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Angesichts ihrer Kraft könnte man fragen, ob die mehr als drei Millionen Blitze,
die weltweit pro Tag am Himmel aufleuchten, in einem Kapitel über Mikro-Energie
an der richtigen Stelle stehen. Da sich die bisherigen Erfolge jedoch
auf relativ geringe Mengen geernteter Blitz-Energie beschränken, werde
ich die Angelegenheit (vorerst) hier behandeln.
Inspiriert durch die wegweisenden Experimente von Franklin und Dalibard
(s.o.) beginnen die Naturphilosophen und Elektriker des achtzehnten
Jahrhunderts in sogenannten ,electrical cabinets’ mit Gewitter-Strom
zu spielen. Dies sind kleine Pavillons, in die das untere Ende eines
Blitzableiters oder eines Drahtes geführt wird, der an einem Drachen
hängt.
Der deutsch-baltische Physiker Prof. Georg Wilhelm Richmann aus Petersburg, der gemeinsam mit dem russischen Universalgelehrten Michail Lomonossow auch die Ursachen der Reibungselektrizität erforscht, wird im Jahr 1753 zum ,ersten Märtyrer der Elektrizität’, als er vor und während eines Gewitters mit Hilfe einer Eisenstange, an deren Ende ein Elektrometer installiert ist, die elektrische Aufladung der Atmosphäre untersucht – und beim Ablesen des Geräts von einem Blitz getötet wird, der in die Eisenstange einschlägt.
Energiereiche künstliche Blitze erzeugt als erster der berühmte Nikola Tesla. In seinen Aufzeichnungen berichtet er zudem von Kugelblitzen in seinem Labor.
In den späten 1920er Jahren gibt es eine Reihe weiterer
Experimente, bei denen versucht wird, die atmosphärische Elektrizität
praktisch zu nutzen. An der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin
(heute: Humboldt-Universität) entscheiden sich die Physiker Arno
A. Brasch, Fritz Lange und Kurt Urban,
die Hochspannung (und nicht die Energie) des atmosphärischen Feldes
für ihre Pionierarbeit in der Kernphysik zu nutzen: die Spaltung von
Atomkernen mit Hilfe von Blitzentladungen.
Im Rahmen eines Projektes zur Erforschung der Luftelektrizität, das von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft unterstützt wird, unternehmen die drei Wissenschaftler Hochspannungsversuche mit Blitzen - im Tessin, der an Blitzen reichsten Gegend Europas.
Auf dem Monte Generoso zwischen der Schweiz und Italien, wenige Kilometer südlich von Lugano, beginnen die Berliner im Sommer 1927 mit der Installation des ersten Blitzfängers. Dieser besteht aus einem 400 qm großen metallischen Netz, das an einem 800 m langen isolierten Kabel, welches ein ganzes Tal überspannt, 80 m über dem Boden des Tales hängt. Allerdings wird die zu Meßzwecken installierte Funkenstrecke von fast 5 m Öffnungsweite bei der Annäherung von Gewittern mühelos überschlagen – und ist für Meßzwecke mithin nutzlos.
Im folgenden Jahr werden daher eine bessere Antenne und eine größere Funkenstrecke installiert, wodurch man auf bis zu 18 m Schlagweite kommt, was etwa 16 Millionen Volt entspricht. Der mehrfache Abriß von Stahlkabeln, Entladungen, Blitztreffer während der Montagearbeiten und schließlich der tödliche Absturz von Kurt Urban beim Aufspannen eines Drahtnetzes im August 1928 erzwingen den Abbruch des Vorhabens. Brasch und Lange setzen ihre Forschung im Hochspannungs-Labor der AEG Berlin fort.
Zum Hintergrund: Ein Blitz ist nichts anderes als
ein dichte Ansammlung positiver und negativer Ladungen, die mehr als
5.000°C heiß ist und Plasma genannt wird. Nach Angaben der National
Oceanic and Atmospheric Administration der USA erhitzt die Energie
von Blitzen die Luft kurzzeitig auf bis zu 30.000°C. Dabei transportieren
oder erzeugen Blitze drei Formen von Energie: Elektrizität, Wärmeenergie,
die heißer ist als die Oberfläche der Sonne, und Schallenergie (Donner),
die bis zu 40 km weit reichen kann.
Obwohl ein Blitz nur eine Millisekunde dauert, wird angenommen, daß er bis zu einer Milliarde Volt und etwa 100.000 oder mehr Ampere an Elektrizität enthalten kann. Anderen Quellen zufolge kann ein einziger Blitz bis zu 10 GW Strom erzeugen, die, könnten sie komplett genutzt werden, etwa 3,4 Millionen Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgen würden.
Seit Ende der 1980er Jahre wird (wieder) ernsthaft versucht, diese immense Energie auf ein sicheres Maß zu drosseln und technisch nutzbar zu machen. Dabei werden verschiedene Ansätze verfolgt und teilweise auch getestet: einen Teil der Elektrizität durch Induktoren einfangen; die intensive Wärme einfangen, um genügend Dampf für den Betrieb einer Turbine zu erzeugen; oder genügend Schall umwandeln, um den Strom zu erzeugen, der zur Herstellung von kohlenstofffreiem Wasserstoff benötigt wird.
Einige der auftretenden Probleme bestehen darin, daß sich die Kraft der Blitze immer wieder ändert. Zu hohe Energiemengen zerstören jedoch die Speicher, während sich zu niedrige kaum sinnvoll speichern lassen. Zudem müssen die extrem hohen Spannungen in speicherbare, niedrigere Spannungen umgewandelt werden.
Seit Ende der 1980er Jahre wird (wieder) ernsthaft
versucht, diese Energie technisch nutzbar zu machen. Dabei werden verschiedene
Ansätze verfolgt und teilweise auch getestet: die Herstellung von Wasserstoff;
schnell erhitztes Wasser zur Stromerzeugung nutzen; oder einen Teil
der Energie durch Induktoren einfangen.
Ein frühes Patent mit dem langen Namen ,Assembly for the induction of lightning into a superconducting magnetic energy storage system’ stammt von Goren Mims aus Miami, Florida (US-Nr. 5.367.245, angemeldet 1992, erteilt 1994). Eine Umsetzung ist nicht jedoch erfolgt.
Damit ein Blitz in einem vorhersagbaren Ort einschlägt, wird schon
seit einigen Jahren die Idee diskutiert, laserinduzierte Plasmen
als Blitzableiter zu verwenden. Möglich wäre dies mit ultrakurzen
Laserpulsen, nachdem Physiker der Universität Jena im
Jahr 1998 nachgewiesen hatten, daß innerhalb des
kilometerlangen Laserstrahls eine erhöhte elektrische Leitfähigkeit
besteht.
Daß die Idee auch außerhalb des Labors tatsächlich funktioniert, zeige Shigeaki Uchida und seine Gruppe an der Osaka University erstmals 1999. Weil ihre Laser nicht leistungsfähig genug sind, erzeugten die Japaner einen Plasmakanal wenige Meter über einem Turm mit einem Blitzableiter, wobei es ihnen zweimal gelingt, einen Blitz tatsächlich abzuleiten. Weitere Versuche im Freien sollen 2004 im US-Bundesstaat New Mexico und 2011 in Singapur stattgefunden haben, scheiterten jedoch.
Seit den 1970er Jahren gelingt es zwar, Blitzschläge
in Gewitterwolken auszulösen, indem kleine Raketen hinein geschossen
werden, die mit der Erde verbunden lange Drähte abwickeln – doch das
funktioniert in der Regel nur bei 50 % der Raketenstarts und ist zudem
relativ teuer.
Bereits 1999 startet deshalb ein deutsch-französisches Vier-Jahres-Projekt, das gemeinsam von dem Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durchgeführt wird. Beteiligt sind zudem die Universität Jena, die FU Berlin, die Université Lyon und die École Nationale Supérieure de Techniques Avancées in Paris. Die Finanzierung mit rund 2,5 Mio. € übernehmen die französische Agence nationale de la recherche (ANR), das französische und deutsche Außenministerien, der Fonds national suisse de la recherche scientifique und das schweizerische Secrétariat d’État à l’Éducation et à la Recherche.
Das primäre Ziel des Projekts der Wissenschaftler um Jérôme Kasparian ist allerdings die Entwicklung neuer Methoden der Fernerkundung atmosphärenrelevanter Substanzen und Parameter. Hierfür entsteht im Laufe der Folgejahre mit dem Teramobile das weltweit erste mobile Femtosekunden-Lasersystem, das Pulse von mehreren Terawatt Leistung liefert. Das insgesamt neun Tonnen schwere Equipment aus elektronischen und optischen Geräten ist in einem 6 m Standard-Frachtcontainer untergebracht.
Wie aus der 2004 veröffentlichen Dissertation von Miguel Rodríguez Langlotz an der FU Berlin zu erfahren ist (,Terawatt-Femtosekunden Laserpulse in der Atmosphäre’), gelingt es u.a. durch einen laserinduzierten Plasmakanal (LIPC) Megavolt-Blitzentladungen von bis zu 4 m Länge auszulösen und zu lenken. Damit bestätigt sich, daß ein Hochleistungslaser verwendet werden könnte, um eine ionisierte Gassäule zu bilden, die als atmosphärische Leitung für elektrische Entladungen handeln würde, um den Blitz zur Ernte direkt zu einer Bodenstation zu führen.
Eine weitere Anwendung betrifft die Blitzauslösung oder -führung, um sensible Anlagen wie Kraftwerke oder Flughäfen besser als mit den herkömmlichen Blitzableitern zu schützen. Diese beruhen noch heute auf der von Benjamin Franklin im 18. Jahrhundert erfundenen Methode, den Blitz einzufangen und in den Boden zu leiten.
Der Experimentalphysiker Prof. Ludger Wöste der FU Berlin, auf den die Entwicklung des Teramobile maßgeblich zurückgeht, hält sogar eine Steuerung meteorologischer Prozesse denkbar. In feuchte Luft gerichtet, kann ein kurzer Lichtimpuls Kondensation und die Bildung von Regentropfen bewirken. Das entsprechende Verfahren ist das erste, das die FU als Universität zum Patent anmeldet (zuvor war es – die kostspielige – Sache der Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten selbst, ihre Erfindungen anzumelden).
Zum ersten Mal gezielt elektrische Aktivität in Gewitterwolken auszulösen, gelingt den Wissenschaftlern allerdings erst, als sie im Jahr 2008 bei einen dreimonatigen Feldversuch in Zusammenarbeit mit dem Atmosphären-Forschungsinstitut Langmuir Lab von der Spitze des 3.200 m hohen South Baldy Peak in New Mexico aus Laserimpulse von 5 TW in vorbeiziehende Gewitter ,schießen’. Damit gelingt es zwar nicht, einen Luft-Boden-Blitz auszulösen, aber die Laserpulse erzeugen immerhin kleine lokale Plasmakanäle in den Gewitterwolken selbst. Die im April veröffentlichte und im Netz einsehbare Studie trägt den Titel ‚Electric events synchronized with laser filaments in thunderclouds‘.
Um im nächsten Schritt einen Blitz zu erzeugen, der nach der Entladung seinen Weg runter zur Erde findet, will das Team den Laser auf Pulssequenzen umprogrammieren, aus denen langlebigere Plasmafäden entstehen. Zudem soll die Leistung der Laserpulse um einen Faktor von 10 erhöht werden.
Das Projekt veröffentlicht bis 2011 noch diverse weitere Publikationen, über das Ernten von Blitzenergie ist aber nichts mehr zu hören. Die späteren Arbeiten zur laserinduzierten Ableitung von Blitzen werden weiter unten in Zusammenhang mit dem Team der Universität Genf dokumentiert.
Der im Jahr 2000 erschienene SF-Roman Kugelblitz von Cixin
Liu befaßt sich mit der Idee, die oft tödliche Naturkraft
dieser Blitze zu erforschen und als Energiequelle nutzbar zu machen.
Um das Phänomen der Kugelblitze wissenschaftlich zu
erklären und herauszufinden, ob bei ihrer Entstehung elektrische und
magnetische Felder oder chemische Energie eine Schlüsselrolle spielen,
versuchen Forscher weltweit solche Kugelblitze im Labor zu erzeugen
und zu vermessen. Experimentelle Ansätze sind Mikrowellen-Entladungen,
elektrische Funken, die über organische Materialien geleitet werden
oder elektrische Entladungen im Wasser.
Nachdem um das Jahr 2002 Forscher am Institut für Nuklearphysik in St. Petersburg mittels elektrischer Entladungen kugelförmige Leuchtgebilde über Wasseroberflächen produziert hatten, die dem Naturphänomen nahe kommen, laufen – durch die russischen Versuche angeregt – ab 2006 auch in Deutschland Untersuchungen, bei denen kugelblitzähnliche Plasmoide erzeugt werden.
Der gemeinsamen Arbeitsgruppe Plasmaphysik des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching und der Berliner Humboldt-Universität (HUB) unter der Leitung von Prof. Gerd Fußmann gelingt es, über einer Wasseroberfläche leuchtende Plasma-Bälle zu produzieren, die 0,3 – 0,5 Sekunden lang bestehen, einen Durchmesser von 10 - 20 cm haben und einen halben Meter hoch aufsteigen. Dazu werden in einem mit Salzwasser gefüllten Behälter 0,15 Sekunden lange Mikrowellen-Hochspannungsentladungen mit 50 – 130 A gezündet, nach deren Abklingen aus der Oberfläche leuchtende Bälle emporsteigen, die aus ionisiertem Gas bestehen.
Warum allerdings die hellen Leuchterscheinungen zustande kommen, nachdem der Strom bereits abgeklungen und die Energiezufuhr gekappt ist, ist noch unklar. Ende 2009 wird das Experiment daher ans IPP in Garching transferiert und neu konzipiert, wobei der Fokus nun auf den plasma-chemischen Prozessen liegt, aus denen das Plasmoid vermutlich seine Energie bezieht und die somit seine Lebensdauer bestimmen und zudem für den größten Teil des Leuchtens verantwortlich sind.
So entstehen aus dem Wasser bei den hohen Temperaturen um 5.000°C Hydroxid-Radikale, die wiederum mit Kalzium zu Kalziumhydroxid weiterreagieren. Diese Reaktion tritt auch in Flammen auf und führt zu einer Chemolumineszenz genannten Leuchterscheinung. Weshalb nun auch – zumindest in den Kommentaren – Überlegungen zu einer energetischen Nutzung dieses Effekts aufkommen.
Die im Jahr 2001 gegründete Firma Alternate
Energy Holdings Inc. (AEHI) aus Boise, Idaho, die sich im
Bereich grüner Energiequellen engagiert, vor allem aber für Kernkraftwerke
in den USA (sic!), gibt im Oktober 2006 bekannt,
den Prototyp einer Anlage entwickelt zu haben, mit der sich Blitze
erfolgreich einfangen lassen. Eine entsprechende Blitz-Farm soll in
der Lage sein, Strom für Gestehungskosten von 0,5 $-Cent/kWh zu produzieren.
Zur Umsetzung will man nun mit der Entwicklung einer mobilen Blitz-Farm
in voller Größe beginnen, um diese in der nachfolgenden Blitzsaison
zu testen.
Die Idee zu dem System, das einen Turm zum Einfangen sowie einen Kondensator zum Speichern beinhaltet, geht auf den Erfinder Steve LeRoy aus Illinois zurück, der behauptet, mit einem kleinen künstlichen Blitz eine 60 W Glühbirne 20 Minuten lang zum Leuchten gebracht zu haben. Tatsächlich kann die AEHI das System, dessen Rechte sie von LeRoy gekauft hatte, aber nicht zum Laufen bringen – und seit Mitte 2007 ist nichts mehr von dem Unternehmen zu hören.
Im November 2010 veröffentlicht Daniel S.
Helman an der California State University einen
Recherchebericht mit dem Titel ,Catching lightning for alternative
energy’, in welchem er die Quellen aufführt, die sich seit 1997 mit
den verschiedenen Methoden des Einfangens von Blitzen beschäftigt haben.
Dazu gehören neben der Quantifizierung von Blitzschlägen und den bereits erwähnten Methoden des Aussendens einer Rakete in einem Sturm sowie des Auslösens von Blitzen mit Hilfe eines Lasers auch der Vorschlag, einen Turm mit einem großen Metallhorn als Auftreffpunkt zu errichten (das sich vermutlich mit jedem Einschlag verbrauchen würde), mit einem sehr dicken Kabel, um die Energie zu übertragen. Von entsprechenden praktischen Versuchen berichtet der Autor allerdings nicht.
Das Design eines speziellen Gebäudes, welches die Energie von Blitzen
einfangen und verwerten soll, kursiert im März 2011 in
diversen Blogs. Das radikale architektonische Konzept namens Hydra stammt
von den Designern Milos Vlastic, Vuk Djordjevic, Ana
Lazovic und Milica Stankovic aus Serbien.
Der für eine Mischnutzung vorgesehene 500 m hohe Wolkenkratzer soll Energie von Gewittern ernten und in mehreren Mega-Batterien an der Basis speichern. Anschließend wird damit durch Elektrolyse Wasserstoff sowie als Nebenprodukt sauberes Wasser produziert. Als Baumaterial des Exoskeletts wird Graphen vorgeschlagen, das eine hohe thermische und elektrische Leitfähigkeit besitzt und zudem zweihundertfach stärker ist als Stahl.
Das Projekt umfaßt auch eine Forschungseinrichtung sowie Wohnungen und Erholungsbereiche für die Wissenschaftler und ihre Familien – die durch faradaysche Käfige vor den erwarteten Entladungen geschützt werden sollen.
Ein Team um den Physiker Neil Palmer von der britischen University
of Southampton, das mit dem finnischen Handyhersteller Nokia zusammenarbeitet,
berichtet im Oktober 2013 über Versuche, ein Handy mit Blitz-Energie aufzuladen.
Als Machbarkeitsstudie werden im Labor künstliche 200.000 V Blitze erzeugt, die durch eine lediglich 30 cm große Lücke gejagt werden und deren Energie mit einem speziellen Empfänger aufgefangen wird, der als ,kontrollierender Spannungswandler’ bezeichnet wird. Dabei gelingt es tatsächlich, mit dem Stromstoß ein Lumia-925-Smartphone aufzuladen, ohne das Handy dabei zu zerstören. Palmer zufolge hätten die Schaltkreise des Handys „irgendwie das unruhige Signal stabilisieren können.“
Im einem Bericht vom Juni 2015 wird gemeldet, daß
es Matteo Clerici und seinen Kollegen am Institut
National de la Recherche Scientifique in Quebec gelungen ist,
mittels Lasern die Bahn von Blitzen vollkommen zu kontrollieren – wenngleich
erst mit Zentimeter großen Entladungen.
Dies gelingt, indem die kanadischen Forscher den Laserstrahl optimieren und Speziallinsen einsetzen, um einen sogenannten Bessel-Strahl zu erzeugen. Während bei einem üblichen Laser die Wellen parallel verlaufen, kreuzen sich diese beim Bessel-Strahl mit sich selbst. Es erweist sich, daß sich der Blitz durch den im Querschnitt veränderten Laser wesentlich besser leiten läßt.
Dank des neuen Verfahrens können Blitze nicht nur in eine geradeaus verlaufende Bahn geführt werden, sondern auch die Gestalt gekrümmter Lichtbögen annehmen und sogar um Hindernisse herum geführt werden.
Davon ausgehend, daß sie möglicherweise für eine zukünftige
energetische Nutzung von Blitzen wesentlich sind, sollen
auch die weiteren Entwicklungen bei der laserinduzierten Ableitung
dokumentiert werden.
So startet im Jahr 2017 ein Team um den Blitzforscher Jean-Pierre Wolf von der Universität Genf, der auch an den o.e. Teramobile-Versuchen beteiligt war, das neue Projekt Laser Lightning Rod (LLR), das vom Forschungsförderungsprogramm der EU Horizon 2020 finanziert wird und das ebenfalls die Entwicklung eines laserbasierten Blitzschutzes zum Ziel hat, bei dem die Luft mit Hilfe von Laserstrahlen ionisiert und so ein Plasmakanal mit sehr viel höherer Leitfähigkeit als die der Umgebung geschaffen wird. Der Kanal – oder das Filament, wie die Blitzforscher sagen – leitet den Blitz dann direkt zu einem geeigneten Blitzableiter.
Da der Plasmakanal aber nicht da entstehen soll, wo der Laser steht, sondern in den Wolken, erzeugen die Forscher einen Laserstrahl, der nur ganz leicht fokussiert ist. Noch vor dem Brennpunkt dieses Strahls ist die Feldstärke jedoch so hoch, daß nichtlineare Effekte eintreten und die Intensität des Lasers den Brechungsindex der Luft ändert.
Dies führt dazu, daß der Laser sich selber weiter einschnürt – eine Art Selbstfokussierung, durch welche die Intensität des Laserlichts weiter ansteigt und so groß wird, daß die elektromagnetischen Wellen den Atomen der Luft die Elektronen entreißen.
Im Labor werden im Laufe des Jahres 2018 Versuche mit einem 200 mJ und einem 1 J Laser durchgeführt, denen im Sommer 2019 ein Outdoor-Test mit dem 1 J Laser (Durchschnittsleistung 1 kW) und im Sommer 2020 schließlich konkrete Experimente auf dem Gipfel des 2.500 m hohen Berg Säntis in der Ostschweiz folgen.
Dort befindet sich ein 124 m hoher Telekommunikationsturm, den Forscher der ETH Lausanne mit eigens entwickelten Sensoren ausgestattet haben, die den Blitzstrom, elektromagnetische Felder in verschiedenen Entfernungen, Röntgenstrahlen und Strahlungsquellen der Blitzentladungen messen. Der Turm wird über 100 Mal pro Jahr getroffen und ist daher ein idealer Standort.
Der deutsche Laserhersteller TRUMPF mit Stammsitz in Ditzingen hatte im Laufe von vier Jahren für die Versuche einen mehrere Tonnen schweren Laser konstruiert, der auf Kernkomponenten von Hochleistungs-Industrielasern basiert und nicht nur zehn, sondern tausend Pulse pro Sekunde abschießen kann, was einer Wiederholungsrate von 1.000 Hz entspricht.
Die eigentliche Laserquelle – der Oszillator – ist ein Faserlaser mit bis zu 50 µJ Pulsenergie, die dann durch zwei Verstärkerstufen geleitet werden, in denen insgesamt fünf dünne Scheiben aus Yttrium-Aluminium-Granat sitzen. Mittels einer trickreichen Spiegeloptik wird das Laserlicht bis zu 20-mal durch jede Scheibe geschickt, um schließlich auf 600 mJ verstärkt zu werden.
Da die Pulse kürzer als eine Pikosekunde sind, kommt jeder Puls auf eine Leistung von rund 600 GW – und dies eintausend Mal pro Sekunde. Bereits bei den ersten Laborexperimenten durch die Wissenschaftler der Universität Genf und des Laboratoire d’Optique Appliquée (LOA) bei Paris erweisen sich die mit diesem Laser erzeugten Filamente als zehnmal stabiler als bisher.
Die Ergebnisse der LLR-Experimentalkampagne des Teams um Aurélien Houard, die im Sommer 2021 auf dem Berg durchgeführt wurde, werden im Januar 2023 in Nature Photonics veröffentlicht und sind im Netz einsehbar (‚Laser-guided lightning‘). Darin wird auch über die erste Demonstration einer lasergesteuerten Blitz über 50 m mit Hilfe von Laserfilamentation berichtet.
Im Oktober 2020 veröffentlichen Wissenschaftler der University
of California, Los Angeles (UCLA), sowie der Australian
National University (ANU) und der University of New
South Wales (UNSW) in Canberra eine Studie mit dem Titel ‚Optical
beaming of electrical discharges‘, in der ein Traktorstrahl für
Blitze als effizienter Ansatz zum Auslösen, Einfangen und Leiten elektrischer
Entladungen in der Luft vorgestellt wird.
Ein solcher Traktorstrahl ist ein Laserstrahl mit hohlem Kern, in dem Partikel gefangen sind, denn immer wenn diese in das Licht driften, werden sie durch einen kleinen Schub, die so genannte photophoretische Kraft, zurück in die dunklere Mitte gedrückt. Die Entwicklung des ANU-Teams von Prof. Andrei Rode war im September 2010 bekannt gemacht worden.
Die aktuelle Forschung baut zwar auf dem bestehenden Wissen darüber auf, wie Laser zur Beeinflussung von Blitzen eingesetzt werden können. Eine solche direkte optische feldinduzierte Photoionisation erfordert jedoch sehr hohe optische Feldstärken – und die Verwendung von Laserstrahlen mit hoher Spitzenleistung kann den Anwendungsbereich einschränken.
Statt dessen studieren die Wissenschaftler die Blitzmuster und legen einige vorgefaßte Pfade fest, die im Falle der zukünftigen Umsetzung den geringsten Schaden verursachen und Blitzeinschläge von den trockensten oder anderweitig gefährdeten Orten ablenken. Dann präparieren sie die Luft mit einem Laser mit einer Leistung von einigen hundert Milliwatt, der 100 – 1.000 μm große Graphenpartikel entlang seines Strahls leitet – was die Entladungsschwelle um 30 % senkt.
Durch ihr geringes Gewicht, ihre Festigkeit und ihre hervorragende thermische und elektrische Leitfähigkeit kann eine Kette von heißen Graphen-Mikropartikeln den perfekten Pfad schaffen. Der kontinuierliche Niedrigleistungs-Wirbelstrahl aus lichtabsorbierenden Teilchen ist damit ein Blitzmagnet, der auch die Intensität der Entladung verringert.
Außerdem ist der Laser, der ihn antreibt, viel weniger stark als bei früheren Entwürfen, was bedeutet, daß er weniger gefährlich ist und mehr Möglichkeiten bietet. Zudem funktioniert das Verfahren nicht nur mit Graphen, weshalb die Forscher in Zukunft sowohl metallische als auch nichtmetallische weitere Materialien untersuchen werden, und möglicherweise auch solche, die bereits in der Umgebungsluft vorhanden sind.
Das Team demonstriert das Konzept im Labor, indem es zunächst mit zwei geladenen parallelen Platten, die durch einen kleinen Luftspalt getrennt sind, stürmische Bedingungen nachstellt. Normalerweise springen Stromstöße wahllos zwischen den Platten hin und her, um einen Blitz zu imitieren, aber mit Hilfe ihrer ausgeklügelten Physik können die Forscher steuern, wohin die Blitze wandern: „Wir haben einen unsichtbaren Faden, einen Stift, mit dem wir Licht schreiben und die elektrische Entladung bis auf etwa ein Zehntel der Breite eines menschlichen Haares steuern können.“
Obwohl das System bisher nur in kleinem Maßstab im Labor getestet wurde, soll es relativ einfach zu vergrößern sein. Die Technologie sei bereits vorhanden, und das Team hofft, innerhalb der nächsten drei oder vier Jahre Feldtests durchführen zu können.
Um das Thema abzurunden, soll noch kurz der aktuelle Stand bei der allgemeinen
Blitz-Forschung dokumentiert werden.
Sogenannte Sprites, auch Kobolde genannt, sind Blitze,
die sich bei Gewittern oberhalb der Wolken entladen. Sie waren schon 1925 durch
den späteren Physiknobelpreisträger Charles Thomson Rees Wilson vorausgesagt
worden, doch Fotobeweise existieren erst seit 1989.
Neben blauen Exemplaren (Blue Jets) gibt es die Roten Kobolde (Red
Sprites) und die Elfen (Elves).
Bei seiner ISS-Mission im Jahr 2015 macht der Däne Andreas Mogensen ein 160 Sekunden langes Video, das 245 leuchtende Blitze zeigt, die aus der Spitze eines Wolkenturms schießen. Weitere Details finden sich in der im Dezember 2016 veröffentlichten Studie ‚Profuse activity of blue electrical discharges at the tops of thunderstorms‘, die im Netz einsehbar ist.
Ebenfalls 2016 gibt die Weltwetterorganisation (WMO)
zwei Blitzrekorde bekannt: Der mit 321 km längste
Blitz wurde demnach im Juni 2007 im US-Staat Oklahoma
gemessen. Der hingegen am längsten dauernde Blitz züngelte 7,74 Sekunden
lang und wurde im August 2012 über dem Südosten Frankreichs
aufgezeichnet. Er reichte 200 km weit waagerecht über den Himmel.
Im September 2017 veröffentlichen Forscher der University of Washington (UW) und der NASA eine Studie mit dem Titel ‚Lightning enhancement over major oceanic shipping lanes‘, für die sie aus dem World Wide Lightning Location Network die Daten zu 1.500.000.000 einzelnen Blitzeinschlägen im östlichen Indischen Ozean und im Südchinesischen Meer zwischen 2005 und 2016 gezogen und sie mit denen der Emissions Database for Global Atmospheric Research verglichen haben, die auf der Grundlage von Echtzeitdaten detaillierte Schätzungen über die von Schiffen verursachte Umweltverschmutzung erstellt.
Als der Atmosphärenforscher Joel Thornton und die Doktorandin Katrina Virts eine Karte der Gebiete mit besonders hohen Einschlagsraten erstellen, erkennen sie sofort, daß es sich um stark befahrene Schiffahrtsrouten handelt. Die Abbildung stellt den Zusammenhang zwischen den Orten, an denen Schiffe fahren, und den Orten, an denen Blitze einschlagen, deutlich dar. In der oberen Hälfte sind die Blitzeinschläge dargestellt, in der unteren die Schiffsemissionen. Es wird deutlich, daß es eine klare Korrelation zwischen den beiden gibt.
Als Reaktion auf die Studie führen die UW-Forscher Peter Bloseey und Christopher Bretherton im Jahr 2018 eine Computersimulation der Auswirkungen von Schiffsemissionen auf die Wolkenbildung durch, die die ursprünglichen Studie bestätigt.
Die Erklärung für das Phänomen ist die konvektive Aerosolbelebung, bei der sich mikroskopisch kleine Wassertröpfchen in der Luft an Wolkenkondensationskerne klammern, d.h. an Aerosolpartikel, die größer als 50 nm sind, wie z.B. Staub oder Schwefeldioxid. Sind nur wenige Partikel vorhanden, nimmt jeder einzelne weitere Tröpfchen auf, die sich in niedrigen Höhen zu relativ kurzen Regenwolken zusammenschließen.
Sind jedoch viele Aerosolteilchen vorhanden, nimmt jedes einzelne weniger Tröpfchen auf und kann hoch genug in der Atmosphäre schweben, um zu gefrieren. In den daraus resultierenden hohen Wolken stoßen diese Eis- und Schneematsch-Teilchen aneinander und übertragen elektrische Ladungen, deren Unterschiede ein elektrisches Feld erzeugen, das zu Blitzen führt.
Mehr Partikel bedeuten also mehr Blitze, und die Verbrennung fossiler Brennstoffe ist ein zuverlässiger Weg, um diese Partikel zu erzeugen. Schiffe sind besonders schuldig, weil sie sogenannten Bunkertreibstoff verwenden, der aus dem zähflüssigen, dunklen Rest hergestellt wird, der am Boden zurückbleibt, nachdem Benzin, Düsentreibstoff und Kerosin abdestilliert wurden. Dieser Brennstoff enthält etwa 3.500 Mal so viel Schwefel wie Autodiesel – und der weltweite Schiffsverkehr verbrennt täglich etwa 3,3 Millionen Barrel davon.
Gemäß der Gewitterstatistik für 2018 wurde Deutschland
446.000 Mal vom Blitz getroffen – was dem Blitz-Informationsdienst
von Siemens (BLIDS) zufolge nur noch halb so oft war wie vor
zehn Jahren. Der Informationsdienst zählt seit 1991 deutschlandweit
alle Blitze – in den Wolken und am Erdboden. In die aktuelle Statistik
flossen jedoch nur die Blitze ein, die in den Boden einschlugen.
Die Mitarbeiter erfassen diese mit Antennen, die das elektromagnetische Signal eines jeden Blitzes wahrnehmen. Über eine Software läßt sich dann auf hundert Meter genau bestimmen, wo der Blitz eingeschlagen ist. Kunden des BlitzAtlas sind in erster Linie Versicherungen, Wetterdienste, Sportanlagen, Industrieunternehmen und Stromnetzbetreiber.
Aus bislang nicht nachvollzogenen Gründen belegt das Thema Blitze im
Jahr 2019 einen besonderen Platz in der Berichterstattung.
Dies beginnt im März mit der Veröffentlichung eines indisch-japanischen
Forscherteams rund um B. Hariharan vom Tata
Institute of Fundamental Research in Mumbai, das sich einer
neuen Methode bedient hat, um Gewitterwolken besser ‚durchmessen‘
zu können (‚Measurement of the Electrical Properties of a Thundercloud
Through Muon Imaging by the GRAPES-3 Experiment‘).
Grundlage der Arbeit sind die durch das Myonenteleskop Gamma Ray Astronomy at PeV EnergieS Phase-3 (GRAPES-3) gewonnenen Daten, das in Indien steht und pro Minute rund 2,5 Millionen Myonen registriert. Dieses Gerät verfügt über 400 Sensoren, die ununterbrochen das Einströmen hochenergetischer Teilchen aus dem Weltraum messen, der sogenannten kosmischen Strahlung. Es registriert pro Minute rund 2,5 Millionen Myonen.
Anhand der neuen Methode, welche sich auf den Abfall der Myonendichte fokussiert, können die Forscher Rückschlüsse auf elektrische Energien in Gewitterwolken schließen, denn während eines Gewitters ändert sich die Menge der empfangenen Myonen schnell (Myonen sind Artverwandte der Elektronen, sind allerdings knapp 200-mal massenreicher).
Bei Auswertung des Datenmaterials fällt den Forschern ein Gewitter besonders auf: Am 1. Dezember 2014 konnte ein übermäßig starker Abfall der Myonenwerte um 2 % verzeichnet werden. Dieses Gewitter befand sich in 11 km Höhe und erstreckte sich über eine Fläche von 380 km2.
Bei Errechnung der elektrischen Feldstärke wird ein elektrisches Potential von 1,3 Milliarden Volt datiert, zehnmal mehr, als jede bis dato per Ballon oder Flugzeug getätigte Messung. Es ist damit das stärkste jemals aufgezeichnete Gewitter. Die meisten Blitze haben ein elektrisches Potential von 100 Millionen Volt zwischen ihren Enden.
Auch die gemessene elektrische Leistung in der gigantischen Gewitterwolke läßt die Forscher staunen. Da der Aufbau der Spannung binnen weniger Sekunden vonstattenging, schließen die Physiker daraus, daß die elektrische Energie knapp zwei Milliarden Watt betrug. Ein derartiges Gigawatt-Potential in Gewitterwolken könnte die Entstehung der 100-Megaelektronenvolt-Gammastrahlen in den Terrestrischen Gammablitzen erklären (s.u.).
Eine weitere Beobachtung anhand der früheren Messungen ist nämlich, daß einige Gewitter auch exotischere Folgen mit sich bringen. So konnte schon Gammastrahlung und Antimaterie in der Form von Positronen festgestellt werden. Allerdings war die Ursache bislang nicht bekannt. Bisher ließen sich Gammablitze aufgrund der gemessenen Temperaturen jedenfalls nicht erklären.
Im April 2019 folgt eine Studie der niederländischen Universität
Groningen, wo ein Team um Brian M. Hare im
Inneren von Gewitterwolken bisher unbekannte Strukturen in Blitzen
entdeckt haben (‚Needle-like structures discovered on positively charged
lightning branches‘). Das Team nutzte hierzu das europäische Radioteleskop Lofar
(Low Frequency Array), das aus mehreren Tausend Antennen besteht, die
auf verschiedenen Stationen in mehreren Ländern verteilt ein riesiges
virtuelles Teleskop für Wellen im Radiofrequenzbereich bilden und eigentlich
für astronomische Beobachtungen genutzt wird.
Durch die dreidimensionale radiointerferometrische Aufzeichnung von Blitzen mit einer noch nie dagewesenen räumlichen und zeitlichen Auflösung finden die Forscher kleine Plasmastrukturen, die sie als ‚Nadeln‘ bezeichnen und die die dominierende Quelle für die Radiostrahlung der positiven Leiter sind. Die Nadeln sind rund 100 m lang und haben einen Durchmesser von weniger als 5 m.
Bisher wurde davon ausgegangen, daß Ladung von Blitzen entlang von Plasmakanälen von einer Wolke zur anderen fließt. Die neuen Erkenntnisse belegen, daß Restladung stattdessen in den entdeckten nadelförmigen Strukturen der Blitze gespeichert und quasi in die Wolke zurückgepumpt wird. Vereinfacht gesagt können sie die Gewitterwolken wieder aufladen, so daß es nach kurzer Zeit ein zweites Mal blitzen kann und es aus einer Wolke zu wiederholten Blitzeinschlägen auf dem Boden kommt.
Relevanz besitzen auch Forschungen an der Universität des Saarlandes,
über die im Juni berichtet wird. Hier arbeiten Prof. Jens Dittrich und
sein Doktorand Christian Schön zusammen mit dem Meteorologen Richard
Müller vom Deutschen Wetterdienst an einem
System, das auf Satellitenbildern und Künstlicher Intelligenz basiert
und örtliche Gewitter präziser als bisher vorhersagen soll.
Das Bundesverkehrsministerium fördert das Vorhaben mit 270.000 €.
Für die Warnung vor gefährlichen Wetterlagen setzt der Deutsche Wetterdienst das System NowcastMIX der Firma Nowcast ein, das alle fünf Minuten mehrere Fernerkundungssysteme und Beobachtungsnetze abfragt, um in den kommenden zwei Stunden vor Gewittern, Starkregen und Schneefall zu warnen. Das kann die Gewitterzellen jedoch erst erkennen, wenn bereits Starkniederschlag auftritt.
Das Team entwickelt ein auf Satellitendaten basierendes daher System, das NowcastMIX bald bei der Vorhersage von Gewittern ergänzen könnte. Das Projekt ist gleichzeitig ein erster Schritt, um die Einsetzbarkeit von Künstlicher Intelligenz in der Vorhersage von Wetter- und Klimaphänomen zu erforschen.
Um Gewitter in einer bestimmten Region genau vorhersagen zu können, muß die so genannte Konvektion von Luftmassen, also das Aufsteigen erwärmter Luft bei gleichzeitigem Absinken kälterer Luft in der Umgebung frühzeitig und präzise erkannt werden. Der Clou des neuen Systems besteht darin, daß es zum Erkennen dieser dreidimensionalen Luftverschiebungen lediglich zweidimensionale Satellitenbilder benötigt.
Mittels zwei Algorithmen, die mit Hilfe von maschinellem Lernen trainiert wurden, können nun Blitze mit einer Genauigkeit von 96 % für die nächsten 15 Minuten vorhergesagt werden. Wird das Zeitfenster der Vorhersage weiter geöffnet, verringert sich die Genauigkeit, bleibt aber bei bis zu fünf Stunden immer noch über 83 %. Die gegenwärtig noch zu hohe Quote der Fehlalarme soll erheblich gesenkt werden, indem das neue System auf weitere Merkmale trainiert wird, die beispielsweise auch das NowcastMIX nutzt.
Interessanterweise wird im November 2019 über einen
ähnlichen Ansatz berichtet, den Forscher der Ecole Polytechnique
Fédérale de Lausanne (EPFL) um Farhad Rachidi und
den Doktoranden Amirhossein Mostajabi entwickeln.
Hier will man durch eine Kombination aus meteorologischen Standarddaten
und künstlicher Intelligenz Blitzeinschläge 10 bis 30 Minuten im Voraus
und in einem Umkreis von 30 km vorhersagen können.
Neben den in Echtzeit erfaßten Wetterdaten – vor allem den Luftdruck, die Lufttemperatur, die relative Luftfeuchtigkeit und die Windgeschwindigkeit – nutzen die Forscher einen maschinellen Lernalgorithmus, den sie darauf trainiertet haben, die Bedingungen zu erkennen, die zu Blitzen führen. Hierfür wurden die Daten von zwölf Schweizer Wetterstationen über einen Zeitraum von zehn Jahren herangezogen. Das Ergebnis: In 76 % aller Fälle trifft das System die richtigen Vorhersagen.
Bereits im September 2019 folgt die im Netz einsehbare
Veröffentlichung eines Teams um Prof. Robert Holzworth von
der University of Washington (UW) in Seattle, die
sich mit den sogenannten Superbolts befaßt – Superblitze,
die mindestens tausend Mal so hell sind wie andere (‚Global Distribution
of Superbolts‘). Sie waren erstmals 1977 von dem Forscher Bob
Turman an den Sandia National Laboratories in
Albuquerque beschrieben worden, der sie in Satellitendaten nachweisen
konnte.
Durch die Auswertung der Daten von 80 Sensoren des o.e. World Wide Lightning Location Network aus den Jahren von 2010 bis 2018 kommt das Team zu dem Schluß, daß diese Superbolts gehäuft an Stellen auftreten, wo die Experten sie nie vermutet hätten. Diese Sensoren suchen nach Störungen des Radioempfangs, die durch atmosphärische Prozesse zustande kommen.
Bei der Analyse der Daten von rund zwei Milliarden Blitzen kann das UW-Team insgesamt 8.171 Superbolts nachweisen, die interessanterweise abseits der klassischen Hotspots aufgetreten sind, vor allem über offenem Wasser auf der Nordhalbkugel, dem Nordatlantik und insbesondere über dem Mittelmeer. Außerdem zeigt sich, daß vor allem die Monate November bis Februar überdurchschnittlich starke Aktivität zeigten, wenn auf der Nordhalbkugel Herbst und Winter herrschen. Normale Blitze treten dagegen eher zu wärmeren Zeiten im Jahr verstärkt auf.
Das Auftreten über Wasser hat möglicherweise mit der enormen Intensität zu tun. Weil es dort keine klassischen Orte für einen Blitzeinschlag gebe – hohe Gebäude, Bäume, Strommasten o.ä – baue sich eine immer größere Spannungsdifferenz auf, die erst in der furiosen Entladung eines Superbolts ausgeglichen werde. Die Häufung in der kühlen Jahreszeit wird damit erklärten, daß es dann einen größeren Temperaturunterschied zwischen vergleichsweise warmen Ozeanströmungen und der kühlen Atmosphäre gibt.
Der Grund für diese neu beobachteten Muster ist noch nicht ganz klar, und die Wissenschaftler sind sich immer noch nicht sicher, wie es überhaupt zur Entstehung von Superblitzen kommt, auch wenn einige Forscher Sonnenflecken und ähnliche Phänomene als Möglichkeit vorgeschlagen haben.
Im Dezember 2019 erscheint der Bericht eines Wissenschaftsteams
um Nikolai Østgaard von der norwegischen Universität
Bergen, das sich mit den Terrestrischen Gammablitzen beschäftigt,
die zu den energiereichsten Naturphänomenen der Erde gehören: Die Instrumente
des Compton-Teleskops der NASA, das in den Tiefen des Alls nach Gammastrahlen-Pulsen
sucht, konnten im Jahr 1994 auch bei Gewittern in
der Erdatmosphäre kurze Strahlungsblitze mit Energien von 30 – 40 Megaelektronenvolt
nachweisen.
In dem aktuellen Artikel berichtet das Team über ihre Messungen mit dem Atmosphere-Space Interactions Monitor (ASIM) der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA), der an der Außenseite der Internationalen Raumstation ISS befestigt ist und seit dem Sommer 2018 weltweit die Gewitter untersucht. Das Besondere dabei ist, daß damit nach sichtbarem Licht und nach Gammastrahlung zugleich gesucht werden kann (‚First 10 Months of TGF Observations by ASIM‘, im Netz einsehbar).
Im Laufe der ersten zehn Monate der Meßkampagne analysiert das Gerät 217 Terrestrische Gammablitze, von denen sich einige auch mit dem Weltraumteleskop Fermi nachweisen ließen. Die Ereignisse dauerten jeweils etwa ein Zehntausendstel einer Sekunde und spielten sich in 10 – 15 km Höhe ab. Die genauen Abläufe waren bisher nicht mit Sicherheit geklärt. Auch galt als unklar, ob zuerst das sichtbare Licht des Blitzes auftritt oder die Gammastrahlung.
Nach den neuen Erkenntnissen entsteht die Strahlung bei Blitzen, die von unten nach oben innerhalb einer Wolke verlaufen. Außerdem geht der Gammapuls dem sichtbaren Blitz unmittelbar voraus.
Zeitgleich berichtet ein Team um Torsten Neubert von
der Technischen Universität Dänemark in Kongens Lyngby,
saß es auf Basis von ASIM-Daten festgestellt habe, daß die Terrestrischen
Gammablitze auch für das Erscheinen der o.e. Elfen sorgen
können, extrem schwache Leuchterscheinungen aus sichtbarem und ultraviolettem
Licht, die oberhalb von Gewittern etwa 90 – 100 km hoch in der Erdatmosphäre
auftreten.
Demnach ist der elektromagnetische Puls mancher Blitze dafür verantwortlich, daß Teilchen der Ionosphäre angeregt werden, wobei das Leuchten entsteht, das sich anschließend ausbreitet wie Wellen auf der Oberfläche eines Sees, in den man einen Stein geworfen hat. Diese Studie unter dem Titel ‚A terrestrial gamma-ray flash and ionospheric ultraviolet emissions powered by lightning‘ ist ebenfalls im Netz einsehbar.
Im Juni 2020 bestätigt die Weltorganisation
für Meteorologie (WMO) der UNO zwei neue Weltrekorde: die
längste gemeldete Entfernung und die längste gemeldete Dauer eines
einzelnen Blitzes. Die Ergebnisse werden im Vorfeld des Internationalen
Tages der Blitzsicherheit am 28. Juni veröffentlicht.
Bei Auswertung der Daten von vier Wettersatelliten, die mit speziellen Blitzsensoren ausgestattet sind, fand ein Team rund um Michael Peterson vom Los Alamos National Laboratory den bisher längsten Blitz der Welt: Er ereignete sich am 31. Oktober 2018 über Brasilien und überspannte eine Distanz von 709,8 km. Der bisherige Rekordhalter hatte nur 321 km Länge und war im Jahr 2007 über dem US-Bundesstaat Oklahoma aufgezeichnet worden.
Und auch in Sachen Blitzdauer fanden die Forscher einen neuen Rekordhalter: Am 16. März 2019 erreichte ein Blitz über dem Norden Argentiniens eine Dauer von 16,73 Sekunden. Der bisherige Rekord betrug 7,74 Sekunden und wurde im August 2019 über Südostfrankreich registriert. Die neuen Rekorde sind die ersten, die mit der Satellitentechnologie zur Erfassung von Blitzen verifiziert werden, während die nur halb so langen Vorläufer mit bodengestützter Technologie erfaßt wurden.
In diesem Zusammenhang sei auch auf einen möglichen Rekord bei der Anzahl der Blitze hingewiesen, als Anfang Juni 2019 ein großes Gewittersystem von Frankreich aus über die Benelux-Staaten nach Deutschland zieht – und der Deutsche Wetterdienst innerhalb weniger Tage 177.000 Blitze zählt.
Die erwähnten Weltrekorde bestehen aber nicht lange, denn schon im Februar 2022 ermittelt die WMO zwei neue: Der längste jemals gemessene Blitz hat sich demnach über 768 km erstreckt und ereignete sich am 29. April 2020 zwischen den US-Bundesstaaten Texas, Louisiana und Mississippi, während ein 17,1 Sekunden langer Megablitz über Uruguay und dem nördlichen Argentinien am 18. Juni 2020 zum Blitz mit der längsten Dauer erklärt wird.
Die im Februar 2021 veröffentlichte Studie ‚Fine Structure
of the Breakthrough Phase of the Attachment Process in a Natural Lightning
Flash‘ eines Teams um Rubin Jiang von der Chinesischen
Akademie der Wissenschaften befaßt sich mit dem Zeitpunkt,
zu dem nach unten gerichtete, verästelte Ladungskanäle einer Gewitterwolke
und nach oben gerichtete Ladungskanäle am Boden in Kontakt kommen und
sich zu einem Blitzkanal verbinden, was unter Experten als finaler
Sprung bezeichnet wird.
Zuvor hatten Forscher spekuliert, daß sich unter einer Gewitterwolke möglicherweise mehrere Ladungskanäle zu einem großen Blitzleiter zusammenschließen und anschließend mit jenen am Boden verbinden. Laut der aktuellen Analyse, die auf Aufnahmen aus dem Jahr 2017 basiert, als das Team Blitze mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen hatte, die alle 2,6 Mikrosekunden ein Bild einfing, reichen dafür jedoch zwei einzelne Ladungskanäle aus beiden Richtungen aus.
In den analysierten Aufnahmen nähern sich die Ladungsstränge von unten und oben auf 23 m an. Ein Aufleuchten deutet auf einen Kontakt hin, unmittelbar darauf blitzt es heftig. Die Beobachtung legt zudem nahe, daß der erste Kontakt zwischen den Strängen die Route für den Blitz vorgibt. Der Strang aus schwachen Ladungen erhitzt sich anschließend blitzschnell und bildet einen Plasmakanal, der große Mengen geladener Teilchen zwischen Wolke und Grund transportieren kann, also einen Blitz.
Da sich unter Gewitterwolken üblicherweise zahlreiche, teils verästelte nach unten gerichtete Ladungskanäle bilden, läßt sich aber noch nicht vorhersagen, an welcher Stelle es zur Fusion kommt – und wo genau ein Blitz einschlagen wird.
Im März 2021 folgt ein Untersuchung von Forschern
der University of Leeds in Großbritannien und der Yale
University in den USA um Benjamin L. Hess,
die sich mit der Frage befaßt, wie das Leben auf der Erde entstanden
ist (‚Lightning strikes as a major facilitator of prebiotic phosphorus
reduction on early Earth‘). Dabei konzentrieren sie sich auf Phosphor als
eines der sechs entscheidenden chemischen Elemente für das Leben, wie
wir es kennen.
Auf der heutigen Erde kommt Phosphor häufig vor, was jedoch nicht immer der Fall war. In der fernen Vergangenheit war das Element in unlöslichen Mineralien eingeschlossen und für die aufkeimenden Biomoleküle, die ihn benötigten, unzugänglich. Bioverfügbare Formen von Phosphor sollen hingegen zumeist in Supernova-Explosionen entstehen – und auf Kometen und Asteroiden in Form des Minerals Schreibersit (o. Dyslysit; Glanzeisen) auf die Erde gelangen. Meteoriteneinschläge kommen aber nur sporadisch vor, und es wird angenommen, daß ihre Häufigkeit während der Entstehung des Lebens abnahm.
Da Schreibersit aber auch in Fulgurit-Gläsern gefunden wird, die entstehen, wenn ein Blitz in den Boden einschlägt und das Gestein an der Oberfläche schmilzt – wodurch der Phosphor freigesetzt wird –, modelliert das Team die Bedingungen auf der frühen Erde und findet heraus, daß es damals zwischen 100 Millionen und einer Milliarde Blitzeinschläge pro Jahr gegeben haben muß – die bis zu 1.000 kg Phosphid und 10.000 kg Phosphit und Hypophosphit pro Jahr erzeugt haben.
Im Zusammenhang mit dem erwähnten Fulgurit, das auch
‚versteinerter Blitz‘ genannt wird, ist auf eine Studie der University
of South Florida (USF) hinzuweisen, die im März 2023 erscheint
(‚Routes to reduction of phosphate by high-energy events‘). Der Geowissenschaftler Matthew
Pasek hatte einen Fulgurit gekauft, der während eines Gewitters
im Sommer 2012 in New Port Richey, Florida, entstanden
war, als ein Blitz in einen Baum einschlug und die Erde und den Sand
um die Wurzeln herum zum Schmelzen brachte.
Als das USF-Team dieses Mineral öffnet, entdeckt es eine seltsame neue Form von Kalziumphosphit, wie sie auf der Erde nicht natürlich vorkommt. Ähnliche Mineralien können allerdings in Meteoriten und im Weltraum gefunden werden. Durch eine detaillierte Untersuchung wird herausgefunden, wie sich dieses Material wahrscheinlich gebildet hat.
Es ist bekannt, daß sich Eisen in feuchten Gebieten wie Florida um Baumwurzeln herum ansammelt. Der Blitzeinschlag führte dazu, daß dieses Eisen verbrannte und mit dem Silizium im Sand um die Baumwurzel herum verschmolz. Gleichzeitig verbrannte auch der Kohlenstoff im Baum selbst, und zusammen führten diese Elemente zu einer chemischen Reaktion, die das Fulgurit und das neue Phosphitmaterial darin bildete. Das Team versuchte, das neue Material im Labor nachzubilden, was bislang aber nicht gelang.
Zwar wurde die Zunahme von extremen Wetterereignissen aufgrund der
Klimakrise bereits mehrfach vom Weltklimarat IPCC betont, doch es
ist immer noch unklar, wie genau sich die Auswirkungen der globalen
Erwärmung auf kleinere und lokale Wetterphänomene wie die Blitzaktivität
auswirken.
Um dieses Phänomen genauer zu untersuchen, entwickelt ein Forscherteam der Universiät Innsbruck um Thorsten Simon eine Methode, um durch die Kombination umfangreicher Datensätze und die Verwendung von maschinellen Lernverfahren die Blitzaktivität von Wolke-Boden-Blitzen in den Europäischen Ostalpen im Zeitraum von 1980 bis 2019 mit bisher unerreichter Genauigkeit rekonstruieren.
Wie im Juni 2023 berichtet wird, zeigen die Ergebnisse, daß sich die Anzahl der Blitze in den hochgelegenen Regionen in den letzten 40 Jahren verdoppelt hat. Als Grund dafür werden steigende Temperaturen genannt, die zu einer verstärkten Verdunstung von Wasser führen, während die erhöhte Feuchtigkeit in der Atmosphäre zu instabilen Luftmassen und einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Gewitterbildung führt.
Außerdem begünstigt die Erwärmung der Ozeane die Entstehung von starken Gewittern, da warmes Oberflächenwasser große Mengen an Energie und Feuchtigkeit in die Atmosphäre abgibt (‚Amplification of annual and diurnal cycles of alpine lightning‘, im Netz einsehbar).
Ebenfalls im Juni erscheint eine Studie von Wissenschaftlern um Alexa
R. Van Eaton vom Cascades Volcano Observatory in
Vancouver im US-Bundesstaat Washington, die den Ausbruch des submarinen
Vulkans Hunga im Inselstaat Tonga im südlichen Pazifik
am 15. Januar 2022 betrifft, der eine Asche-, Wasser-
und Magmagasfahne mindestens 58 km hoch in die Mesosphäre schoß und
damit einen Gewittersturm mit einer rekordverdächtigen Anzahl von Blitzen
auslöste.
Anhand der Daten von Licht- und Radiowellen-Sensoren finden die Forscher heraus, daß die Eruption mehr als 192.000 Blitze erzeugte, die aus fast 500.000 elektrischen Impulsen bestanden. Die Blitze erreichten Spitzenwerte von 2.615 pro Minute und Höhen zwischen 20 und 30 km, was bisher noch nie beobachtet wurde. Es erweist sich, daß vulkanische Abgase die Bedingungen für Blitze schaffen können, die weit aus extremer sind, als jede andere Art von meteorologischen Gewittern auf der Erde.
Zudem drückt die Vulkanwolke so viel Masse in die Mesosphäre, daß sie Wellen in der Vulkanwolke erzeugt, ähnlich wie die Wellen, die in einem Teich entstehen, wenn man einen Stein hineinwirft. Dabei wird beobachtet, wie die Blitze auf diesen Wellen ‚surfen‘ und sich in mehreren riesigen Ringen von 250 km nach außen bewegen. Der Titel der Studie lautet ‚Lightning Rings and Gravity Waves: Insights Into the Giant Eruption Plume From Tonga’s Hunga Volcano on 15 January 2022‘.
In Bezug auf die kontinuierliche Beobachtung von Gewitteraktivität über Europa, Afrika, dem Nahen Osten und Teilen von Südamerika geht im Juni 2023 der Blitzsensor Lightning Imager an Bord des neuen Wettersatelliten Meteosat Third Generation Imager-1 (MTG-I1) in den Testbetrieb, den der Betreiber EUMETSAT und die europäischen Weltraumagentur ESA im Dezember 2022 ins All gebracht hatten.
Der von der Firma Leonardo konstruierte Lightning Imager verfügt über vier Kameras, die aus einer Entfernung von 36.000 km tags wie nachts jeweils 1.000 Bilder pro Sekunde aufzeichnen. Die aufgenommenen Daten werden im Satelliten selber verarbeitet, so daß nur relevante Informationen auf die Erde übertragen und dann an Wetterdienste in Europa und Afrika weitergegeben werden.
Nach der Inbetriebnahme-Phase wird der Wettersatellit seine vollen Möglichkeiten dann ab 2024 entfalten. Insgesamt soll das MTG-System eines Tages sechs Satelliten umfassen, die über einen Zeitraum von 20 Jahren wichtige Daten für die Vorhersage extremer Wetterereignisse liefern sollen.
Zum Abschluß werden die Grenzen aufgezeigt, die einer
Nutzung von Blitzen als neue Energiequelle (noch) entgegenstehen. Zum
einen ist es bereits problematisch, den Blitz treffsicher einzufangen,
das die Vorhersehbarkeit der Blitze nur mit viel Aufwand möglich ist.
Zudem schlagen nur 10 % der Blitze auch tatsächlich auf den Boden ein,
während die restlichen von Wolke zu Wolke stattfinden.
Ein weiteres Problem stellt der Umgang mit den extremen Blitzspannungen dar. Schon für Blitze mit einer Spannung von 10 Millionen Volt wäre ein Megakondensator mit 500.000 V Fassungsvermögen erforderlich, wie er technisch nach wie vor recht schwierig herzustellen ist. Die nächste Frage lautet, wie diese Energie ausgekoppelt werden kann, denn der im Kondensator befindliche Gleichstrom muß in Wechselstrom umgewandelt werden, bevor der nächste Blitz den Kondensator wieder laden kann.
Schließlich bleibt noch die verhältnismäßig geringe Stromausbeute. Blitze haben zwar extrem hohe Stromstärken, allerdings nur während der einige Tausendstel Sekunden betragende Entladungszeit. Um in einer Stunde genauso viel Energie zu gewinnen, wie bei einem großen Windkraftwerk, müßten in dieser Zeit knapp 1.000 Blitze eingefangen werden (alle 3,5 Sekunden ein Blitz). Nach den aktuellen technischen Möglichkeiten ist es daher eher fraglich, ob die Blitzenergie für die Menschheit erschlossen werden kann.
Deutlich einfacher sind Verfahren, bei denen die atmosphärische Ladung
direkt genutzt wird, also bevor sie sich in einem Blitz
entlädt. Siehe hierzu mehr unter dem nachfolgenden Absatz Hygroelektrizität.
Weiter mit der Hygroelektrizität, dem Luftdruck und der Verdunstungsenergie...