Energiespeichervorrichtung zu koppeln.

Die Arbeiten werden von der National Science Foundation und dem Department of Energy unterstützt.

Im Januar 2015 meldet das gleiche Team, daß es ihm nun auch gelungen sei zu beweisen, daß künstliche, mikroskopische Maschinen innerhalb eines Lebewesens ohne nachteilige Auswirkungen reisen und ihre heilende Last abliefern können. Die Bewährungsprobe erfolgt im Körper einer lebenden Maus. Die Forscher hatten im Labor zuvor mit verschiedenen Designs und Brennstoffsystemen für Mikromotoren experimentiert, die in Wasser, Blut und anderen Körperflüssigkeiten reisen können.

Die nun entwickelten und von Mikro-Motoren bewegten, röhrenförmigen Nanobots sind etwa 20 µm lang, 5 µm im Durchmesser und mit Zink beschichtet. Angetriebenen werden sie durch Gasblasen aus einer Reaktion mit dem Inhalt des Magens, in dem sie deponiert wurden: Sobald die Maus die winzigen Röhrchen aufgenommen hat und diese den Magen erreichen, reagiert das Zink mit der Salzsäure in den Verdauungssäften und erzeugt einen Strom von Wasserstoff-Mikrobläschen, der die Nanobots für bis zu 10 Minuten wie Miniatur-Raketen vorwärts treibt.

Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 60 µm pro Sekunde werden die Nanobots in Richtung der Magenschleimhaut geleitet, wo sie sich durch ihren Schub selbst einbetten und dann auflösen, um eine Nanopartikel-Verbindung direkt in das Darmgewebe abzugeben. Die Forscher bemerken, daß dabei fast viermal so viele Zink-Mikromotoren ihren Weg in die Magenschleimhaut finden, verglichen mit platinbasierten Mikromotoren, die nicht mit der Magensäure reagieren und daher auch nicht durch diese betrieben werden können.

In dem Experiment bekommt die Maus einen winzigen Tropfen der Lösung, der Hunderte von Mikromotoren enthält. Nachdem sich die Zink-Motoren durch die Säure aufgelöst haben, verschwinden sie innerhalb von wenigen Tagen ohne toxische chemischen Spuren zu hinterlassen. Auch als die Maus schließlich eingeschläfert und ihr Magen untersucht wird, zeigt die Anwesenheit der Nanobots keinerlei Anzeichen einer erhöhten Toxizität oder gar Gewebeschäden.

Während Nanobots bereits 2012 zur Zerstörung des Hepatitis C Virus in organischem Gewebe eingesetzt werden, und wieder andere in Jahr 2014 innerhalb eines Lebewesens durch ein externes Wechselmagnetfeld angetrieben wurden, sind die neuen Mikromachinen der UCSD die tatsächlich ersten selbstbewegten Nanobots der Welt, die nun die Chance haben, sich zu einer bewährten Methode der gezielten Arzneimittelverabreichung zu entwickeln. Angaben in Bezug auf weitere Tests oder Studien am Menschen werden bislang nicht gemacht.

Flexible Biobrennstoffzelle der UCSD

Flexible Biobrennstoffzelle
der UCSD

Dafür gibt es im August 2017 Meldungen über eine Weiterentwicklung des UCSD-Teams, das inzwischen Lithografie und Siebdruck einsetzt, um dehnbare 3D-Kathoden- und Anodenanordnungen auf der Basis von Kohlenstoffnanoröhren herzustellen. Die neuen Biobrennstoffzellen sind mit einem Enzym ausgestattet, das die im menschlichen Schweiß enthaltene Milchsäure oxidiert, um Strom zu erzeugen. Während eine Person, die das Gerät trägt, auf einem stationären Fahrrad trainiert, kann es eine LED mit Strom versorgen.

Um eine mit tragbaren Geräten kompatible flexible Biobrennstoffzelle zu konstruieren, entwickelt die Forschungsgruppe eine sogenannte ‚Brücken- und Inselstruktur‘, bei der die Zelle aus Reihen von Punkten besteht, die durch federförmige Strukturen verbunden sind. Die Hälfte der Punkte bilden die Anode der Zelle, die andere Hälfte die Kathode. Und die federartigen Strukturen können sich dehnen und biegen und machen die Zelle flexibel, ohne daß Anode und Kathode verformt werden.

Die Basis für die Struktur der Inseln und Brücken wird mittels Lithographie hergestellt und besteht aus Gold. In einem zweiten Schritt werden im Siebdruckverfahren Schichten von Biokraftstoffmaterialien auf die Anoden- und Kathodenpunkte aufgetragen. Um die Leistungsdichte zu erhöhen, wird dann – ebenfalls im Siebdruckverfahren – eine 3D-Struktur aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen auf die Anoden und Kathoden gedruckt.

Dies ermöglicht es, jeden Anodenpunkt mit mehr Enzymen zu beladen, die mit Milchsäure und Silberoxid an den Kathodenpunkten reagieren. Darüber hinaus erlauben die Nanoröhrchen einen leichteren Elektronentransfer, was die Leistung der Biobrennstoffzelle verbessert. Angeschlossen wird as System dann an einen speziell angefertigten DC/DC-Wandler, der die von den Brennstoffzellen erzeugte Energie, die je nach Schweißproduktion des Benutzers schwankt, ausgleicht und in eine konstante Energie mit konstanter Spannung umwandelt.

Bei den anschließenden Tests mit Probanden auf einem stationären Fahrradtrainer sind diese in der Lage, eine LED etwa vier Minuten lang mit Strom zu versorgen. Länger funktioniert es nicht, weil die Milchsäurekonzentration im Schweiß eines Menschen mit der Zeit verdünnt. Das Team erforscht nun eine Möglichkeit, die erzeugte Energie zu speichern, solange die Laktatkonzentration hoch genug ist, und sie dann allmählich freizusetzen. Außerdem ist das an der Kathode verwendete Silberoxid lichtempfindlich und zersetzt sich mit der Zeit, weshalb langfristig ein stabileres Material gefunden werden muß.

Tragbares Microgrid

Tragbares Microgrid

Im März 2021 folgt eine neue und im Netz einsehbare Veröffentlichung des Teams um Prof. Wang mit dem Titel ‚A self-sustainable wearable multi-modular E-textile bioenergy microgrid system‘, in welcher über die Entwickelung eines tragbaren Mikronetzes berichtet wird, das aus drei Hauptteilen besteht: schweißbetriebenen Biobrennstoffzellen, bewegungsbetriebenen triboelektrische Generatoren und energiespeichernden Superkondensatoren. Alle Teile sind flexibel, waschbar (solange kein Waschmittel verwendet wird) und können im Siebdruckverfahren auf die Kleidung gedruckt werden.

Die Biobrennstoffzellen, die Energie aus Schweiß gewinnen, befinden sich im Brustbereich des Hemdes, während sich die triboelektrischen Generatoren außerhalb des Hemdes an den Unterarmen und an den Seiten des Oberkörpers in der Nähe der Taille befinden. Sie gewinnen die Energie aus der schwingenden Bewegung der Arme gegen den Oberkörper beim Gehen oder Laufen. Und schließlich speichern Superkondensatoren auf der Brust vorübergehend die Energie beider Quellen, um dann kleine elektronische Geräte zu betreiben.

Die Kombination ist auch deshalb sinnvoll, weil die triboelektrischen Generatoren sofort Strom liefern, sobald sich der Nutzer bewegt, bevor er ins Schwitzen gerät. Und  sobald der Nutzer zu schwitzen beginnt, liefern die Biobrennstoffzellen Strom und setzen dies auch fort, wenn der Nutzer sich nicht mehr bewegt. Die synergetische Wirkung ermöglicht ein schnelles Starten und eine kontinuierliche Stromversorgung, denn das Gesamtsystem fährt zweimal schneller hoch als nur die Biobrennstoffzellen allein und hält dreimal länger als die triboelektrischen Generatoren allein.

Allerdings liefern die Biobrennstoffzellen eine kontinuierliche Niederspannung, während die triboelektrischen Generatoren Hochspannungsimpulse liefern, weshalb diese verschiedenen Spannungen kombiniert und zu einer stabilen Spannung reguliert werden müssen. Hierzu fungieren die Superkondensatoren als Reservoir, das die Energie aus beiden Quellen vorübergehend speichert und bei Bedarf entlädt.

Als das tragbare Mikronetz an einer Testperson in 30-minütigen Sitzungen getestet wird, die aus zehn Minuten Training auf einem Fahrrad oder Laufen bestehen, gefolgt von 20 Minuten Ruhezeit, kann während jeder 30-minütigen Sitzung entweder eine LCD-Armbanduhr oder ein kleines elektrochromes Display mit Strom versorgt werden.

Fingerspitzen-Zelle

Fingerspitzen-Zelle

Bereits im Juli 2021 folgt die nächste signifikante Veröffentlichung der UCSD (‚A Passive Perspiration Biofuel Cell: High Energy Return on Investment‘), bei der es um einen dünnen, flexiblen Streifen geht, der wie ein Pflaster an der Fingerspitze getragen werden kann und kleine Mengen Strom erzeugt, wenn der Finger des Trägers schwitzt oder auf etwas drückt – womit auch Aktivitäten wie Tippen, SMS schreiben oder Klavierspielen zu Energiequellen werden.

Den größten Teil seiner Energie bezieht das Gerät jedoch aus dem Schweiß, der rund um die Uhr von den Fingerspitzen produziert wird, die eine der schweißtreibendsten Stellen des Körpers sind. Jede Fingerspitze ist mit mehr als tausend Schweißdrüsen besetzt und kann zwischen 100 und 1.000 Mal mehr Schweiß produzieren als die meisten anderen Bereiche des Körpers. Was bedeutet, daß das Gerät auch dann Strom erzeugt, wenn der Träger schläft oder stillsitzt.

Eine Polsterung aus Kohlenstoffschaum-Elektroden nimmt den Schweiß auf und wandelt ihn in elektrische Energie um. Die Elektroden sind mit Enzymen ausgestattet, die chemische Reaktionen zwischen Laktat- und Sauerstoffmolekülen im Schweiß auslösen und so den Strom erzeugen. Unter den Elektroden befindet sich ein Chip aus einem piezoelektrischen Material, das bei Druck zusätzliche elektrische Energie erzeugt, die ebenfalls in einem kleinen Kondensator zwischengespeichert wird.

Bei einer Stunde gelegentlichem Tippen und Klicken auf einer Maus sammelt das Gerät ca. 30 Millijoule, und bei zehn Stunden Schlaf fast 400 Millijoule an Energie – genug, um eine elektronische Armbanduhr 24 Stunden lang zu betreiben. Und das nur von einer einzigen Fingerspitze.

Ebenfalls im Juli publiziert das UCSD-Team einen Artikel mit dem Titel ‚Wearable Biosupercapacitor: Harvesting and Storing Energy from Sweat‘, in welchem zu erfahren ist, daß das selbstaufladende Hybridgerät in vitro eine Leistung von 1,7 mW/cm2 und am Körper während des Trainings 343 µW/cm2erreicht.

 

Weiter mit den Flüssigkeiten...