allTEIL C

MICRO ENERGY HARVESTING


HygroelektrizitÄt


Die Hygroelektrizität (o. Feuchtigkeits-Elektrizität) ist eine Form der statischen Elektrizität, die sich an Wassertröpfchen bildet und von diesen zu kleinen Staubpartikeln übertragen werden kann. Das Phänomen ist in der Atmosphäre der Erde weit verbreitet, tritt darüber hinaus aber auch bei Dampf auf, der z.B. aus Kesseln entweicht.

Die Reibungselektrifizierung von Tröpfchen wird 1840 durch Zufall entdeckt, als der Fahrer einer Dampflokomotive (die zu diesem Zeitpunkt selbst eine neue Technologie darstellt), die in einem Bergwerk in der Nähe von Newcastle im Nordosten von England im Einsatz ist, seine Hand in der Nähe eines aus dem Kessel entweichenden Hochdruckdampfstrahls hält und dabei entdeckt, daß er, wenn er mit der anderen Hand den Kessel berührt, einen elektrischen Schlag erhält und einen Funken sieht.

Der Anwalt und spätere Ingenieur und Sprengkörper-Hersteller William Armstrong aus Newcastle untersucht das Phänomen systematisch, indem er den Kessel auf Beine aus Glas stellt und den Dampfstrahl auf einen isolierten metallischen Leiter lenkt. Er kann nachweisen, daß der Leiter dadurch positiv geladen wird, während der Kessel eine negative Ladung aufbaut.

Der hier abgebildete hydroelektrische Generator, den Armstrong schon bald nach der Entdeckung konstruiert, ist ungefähr 150 cm lang und mißt 60 cm im Durchmesser. Er steht heute im Deutschen Museum in München. Eine spätere Maschine des Polytechnischen Instituts in London kann etwa 55 cm lange Funken produzieren.


Die hygroelektrische Ladung ist die wahrscheinliche Quelle der elektrischen Ladung, die unter bestimmten Bedingungen in Gewittern, bei Vulkanausbrüchen und bei einigen Formen von Staubstürmen auftritt und zu Blitzen führt.


Das Thema wird im August 2010 aktuell, als brasilianische Forscher um Prof. Fernando Galembeck von der Universidade Estadual de Campinas in Campinas über ihre Versuche berichten, denen zufolge Paneele auf Hausdächern künftig elektrischen Strom aus der Atmosphäre erzeugen sollen.

Die Wissenschaftler zeigen, daß sich Aluminium-Phosphat-Partikel bei hoher Luftfeuchte positiv, Silizium-Partikel hingegen negativ aufladen. Das beweist, daß Wasser in der Atmosphäre elektrische Ladung sammelt, umformt und auf andere Materialien übertragen kann. Früher war man davon ausgegangen, daß atmosphärische Wassertropfen stets neutral sind und dies auch bleiben, wenn sie auf elektrisch geladene Partikel treffen. Später wurde die Annahme verfochten, daß die Aufladung beim Kontakt von Wasserdampf mit Staubkörnchen entsteht. Wie das geschieht, war allerdings bis dato unbekannt.

Die entstehende hygroelektrische Ladung läßt sich den Wissenschaftlern zufolge in elektrischen Strom verwandeln, wobei die Technologie besonders für Gebiete mit hoher Luftfeuchtigkeit und vielen Gewittern geeignet ist. Ein positiver Nebeneffekt ihrer Anwendung sei, daß damit zugleich die natürliche Entladung der Atmosphäre durch Blitze verhindert oder zumindest verringert wird.

Asymmetrischer Kondensator Grafik

Asymmetrischer Kondensator
(Grafik)

Die Brasilianer testen derzeit, welche Metalle sich für die Paneele am ehesten eignen, gehen aber davon aus, daß der Schritt zum Produkt noch in weiter Zukunft liegt. Ihre Arbeiten werden von dem National Council for Scientific and Technological Development (CNPq) und der Forschungsstiftung des Bundesstaates São Paulo (FAPESP) finanziert. Galembeck beschäftigt sich später auch mit der Triboelektriziät - über eine Umsetzung der hygroelektrischen Paneele ist bislang allerdings nichts zu finden.

Das Team um Galembeck veröffentlicht Anfang 2021 eine Studie mit dem Titel ‚Flexible, low-cost and scalable, nanostructured conductive paper-based, efficient hygroelectric generator‘, in der ein flexibles Energy-Harvesting-Gerät vorgestellt wird, das ein asymmetrischer Kondensator ist, der aus zwei Elektroden aus Pasckpapier besteht, die mit exfoliertem und reassembliertem Graphit (ERG) beschichtet sind.

Die Elektroden werden mit verschiedenen Chemikalien dotiert und mit Standardverfahren zur Papierherstellung veredelt. Die Ausgangsspannung einer einzelnen ERG-basierten hygroelektrischen Generatorzelle (ERG-HEG) beträgt bis zu 0,5 V, und sie kann tagelang 250 nA elektrischen Strom liefern.


Vom Dezember 2015 bis zum November 2019 läuft im Rahmen von Horizon 2020 ein mit 873.000 € von der Europäischen Kommission finanziertes Projekt HUNTER, bei dem an einer Vorrichtung zur hygroelektrischen Stromerzeugung gearbeitet wird.

Das von Prof. Andriy Lyubchyk vom portugiesischen Uninova – Instituto Desenvolvimento de Novas Tecnologias koordinierte multidisziplinäre Konsortium  mit Mitgliedern aus Belarus, Finnland, Frankreich, Portugal, der Ukraine und den Vereinigten Staaten, beschäftigt sich dabei sowohl mit grundlegenden Fragestellungen (beispielsweise den Ladungstransportmechanismen) als auch mit technologischen Belangen (wie der Herstellung nanoelektrischer Vorrichtungen).

Andriys Mutter ist übrigens Svitlana Lyubchyk, eine in St. Petersburg geborene Chemie- und Nanotechnologieexpertin, die gemeinsam mit ihren Zwillingssöhnen Sergiy und Andriy in Portugal an dem Thema forscht. Die Familie ist federführend bei den europäischen Forschungsprojekten zu Hygroelektrizität.

Das Team konstruiert und erprobt eine Vorrichtung, die eine auf nanostrukturierte Materialien gestützte Technologie für die Umwandlung von Feuchtigkeit in Strom anwendet, indem sie elektrische Ladung sammelt und einen Strom liefert. Die Projektergebnisse führen zur Entwicklung einer „neuen Generation von Funktionsmaterialien und damit zur Gestaltung fortschrittlicher nanoelektronischer Vorrichtungen“ – was im Jahr 2020 patentiert wird.

Das System von HUNTER wird in bereits vorhandene Solarmodule eingebunden, so daß es nachts arbeiten kann. Außerdem soll eine Integration in Baumaterialien vorgenommen werden. Von kommerziellen Umsetzungen ist aber lange nichts zu hören. Und Neuigkeiten scheint es erst im März 2023 zu geben, als die Lyubchyks ein längeres Video über den aktuellen Entwicklungsstand veröffentlichen.

Nun ist zu erfahren, daß im Projekt HUNTER und seinem Nachfolger CATCHER dünne, plattenförmige Zellen aus dem kristallinen Material Zirconiumoxid genutzt wurden und werden, in deren porösen Inneren der Spannungsaustausch mit der Umgebungsluft abläuft. Eine 8 x 5 cm große Zelle kann bei einer Luftfeuchtigkeit von 50 % eine Spannung von 0,9 V erzeugen. Da das Prinzip als skalierbar gilt, plant das Team, den Prototyp einer etwa Waschmaschinen-großen Anlage zu konstruieren, in der Zirconiumoxid-Platten bis zu 10 kWh am Tag erzeugen sollen.

Das seit dem April 2022 und bis zum März 2026 laufende und mit knapp 3 Mio. € ebenfalls EU-finanzierte Projekt CATCHER, das Forscher und Unternehmen aus Portugal, Belgien, Österreich, Spanien, Polen und der Ukraine umfaßt, zielt auf die Weiterentwicklung, Optimierung und Skalierbarkeit der Technologie ab – mit einer erwarteten Ausgangsleistungsdichte von ~36 mW/g bzw. 15 - 20 mW/cm2 (verglichen mit dem aktuellen Wert von 3,6 mW/g oder 1,82 mW/m2).

Gemäß einem Bericht vom Juli 2023 kann das Team mit einem 4 cm großen Bauteil bereits einen Strom von 1,5 V und 10 mA erzeugen. Wenn man jedoch 20.000 Stück dieser Bauteile zu einem waschmaschinengroßen Würfel stapelt, könnte man täglich 10 kWh Strom erzeugen.

Außerdem gründen die Lyubchyk-Zwillinge ein Unternehmen namens CascataChuva mit Hauptsitz in London, das damit wirbt, daß mit Hygroelektrizität in Zukunft „das 500-fache des aktuellen Energiebedarfs der Menschheit abgedeckt werden könnte.“ Das Start-Up hat bereits 5,5 Mio. € an Fördermitteln vom Europäischen Innovationsrat erhalten und rechnet nun damit, bis 2024 einen Prototyp zur Demonstration vorweisen zu können.

Eine andere Idee verfolgt die Familie Lyubchyk in einem EU-Forschungsprojekt namens SSHARE: Ziel ist ein Heiz- und Kühlsystem für Innenräume, das ähnlich wie die Transpiration der Haut funktioniert und den notwendigen Strom dafür selbst erzeugt.


Forscher des Beijing Institute of Technology und der Beijing University of Technology publizieren im März 2020 unter dem Titel ‚A hygroelectric power generator with energy self-storage‘ (HPGES) ihren Bericht über die Entwicklung eines hygroelektrischen Stromgenerators mit der Fähigkeit zur Energiespeicherung.

Das Team um Zhipan Zhang erreicht dies, indem ein feucht-elektrischer Energiesammler mit einem Superkondensator hybridisiert wird. Ein Array aus zehn HPGES-Geräten kann eine Ausgangsspannung von 2 V liefern und damit z.B. einen handelsüblichen Taschenrechner versorgen.              


Im Januar 2023 erscheint eine im Netz einsehbare Studie mit dem Titel ‚Voltage and power enhancement of hygroelectric cell using self-discharge suppression by polyethylene glycol addition‘, die auf ein Team um Yusuke Komazaki vom National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST) in Japan zurückgeht.

Die hygroelektrische Zelle (HEC) der Forscher ist ein Energiegewinnungsgerät, das Strom erzeugt, indem es Änderungen der Luftfeuchtigkeit auf der Grundlage einer Konzentrationszelle mit einer zerfließenden Salzlösung nutzt. Da die Leistung der HEC durch die Selbstentladung begrenzt wird, die durch die Permeation von Wasser durch eine Kationenaustauschmembran entsteht, wird an einer Spannungs- und Leistungssteigerung gearbeitet, was durch die Zugabe von Polyethylenglykol (PEG) zur Elektrolytlösung erreicht wird, was die Selbstentladung unterdrückt.

Die Zugabe von 2 % PEG verbessert die Spitze-Spitze-Spannung bei Feuchtigkeitsänderungen zwischen 30 % und 90 % von 48 mV auf 128 mV, während die Zugabe von 5 % PEG die Ausgangsleistung von 4,4 μW auf 36,7 μW steigert. Die Wirksamkeit des PEG-Zusatzes wird auch in einer natürlichen Umgebung im Freien nachgewiesen.


Vom April 2023 stammt die Publikation ‚Hygroelectric Generator Based on Antisymmetric Modification of Graphene Spheres with Ionic Hydrogels‘ der chinesischen Southwest Jiaotong University und der Guizhou Power Grid Co. Ltd. in Guiyang, in der beanstandet wird, daß bei den feuchtigkeitsaktivierten elektrischen Generatoren (MEGs) oft Rußpartikel mit schlechter elektrischer Leitfähigkeit als Stromerzeugungsschicht verwendet werden, was die Ausgangsleistungsdichte und die Betriebszeit begrenzt.

Die Forscher entwickeln daher ein Hochleistungs-MEG, das sie durch eine asymmetrische Ablagerung von ionischen Hydrogelen auf der Oberfläche von Graphenkugeln herstellen, die im Vergleich zu Rußpartikeln eine bessere elektrische Leitfähigkeit haben – und im Vergleich zu lamellarem Graphen eine größere spezifische Oberfläche und eine größere Anzahl von Nanokanälen bieten. Das hygroskopische ionische Hydrogel wiederum bindet Feuchtigkeit, um eine Wasserumgebung zu schaffen.

Das Gerät erreicht eine Leerlaufspannung von 0,34 V und einen Kurzschlußstrom von 1 μA bei 98 % relativer Luftfeuchtigkeit, und die elektrische Leistung weist auch nach fünf Stunden Betrieb keine Abschwächung auf. Damit kann das Gerät nicht nur eine LED mit Strom versorgen, sondern auch als selbstversorgter Feuchtigkeitssensor verwendet werden, um die Änderungen der Luftfeuchtigkeit in Innenräumen in Echtzeit zu überwachen.


Im Juli 2023 folgt ein Bericht von Prof. Javier G. Fernandez und seinem Team an der Singapore University of Technology and Design (SUTD), die die Vorbereitung eines Schmetterlings zum Erstflug nach dem Verlassen des Kokons zum Vorbild für eine neue Art der Stromerzeugung und der Ausübung von Kraft ehmen. Dies geschieht durch das Chitin, aus dem die Flügel des Schmetterlings bestehen (‚Secondary Reorientation and Hygroscopic Forces in Chitinous Biopolymers and Their Use for Passive and Biochemical Actuation‘).

Fernandez-Versuch

Fernandez-Versuch

Chitin ist nach Zellulose das am zweithäufigsten vorkommende organische Polymer in der Natur und Hauptbestandteil der Panzer von Gliederfüßern wie Krebstieren und anderen Insekten, z.B. Spinnen und Tausendfüßern. Wenn ein Schmetterling in der Endphase der Metamorphose aus seinem Wasser enthaltenden Kokon schlüpft, entfaltet er langsam seine Flügel. Dabei dehydriert das Chitinmaterial, während das Blut durch die Adern des Schmetterlings pumpt und Kräfte erzeugt, die die Moleküle des Materials neu ordnen, um die Stärke und Steifigkeit zu erreichen, die für den Flug notwendig ist.

Fernandez zeigt nun, daß Chitinpolymere, auch nach ihrer Extraktion aus natürlichen Quellen, ihre Fähigkeit behalten, verschiedene Kräfte, molekulare Organisation und Wassergehalt zu verknüpfen, um mechanische Bewegungen zu erzeugen, ohne daß eine externe Stromquelle oder ein Steuerungssystem nötig ist. Das Basismaterial für seine Tests, ein nur rund 0,13 mm dicker Film, stellt der Physiker und Biotechniker aus weggeworfenen Garnelenschalen her.

Ähnlich wie bei den sich entfaltenden Flügeln organisiert sich die kristalline Struktur der Chitinfilme durch Dehnung neu. Die Moleküle rücken dichter zusammen und der Wassergehalt nimmt ab. Umgekehrt dehnt sich der Film aus, wenn er Wasser aufnimmt. Diese Bewegung wird nun für technische Zwecke genutzt, etwa zum Anheben von Gegenständen, wobei die Folie ein 4,5 kg schweres Objekt vertikal anzuheben vermag.

Um die technische Anwendbarkeit der Folien zu demonstrieren, werden sie in eine mechanische Hand integriert. Über die Kontrolle intermolekularen Wassers der Filme durch Umweltveränderungen und biochemische Prozesse wird dabei so viel Kraft erzeugt, daß Greifbewegungen möglich sind. Die Greifkraft entspricht dabei 18 kg – im Vergleich zur durchschnittlichen Greifkraft bei Männern von 48 kg.

Da Chitin biokompatibel ist, bietet sich auch der Einsatz in der Biomedizin an, etwa in Form von künstlichen Muskeln, wofür allerdings noch das Wasser-Management gelöst werden muß. In einer anderen Demonstration wird gezeigt, daß sich die Reaktion des Materials auf Feuchtigkeitsänderungen auch nutzen läßt, um Strom zu erzeugen. Hierzu wird die Folie an einem piezoelektrischen Material befestigt, das Strom erzeugt, wenn es zusammengepreßt wird.


Siehe auch unter Luftfeuchtigkeit.



Luftdruck


In der Einführung zu diesem Kapitel habe ich bereits die mittels atmosphärischem Luftdruck betriebenen Uhren erwähnt.

Die ausführliche Geschichte der Nutzung des Luftdrucks (und teilweise auch der Druckluft) findet sich in der im März 2006 vorgelegten Diplomarbeit von Lothar Hofer am Institut für Volkswirtschaftslehre der Karl-Franzens-Universität Graz unter dem Titel ‚Ökonomische und energetische Potentiale des Luftdrucks als alternatives Antriebsmedium‘, die aufgrund ihrer Bedeutung hier im Archiv zu finden ist (s.d.).

Das Multitalent Hofer wird übrigens gemeinsam mit Martin Sochor im April 2018 in Hollywood für die Dokumentation Tibetan Dreams über die Erstbesteigung des Dechok Phodrang, eines 5.632 m hohen Berges in Ost-Tibet, mit dem Independent Documentary Award ausgezeichnet, der als der alternative Oscar der unabhängigen Filmszene gilt.

Ein gesamtes Universum, das auf der Energie des Luftdrucks basiert, wird in der bezaubernden SF-Kurzgeschichte Ausatmung (Exhalation) von Ted Chiang beschrieben, die in ihrer deutschen Übersetzung 2011 in dem Buch Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes im Berliner Golkonda Verlag erschienen ist (S. 162 ff.).

Sehr interessant sind auch die durch Luftdruck betriebenen Atmosphärischen Eisenbahnen, die im Kapitel zur Mobilität aufgeführt sind.



Luftfeuchtigkeit


Im Juli 2014 stellt ein Team des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ein Konzept vor, um mit Kondenswasser Handys zu laden. Die Wissenschaftler hatten sich ursprünglich damit beschäftigt, die Kondensation von Wasserdampf an kühlen Flächen zu verringern, welche die Effizienz von Kühlsystemen vermindert und in Ländern mit einem hohen Anteil von Klimaanlagen nicht unerheblich zu höherem Stromverbrauch beiträgt. Es stellt sich heraus, daß sich der Effekt eindämmen läßt, wenn die betreffenden Oberflächen nicht nur wasserabweisende Eigenschaften besitzen, sondern superhydrophob sind.

Bereits in einem Bericht vom Dezember 2013 hatte das Team um Prof. Evelyn N. Wang die Entdeckung beschrieben, daß Wassertröpfchen eine elektrische Ladung erwerben, wenn sie von bestimmten Kondensorflächen wegspringen. Sie fanden damals zudem einen Weg, um diesen Effekt sinnvoll zu nutzen: Wird ein elektrisches Feld an das System angelegt, springen die Tröpfchen schneller von der Oberfläche weg. Auf diese Weise kann die Effizienz der Wärmeübertragung von der Oberfläche nahezu verdoppelt werden (,electric-field-enhanced condensation’).

Abspringender Wassertropfen

Abspringender
Wassertropfen

Den superhydrophoben Zustand erreicht man, indem die Oberfläche mit einem winzigen Muster überzogen wird, das entstehende Wassertropfen sofort abstößt. Dabei besteht der  Trick darin, die Oberfläche so zu verändern, daß sich nebeneinander bildende Tropfen vereinen müssen, denn dabei wird die Energie frei, die zur Abstoßung der Tropfen führt. Um zu verhindern, daß die Tropfen auf die Oberfläche zurückfallen, installieren die Forscher in unmittelbarer Nähe negativ geladene Drähte, da die Tropfen im Moment ihres Absprungs eine positive Ladung erwerben.

Das neue Konzept geht noch einen Schritt weiter, indem es die Ladungen sammelt, um etwas Nützliches damit anzustellen. Dies geschieht mittels zweier Metallplatten, von denen die eine superhydrophob ist, während die andere Wasser anzieht, d.h. hydrophil ist, und die Tröpfchen nebst der von ihnen mitgebrachten elektrischen Ladungen sammelt, nachdem sie von der ersten Platte abgestoßen wurden.

Obwohl das Ergebnis mit nicht mehr als 15 pW/cm2 recht bescheiden ist, könnte sich mit einer Kiste in der Größe einer typischen Camping-Kühltasche und einer Innenfläche von 1.500 cm2 in zwölf Stunden genug Energie erzeugen lassen, um ein Handy zu laden. Dies könnte im Outdoor-Bereich interessant sein, weil es auch nachts funktioniert, keine beweglichen Teile enthält, stabil und wartungsarm ist – und als Nebeneffekt auch noch sauberes Wasser produziert.

Die Forschung wird vom US-Department of Energy, dem Office of Naval Research und der National Science Foundation finanziert.

Wang befaßt sich übrigens 2017 gemeinsam mit Omar Yaghi von der University of California, Berkeley, mit neuen Methoden, um Wasser aus der Luft zu gewinnen – ein Thema, das unter dem Titel Atmosphärische Wassergewinnung (Atmospheric Water Harvesting, AWH) an anderer Stelle ausführlich behandelt werden soll (in Arbeit). Bei ihrem aktuellen Ansatz nutzen die Forscher eine Substanz namens MOF, ein organometallisches Gerüst in Form eines sehr porösen Pulvers, das nicht nur flüssiges Wasser aufsaugen, sondern auch Wasserdampf absorbieren kann.

Ein kleiner Prototyp des Wasserkollektors, der eine dünne Schicht MOF-Pulver enthält, absorbiert Wasserdampf, bis das Pulver gesättigt ist. Sobald die maximale Menge erreicht ist, wird das System mit Wärme beaufschlagt, um das Wasser freizusetzen, das sich am Boden des Prototyps sammelt. Die dafür erforderliche Energiemenge ist sehr gering und stammt vollständig aus dem Sonnenlicht – eine externe Stromversorgung ist nicht erforderlich. Nach Wangs Berechnungen soll ein System in voller Größe mit etwa 2 Pfund MOF-Pulver fast drei Liter Wasser pro Tag liefern können.

Im Oktober 2020 wird berichtet, daß das Wang-Team sein Design zwischenzeitlich erheblich praktischer, effizienter und skalierbar gemacht habe. Die Wasserausbeute des Vorläufers reichte für ein praktisches System nicht aus, außerdem sind MOFs teuer und nur begrenzt verfügbar.

Durch den Einbau einer zweiten Desorptions- und Kondensationsstufe und der Verwendung des leicht erhältlichen Adsorptionsmaterials Zeolith kann die Leistung des Geräts, das oben eine schwarze Solar-Sammelplatte hat und auf einem MIT-Dach getestet wird, erheblich gesteigert werden. Außerdem funktioniert es schon bei einer Luftfeuchtigkeit von nur 20 %. Die derzeitige Produktionsrate von etwa 0,8 Litern Wasser pro Quadratmeter und Tag soll nun durch weitere Feinabstimmung und Materialauswahl verbessert werden.

Die neue Studie mit dem Titel ‚Dual-Stage Atmospheric Water Harvesting Device for Scalable Solar-Driven Water Production‘ ist im Netz einsehbar. Später befaßt sich das Wang-Team auch mit der solaren Wasserentsalzung.


Im Juli 2014 kursieren in den Blogs Berichte über eine neue Innovation namens Air HES (HydroElectric Station), die auf den Russen Andrey Nikolaevich Kazantsev aus St. Petersburg zurückgeht. Dabei handelt es sich um ein bodengebundenes Luftschiff, das gleichzeitig Trinkwasser und saubere Energie produziert, indem es ein Netz in die Höhe hievt, an dem Wasserdampf kondensiert. Das gesammelte Wasser soll dann durch eine leichte Schlauchleitung zum Boden herabgeführt werden, wo es über eine Wasserturbine Strom erzeugt.

Ein russisches Patent für das Konzept war bereits im April 2012 angemeldet worden (RU-Nr. 2500854, erteilt 2013; vgl. WO2013157991). Zudem legt das Team eine umfassende Machbarkeitsstudie vor.

Kazantsev baut einen Prototyp des Systems in kleinem Maßstab und testet diesen im Juli 2013 am Seligersee, wobei das nur einige Meter große Luftschiff in etwa 1.200 m Höhe über dem Boden pro Stunde und Quadratmeter des Netzes rund 4 Liter Wasser erzeugt. Eine Stromproduktion wird in diesem Fall nicht getestet.

Der Erfinder geht allerdings davon aus, daß sich an einem System in voller Größe, dessen Luftschiff mit einem Durchmesser von 18 m und einer Tragkraft von 3.175 kg, das mit einem 1.000 m2 großen Netz ausgestattet ist und auf einer Höhe von etwa 2.100 m positioniert wird, eine ausreichende Menge an Wasser kondensiert, um 185 kW saubere Energie zu produzieren.

Um nun einen voll funktionsfähigen Prototypen des kompletten Systems zu konstruieren, startet das Team eine Crowdfunding-Kampagne auf Indiegogo mit dem bescheidenen Ziel von 14.000 $. Leider kommen bis Ende September 2014 nur 2.926 $ von 22 Unterstützern zusammen – womit das Projekt erst einmal gescheitert ist.


Das Ende 2015 durch Jeremy Rothman, Jonathan Nathan und Dror Zchori gegründete israelische Start-Up ThermoTerra Ltd. entwickelt – gefördert vom Ministerium für nationale Infrastrukturen – eine Heiz- und Kühltechnologie, die ihre Energie aus den natürlichen Schwankungen der Luftfeuchtigkeit während des Tages bezieht und diese auch über lange Zeiträume speichern kann. Um Verwechslungen zu vermeiden: Den Namen ThermoTerra trägt auch eine Sole/Wasser-Wärmepumpe der deutschen Firma Roth.

Das System der ThermoTerra nutzt die Unterschiede zwischen trockenen und feuchten Bedingungen in der Luft, indem es die ‚Nässe‘ oder ‚Trockenheit‘ in einem hygroskopischen Material speichert, das in Wände eingebettet ist. Sazu werden verschiedene Materialien erprobt, darunter Hanfbeton, Silikagel oder Holzwolle. Wenn die Umgebungsluft trockener oder feuchter ist als das hygroskopische Material, kann die potentielle Energiedifferenz genutzt werden, um einen Heiz- oder Kühleffekt im Gebäude zu erzeugen. Die einzige hierzu benötigte Energie ist die, die Umgebungsluft durch das System zu blasen.

Ab 2016 arbeitet die ThermoTerra mit einer Reihe von Unternehmen und Organisationen an der Entwicklung der Luftfeuchtigkeits-Heizung. Unter dem Namen SmartWall wird z.B. ein Zusatz zu vorgefertigten Wänden in Wohn- und Geschäftsgebäuden konstruiert, der eine personalisierte Klimatisierung mit ausgeglichener Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftqualität schaffen soll.

Der Firmen-Homepage zufolge wird 2016 ein Wüstenkühler-Prototyp drei Monate lang ohne Wasserzufuhr betrieben, der auch zum Heizen verwendet werden kann. Im Jahr 2017 folgen die Prototypen einer Akustikabdeckung und einer Frischlufteinheit, und ab 2018 wird ein IDF-Pilotprojekt für mobile Wohneinheiten verfolgt. Außerdem veröffentlicht die Firma im Januar 2018 ein Werbevideo, erhält im Juni ihr erstes Patent (US-Nr. 2018/0180308, angemeldet 2016) und beginnt im Oktober mit der Bewertung eines Gewächshauses in Zusammenarbeit mit dem Kibbuz Samar.

Danach erscheinen noch einige Designs, ohne daß jemals ein konkretes Produkt vorgestellt wird, und die letzte Meldung stammt von Anfang 2019 – auch wenn die ThermoTerra bis 2022 immer mal wieder in der Presse erscheint.


Im Juni 2017 veröffentlichen Forscher um Prof. Kourosh Kalantar-Zadeh und Torben Daeneke an der RMIT University in Melbourne eine Studie unter dem Titel ‚Solar paint offers endless energy from water vapor‘, in welcher sie über eine neu entwickelte Wandfarbe berichten, die Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Hierfür enthält sie Kieselsäuregel, das Feuchtigkeit aus der Luft zieht und im Allgemeinen in kleinen Säckchen dazu genutzt wird, Elektronik, Medikamente oder Lebensmittel trocken zu halten. Diesmal soll das Gel die Luftfeuchte jedoch zur weiteren Verarbeitung anziehen.

Hinzu kommt ein Anteil synthetisches Molybdändisulfid, das als Katalysator für die Zerlegung des Wassers in seine molekularen Bestandteile dient, während als dritte Substanz das strahlend weiße Pigment Titandioxid genannt wird, das als eine Art Magnet für das Sonnenlicht als Energielieferant dient und sich ohnehin in den allermeisten Wandfarben befindet. Hierzu findet sich mehr im Kapitelteil zur Photokatalyse. Wie der aus feuchter Luft und Sonnenenergie erzeugte Wasserstoff aufgefangen werden soll, wird allerdings nicht gesagt. Über die Entwicklung von Solarzellen-Farbe ab 2006 berichte ich im Kapitelteil der Solarzellen.


Ebenfalls im Juni 2017 veröffentlicht ein Forschungsteam um Yong-Lai Zhang von der Universität Jilin in China einen Artikel über ihre Entwicklung winziger, einfacher Roboter, die sich bei wechselnder Luftfeuchtigkeit ohne externe Energiezufuhr aus anderen Quellen bewegen. Hergestellt werden die vierbeinigen Käferroboter aus einem gewöhnlichen Blatt Graphenoxid.

Obwohl auch andere Materialien ihre Form als Reaktion auf Feuchtigkeit verändern können, experimentieren die Forscher mit Materialien auf Graphenbasis, da diese unglaublich dünn sind und einzigartige Eigenschaften wie Flexibilität, Leitfähigkeit, mechanische Festigkeit und Biokompatibilität aufweisen.

Damit das Graphenoxid auf Feuchtigkeit reagiert, wird es mit dem chemischen Prozeß der Reduktion behandelt, bei dem den Molekülen Sauerstoff entzogen wird. Da frühere Forschungen ergeben hatten, daß sowohl starkes Sonnenlicht als auch UV-Licht ein wirksames Mittel ist, um die Reduktion zu bewirken, verwendet das Jilin-Team den Blitz einer Kamera als billige Lichtquelle. Diese sehr einfache Methode, typische Graphenoxide ‚intelligent‘ zu machen, ist zudem äußerst effizient, da ein Blatt innerhalb einer Sekunde hergestellt werden kann.

Der Schlüssel liegt jedoch darin, nur eine Seite des Materials zu reduzieren: Wenn die Luft feuchter wird, nimmt die nicht reduzierte Seite mehr Wassermoleküle auf, wodurch sich das Material ausdehnt und in Richtung der reduzierten Seite biegt. Wenn die Luft trockener wird, flacht das Material wieder ab. Um sicherzustellen, daß nur die Oberseite des Materials reduziert wird, müssen die Schichten mehr als 5 µm dick sein, und der Blitz muß in einem Abstand von 20 – 30 cm aktiviert werden.

Die auf diese Weise entstehenden Graphenoxid-Blätter reagieren auf Veränderungen der relativen Luftfeuchtigkeit zwischen 33 % und 86 %, indem sie sich in einem Winkel zwischen null und 85° biegen. Zur Veranschaulichung schneidet das Team das Material in die Form eines vierbeinigen Insekts mit einer Breite von etwa 1 cm. Indem die Luftfeuchtigkeit einige Male ein- und ausgeschaltet wird, krabbelt es ohne die Hilfe einer anderen Energiequelle innerhalb von 12 Sekunden 3,5 mm weit.

Nach dem selben Prinzip stellt das Team auch eine Klaue her, die sich bei wechselnder Luftfeuchtigkeit öffnet und schließt. Hierzu werden acht 5 mm lange und 1 mm breite Bänder aus dem Material sternförmig zusammengeklebt. Bei Feuchtigkeit schließt sich die Klaue innerhalb von 12 Sekunden vollständig. Bei trockener Luft kehrt sie nach 56 Sekunden in eine offene Position zurück. Nun wollen die Forscher Wege finden, um die Roboter noch präziser zu steuern, damit sie für komplexere Aufgaben eingesetzt werden können.

Der Bericht mit dem Titel ‚Facile fabrication of moisture responsive graphene actuators by moderate flash reduction of graphene oxides films‘ ist im Netz komplett einsehbar.


Im Januar 2018 folgt mit dem Hygrobot ein weiterer kleiner Roboter, der sich selbständig und ohne Stromquelle fortbewegt, sobald es in seiner Umgebung feucht wird. Er wurde an der Seoul National University in Südkorea durch eine Gruppe um Beomjune Shin entwickelt und kommt in verschiedenen Formen daher, vom einfachen Streifen bis zum T-förmigen ‚Schieber‘.

Die Aktor-Ratschen-Systeme bestehen jeweils aus zwei Schichten unterschiedlicher Nanomaterialien. Die eine ist ein inaktives Polymer, während die andere ein hygroskopisch reagierender Film ist, der aus ausgerichteten Nanofasern besteht, die durch gerichtetes Elektrospinnen hergestellt werden und als Reaktion auf die Änderung der Luftfeuchtigkeit in Längsrichtung schnell anschwellen und schrumpfen. Die auf asymmetrischen Reibungskoeffizienten basierenden Ratschen wandeln die oszillierende Biegebewegung dann in einer gerichteten Fortbewegung. Mit dem Design der Füßchen kann die Bewegung gesteuert und berechnet werden.

Eine mögliche Anwendung, das Verteilen von Medikamenten, hat das Team bereits getestet. So robbt ein Roboter, der mit Antibiotikum bestrichen wurde, über eine Petrischale, auf der Bakterien verteilt sind, um diese zu sterilisieren. Auch 24 Stunden später wachsen entlang des Roboterwegs immer noch keine Bakterien auf dem Nährboden.

Als nächster Schritt sollen weitere Hygrobot-Strukturen entwickelt werden, die weitere Bewegungen möglich machen. Außerdem sollen die Roboter mit Gassensoren ausgerüstet werden, um auf spezifische Gaskonzentrationen mit bestimmten Bewegungen zu reagieren. Die Studie unter dem Titel ‚Hygrobot: A self-locomotive ratcheted actuator powered by environmental humidity‘ ist im Netz einsehbar. Eine Frühform des Hygrobot aus dem Jahr 2015 wird auch im Kapitelteil Verdunstungsgenerator vorgestellt (s.d.).

Robotersamen des IIT

Robotersamen
des IIT

Um im Kontext zu bleiben: Im Februar 2023 stellen Forscher des Istituto Italiano di Tecnologia (IIT) in Genua um Barbara Mazzolai einen biologisch abbaubaren und energieautonomen Robotersamen vor, der seine Form in Abhängigkeit von der Luftfeuchtigkeit verändert und dadurch über den Boden navigieren kann, um als kabelloses, batterieloses Werkzeug für dessen Erkundung und Überwachung eingesetzt zu werden.

Der biomimetische I-Seed Roboter, an dem seit Januar 2021 gearbeitet wird, wird in Anlehnung an die Samenstruktur der südafrikanischen Pelargonie (Pelargonium appendiculatum) gestaltet, die ihre Form in Abhängigkeit von der Umgebungsfeuchtigkeit verändert. Die Samen der Gerianaceae-Familie, zu der auch die Geranien gehören, nutzen ihre hygroskopischen Eigenschaften, indem sie sich unter den richtigen Umweltbedingungen ablösen. Danach verändern sie ihre Form und dringen selbständig in den Boden ein, wodurch sich die Chancen auf eine Keimung erhöhen.

Zur Herstellung nutzen die Forscher zum einen den 4D-Druck – was bedeutet, daß im 3D-Druckverfahren produzierte Objekte die Fähigkeit erhalten, ihre Form oder Eigenschaften als Reaktion auf Umweltfaktoren wie Licht und Temperatur verändern zu können. Hinzu kommt das Elektrospinnen als Methode der Faserherstellung, bei der geladene Polymere durch elektrische Kraft auf Faserdurchmesser in der Größenordnung von einigen hundert Nanometern gezogen werden.

Um eine Substratschicht aus Polycaprolacton (PCL) zu drucken, einem biologisch abbaubaren thermoplastischen Polyester, der mit Sauerstoffplasma aktiviert wird, um ihn wasseranziehend zu machen, verwendet das Team das sogenannte Fused Deposition Modeling (FDM). Dann werden dem Substrat elektrogesponnene hygroskopische Fasern hinzugefügt, die aus einer Polyethylenoxid-Hülle und einem Kern aus Zellulose-Nanokristallen bestehen.

Bei den Tests erkundet der flexible Roboter eine Bodenprobe und paßt seine Form an, um mit den Unebenheiten und Rissen des Bodens zu interagieren. Zudem erweist er sich als sehr energieeffizient und kann etwa das 100-fache seines Gewichts heben.

Die Forscher gehen davon aus, daß die geringen Kosten des Geräts, das einfache Design und Möglichkeit der Datenerfassung mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung besonders in abgelegenen Gebieten von Nutzen sein werden, von denen bislang keine Überwachungsdaten verfügbar sind. Die entsprechende Studie trägt den Titel ‚4D Printing of Humidity-Driven Seed Inspired Soft Robots‘ und ist komplett einsehbar.

Generatoren der Tsinghua University Grafik

Generatoren der Tsinghua University
(Grafik)

Bereits im Oktober 2018 beschreiben Wissenschaftler der Tsinghua University in Peking und der University of Hong Kong um Yaxin Huang in ihrer Studie ,Interface-mediated hygroelectric generator with an output voltage approaching 1.5 volts’, wie sie durch die Nutzung der Synergie zwischen einem hygroskopischen Graphenoxid mit heterogener Struktur und einer Grenzflächenvermittlung zwischen den Elektroden/Materialien mit Schottky-Übergängen einen leistungsstarken hygroelektrischen Generator mit einer Ausgangsspannung von 1,25 V - 1,52 V entwickelt haben.

In der Abbildung wird ein früherer hygroelektrischer Generator aus einfachem gradientenreduziertem Graphenoxid (rGO) dem verbesserten Modell mit heterogenem Graphenoxid (h-GO) und gut angepaßten Elektroden gegenübergestellt. Indem einfach die Anzahl der hygroelektrischen Generatoreinheiten in Reihe geschaltet wird, kann leicht eine hohe Spannung erreicht werden, um kommerzielle elektronische Geräte zu betreiben. Mit z.B. 15 Einheiten werden 18 V erreicht.


Forscher der University of Massachusetts Amherst (UMass) um Prof. Jun Yao und Derek Lovley berichten im Februar 2020, daß sie ein neues Mini-Kraftwerk entwickelt haben, um kleine Mengen Strom dezentral zu produzieren. Für ihren mit Luftfeuchtigkeit betriebenen und Air-gen genannten Generator nutzen sie Nanofäden aus einem elektrisch leitenden Protein.

Dabei übernehmen Bakterien der Art Geobacter Sulfurreducens die Produktion der Proteinfäden, aus denen die Wissenschaftler dann eine weniger als 10 Tausendstel Millimeter dünne Folie herstellen. Diese wird anschließend zwischen zwei flachen, rechteckigen Goldelektroden plaziert, wobei die obere Elektrode nur einen Teil des Films bedeckt und der Rest der Luft ausgesetzt ist. Mehr über den fleißigen Geobacter findet sich übrigens bei den Bakteriellen Systemen.

Aufgrund ihrer Oberflächenchemie und der geringen Größe der Poren in der Folie, die sie umhüllt, erzeugen die Fäden einen elektrischen Strom zwischen den beiden Elektroden, wenn sie Wasserdampf aus der Luft aufnehmen. Es kommt zu einem winzigen Stromfluß mit einer Spannung von rund 0,5 V und einer Stromstärke von etwa 100 nA. Bei den Tests kann damit ein Kondensator aufgeladen und so eine LED betrieben werden.

Bisher funktioniert die neue Methode der UMass am besten bei einer Luftfeuchtigkeit von rund 50 % Prozent, doch auch auch bei einer Luftfeuchtigkeit von nur 25 % kann noch ein Stromfluß gemessen werden. Die Forscher arbeiten nun daran, die einzelnen Mini-Kraftwerke miteinander zu verknüpfen, um größere Mengen Strom zu produzieren und beispielsweise einen Sensor zu betreiben.

Außerdem wird untersucht, ob es noch andere Möglichkeiten gibt, an die Proteinfäden zu gelangen, wie z.B. durch die bekannte Bakterienart Escherichia coli. Langzeit-Tests sollen zudem zeigen, wie lange eine solche Konstruktion tatsächlich konstant Strom liefert. Einer der ersten Prototypen arbeitete immerhin schon für rund zwei Monate einwandfrei. Die Studie trägt den Titel ‚Power generation from ambient humidity using protein nanowires‘.

Im Mai 2023 folgt eine eine weitere Studie des Yao-Teams (‚Generic Air-Gen Effect in Nanoporous Materials for Sustainable Energy Harvesting from Air Humidity‘), das inzwischen festgestellt hat, daß die Art der Nanofäden, die an diesem Prozeß beteiligt sind, gar keine Rolle spielt. Als die entscheidende Bedingung für den Aufbau einer elektrischen Spannung erweist sich die Größe der Poren, die kleiner sein muß als die mittlere freie Wegstrecke, die einem Wassermolekül in der Luft für die Eigenbewegung zur Verfügung steht und die bei etwa 100 nm liegt. Wenn die Poren kleiner sind, stoßen Wassermoleküle eher mit dem Porenmaterial zusammen als mit anderen Luftmolekülen.

Dadurch kann buchstäblich jedes Material Strom aus der Luft gewinnen, was eine große Auswahl an kostengünstigen und umweltverträglichen Konstruktionen bietet. Ihr gemeinsame Merkmal besteht darin, daß sie mit geeigneten Nanoporen ausgestattet sind, durch die Wasser aus der Luft strömen kann und an der porösen Grenzfläche einen dynamischen Adsorptions-Desorptions-Austausch erfährt, was zu einer Aufladung der Oberfläche führt.

Das Besondere an den stromerzeugenden Porenmaterialien ist, daß die Luftfeuchtigkeit nicht ‚verbraucht‘ wird. Stattdessen ergibt sich in den Poren ein dynamisches Gleichgewicht: Im Durchschnitt stoßen immer ähnlich viele Wassermoleküle mit dem Material zusammen, aber es sind immer wieder andere Moleküle.

Analysen der Materialeigenschaften und der elektrischen Leistung ergeben ein ‚Streukondensator‘-Modell, das beschreibt, wie die Elektrizität geerntet wird, und das das Stromverhalten vorhersagt, das mit den Experimenten übereinstimmt. Und weil der Nanofilm so winzig ist, wäre es einfach, ihn so zu stapeln, daß eine Stromerzeugung im Kilowattbereich möglich wird. Die Energiedichte eines solchen Geräts wird auf 1 kW/m3 geschätzt.

Die Forschung wird von der National Science Foundation (NSF), der Sony Group, der Link Foundation und dem Institute for Applied Life Sciences an der UMass unterstützt.

Interessant ist auch, was Prof. Yao in einem Zeitungsbericht im Juli 2023 erwähnt: Demnach sei die Entdeckung im Grunde ein Zufall gewesen, denn eigentlich sei das Team daran interessiert gewesen, einen einfachen Sensor für die Luftfeuchtigkeit zu bauen. Aber aus welchem Grund auch immer hat der Student, der daran gearbeitet hat, vergessen, den Strom anzuschließen. Um so überraschter sei man gewesen, als das Gerät, das aus einer Reihe Nanodrähten bestand, trotzdem ein elektrisches Signal erzeugte.


Im Mai 2020 berichtet ein Forscherteam um Prof. Colin Price an der Universität Tel Aviv (TAU), das sich von Gewitterwolken hat inspirieren lassen, daß es mit Hilfe von atmosphärischem Wasserdampf und Metalloberflächen eine Spannung erzeugen kann. Daß sich Metalle bei einer ausreichend hohen Luftfeuchtigkeit spontan aufladen können, ist bereits seit vielen Jahren bekannt (s.o.). Konkret gehen dabei Ionen von der Oberfläche auf die kleinen Wassertropfen in der Luft über. Je nach Art des Metalls findet dadurch eine positive oder negative Aufladung statt.

Das Team geht davon aus, daß die Elektrizität in Gewittern nur durch Wasser in seinen verschiedenen Phasen erzeugt wird – Wasserdampf, Wassertröpfchen und Eis: „Zwanzig Minuten der Wolkenentwicklung sind der Weg von Wassertröpfchen zu riesigen Blitzen.“

Um eine neue Art von Akku zu entwickeln, suchen die Wissenschaftler nach zwei Metallen, die sich möglichst verschieden aufladen. In der Kombination sorgt dies dann dafür, daß der Ladungsunterschied groß genug ist, um eine Spannung zu erzeugen. Um die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten zunächst einmal zu erproben, wird ein Zylinder aus chromüberzogenem Messing genutzt, in den die Metallproben gesteckt werden. Mithilfe eines Elektromotors wird anschließend die Spannung im Metall und innerhalb des Zylinders gemessen.

Erste Erkenntnis des Experiments: Bei zu trockener Luft tritt keine Spannung auf. Sobald aber die relative Luftfeuchtigkeit auf einen Wert von über 60 % steigt, setzt auch der gewünschte Effekt ein und es baut sich eine Spannung zwischen den Metallen auf, die jedoch wieder verschwindet, sobald die Luftfeuchtigkeit wieder sinkt. Die höchsten Werte mit einer Spannung zwischen 0,8 V und 0,9 V werden bei einer Kombination von Edelstahl und Zink erreicht. Werden ein Zink- und ein Edelstahlblech – nur durch ein Papier getrennt – aufeinander gelegt und zu einer engen Spirale aufgewickelt, wird eine Spannung von 1 V erreicht.

Als der improvisierte Akku bei einem ersten Praxistest für drei Tage auf dem Dach des Instituts plaziert wird, beginnt die Aufladung der Metalle, sobald die Luftfeuchtigkeit – zumeist in der Nacht – auf mehr als 60 % steigt. In Sachen Praxistauglichkeit ist das eine gute Nachricht, denn selbst in sonst eher trockenen Regionen steigt die Luftfeuchtigkeit nachts in der Regel auf mehr als diesen Wert. Nun wollen die Forscher ihre Erkenntnisse nutzen, um daraus marktreife Produkte zu entwickeln, wie z.B. Batterien, die durch Luftfeuchtigkeit aufgeladen werden.

Die Studie mit dem Titel ‚On the Spontaneous Build-Up of Voltage between Dissimilar Metals Under High Relative Humidity Conditions‘ ist im Netz verfügbar.


Ein von Zheng Yan geleitetes Forschungsteam der University of Missouri (MU) in Columbia berichtet im Juli 2020 von vielversprechenden Experimenten mit Sensoren, die wie Heftpflaster auf der Haut befestigt werden und sowohl physiologische Daten erfassen, als auch die Verabreichung von Medikamenten steuern sowie Daten per Bluetooth oder 4G LTE übertragen können.

Die ursprüngliche Entwicklung hautfreundlicher epidermaler elektronischer Pflaster, die fest auf der Haut haften und selbst bei feuchter, fettiger oder behaarter Haut eine effiziente und normale Funktion ermöglichen, geht auf Prof. Tiger H. Tao und seine Mitarbeiter am Shanghai Institute of Microsystem and Information Technology im Jahr 2019 zurück. Bereits 2015 hatten Forscher der Carnegie Mellon University und der Universität des Saarlandes um Prof. Jürgen Steimle elektronische Tattoos entwickelt, die sie SkinMarks nannten.

Das Besondere an den neuen ,epidermal electronics’ der MU ist, daß sie größtenteils mit Papier und Bleistift hergestellt werden, was mehrere Vorteile hat: Zum einen zersetzt sich Papier auf natürliche Weise innerhalb von sechs Wochen, was bei den ansonsten verwendeten Kunststoffen Jahrhunderte dauern kann. Zum anderen ist Papier erheblich preiswerter als andere Materialien. Die elektronischen Schaltungen werden daher mit einem Bleistift auf gewöhnliches Druckerpapier gezeichnet.

Um die Tauglichkeit ihres Ansatzes zu testen, entwerfen die Forscher verschiedene Schaltungen, mit denen biophysikalische Messungen wie Hauttemperatur, Herzaktivität (EKG), Muskelaktivität (EMG) oder Hirnaktivität (EEG) durchgeführt werden können. Daneben kann die Methode auch zur Erhebung chemischer Daten wie pH-Wert, Harnsäurekonzentration oder Glukosegehalt eingesetzt werden, ebenso zur thermischen Stimulation, der gezielte Wundbehandlung, oder zur Verabreichung von Medikamenten mittels Iontophorese.

Auch die Energieversorgung der Sensoren läßt sich mit Papier und Bleistift lösen, indem ein Energy Harvester gezeichnet wird, der die Feuchtigkeit der Umgebung in elektrischen Strom umwandelt. Bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 95 % lassen sich damit für bis zu zwei Stunden etwa 480 mV generieren.


Die 2006 von Charles Murphy und seinen Partnern gegründete Firma Strategic Elements Ltd. (SOR) mit Hauptsitz in Subiaco, Westaustralien, investiert primär in Unternehmen, die sich auf die Exploration von Seltenen Erden und Seltenen Metallen sowie die Entwicklung von Materialien konzentrieren. Die Firma scheint aber auch die erste zu sein, die sich kommerziell mit der Nutzung der kostenlosen, unbegrenzten Umgebungsfeuchtigkeit zur Stromerzeugung bei Tag und Nacht beschäftigt.

Im Januar 2022 meldet das Unternehmen, daß seine 100 %-ige Tochtergesellschaft Australian Advanced Materials in Zusammenarbeit mit Prof. Dewei Chu von der University of New South Wales (UNSW) eine signifikante Verbesserung der Fähigkeit zur Umwandlung von Luftfeuchtigkeit in elektrische Energie erzielen konnte, die sich über Jahre der gemeinsamen Entwicklung elektronischer Tinten entwickelt hat. Die Arbeiten wurden teilweise vom australischen Forschungsrat finanziert.

Energy Ink

Energy Ink

Bei der Energy Ink genannten nanoionischen Batterietechnologie handelt es sich um eine flüssige Tinte auf der Basis von Graphenoxid, die in der Lage ist, Energie aus der Luftfeuchtigkeit oder der Hautoberfläche zu gewinnen und sich innerhalb von Minuten selbst aufzuladen. Sie verwendet umweltfreundliche Materialien, die sicher und nicht entflammbar sind und die, wenn sie auf flexiblen Kunststoffen gedruckt werden, gebogen und gekrümmt werden können, was auch tragbare Anwendungen am menschlichen Körper erlaubt.

Bisher wurden 36 cm2 große Batteriezellen hergestellt, die derzeit gemessen und für den Einsatz in elektronischen Hautpflastern validiert werden. Die Ergebnisse zeigen, daß sich die elektrische Ladekapazität prinzipiell von Milliamperestunden (mAh) auf Amperestunden (Ah) erhöhen läßt. Das Team arbeitet nun an dem weltweit ersten Akkupack, das in der Lage ist, elektrische Ladung im Ampere-Stunden-Bereich allein aus der Luftfeuchtigkeit zu gewinnen. Es soll noch in diesem Jahr fertiggestellt werden.

Um zu testen, ob die Leistungsabgabe der Energy-Ink-Zelle mit zunehmender physischer Größe der Zelle steigt, wird die Fläche zunächst auf 64 cm2 und dann auf 100 cm2 vergrößert. Im September wird berichtet, daß während einer 14-tägigen Testperiode eine einzige 100 cm2 große Zelle mehr als 1.400 mAh an elektrischer Ladung erzeugte, was einer Steigerung von 400 % gegenüber dem 36 cm2 großen Zellpaket entspricht.

Zu den Herausforderungen bei der Herstellung größerer Zellen gehören die Druckbarkeit über eine größere Fläche, die Tintenhaftung und die elektrischen Kontaktverbindungen. Das Team arbeitet daran, diese Aspekte zu verbessern. Dabei hilft auch der Zugriff auf eine Anlage an der UNSW, mit der Siebdrucke mit einer Größe von 100 µm und einer Fläche von 30.000 cm2 hergestellt werden können.

Die Firma Stealth Technologies Pty Ltd., ein Automatisierungs- und Robotikunternehmen, das sich ebenfalls im Besitz von Strategic Elements befindet, baut bis Jahresende vier programmierbare Belastungssimulatoren, die automatisierte Tests ermöglichen, um zu zeigen, wie die Energy-Ink-Zellen in realen Anwendungen funktionieren. Mit Hilfe des Lastsimulators soll anschließend ein Demonstrator entwickelt werden.

Außerdem richtet die Firma in Perth ein zusätzliches Labor mit mehreren Elektronikingenieuren von Stealth Technologies ein, um eine Grundlage für das Testen von Batteriegeräten für die Integration in kommerzielle und Verbrauchergeräte zu schaffen. Als dort ein einfaches Energieverwaltungssystem mit der Energy Ink-Technologie kombiniert wird, ergeben Tests eine drastische Steigerung der Leistungsdichte bzw. der Leistung pro Quadratzentimeter um mehr als 500 %.

Im Dezember 2022 unterzeichnen die Australian Advanced Materials und die UNSW eine Vereinbarung über ein von der Bundesregierung mit 1,6 Mio. $ finanziertes Projekt zur Entwicklung einer potentiellen Energiequelle der nächsten Generation, die direkt aus der Luftfeuchtigkeit Strom für tragbare Elektronikgeräte erzeugen kann.

Schon im März 2023 verkündet die Strategic Elements, daß die Energy-Ink-Technologie mit gegenwärtig 14 mW/cm2 auf dem besten Wege sei, die Leistungsdichte von Solarzellen zu erreichen, die mit 20 mW/cm2 angegeben wird. Als nächstes sollen die grundlegenden Mechanismen, die Feuchtigkeit in Energie umwandeln, in eine Tintenformel eingearbeitet werden, um  die Tinte anschließend so zu optimieren, daß ultradünne Zellen von etwa 200 µm Dicke hergestellt werden können, deren Leistungsdichte die der Solarzellen übertreffen könnte.


Auch Forscher der National University of Singapore (NUS) um Tan Swee Ching haben ein selbstaufladendes, ultradünnes Gerät entwickelt, das Strom aus Luftfeuchtigkeit erzeugt, wie sie im März 2022 in ihrem Artikel ‚An Asymmetric Hygroscopic Structure for Moisture-Driven Hygro-Ionic Electricity Generation and Storage’ melden. Es besteht aus einer nur 0,3 mm breiten Stoffschicht, etwas Meersalz, Kohlenstofftinte und einem wasserabsorbierenden Gel.

Zu den Herausforderungen der feuchtigkeitsbetriebenen Stromerzeugung (moisture-driven energy generation, MEG) gehört die Wassersättigung des Geräts, wenn es der Umgebungsfeuchtigkeit ausgesetzt ist. Das neue MEG-Gerät enthält daher zwei Bereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften, um die Differenz im Wassergehalt zwischen ihnen dauerhaft aufrechtzuerhalten. So wird Strom erzeugt und zugleich eine elektrische Leistung über hunderte Stunden ermöglicht.

Im Einzelnen wird die dünne, handelsübliche Gewebeschicht aus Holzzellstoff und Polyester des MEG-Geräts mit Kohlenstoff-Nanopartikeln beschichtet, wobei der Naßbereich des Gewebes mit einem aus Meersalz hergestellten hygroskopischen ionischen Hydrogel beschichtet wird, das mehr als das Sechsfache seines ursprünglichen Gewichts an Feuchtigkeit aus der Luft aufnehmen kann. Das andere Ende des Gewebes ohne Hydrogelschicht bildet den trockenen Bereich.

Das MEG-Gerät erzeugt Elektrizität, sobald die Meersalzionen getrennt werden, während das Wasser im feuchten Bereich absorbiert wird. Freie Ionen mit positiver Ladung werden von den Kohlenstoff-Nanopartikeln absorbiert, die negativ geladen sind. Dadurch verändert sich die Oberfläche des Gewebes, wo ein elektrisches Feld entsteht. Diese Veränderungen an der Oberfläche verleihen dem Gewebe auch die Fähigkeit, Elektrizität für eine spätere Verwendung zu speichern.

Durch eine besondere Anordnung von Naß-Trocken-Bereichen können die NUS-Forscher einen hohen Wassergehalt im Naßbereich und einen niedrigen im Trockenbereich aufrechterhalten. Dadurch bleibt die elektrische Leistung auch dann konstant, wenn der feuchte Bereich mit Wasser gesättigt ist. Diese asymmetrische Struktur (Asymmetric Hygroscopic Structure, AHS) verbessert die elektrische Leistung im Vergleich zu früheren MEG-Technologien deutlich.

Außerdem zeigt das MEG-Gerät eine hohe Flexibilität und hält Belastungen durch Verdrehen, Rollen und Biegen stand. Nach der Wasseraufnahme liefert ein 1,5 x 2 cm großes Stück stromerzeugendes Gewebe unter konstanten Bedingungen über 150 Stunden lang bis zu 0,7 V. Und auch die Skalierbarkeit des Geräts kann erfolgreich demonstriert werden.

In der Abbildung ist das Foto und der Aufbau eines aus AHS zusammengebauten Leistungsgeräts der Größe AA zu sehen, bei dem drei AHS-Stapel mit Klammern verbunden und in ein 3D-gedrucktes Batteriegehäuse eingebettet sind. Es erreicht eine Spannung von bis zu 1,96 V. Den NUS-Forschern zufolge, die die Technologie zum Patent angemeldet haben, machen die niedrigen Herstellungskosten von etwa 0,15 S$/m2 eine Kommerzialisierung vielversprechend.


Im August 2023 folgt ein Bericht aus China, wo es diesmal Forscher rund um Tuo Ji von der Northeast Normal University sind, die zusammen mit Kollegen des Institute of Optics, Fine Mechanics and Physics der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, beide in Changchun, sowie der Soochow University in Suzhou, die einen Generator entwickelt haben, der Strom aus der Feuchtigkeit in der Luft erzeugt (‚Polyoxometalates for continuous power generation by atmospheric humidity‘).

POM-Generator Grafik

POM-Generator
(Grafik)

Der Generator besteht aus Polyoxometallaten (POM). Dabei handelt es sich um große, anorganische Moleküle, die aus Metallen und viel Sauerstoff bestehen und selbstorganisiert poröse, netzähnliche Gitter bilden können. POM können zudem zu Polyoxoanionen und Kationen ionisiert werden, die in Wasser unterschiedlich gut wandern.

Im vorliegenden Fall wird ein Polyoxometallat aus Phosphat, Wolfram und Kupfer verwendet, aus dem Nanodrähte mit besonders vielen Mikroporen erzeugt werden. Die Nanodrähte werden dann als Dünnfilm auf eine Unterlage aus fluordotiertem Zinnoxid-Glas (FTO) aufgetragen, die auch als Elektrode des Generators fungiert. Als zweite Elektrode wird auf der Oberfläche des Dünnfilms eine Kupferelektrode angebracht.

Die Mikroporen des Dünnfilms fangen die Wassermoleküle aus der Luft ein, sobald der Generator der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt wird. Dabei sammeln sich mehr Wassermoleküle in den oberen Schichten als in den tiefen, was einen Ionen-Gradienten im POM erzeugt, durch den positiv geladene Kationen in Bewegung geraten. Die Bewegung der Ionen erzeugt wiederum das elektrische Potential, das zur Gewinnung von Strom genutzt werden kann.

Bei Tests mit einem 0,36 cm2 großen und nur 7 µm dicken ‚optimalen‘ Prototypen, die bei Raumtemperatur und bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von 10 – 90 % erfolgen, arbeitet das Miniatur-System bei allen getesteten Werten – und erzeugt bei rund 50 % relativer Luftfeuchtigkeit kontinuierlich und stabil eine Spannung von 0,68 V bei einer Stromdichte von 19,5 µA/cm2.

 

Weiter mit der Verdunstungsenergie...