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MUSKELKRAFT

Schienen-RÄder


Eine spezielle Art von Rädern bilden die schienengebundenen Fahrräder, bei denen es sehr unterschiedliche Umsetzungen gibt. Im Gegensatz zu normalen Schienenverkehr, der oftmals eine enorme Umweltverschmutzung verursacht, liegt der Schaden für die Umwelt beim Fahrrad praktisch bei Null.

Teetor-Patent Grafik

Teetor-Patent (Grafik)

Wohlgemerkt: Es handelt sind mitnichten um eine neue Erfindung. Einige der entsprechenden Vorläufer habe ich bereits präsentiert – so z. B. die von Drais erfundene Eisenbahn-Draisine aus dem Jahr 1842 oder die Hotchkiss Bicycle Railroad von 1892 (s.u. Geschichte der Einschienenbahnen).

Als Beispiel für einen frühen Produzenten sei die von dem Erfinder und Industriellen Charles N. Teetor gegründete Firma Railway Cycle Manufacturing Co. (ab 1904: Light Inspection Car Co., später: Teetor-Hartley Motor Co.) in Hagerstown, Indiana, erwähnt. Das Patent für die vierrädrige Fahrrad-Draisine (Railway Velocipede) geht auf das Jahr 1989 zurück (US-Nr. 598.450).


Für den Einsatz auf stillgelegten Gleisstrecken werden nur ein paar kleine zusätzlichen Räder und ein Gestänge benötigt, um aus einem konventionellen Fahrrad ein sicheres Schienenfahrzeug zu machen, das sich auf dem glatten, stählernen Untergrund gut fortbewegt.

Aus der Fülle an Selbstbauvorschlägen, die sich im Netz finden lassen, sei hier ein Foto von Jesse Ingham aus dem Jahr 2007 vorgestellt, das den grundlegenden Aufbau und die Funktionsweise klar erkennen lassen.

Railbike Tours

Railbike Tours

Tatsächlich werden inzwischen in einigen Ländern touristische Touren mit solchen Umbau-Rädern angeboten – wie z.B. durch die Firma Railbike Tours Inc., die für den Einsatz auf zugelassenen Eisenbahnlinien seit mindestens dem Jahr 2000 auch selber sichere und effiziente railbikes baut. Die Rahmen zum Umbau werden zudem zum Verkauf angeboten, sie kosten 450 $ zuzüglich Verschiffung aus dem Herstellungsland Costa Rica.

Touren werden in der Stadt Tacoma offeriert, wobei eine drei bis vier Stunden dauernde und 29 km lange Fahrt von Eatonville nach Kapowsin und zurück durch das ruhige Ohop Valley 45 $ pro Person kostet.

Und auch in Costa Rica selbst können Gruppen von Leuten auf dem Schienenstrang in die Pedale treten und das Land erkunden. Hier gibt es für 70 $ neben dem Rad auch noch einen Helm und eine Sicherheitsweste, einen Reiseleiter, ein Begleitfahrzeug, sowie ein Lunchpaket nebst Wasser und Saft, das ein typisch costaricanisches Mittagessen beinhaltet.

Railbikes in Südkorea

Railbikes in Südkorea


Etwas bequemer sehen die Fahrrad-Schienenfahrzeuge aus, die auf der 7,2 km langen Jeongseon Auraji Route in der Provinz Gangwon im Nordosten von Südkorea eingesetzt werden, bei der die einfache Fahrt ca. 40 - 45 Minuten dauert. Die Route nutzt eine 1999 obsolet gewordene und verlassene Eisenbahnstrecke, als der Kohle-Bergbau in der Gegend geschlossen wurde. Weshalb sie zum Teil auch durch einen langen, kühlen Stollen führt.

Die Schienenräder sind bunt gefärbt und mit gepolsterten Sitzen ausgestattet. Es gibt 2-Personen-Bikes mit einem Gewicht von 110 kg und 4-Personen-Bikes mit einem Gewicht von 138 kg, die eine Höchstgeschwindigkeit von nur 15 km/h erreichen. Was auch leicht zu bewältigen ist, da es die ganze Zeit sanft bergab geht. Für die Rückfahrt bergauf werden die Passagiere in einen richtigen Zug mit Komfort und Stil verfrachtet.


Die gleiche Idee, nur wesentlich futuristischer konzipiert, geht auf die Designer Helen Evans und Heiko Hansen im Jahr 2006 zurück, die sich von der bereits 1934 erfolgten Stillegung der bekannten Pariser Straßenbahnlinie ,La Petite Ceinture’ haben inspirieren lassen.

Neben Surfbrettern mit speziellen Rädern,  um sich auf den Schienen zu bewegen, schlägt das in Paris als HeHe agierende Zweierteam unter dem Titel Valenciennes auch kabinenähnliche Gefährte vor, in denen man ebenso gut meditieren wie vorankommen kann.

Da in diesen aber kaum Platz ist, um sich auszustrecken, denken die Initiatoren an den Einsatz von Solarzellen, welche kleine Elektromotoren antreiben.

Bamboo-Train

Bamboo-Train


An diese Stelle paßt auch die viel einfachere und trotzdem auch noch bequemere Technologie von Menschen in Ländern wie z.B. Kambodscha, wo unternehmerische Bahn-Hacker sogenannte Bamboo-Trains gebaut und in Betrieb genommen haben, um zumindest noch die Schienen des altersschwachen nationalen Eisenbahnsystems nutzen zu können.

Hierfür haben sie nach Ende des Krieges von den übrig gebliebenen Panzern passende Räder abmontiert, diese auf ein paar Achsen gesteckt, einen Rahmen aus Bambus draufgesetzt und das Ganze mit einem kleinen Motor versehen. Also Konversion im besten Sinne.

Die Bambus-Züge erreichen Geschwindigkeiten von ca. 40 km/h, verkehren zwischen den Dörfern und Marktflecken an den Strecken – und wenn sich zwei Züge treffen, gibt es eine einfache Regel: Der mit der leichtesten Beladung muß Platz machen und wird kurzzeitig von den Schienen gehoben, damit der andere Wagen weiterfahren kann.


Im April 2005 stellen Wissenschaftler der TU München um Prof. Veit Senner ein Forschungsvorhaben vor, dessen Ziel es ist ein auf Muskelkraft basierendes Verkehrssystem für den Stadtbereich zu entwickeln. Da es ein geführtes System ist, habe ich es hier mit aufgenommen, obwohl es nicht auf Schienen basiert.

Beim dem VeloVent genannten Konzept bewegen sich die Radler mehrere Meter oberhalb der Straße auf ihren normalen Rädern durch transparente Röhren - und werden dabei von einem permanent blasenden Rückenwind unterstützt. Weshalb auch Doppelröhren erforderlich sind. Dafür sollen bereits mit geringstem Kraftaufwand Dauergeschwindigkeiten von über 30 km/h erzielt werden können und lästige Stopps an Kreuzungen gibt es auch keine mehr.

Die Forscher betonen, daß noch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten erforderlich sind, um die Idee in ein ausgereiftes Konzept und schließlich in marktfähige Produkte umzusetzen. Zunächst soll deshalb im Rahmen einer Machbarkeitsstudie geklärt werden, ob sich die Idee technisch und wirtschaftlich überhaupt sinnvoll realisieren läßt. Außer einer publizierten Beschreibung (VeloVent – An Inner City Traffic System for Active People) habe ich aber nichts weiter über das Projekt gefunden, so daß es vermutlich bald darauf begraben wurde.


Eine der verblüffendsten Ideen der Pedal-betriebenen Mobilität ist in meinen Augen jedoch das Konzept einer Einschienenbahn, die von den Insassen selbst betrieben wird. Aufgrund der geringen Gewichte der ‚Transportmittel’ würde der Bau sehr günstig ausfallen und ließe sich prinzipiell auch leicht und schnell in bestehende urbane Strukturen integrieren.

Pedalbetriebene Einschienen Shweeb

Shweeb

Mir begegnet die Entwicklung des Designers Geoffrey Barnett aus Melbourne unter dem aus der deutschen Sprache abgeleiteten Namen Shweeb erstmals Mitte 2008.

Shweeb ist eine Schwebebahn, in der jeder Passagier seine eigene Kabine hat. In der Position eines Liegeradfahrers sitzt man in einem Plexiglaszylinder. Die gute Aerodynamik erlaubt deutlich höhere Geschwindigkeiten als beim herkömmlichen Fahrrad, und auch für weniger Trainierte sind 30 km/h über größere Distanzen kaum ein Problem.

Der Initiator begann sich mit der Technik zu beschäftigen, als er in Tokio wohnhaft. Er betont in seiner Argumentation, daß die durchschnittliche Geschwindigkeit eines Fahrzeugs im Zentrum von London im Jahr 1908 knapp 13 km/h betrug. 100 Jahre später, im Jahr 2008, waren es immer noch (oder wieder) 13 km/h. Dies ließe sich mit dem Shweeb aber lässig und problemlos steigern, da man bei Stau oder einer roten Ampel nicht anhalten muß. Regen oder Kälte stören in der Plexiglaskabine nicht, die sich dank guter Belüftung auch bei Sonne nicht unangenehm aufheizen soll.

Überholen geht zwar nicht, aber wenn ein schneller Fahrer von hinten auf einen langsameren auffährt, gibt es nur einen sanften Stoß – und beide Kabinen fahren als Tandem weiter, wobei sich der Luftwiderstand pro Fahrer fast halbiert. Beim gemeinsamen Treten sind die beiden Kabinen daher auch schneller unterwegs als allein.

In dem Abenteuerpark Agrodome nahe Rotorua in Neuseeland existiert seit 2007 eine 2 x 200 m lange Kreisbahn, die sich in einer Höhe von 2 – 4 m über dem Boden erstreckt. Auf jeder Bahn können bis zu fünf Wagen aneinander gekoppelt oder parallel auf beiden Bahnen Wettfahrten veranstaltet werden, bei denen Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h drin sind. Der aktuelle Rekord liegt bei 55 Sekunden für ein 600 m Fahrt. Vermutlich zur Ermutigung wird auf der Website des Parks auch die Versicherungspolice der neuseeländischen Shweeb Holding Ltd. veröffentlicht, die einen Betrag von 1 Mio. $ ausweist.

Im September 2010 investiert Google als Teil seines Projekts 10100 den Betrag von über 1 Mio. $ in die neuseeländische Firma, um die Forschung und Entwicklung zu finanzieren die erforderlich ist, um die Shweeb-Technologie für einen städtischen Einsatz anzupassen. Dabei wird geplant, in der nördlichen Hemisphäre, d.h. in einer Stadt in den USA, in Südkorea oder in Großbritannien eine enstprechende Demonstrationsstrecke aufzubauen, deren Schienen, an denen die Tretkabinen hängen, in 5 – 6 m Höhe befestigt sein sollen. Nach dieser Ankündigung verschwindet das Shweeb-Team aus dem Blickfeld.

Erst im März 2012 reagiert Barnett auf besorgte Nachfragen mit dem Kommentar, daß man mit verschiedenen Projekten beschäftigt sei, wie dem Prototyping von Shweeb-Kabinen und einem Verkehrsmanagementsystem. Außerdem seien Angebote für verbesserte Versionen der Rennstrecke eingeholt worden.

Die bislang letzte Meldung besagt, daß das im November 2012 in Ontario gegründete Unternehmen Shweeb-Can Corp. in Niagara Falls, Kanada, der Hauptlizenzhalter für die westliche Hemisphäre, im Jahr 2016/2017 mit dem Eco-Ventures Park den weltweit ersten umweltfreundlichen Freizeitpark eröffnen will, der u.a. eine Shweeb-System erhalten soll. Außerdem führt die Firma zusätzliche Forschungen und Entwicklungen an dem SkySMART People Mover System durch, das als nächste Stufe der Shweeb-Konzepte gilt. Über ähnliche, aber motorisierte Systeme findet sich mehr in dem Kapitel Einschienenbahnen (s.d.).

SkyRower

SkyRower


Bereits im November 2011 beginnt der Erfinder und Gründer Scott Olson mit seiner Firma SkyRide Technology in Waconia, Minnesota, die Vermarktung eines dem Shweeb ähnlichen Systems, bei dem die aufgehängten Räder jedoch offen an einer Art Monorail-Einzelschiene fahren. Scott, der u.a. auch als Erfinder der ‚Rollerblades’ gilt (s.u.), hat über ein Jahrzehnt lang an der Technologie gearbeitet.

Schon zwei Jahre Später bietet SkyRide vier verschiedene Systeme an, bei denen sich Fitneß mit frischer Luft und viel Spaß verbindet: das durch Standard-Pedale beriebene Recumbent SkyBike, in dem man auch bequem sitzen kann, das Upright SkyBike, bei dem ein Rennrad-Rahmen zum Einsatz kommt, der SkyChaser, den man auf dem Bauch liegend genießen kann, sowie den SkyRower, der durch eine Seilzugmechanik manuell wie ein Ruderboot betrieben wird.

Auf jeden Fall ist das allemal viel interessanter, als dieselben Übungen im Fitneßcenter zu absolvieren. Was auch die Eigner des 322 m langen und 800 Mio. $ teuren Kreuzfahrtschiffs Carnival Vista meinen, das bei seiner für den Mai 2016 geplanten Jungfernfahrt auch eine rund 245 m lange aufgehängte Skyride-Strecke um sein Oberdeck besitzen wird, das die Passagiere in den pedalbetriebenen Kapseln fröhlich umrunden können.


Doch Shweeb und SkyRide sind nicht allein. Ein weiteres Schienensystem für Fahrradfahrer namens Kolelinia, das im April 2009 in den Blogs vorgestellt wird, stammt von dem gleichen Team um den Erfinder und Architekten Martin Angelov und seinem gleichnamigen Unternehmen Kolelinia in Sofia, Bulgarien, das uns weiter oben schon bei dem Halfbike begegent ist (s.d.).

Die Ausgangsidee war, ein völlig neues Niveau des Transports mit einem Minimum an Ressourcen zu erreichen, weshalb man sich im Sommer 2008 mit einer Skizze auf Basis von Stahldrähten an dem internationalen Architektenwettbewerb ,Line of Site’ in London beteiligt und auch den City Transportation Interchange Preis dafür gewinnt. Zwei Jahre später wird das System neu gestaltet und auf der TEDxBG Konferenz in Sofia offiziell vorgestellt.

Kolelinia Test

Kolelinia Test

Die Fahrrad-Seilbahn hat zwei Elemente, eine Halbröhre, auf der das Fahrrad entlang fährt, und ein Kabel darüber auf Höhe des Lenkers, das Stabilität und Sicherheit bietet. Das obere Kabel ist mit dem Fahrradlenker mit einer speziellen Halterung verbunden und es gibt auch die Möglichkeit, sich zusätzlich mit einem Karabiner und Gurtzeug abzusichern.

An Masten aufgehängt führen die Luft-Radwege aus schmalen Schienen und Stahlseilen in einer Höhe von 2,5 m bis 4,5 m über Straßen und Fußgängerzonen. Die Konstruktionszeichnungen versprechen eine filigrane Konstruktion, die kaum stärker ist als die Oberleitung einer Straßenbahn.

Im Jahr 2012 baut die Kolelinia-Mannschaft den ersten Testlinien-Prototyp, wie man auf der Abbildung sehen kann. Bislang sind aber keiner weiteren Details darüber oder über Schritte zur künftigen Umsetzung des Systems bekanntgegeben worden.


Tatsächlich seit 2012 umgesetzt ist eine (konventionelle) pedalbetriebene Seilbahn im privaten Öko-Reservat Mashpi Rainforest Biodiversity Reserve in Ecuador, wo es auf einer Fläche von rund 1.000 Hektar eine riesige Vielfalt an verschiedenen Pflanzen- und Tierarten mit mehr als 400 verschiedenen Arten von Vögeln sowie unterschiedliche Ökosysteme zu sehen gibt.

Besonders gut und geräuschlos kann man den Anden-Nebelwald mittels der 200 m langen Sky Bike Strecke erkunden, die in einer Höhe von bis zu 60 m über Baumkronen und eine Fluß-Schlucht führt.

Tret-Achterbahn SkyCycle

Gut festhalten!

Die aktuelle, einfach und robust aussehende Pedakkabine ist das Ergebnis von fünf Prototypen, die von einem Artikel in dem US-Magazin Popular Mechanics inspiriert worden ist.


Und so seltsam die Vorstellung auch klingen mag, aber sogar eine Fahrrad-betriebene Achterbahn existiert schon, auch wenn ich nicht annehme, daß sie so gut frequentiert ist wie ihre mit Loopings versehenen großen Schwestern. Es kann einem ja schon schwindlig werden, wenn man nur die Fotos anschaut.

Bei dem Fahrbetrieb, der sicherlich nicht nach jedermanns Geschmack ist, handelt es sich um die SkyCycle-Bahn eines auf brasilianisch getrimmten Freizeitparks in Japan, über den ich ansonsten aber nichts herausgefunden habe.


Hinweisen möchte ich an dieser Stelle noch auf ein äußerst individuelles und weltweit vermutlich einmaliges System in Trondheim, Norwegen, von dem ich im April 2007 erstmals etwas erfahre. Der Sykkelheis Bicycle Lift, der auch als Trampe CycloCable bekannt ist, verdient es hier erwähnt zu werden, weil er zum einen elektrisch betrieben wird und zum anderen eine sinnvolle Ergänzung der muskelbetriebenen Mobilität (mittels Fahrrädern u.ä.) insbesondere für hügelige Städte darstellt. Ich habe das schienengeführte System ausführlich im Kapitelteil zur elektrischen Mobilität beschrieben (s.d.).

 

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