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Ich habe für dieses Kapitel ganz bewußt den etwas ungewöhnlichen Titel ,Exergie’ gewählt, weil sich Energie anhand zweier Kriterien unterscheiden läßt: zum einen nach der Form ihres Auftretens, und zum anderen nach ihrer Wertigkeit.
Nach der Form des Auftretens unterscheiden wir zwischen den inneren Energien oder der Enthalphie, und den systemgrenzüberschreitenden Energien (z.B. Wärme oder Arbeit). In technischen Vorgängen, die meist als Kreisprozesse ablaufen, spielen besonders diese grenzüberschreitenden Energieformen eine wichtige Rolle.
Die zweite Einteilungsmöglichkeit ist das Kriterium der Wertigkeit. Die Wertigkeit der Energieformen wird besonders durch ihre Umwandelbarkeit in andere Energieformen deutlich. Während elektrische Energie (die allerdings nicht zu den Primärenergien gezählt wird) beliebig in andere Energieformen umgewandelt werden kann und daher eine Form der Exergie darstellt, läßt sich dagegen thermische Energie nicht restlos in elektrische Energie umformen. Tritt die thermische Energie bei hoher Temperatur auf ist diese Umwandlung zu einem größeren Prozentsatz möglich als bei einer niedrigen Temperatur, die näher an der Temperatur der Umgebung liegt. Alle derzeitigen konventionellen Energietransformationssysteme sind entsprechend dieser Grundlage konzipiert.
Um den Anteil der wandelbaren Energiemenge z.B. einer thermischen Energieform besser erfassen zu können, wird diese thermische Energie in einen unbeschränkt wandelbaren Anteil (Exergie) und in einen nicht wandelbaren Anteil (Anergie) aufgeteilt. Die technischen ‚Wirkungsgrade’ der Energietransformationssysteme entsprechen damit der Menge der von ihnen ‚produzierten’ Exergie. Der Begriff Exergie soll übrigens 1953 oder 1956 von dem slowenischen Prof. Zoran Rant für die ‚technische Arbeitsfähigkeit der Energie’ geprägt worden sein.
Aus dieser Darstellung ergibt sich für den I. Hauptsatz der Thermodynamik die folgende ‚klassische’ Formulierung:
In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aus Exergie und Anergie konstant.
In dieser Formulierung spricht nichts dagegen, daß sich das Verhältnis von Exergie und Anergie innerhalb eines derartigen hypothetischen Systems reversibel ändern kann. Hypothetisch deshalb, weil es de facto ja gar kein ‚abgeschlossenes System’ geben kann.
Die möglichen Veränderungen werden durch die Formulierung des II. Hauptsatzes der Thermodynamik deutlich:
Bei irreversiblen Prozessen eines abgeschlossenen Systems wird Exergie in Anergie umgewandelt. Bei reversiblen Prozessen bleibt die Exergie konstant. Anergie kann nicht in Exergie umgewandelt werden.
Dies bedeutet, daß mit Exergie zwar problemlos Anergie (als Abwärme nahe dem Niveau der Umgebungstemperatur z.B.) erzeugt werden kann, während sich aus Wärme bei gleicher Umgebungstemperatur jedoch keine Exergie gewinnen läßt. Allerdings wird der Ausschließlichkeit dieser Aussage auch widersprochen, da in der belebten Natur Beweise dafür gefunden wurden, daß auch Ausnahmen zu dieser Regel zulässig sind.
Josef Meixner fragte einmal, „Warum gibt es überhaupt irreversible Vorgänge, wo doch die Bewegungen der einzelnen Atome reversibel sind?“ – und kam dabei einer Neuformulierung des Energiebegriffes schon nahe. Bereits 1908 hatte Pierre Duhem gesagt: „Ein physikalisches Gesetz ist genau genommen weder richtig noch falsch, sondern angenähert“. Und der Grad dieser Annäherung entwickelt sich parallel zur Entwicklung der physikalischen Erkenntnisse.
Ich möchte in meiner Arbeit keinesfalls auf die Thematik des ‚Perpetuum Mobile’ einsteigen. Ich gehe nämlich davon aus, daß sich jeder Exergie- oder Energiezuwachs an der Ausgangsseite eines Systems letztlich auf eine Verringerung auf der Eingangsseite zurückführen läßt. Denn absolut jede Energietransformation bildet nur das Glied einer schier unendlichen Kette von Transformationsprozessen, über deren Anfang und Ende – falls überhaupt existent – wir nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse nur wilde Spekulationen anstellen, oder uns an die Antworten der Religionen halten können.
Falls also jemand mit einem ‚Perpetuum Mobile’ auftauchen sollte, oder falls irgend einem Erfinder ein entsprechend lautender Vorwurf gemacht wird, dann gibt es eigentlich nur eine einzige ‚legitime’ Frage, die hier zu stellen ist, und deren Antwort im besten Falle auch alle Vorurteile beseitigen sollte: „Aus welchem Reservoir schöpft Ihr Energiewandler?“
Im Fall der meisten in diesem Teil C dargestellten Energiesysteme sind die jeweiligen Reservoire bekannt: Sonne, Erdrotation, Erdwärme usw. Schwieriger wird es bei den Energiewandlern, die in der Datenbank der neuen Energie aufgelistet sind. Denn nur zu oft können die Entdecker und Erfinder die oben gestellte Frage nicht beantworten. Einfach weil sie es nicht wissen – und statt dessen manchmal zu ihren technischen Geräten auch noch jede Menge neuer Begriffe ‚erfinden’, mit denen sie diese dann zu erklären versuchen. Was natürlich in keinem Fall besonders effektiv ist. Trotzdem sollte man sich anschauen was diese Menschen entdeckt und erfunden haben – und sie auf der Suche nach einer Antwort nach dem woher auch unterstützen. Oder das Ganze wenigstens nach bestem Wissen und Gewissen dokumentieren, wie ich es in den Teilen D und E mit dem Synergetischen Modell getan habe.
Der von mir teilweise genutzte Begriff Exergieseparation bedeutet daher die Anwendung eines oder mehrerer Transformationssysteme zur Erzeugung von Exergie aus einer oder mehreren Primärenergieformen, also den Reservoirs aus denen wir schöpfen. Elektrischer Strom bildet als 100%ige Nutzenergie die wohl reinste Exergieform, die uns zur Zeit zur Verfügung steht.
Die im Rahmen dieser Analyse aufgeführten Systeme sind erneuerbarer, nichtfossiler und nichtnuklearer Art. Ihre Wirkungsgrade sind sehr unterschiedlich, ebenso wie ihre Wirtschaftlichkeit. Da die Analyse aus ökologischer Sicht erfolgt, wird auf die Untersuchung der resultierenden oder zu erwartenden Nebenwirkungen großer Wert gelegt.
Doch nun ein kurzer Rückblick auf das politisch-wirtschaftliche Umfeld.
Während noch um die vorletzte Jahrhundertwende 60 % des Weltenergieverbrauchs durch die regenerierbaren Quellen Wasser, Wind, Biomasse und Sonne gedeckt wurde, haben sich die technische Entwicklung und der damit verbundene Bedarf an Energie inzwischen derart gesteigert, daß die ‚Programmgruppe Systemforschung und Technologische Entwicklung’ gemeinsam mit der ‚Programmgruppe Kernenergie und Umwelt’ (beide an der damaligen Kernforschungsanlage Jülich angesiedelt) schon in den 1970er Jahren zu dem Schluß kamen, daß überhaupt nur „etwa 30 % unseres zukünftigen Energiebedarfs durch ‚sanfte’ Energien gedeckt werden kann“.
Zwar wurde die KfA-Studie vom Freiburger Öko-Institut als ‚unglaubwürdig’ bezeichnet, da man hier von einem wesentlich höheren erreichbaren Prozentsatz ausgeht, doch die Studie ließ immerhin noch Raum für zukünftige Entwicklungen, denn sie schließt mit den Worten:
„Nicht zuletzt wird es vielleicht langfristig durch verstärkte Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der regenerativen Energiesysteme möglich sein, einen dritten Weg zu finden, der die Vorteile der zentralen und der dezentralen Energiesysteme miteinander vereint, ohne den Nachteil von Extremlösungen in Kauf nehmen zu müssen.“
Wie wichtig ein derartig offener Standpunkt ist zeigt die Tatsache,
daß Szenarien um die zukünftige Energieversorgung um so
pessimistischer ausfallen, je weiter sie in die Zukunft reichen und
je umfassender sie zu sein versuchen. Doch dieser Tendenz der Schwarzmalerei
sollte Einhalt geboten werden, oder sie sollte – noch besser – einfach
ignoriert werden.
Was z.B. Japan tut, wo man schon in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre für die weitere Entwicklung von Alternativen zu herkömmlichen Exergie-Separationssystemen einen Betrag von 23 Milliarden Dollar bereitstellte. Die 30 Millionen DM, die bis 1976 seitens der Bundesregierung für ähnliche Zwecke ausgegeben worden sind, wirken demgegenüber regelrecht schäbig. Schließlich sind das exakt 0,16 % der Mittel, die während des gleichen Zeitraums in das Atomforschungsprogramm gesteckt worden sind.
An diesem Mißverhältnis hat sich auch bis 1984 nicht viel geändert: 188 Mio. DM für erneuerbare Energie standen 2.200 Mio. DM für die Nuklearforschung gegenüber! Laut Greenpeace investierte die BRD in den 1980ern im Jahresdurchschnitt nicht viel mehr als 100 Mio. DM zur Weiterentwicklung regenerativer Energiesysteme.
Auch auf internationalem Niveau sah es lange Zeit nicht besser aus: Die Vereinten Nationen haben zwischen 1974 und 1984 nur einen Betrag von 2,7 Mrd. $ ausgegeben, weitere 1,3 Mrd. $ sind von bilateralen und zwischenstaatlichen Organisationen für die Erforschung und Erschließung regenerativer Energie aufgebracht worden. Und obwohl überall und immer wieder (und lange vor Tschernobyl) über die immense potentielle Gefahr und schwierige Handhabbarkeit von Kernenergieanlagen berichtet wurde, stellten die Vereinten Nationen noch 1977 in ihrem ‚Park der Alternativenergien’ auch einen Kernreaktor aus – neben einem von Tieren betriebenen Göpel zum Wasserschöpfen! Allerdings wurde der Atommeiler, und nicht das Wasserschöpfwerk, als „hoffnungsvolles Element für die zukünftige Energieversorgung der Welt“ angepriesen (!).
Mitte der 1970er wurden auf nationaler wie internationaler Ebene zwar laufend Beschlüsse gefaßt, die eine Entwicklung zugunsten von Substitutionsenergieträgern zum Inhalt hatten (z. B. das Programm der Internationalen Energie Agentur vom 30.01.1976), doch gleichzeitig wurden die Medien immer stärker zugunsten einer ‚pro-KKW-Werbung' mißbraucht. Ein treffendes Beispiel hierfür bildet das von 11 Nobelpreisträgern und 21 weiteren Fachkollegen unterzeichnete Manifest von 1975, das in den Industrienationen breit gestreut wurde, und in dem es unter anderem heißt:
„Wohl gibt es viele interessante Vorschläge für alternative Energiequellen, die eines erheblichen Forschungsaufwandes würdig sind, doch läßt keine von ihnen erwarten, einen wesentlichen Beitrag zu unserer Energieversorgung in diesem Jahrhundert zu liefern.“
Doch kann man Wissenschaftlern trauen, die das Atomprogramm forcierten? Sie sind in ihrem Bereich sicherlich kompetent, doch was verstehen sie von anderen, gar völlig neuen Bereichen? Das vergangene Jahrhundert wird in den Geschichtsbüchern als das Jahrhundert des Öls bezeichnet, obwohl die industrielle Methode, aus Erdölprodukten Leuchtmittel zu machen, Europa schon im 12. Jahrhundert erreichte – als Resultat der arabischen Besetzung der iberischen Halbinsel ab dem 8. Jahrhundert. Aber erst die Industrialisierung erzeugte den Bedarf, was Forscher und Tüftler anregte, die Exploration (und die Funde) sprunghaft ansteigen ließ, was wiederum die Preise senkte, usw. usf.
Die St. Petersburger Akademie der Wissenschaften schrieb im Jahre 1806 in einem ihrer Gutachten:
„Das Erdöl ist eine nutzlose Absonderung der Erde. Es ist der Natur nach eine klebrige Flüssigkeit, die stinkt, sie kann in keiner Weise verwendet werden.“
Dann jedoch erwarb 1852 der kanadische Arzt und Geologe Abraham Gesner ein Patent auf die Herstellung eines relativ sauber brennenden, preisgünstigen Lampenbrennstoffes aus Roherdöl, dem Petroleum, in Dithmarschen und bei Wietze in Niedersachsen wurden von Ludwig Meyn 1856 und 1858 die ersten Bohrungen durchgeführt, und 1859 stößt Edwin L. Drake im Auftrag des amerikanischen Industriellen George H. Bissell am Oil Creek in Pennsylvania in nur 21,2 m Tiefe auf die erste größere Öllagerstätte. Und schon wurde Erdöl zum absolut wichtigsten Rohstoff unserer modernen Industriegesellschaften, die 2005 weltweit jeden Tag etwa 84 Millionen Barrel Öl verbrauchen.
Das Beispiel mit der Russischen Akademie soll verdeutlichen, wie sehr sich selbst höchst berufene Wissenschaftler irren können, und wie schnell sich eine bisher allgemein anerkanntes wissenschaftliches Paradigma ändern kann. Auch in Rußland, wo damals nur wenige Jahrzehnte später der Chemiker Mendelejew voraussagte, daß Öl als Grundstoff so wertvoll ist, daß wir es nie als Treibstoff verschwenden sollten: „Wenn wir Öl verbrennen, verbrennen wir unser Kapital!“ Es gibt viele weiterer Beispiele, die ich hier aufführen könnte. Doch noch viel lieber zitiere ich den bekannten SF-Schriftsteller Arthur C. Clarke:
„Wenn Ihnen ein älterer und berühmter Wissenschaftler sagt, etwas sei unmöglich, dann hat er fast sicher Unrecht. Der Fachmann mag alle Schwierigkeiten aufspüren, doch es kann ihm die Phantasie oder die Vision fehlen, zu erkennen, wie sie zu überwinden sind. Es erweist sich, daß der unwissende Optimismus des Laien auf lange Frist – und häufig sogar auf kurze – der Wahrheit näher kommt.“
Vermutlich war es genau dieses Verständnis des wissenschaftlichen Erkennens, das Justus von Liebig veranlaßt hatte zu sagen: „Wenn die Natur und die Wissenschaft im Widerspruch stehen, dann hat stets die Natur und nie die Wissenschaft recht.“
Auf eine umfassende Analyse aller Energietransformations- bzw. Exergieseparations-Systeme muß allerdings verzichtet werden, denn der Umfang der hierzu notwendigen Anstrengungen würde den Rahmen des vertretbaren weit sprengen. Aus diesem Grund habe ich die fossilen Energieträger (Kohle, Erdöl, Erdgas) sowie die nuklearen (Uran) ausgeklammert und verweise auf die umfangreiche Literatur zu diesem Thema. Betrachtungen zu den ökologisch negativen Auswirkungen dieser Energieträger befinden sich im ersten Teil A ‚Die Biosphäre’.
In der vorliegenden Arbeit werden daher nur die sogenannten alternativen, sanften, angepaßten oder auch erneuerbaren Systeme betrachtet – der Name wechselte im Lauf der Jahrzehnte – wobei selbstverständlich kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann. Denn gerade in den letzten Jahren hat es in diesem Bereich eine Fülle neuer Entwicklungen gegeben. Um so wichtiger erschien mir die Darstellung der Geschichte dieser Energieformen - insbesondere in der Zeit vor dem Internet, als das Material noch nicht so leicht verfügbar war.
Außerdem möchte ich eine Reihe von Bewertungsparametern vorschlagen, die bei der Beurteilung der aufgeführten Systeme stets bedacht werden sollten. Sie gehen auf ein Axiom von Frederic Vester zurück: „Nur ein biokybernetisches System, entsprechend dem natürlichen, ist überlebensfähig.“
Die zu erfüllenden Bedingungen für einen wünschenswerten, langfristigen Substitutions-Energieträger lauten demnach:
...und das alles bei erforderlichen Leistungen von einigen 1.000 MW pro System, wobei es selbstverständlich ausgesprochen vorteilhaft wäre wenn sich das Systemprinzip genauso auch im Kleinformat anwenden ließe.
Die ‚Wunschenergie’ der Deutschen wurde 1998 durch eine Umfrage des Instituts für angewandte Sozialforschung ermittelt, im Auftrag der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke (VDEW) (Näherungswerte nach Mehrfachnennung):
Sonnenenergie |
92 % |
Wasserkraft |
86 % |
Windkraft |
82 % |
Gas |
47 % |
Erdöl |
18 % |
Kohle |
18 % |
Atomkraft |
12 % |
Dabei handelt es sich natürlich wieder einmal nur um eine Auswahl der bekannten Energiesysteme. Neue Erfindungen, völlig andere Transformationsmethoden oder die Nutzbarmachung frisch entdeckter physikalischer Effekte werden nicht bedacht, nicht postuliert, nicht kommuniziert. Als ob es sie gar nicht geben könne (oder dürfe?). Siehe dazu auch mein bebildertes Abschluß-Satement zu diesem Teil.
Doch schon das Potential der ‚konventionellen’ Erneuerbaren Energien ist gewaltig. Sogar ohne jede neue Erfindung. Dem Statistischen Bundesamt zufolge liefern die Erneuerbaren Energien im Jahr 2003 bereits 9 % des deutschen Stromes. Dabei hält Strom aus Wasserkraft mit 48 % die Spitzenposition, gefolgt von Strom aus Windkraft mit 39 % und Strom aus Biomasse mit 11 %. Und auch die Besitzverteilung ist bemerkenswert, denn die Hälfte der Ökoenergieanlagen gehören Privatpersonen, während den Energieversorgungsunternehmen 45 % gehören. Die übrigen 5 % des Ökostroms werden von Industriekraftwerken in das Versorgungsnetz eingespeist.
Am 14.01.2004 stellen Bundesumweltminister Jürgen Trittin und Bundesfinanzminister Hans Eichel die neue Sonderbriefmarke Erneuerbare Energien im Aufwind vor. Mit dem Erlös aus dem Verkauf der Briefmarken werden Umweltbildungsprojekte zur Förderung der erneuerbaren Energien gefördert. Die Marke hat einen Wert von 55 Cent und wird mit einem Zuschlag von 25 Cent verkauft. Merke: Von 1973 an gerechnet hat es immerhin 30 Jahre gedauert, bis man sich zu diesem epochalen Schritt entschließen konnte!
Wo der Hase aber wirklich lang läuft erläuterte Hermann Scheer bei der Eröffnung der Konferenz ‚Renewables’ im Sommer 2004 in Bonn, als er die konsternierten Zuhörer darüber informierte, daß die jährlichen Subventionen für atomare und fossile Energien weltweit bei über 500 Milliarden Dollar lägen. Und auf mehr als 100 Milliarden Dollar würden sich bereits heute die jährlichen energiebedingten Katastrophenschäden belaufen.
Im Mai 2004 hatten DLR, ifeu und das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie die Ergebnisse eines sicherlich sehr teuren Forschungsvorhabens vorgelegt, denn sie kommen zu der welterschütternden Erkenntnis, daß der Ausbau der Erneuerbaren Energie in Deutschland in fünf Phasen verlaufen kann – und diese zählen sie dann auch brav auf:
Phase 1: | bis 2010: | Energiepolitisch gestützter ‘Einstieg’ |
Phase 2: | 2010 – 2020: | ‘Stabilisierung’ des Wachstums |
Phase 3: | 2020 – 2030: | Vollwertige ‘Etablierung’ |
Phase 4: | 2030 – 2050: | Beginnende ‘Dominanz’ |
Phase 5: | nach 2050: | Fortschreitende ‚Ablösung’ der fossilen Energieträger |
Ich glaube, diese Leute sollten lieber SF schreiben – da diese entschieden glaubwürdiger wirken würde (aber bestimmt nicht so gut honoriert wird, wie diese semantische Sülze...!)
Im Mai 2005 gibt der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) die neuen Zahlen der Internationalen Energieagentur bekannt, denen zufolge inzwischen knapp 20 % der weltweit genutzten Energie aus Erneuerbaren Quellen stammt. Der wesentlich größere Anteil von 77 % stammt noch immer aus Öl, Gas und Kohle, und nur 3,3 % aus den weltweit 440 Kernreaktoren.
Auch in Deutschland überholen die Erneuerbaren Energien die Kernenergie, denn bereits im ersten Halbjahr 2005 kann die Produktion auf 6,4 % gesteigert werden, während die Atomkraft seit Jahren etwa 5,7 % des deutschen Gesamtenergieverbrauchs liefert. In der EU haben die Erneuerbaren die Nase ebenfalls vorn: 2004 tragen sie bereits 9 % des Gesamtenergieverbrauchs, während es die Kernenergie nur auf 7,4 % bringt.
Auf der Internationalen Konferenz für erneuerbare Energien (BIREC) im November 2005 in Peking stellt das Renewable Energy Policy Network for the 21st Century (REN21) in seinem Report Renewables 2005: Global Status Report fest, daß noch nie so viel Geld in erneuerbare Energien investiert wurde wie im Jahr 2004: insgesamt 30 Milliarden $. Durch diese Investitionen wuchs die installierte Windenergiekapazität um 29 %, die Biodieselproduktion um 85 % und das Stromaufkommen aus Photovoltaikanlagen um 55 %. Zu den führenden Nationen in den einzelnen Bereichen gehören Brasilien (Biotreibstoffe), Dänemark (Wind), Deutschland (Wind und Photovoltaik), Indien (Wind, Sonnenenergie und Biomasse), Japan (Photovoltaik), Spanien (Wind), China sowie die Vereinigten Staaten. Dabei steht die Entwicklung energiepolitischer Alternativen erst am Anfang. China zum Beispiel will bis 2020 mehr als 30 % seines Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen.
Außerdem hätten viele Länder 2005 neue Förderprogramme für erneuerbare Energien eingeführt – nicht nur Industrieländer, sondern auch 16 Staaten aus der so genannten Dritten Welt wie Ägypten, Thailand oder Uganda.
Ebenfalls vorgestellt wird auf der BIREC der World Energy Outlook 2005 der Internationalen Energieagentur (IEA). In ihrer Prognose für die weltweite Energiewirtschaft bis zum Jahr 2030 geht die Agentur davon aus, daß noch 17 Billionen $ (!) in Gewinnung und neuen Raffinieren investiert werden müßten, um die Energieversorgung der stetig wachsenden Weltbevölkerung sicherzustellen, deren Bedarf im Vergleich zu heute um über 50 % ansteigen könnte.
Dazu noch einige Worte. Anfang dieser Dekade wurde pauschal davon geredet, daß sich der Weltenergieverbrauch seit 1970 nahezu verdoppelt habe. Um dies etwas genauer zu darzustellen, übernehme ich hier die Zahlen des World Energy Council:
Der Weltenergieverbrauch stieg demnach zwischen 1970 und 1980 um 32,5 % (d.h. im Durchschnitt um 2,9 % pro Jahr), zwischen 1980 und 1990 um 22,6 % (2,1 %/a) und in der darauffolgenden Periode 1990 bis 2003 um 20,0 % (1,4 %/a).
Um anzugeben, wie groß der Weltenergieverbrauch nun tatsächlich ist, gibt es viele verschiedene Quellen. Ich habe hier einige nebeneinandergestellt und werde es den interessierten Lesern überlassen, sich mit Umrechnungen die Zeit zu vertreiben.
Im Jahr | betrug der Weltenergieverbrauch | laut |
2003 | 15,2 Mrd. t Steinkohleeinheiten (SKE) | IEA, 2004 |
2003 | 9.741,1 Mio. t Öl-Äquivalent | Erdöl-Vereinigung, Zürich |
2004 | gut 110 Billionen Kilowattstunden | Das Parlament, 12.07.2004 |
2004 | etwa 13 Terawatt | Paul Scherrer Institut, 2004 |
2004 | gut 400 Exajoule | taz, 21.05.2004 |
Dabei darf das Wichtigste aber keinesfalls vergessen werden:
Der Weltenergieverbrauch basiert noch immer zu fast 90 % auf fossilen Energieträgern (dena 2004; andere Quellen sprechen von sogar 96 %, wobei sich dies augenscheinlich auf den mobilen Energieverbrauch bezieht). Und über 2 Milliarden Menschen kochen auch heute noch über offenem Feuer...!
Und Deutschland ist nach den USA, den Staaten der ehemaligen UdSSR, China und Japan der fünftgrößte Energieverbraucher der Welt. Deutschland verursacht zwar nur 4 % des gesamten energiebedingten Kohlendioxid-Ausstoßes der Welt – aber trotz der so gering erscheinenden Zahl ist das immer noch mehr, als der gesamte afrikanische Kontinent freisetzt!
Der Statusbericht Energieversorgung für Deutschland von 2006 zeigt, daß die erneuerbaren Energien im Jahr 2005 bereits einen Anteil von 10,2 % an der Stromversorgung, und 6,4 % an der Endenergie hatten. Bioenergie, Geothermie, Photovoltaik sowie Wind- und Wasserkraft erzeugten 2005 gemeinsam rund 62,4 Milliarden kW/h Strom. Den größten Beitrag hat dabei die Windeenergie mit 26,5 Milliarden kW/h geleistet, gefolgt von der Wasserkraft (21,5 Milliarden kW/h) und der Biomasse (13,4 Milliarden kW/h). Die Solarstromproduktion hat sich auf rund eine Milliarde kW/h gesteigert. 2005 wurden in diesem Bereich 16,4 Milliarden € umgesetzt.
Wie sinnvoll dies ist geht aus einem Gutachten hervor, das im Auftrag des Bundesumweltministeriums vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) erstellt wurde, und dem zufolge die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien im Jahr 2005 in Deutschland Schäden von mindestens 2,8 Milliarden € vermieden habe. Dieser Wert liegt sogar über den rund 2,4 Milliarden €, welche die Förderung des Stroms aus Biomasse, Erdwärme, Photovoltaik, Wasser und Wind durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in diesem Jahr gekostet hat. Außerdem hat ihr Einsatz Energieimporte in Höhe von 3 Mrd. € gespart.
Im August 2006 wird ein aktualisierter Globaler Statusbericht des Netzwerks REN21 vorgelegt: Demzufolge sind die globalen Investitionen in erneuerbare Energien von 30 Mrd. $ (2004) auf 38 Mrd. $ im Jahr 2005 gestiegen. Allein in Deutschland wurden 2005 rund 7 Mrd. $ investiert, genauso viel wie auch in China, gefolgt von den USA (3,5 Mrd. $), Japan und Spanien (jeweils 2 Mrd. $).
Insgesamt über eine halbe Milliarde Dollar floß als Entwicklungshilfe in die Förderung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern. Die drei wichtigsten Kapitalgeber waren hierbei die deutsche KfW, die Weltbank-Gruppe und die Globale Umweltfazilität (GEF).
Laut Studie erhöhte sich die weltweite Kapazität zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien von 160 Gigawatt (GW) im Jahr 2004 auf 182 GW (ohne große Wasserkraft). Die sechs führenden Nationen waren China (42 GW), Deutschland (23 GW), die USA (23 GW), Spanien (12 GW), Indien (7 GW) und Japan (6 GW). Japan wurde in dieser Kategorie zum ersten Mal von Indien übertroffen.
Und es geht weiter: Beim Deutschen Energiegipfel von Industrie und Regierung im April 2006 sagen die Stromerzeuger für die nächsten sechs Jahre Investitionen in neue Kraftwerke und Netze im Umfang von bis zu 70 Milliarden € zu. Rund 30 Milliarden € sollen in konventionelle Stromerzeugung fließen, weitere 40 Milliarden in erneuerbare Energien. Bis 2020 sollen insgesamt sogar 200 Milliarden € investiert werden. Die Regierung sagte im Gegenzug zwei Milliarden € für die Energieforschung zu.
Zu diesem Zeitpunkt wird aber auch noch etwas anderes klar: Wenn der Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromproduktion in Deutschland tatsächlich wie geplant bis 2020 auf 20 % steigt, ist ein groß angelegter Umbau des Stromnetzes unausweichlich. Der Verband der Netzbetreiber (VDN) geht davon aus, daß bis 2020 etwa 40 Milliarden € in Ausbau und Modernisierung des Stromnetzes investiert werden müssen. Außerdem muß man nun zweifach vernetzen: ein Netz für den Stromtransport und ein zweites für die Kommunikation zwischen den sogenannten virtuellen Kraftwerken aus Solarmodulen, Windrädern, Wasserturbinen, Biomasse- und Geothermalkraftwerken oder Batteriespeichern.
Experten schätzen die nötigen weltweiten Investitionen über die nächsten 20 bis 30 Jahre sogar auf bis zu 5 Billionen €. Doch auch diese große Zahl muß in ihrer Relation zum Bereich der fossilen Energien gesehen werden: Daten des World Energy Outlooks (WEO) der International Energy Agency (IEA) zufolge investierten beispielsweise die Entwicklungsländer im Jahr 2006 etwa 2.300 Mrd. $ in den Ausbau ihrer Öl-Infrastruktur, gefolgt von den OECD-Ländern mit Investitionen in der Höhe von etwa 1.200 Mrd. $. Wenn diese weltweiten Investitionen konstant bleiben, rechnet man mit Gesamtinvestitionen von 4,3 Trillionen (!) $ bis zum Jahr 2030.
Im Mail 2006 werden wenige Tage vor dem 20. Jahrestag des Reaktorunfalls in Tschernobyl Pläne der EU bekannt, wonach die Mittel für Atomforschung und Kernfusion für die Jahre 2007 bis 2011 auf 4,1 Milliarden € erheblich aufgestockt werden sollen, während für erneuerbare Energien und Energieeffizienz nur mehr 770 Millionen vorgesehen sind. Für die Atomforschung wird also noch immer mehr als das Siebenfache ausgegeben – als ob nicht auch ganz andere Rechnungen bekannt wären:
Nach einem Szenario von Shell können Erneuerbare Energien im Jahr 2060 bereits mehr als 2/3 des weltweiten Energiebedarfs decken. Um diese Energiemenge mit Atomkraft bereitstellen zu wollen, müßten etwa 75.000 Atomkraftwerke neu gebaut werden!
Noch eine weitere Zahl kann ich mir nicht verkneifen hier anzuführen: ExxonMobil, der nach Marktkapitalisierung größte integrierte Energiekonzern der Welt, konnte seinen (um Sonderposten bereinigten) letzten Quartalsgewinn 2005 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um gut 22,5 % auf 10,3 Mrd. $ steigern. Für das Gesamtjahr 2005 ergibt sich damit ein Nettogewinn von 36,1 Mrd. $, was dem größten Unternehmensgewinn entspricht, der jemals von einem an der Börse gehandelten US-Unternehmen erwirtschaftet wurde. Er entspricht etwa einem Tagesgewinn von 100 Mio. $. Ausschlaggebend zeigte sich einmal mehr der deutlich höhere Ölpreis.
Wir anderen dürfen dafür an jedem 29. April den (bundesweiten) Tag der Erneuerbaren Energien feiern... na, immerhin!
(Wird fortgesetzt...)
Bei den folgend untersuchten alternativen bzw. erneuerbaren Energiequellen werden nach einer geschichtlichen Übersicht Beispiele aus ausgewählten Ländern gegeben sowie die Grenzen der jeweiligen Technologie aufgezeigt. Eine Ausnahme bildet die ‚Sonnenenergie’ – hier erfolgt die Aufschlüsselung entsprechend der einzelnen Anwendungsgebiete.
Die beiden Anhänge Energiesparen und Energiespeichern umfassen ebenfalls primär die praktischen Umsetzungen – bis hin zu dem sehr großen Bereich der elektrischen Mobilität.
Die Datenbank der neuen Energie stellt ihrerseits eine sehr große Zahl neuer Erfindungen und Entdeckungen vor, die mehr oder minder alle noch ihrer Bewertung, Würdigung und anschließenden Umsetzung harren.