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MUSKELKRAFT

Fahrrad-Busse


Im Jahr 2002 sehe ich die ersten Bilder eines ConferenceBike, das man als einen offenen und runden Fahrrad-Bus bezeichnen kann.

ConferenceBike

ConferenceBike

Der in Amsterdam lebende amerikanische Künstler und Erfinder Eric Staller, der im Jahr 1985 mit seinem VW-Käfer Lightmobile bekannt wird, den er über und über mit insgesamt 1.659 computergesteuerten Lämpchen bedeckt, arbeitet ab den späten 1980er Jahren an einem Fahrzeug, das die Menschen zusammenbringen soll, und dessen erster 8-Sitzer-Prototyp mit dem Namen Octos im Jahr 1991 in den USA hergestellt wird.

Nachdem Staller 1994 nach Amsterdam übersiedelt, entsteht dort ab 1996 das patentierte ConferenceBike, sowie im Jahr 2000 auch noch ein dreirädriges, fünfsitziges Exemplar mit herzförmigem Rahmen, das Love bike genannt wird.

Nachdem Ingenieure der in Hannover eigens hierfür gegründeten Firma Velo.Saliko ab 2001 ein komplett neues Design mit verbesserter Straßenlage entwickel haben, das mit einer Lenkung von Porsche ausgestattet ist, wird das neue ConferenceBike ab 2003 in Serie gebaut und weltweit vertrieben. Rechtlich hat es als rein muskelkraftbetriebenes Fahrzeug denselben Status wie ein Fahrrad und darf somit auf der Straße fahren. Radwege kann es aufgrund seiner Breite von 1,8 m bei einer Länge von 2,5 m sowieso keine benutzen.

Die neueste Entwicklung 2008 ist das 5-sitzige Leichtbaumodell CoBi, das exklusiv in einer holländischen Werkstatt gebaut wird.

2009 folgt mit dem Modell Quintette ein weiterer 5-Sitzer, der sich dank hydraulischer Lenkung und Bremsen wie ein Sportwagen fahren lassen soll. Bei dem Modell CoBi-7 wiederum treten sechs Personen in die Pedale, während eine siebte das Vehikel steuert (auf diesem Sitz soll sogar schon einmal Ex-Präsident Jimmy Carter gesessen haben).

Die Gruppen-Bikes kosten zwischen 7.200 € und 9.500 €, wiegen 200 - 220 kg und erreichen leicht eine Geschwindigkeit von bis zu 15 km/h. Dem Stand von 2015 nach existiert das Unternehmen aber nicht mehr, obwohl es im Laufe seines Bestehens über 250 Stück des ConferenceBike in 18 Ländern verkauft hat, darunter auch nach Berlin, Moskau und Budapest.


In den Niederlanden gibt es aber auch noch weitere ‚Partybusse’, die sich nur dann bewegen, wenn alle an der Theke sitzenden Besucher bzw. Passagiere kräftig mitstrampeln... was dann wiederum auch den Umsatz an Getränken wortwörtlich kräftig ankurbeln dürfte.

Die Erfindung der Partyfiets im Jahr 1997 geht auf die niederländischen Brüder Zwier und Henk van Laar aus dem Dorf Kootwijkerbroek zurück, die ab dem Jahr 2000 mit ihrer in Stroe beheimateten Firma Het Fietscafe BV zugange sind.

Die auch Bierfiets, Bierbikes oder Thekenfahrräder genannten feuchtfröhlichen Gefährte sind 5,3 m lang, 2,7 m hoch und 2,3 m breit, wiegen ungefähr eine Tonne, haben Platz für 10 - 22 Leute. Dazu führen sie, während sie in der Stadt herumfahren, diverse Liter Bier mit sich, die unterwegs räumlich aus den Fässern in die Bäuche verlagert werden.

Zwei Unfälle sorgen allerdings dafür, daß die Stadtväter von Amsterdam im August 2009 über ein Verbot der Bierfiets nachdenken, wie es bereits in Delft und jüngst auch in der Stadt Valkenburg besteht.

Rechtlich gesehen ist es Fahrradfahrern in den Niederlanden nämlich nicht erlaubt zu trinken. Die rollenden Theken nutzen jedoch ein juristisches Schlupfloch, da alleine der (nüchterne) Lenker als verantwortlicher Fahrer gilt, während die Biertrinker mit ihrer Schenkelkraft nur zur Fortbewegung beitragen.

Pedal Pub

Pedal Pub

In Deutschland beginnt ihre kurze Erfolgsgeschichte im Jahr 2006, als ein Düsseldorfer die Vermietung der in den Niederlanden gefertigten Bikes startet. Bis 2010 gibt es die Bier-Bikes bereits in 34 deutschen Städten, ohne daß es dabei zu Unfällen kommt. Trotzdem untersagt Düsseldorf im Oktober 2010, als erste Stadt in Deutschland, den fahrenden Kneipentresen die Benutzung öffentlicher Straßen, auch da die vergleichsweise großen und langsamen Fahrzeuge gerade in Großstädten eine nicht unerhebliche Verkehrsbehinderung darstellen.

Im August 2012 entscheidet dann das Bundesverwaltungsgericht, daß die Thekenfahrräder sogar Deutschlandweit nicht mehr auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, sie nicht den straßenrechtlichen Gemeingebrauch erfüllen, wie es in dem Urteil heißt.

Neue Märkte tun sich dafür in anderen Ländern auf. Ableger wie das seit 2007 als Lizenzvergeber bestehende Unternehmen Pedal Pub LCC in Twin Cities, Minnesota, sind auch weiterhin erfolgreich.


Und natürlich wird die Idee der pedalbetriebenen Großfahrzeuge auch anderswo adaptiert. Der Beitrag der Firma Honda zur Los Angeles Design Challenge im Januar 2006 ist beispielsweise eine solche Adaption, die zudem deutlich von Kaliforniens Fitness-Kultur inspiriert ist.

Der sogenannte Running Bus, der auch unter dem Namen HPH für Human-Powered Hybrid Bus bekannt wird, wird von zehn Läufern auf stationären Laufbändern im unteren Stock angetrieben, während im oberen Stock Passagiere sitzen. Unbestätigt ist ferner die Meldung, daß Scania als einer der größten Lkw-Hersteller in Europa einen solchen muskelbetriebenen Bus im französischen Angers getestet haben soll.

Die Idee soll auf einen im Vorjahr in Rio de Janeiro aufgetauchten Bus zurückgehen, der als Bus Bike allerdings nicht mit menschlicher Energie vorwärts bewegt wird, sondern nur einen mobilen Fitneß-Raum mit Fahrradtrainern an Bord darstellt.

Fahrrad-Bus

Pedal-Bus


Auf der US-Ausstellung Maker Faire im Mai 2008 in San Mateo, Kalifornien, erfolgt ein Teil des Personenverkehrs mit Pedalbussen unter dem Motto Pedal-powered Mass Transit.

Im Gegensatz zu den fahrenden Bier-Theken sitzen die das Fahrzeug voranbewegenden Passagiere hier mit Blick nach außen, um die Ansicht der vorbeiziehenden Landschaft bewundern zu können – oder in die staunenden Gesichter der Passanten am Straßenrand zu lachen. Und das auch ganz ohne Alkohol.


Der bislang vermutlich größte Pedalbus wird im Jahr 2008 (?) von Technik-Studenten der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden hergestellt. Der auf einem Lkw-Rahmen aufgebaute HPBus (Human Powerd Bus) trägt insgesamt 34 Personen – 32 Passagiere, Fahrer und Führer – und wiegt 2.500 kg.

Passenderweise sind die Ingenieure, welche diese Maschine erbaut haben, Mitglieder der WSV Simon Stevin – einer studentischen Organisation, die nach dem Erfinder des Segelwagens benannt ist, den ich unter seinem Namen Zeilwagen im Kapitelteil der windbetriebenen Fahrzeuge vorstelle (s.d.).

Die Mechanik des über 11 m lange Busses besteht aus mehr als 100 Kettenrädern sowie Fahrradketten von etwa 80 m Länge, dazu gibt es 12 Gänge inklusive zwei Wendegetriebe. Wenn alle 32 Passagiere kräftig in die Pedale treten, kann das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von bis zu 20 km/h erreichen. Leider sind ansonsten keine Informationen darüber auffindbar – auch ob der Wagen überhaupt noch existiert, ließ sich bislang nicht eruieren.

City Cycle party bike

City Cycle party bike


Im Mai 2011 wird unter dem Namen City Cycle party bike eine amerikanische Neuinterpretation der aus Amsterdam stammenden Vorlage, die von Rhett Reynolds für Reisegruppen optimiert worden ist und ab dem Sommer in den fahrradfreundlichen Städten Minneapolis und St. Paul in Minnesota auf den Straßen kreuzen sollen.

Reynolds engagierte die Firma Caztek Engineering, um eine bessere Version der Fahrzeuge zu entwerfen und zu bauen und behauptet nun, daß daraus das modernste Fahrzeug dieser Art in der ganzen Welt entstanden sei.

Der 5,8 m lange und mehr als 1,8 m breite Pedalbus verfügt über einen Kühler m Boden, ein Sound-System, LED-Beleuchtung und – ganz wichtig – eine Theke nebst Faß- und Gläserhaltern. Um das Fahrzeug zu bewegen, müssen mindestens 10 Personen treten. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei gemütlichen 11 km/h.


Schon im Juni folgt die Meldung über einen ganz anderen Einsatzbereich der Pedalbusse. Demzufolge hat der von Thomas Tolkamp gegründete niederländische Hersteller Tolkamp Metaalspecials in Aalten einen pedalbetriebenen Schulbus entwickelt, der die tägliche Teilnahme an der Schule besonders umweltfreundlich macht.

Die Firma hatte im Jahr 2004 mit dem Bau eines eigenen Thekenfahrrads begonnen, welches durch die Tochtergesellschaft De Café Racer vermietet wird, und sich aufgrund der starken positiven Resonanz in den Folgejahren zu unterschiedlichen Gruppenrädern vorangearbeitet, die mit nun auch mit verschiedenen Optionen angeboten werden: Musikboxen, einem Wasserhahn, einem Dach, einem Anhänger-Planwagen oder einem zusätzlichem Elektromotor.

Während der größtenteils aus Stahl und Aluminium gefertigte Café Racer-1 mit einem Gewicht von 730 kg über 2 x 6 Fahrrad-Plätze in der Nähe der Bar und eine Bank für vier Personen verfügt, wiegt der verbesserte Café Racer-1 nur 630 kg und bietet Platz für 10 tretende Gäste, vier Reserve- Radfahrer, den Barkeeper und den Fahrer. Beide Fahrzeuge haben ein isoliertes 50 Liter Bierfaß an Bord und radeln mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13 km/h durch die Gegend.

Die wahre Innovation ist allerdings der nun präsentierte Schulbus, der den Kindern zu einem gesunden Spaß verhilft – während gleichzeitig eine postive Gemeinschaftserfahrung vermittelt wird.

Das freundliche und offene Fahrzeug kann bis zu elf Kinder im Alter bis zu 12 Jahren sowie einen Erwachsenen am Steuer unterbringen. Alle Sättel sind in der Höhe verstellbar. Für den Fall, daß die Kinder müde werden oder ihre Kraft nicht ausreicht, wie an steilen Steigungen oder wenn nur eine Handvoll an Bord sind, ist der Bus mit einem elektrischen Hilfsmotor ausgestattet. Außerdem gibt es einen Musik-Player für Unterwegs. Und falls es zu regnen beginnt, kann schnell ein Segeltuchdach aufmontiert werden um sicherzustellen, daß die Kinder schön trocken in der Schule ankommen.

Bislang hat die Firma rund zwei Dutzend der Fahrradbusse in den Niederlanden, Belgien und Deutschland verkauft, zu einem Stückpreis von rund 15.000 $. Weitere Anfragen kommen aus der ganzen Welt.

Pedal-Monstertruck

Pedal-Monstertruck


Im August 2011 erscheinen Fotos eines Monster-Truck für sieben Personen, den Haulin’ Colin entworfen, konstruiert und hergestellt hat, eine Fahrrad-Spezialwerkstatt in Seattle. Grundlage ist ein LKW, dessen Original-Getriebe genutzt wird.

Das Gefährt beteiligt sich bereits im Vorjahr am Dead baby Downhill, einem mit viel Spaß und Spannung verbundenen Fahrradfest nebst Party in Seattle, dessen merkwürdiger Name auf einen (harmlosen) Fahrradclub gleichen Namens zurückgeht, der diesen jährlichen Massenkrawall an Fahrradstraßenkultur veranstaltet.


Vom August 2012 stammt die Ankündigung, daß die US-Krankenversicherung Humana Inc. den Teilnehmern der demokratischen und republikanischen Nationalkonvents 20 personenbetriebene Freewheelin Pedal-Busse zur Verfügung stellen wird, damit sie in den Gastgeberstädten Tampa und Charlotte der politischen Ereignisse auf einem gesunden, Spaß-bringenden und grünen Weg herumfahren können.

Die Krankenversicherung hatte bereits 2008 zu jedem nationalen Parteitag 1.000 Fahrräder besorgt und Delegierte, Kongreßbesucher, Journalisten und Anwohner gleichermaßen eingeladen, die Fahrräder kostenlos zu nutzen.

Für das aktuelle Projekt beauftragt Humana Handwerker und ein Team aus 20 Personen, um die Pedalbusse innerhalb von acht Monaten zu bauen. Jeder Bus kann neun Personen einschließlich des Fahrers befördern, die im Laufe einer 30-minütigen Fahrt pro Person zwischen 140 und 380 Kalorien verbrennen müssen, um voranzukommen.

Die ebenfalls kostenlos zur Verfügung stehenden Busse mit schattenspendendem Dach folgen dabei in jeder Stadt vorgegebenen Routen mit Haltestellen in der Nähe des jeweiligen Kongreßzentrums und an beliebten Zielorten in der Innenstadt. Man kann an jeder der drei Freewheelin-Stationen ein- und aussteigen – wo man zudem kostenloses Wasser und Obst erhält und biometrische Vorsorgeuntersuchungen durchführen lassen kann, wie Blutdruck- und BMI Kontrollen (Body Mass Index), welche Auskunft über das Idealgewicht geben.

Roadboat

Roadboat


Eine besondere Form der muskelbetriebenen Mehrpersonen-Vehikel bildet das Roadboat eines kanadischen Teams um Kevin Thomson, der im Jahr 1999 in einem Sololauf von Vancouver nach St. Johns, Neufundland, das ganze Land durchquert hatte. Während des endlosen Trottens macht er sich Gedanken über die Frage, wie schnell der Mensch dieses Land mit reiner Muskelkraft durchqueren könnte.

Für den Versuch, Kanada von Halifax nach Vancouver in der schnellstmöglichen Zeit zu durchqueren, um damit einen Guinness-Weltrekord aufzustellen, entscheidet sich das Team für ein Fahrzeug, das von vier kräftigen Personen im Rudertakt voranbewegt wird – eine Technik, die uns weiter unten auch bei kleineren Geräten begegnen wird.

Nach dem erfolgreichen Start im Mai 2001 und einer Reise durch die Provinz Neuschottland wird allerdings festgestellt, daß das Concept 2 genannte Rudergefährt keine ausreichende Geschwindigkeit erreicht, um die Rekordzeit zu schaffen. Ein Grund dafür ist sicherlich der ,Ballast’ durch den Steuermann als fünfte Person an Bord. Der Versuch wird daraufhin abgebrochen und ist bislang auch nicht wiederholt worden.

 

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