erdeTEIL A

DIE BIOSPHÄRE

 

Oh Lord, please don’t let me be misunderstood...

Nina Simone / Eric Burdon / Cat Stevens

RAUMSCHIFF ERDE


Wir befinden uns an Bord eines kugelförmigen Flugkörpers mit einem Durchmesser von 12.756 Kilometern. Unser Raumschiff bewegt sich auf einer relativ stabilen Parkbahn um eine mittelgroße gelbe Sonne. Seine Geschwindigkeit beträgt dabei exakt 29,79 km/s. Das sind immerhin über 100.000 km/h. Gleichzeitig bewegt sich das gesamte Sonnensystem mit etwa 2,4 Millionen km/h auf das Sternbild Jungfrau zu.

Es scheint sich ein schwerer Unfall ereignet zu haben, denn an Bord ist so ziemlich alles durcheinander und niemand weiß wo der Kapitän ist. Auch die Disziplin ist völlig im Eimer, obwohl sich einige sehr bemühen...

Aus den Grundsätzen der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen (Auszug):

Der Mensch hat ein Grundrecht auf Freiheit, Gleichheit und angemessene Lebensbedingungen in einer Umwelt, die so beschaffen ist, daß sie ein Leben in Würde und Wohlergehen ermöglicht, und hat die feierliche Pflicht, die Umwelt für gegenwärtige und künftige Generationen zu schützen und zu verbessern.

Die natürlichen Hilfsquellen der Erde einschließlich der Luft, des Wassers, des Bodens, der Pflanzen- und Tierwelt (...) müssen zum Nutzen gegenwärtiger und künftiger Generationen durch sorgfältige Planung bzw. Bewirtschaftung geschützt werden.

Der Abgabe giftiger oder sonstiger Stoffe und der Freisetzung von Wärme in Mengen oder Konzentrationen, die die Selbstreinigungskraft der Umwelt übersteigen, muß Einhalt geboten werden, damit den Ökosystemen kein schwerwiegender oder nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt wird.

Wissenschaft und Technologie müssen als Teil ihres Beitrags zur wissenschaftlichen und sozialen Entwicklung zur Feststellung, Verhütung und Bekämpfung von Umweltgefahren und zur Lösung von Umweltproblemen sowie zum gemeinsamen Nutzen der Menschheit eingesetzt werden.


Die Erde ist tatsächlich ein wunderbar konstruiertes Raumschiff, sie ist ausgerüstet und mit Vorräten versehen, um das Leben an Bord über Hunderte von Millionen von Jahren zu erhal­ten und zu regenerieren. Es existiert ein Netz miteinander wechselwirkender physikalischer, chemischer und biologischer Prozesse, die das ‚System Erde’ sehr souverän regeln. Alle Stoffe und Energien die zum Leben benötigt werden, bewegen sich in einem großen geschlossenen Kreislauf, der von den Energien des Erdkerns und der Sonne gespeist wird. In diesem Kreislauf bewegt sich alles durch weit gespannte Wachstums- und Nahrungsketten, um dann irgendwann einmal wieder in seinen Urzustand zurückzukehren. Eine Unterbrechung dieses Kreislaufs kann das gesamte Leben allerdings sehr gefährden. Die Natur kennt darum nur ein Werturteil: Die Erhaltung des großen, ganzen Universums, des Kosmos, wobei gegebenenfalls die Opferung jedes, auch des größten Teilgliedes keine Rolle spielt.

Ich bin sicher, daß es diese strikt selbsterhaltenden Wirkungen der terrestrischen Kreisläufe sind, die James Lovelock und andere zur Annahme veranlaßten, die Erde sei ein denkendes Wesen (Gaia-Hypothese). Die beobachtete Homöostase ist tatsächlich ein Merkmal lebender Systeme – sie kann aber auch durch ein ausgefeiltes Programm nebst entsprechender Peripherie aufrechterhalten werden (womit ich allerdings keineswegs behaupten will, die Erde sei kein denkendes ‚Wesen’ sondern ein Computer!). Wahrscheinlich ist der Planet doch ein selbständiges Raumschiff – während wir Menschen die ‚Aktoren-Chips im Nanoformat’ sind...

Wir lernten auf diesem Planeten über die Jahrtausende, daß es eine Ordnung gibt, die Ordnung der Evolution. Wir lernten, daß die Ordnung Gesetze mit sich bringt, und daß diese Gesetze uns helfen, die Ordnung zu verstehen und in der richtigen Form anzuwenden

Als J. D. Watson und F. H. C. Crick entdeckten, daß der genetische Code schraubenförmig aufgewickelt, also gewendelt ist, fand sich in dieser Doppelhelix auch das wichtigste, wenn nicht gar einzig legitime Symbol der Evolution, die Spirale. Wir können uns glücklich schätzen, daß Cricks Frau Odile eine Malerin ist, denn sie war es, die damals die erste Doppelhhelix für die Veröffentlichung 1953 in der Nature zeichnete und uns dadurch die ästhetische Komponente dieses universellen Speichermediums aller natürlichen Systeme nahe brachte (eine Ästhetik, an die ich mit meiner Graphik nicht herankomme).

„Die schöne Schraube ist unmittelbar überzeugend, und die Wirkung, die von ihr ausgeht, kann durch keinerlei Korrekturen im Detail verändert oder beeinflußt werden“, schreibt der Autor Ernst Peter Fischer über diesen ästhetischen  Moment der Wissenschaft. Es ist eine tiefe Wirkung, denn im Grunde ist die Spirale unendlich in ihrer Vielfalt, ohne Anfang und ohne Ende, in ihr ist alles wandelbar, in ihrer Bewegung sind alle Bewegungen enthalten, in ihr ist auch kein Gesetz Dogma, bis auf das der Ewigkeit ihrer Existenz. (1)


Die DNS-Spirale

Diese kosmologische Gesetzmäßigkeit namens Spirale wird uns hier noch häufig begegnen – sowohl als ‚Form an sich’, wie auch in ihrer Ausdrucksform als Bewegungsprinzip. Zunächst werde ich kurz auf einige aktuelle Theorien und Entdeckungen in Bezug auf den Informationsgehalt der DNS eingehen. Das Thema ‚Information’ an sich wird später in Teil B behandelt.

In der Abbildung symbolisieren die beiden spiralförmigen Bänder die zwei Phosphat-Zucker-Ketten der Desoxyribonucleinsäure (DNS), und die horizontalen Stangen die Basenpaare, welche die Ketten zusammenhalten und aus den vier Stoffen Adenin, Thymin, Cytosin und Guanin bestehen. Die vertikale Linie markiert die Faserachse, auf der sich – ebenfalls spiralförmig – die Kommunikation innerhalb des Genetischen Codes mittels UV-Biosignalen abwickelt. (2)

Die französischen Forscher Sadron, Douzou und Polensky haben festgestellt, daß Nukleinsäuren magnetische Eigenschaften aufweisen. Auch für den Russen Blumenfeld sind die Säuren des Genetischen Codes magnetisch und eventuell lesbar wie Magnetbänder. Wie lang dieses informationshaltige ‚Magnetband’ der menschlichen Zelle ist, darüber schwanken die Angaben zwischen 33 cm (entspricht etwa 600 Millionen ‚Wörtern’), 130 cm (entspricht einem 20.000-seitigen Lexikon) und 188 cm (entspricht etwa 5 Milliarden ‚Wörtern’). (3)

Doch vielleicht sind sogar diese Vorstellungen noch zu linear und zu wenig phantasievoll, um die Systeme der Natur zur Informationsbeschaffung, -bewahrung und -weitergabe umfassend zu begreifen. Wir sind ganz sicher noch lange nicht am Ende der Fahnenstange angekommen.

Fritz A. Popp vom Radiologie-Zentrum der Phillips-Universität Marburg/Lahn beispielsweise entdeckte ein noch nicht überschaubares komplexes System von Schwingungen zwischen Ultraschall- und UV-Bereich, mit zahlreichen Phänomenen wie Absorption, Reflexion, Polarisation und Resonanz. Er konnte sogar Laserfunktion mit einem Minimum an Photonen feststellen, wobei das alles mit dem bekannten chemisch-physikalischen Gerüst der DNS verbunden ist und exakt mit ihren Wellenbäuchen und -knoten korrespondiert. Nach Popp ist durch diesen Wellencharakter der DNS sogar ein universelles Kommunikationssystem der Zellen des Körpers untereinander gegeben – mit außerordentlich höherer Impulsgeschwindigkeit als der bisher allein bekannten humoralen und neutralen Systeme, nämlich mit Schall- bis Lichtgeschwindigkeit. UV-Biosignale ‚reiten’ quasi auf den Spiralen der DNS und aktivieren dabei bestimmte Codons. Mein Freund Marco Bischof, ein Schweizer Privatforscher, hat inzwischen ein umfangreiches Werk zu diesem Thema veröffentlicht, das ich hier besonders empfehlen möchte. (4)

Wir könnten nun der Frage nachgehen, nach welchen Gesetzmäßigkeiten jene ‚bestimmten Codons’ aktiviert werden und wie dies geschieht, aber das würde den Rahmen dieser Arbeit weit sprengen. Als ‚Denkanstoß’ kann uns dies aber vielleicht in die Spirale hinein befördern, denn die Umsetzung dieser kosmologischen Gesetzmäßigkeit im ‚Inneren’ führt zu einem kontemplativen Denken, das als Verbindung zwischen der Ausgangsbasis des Wissens und der Zukunftsorientiertheit des Zieles dienen kann. Und wenn wir nicht wissen? Nun, dann halten wir uns doch einfach an den großen Richard Phillips Feynman: „Nicht zu wissen ist wesentlich interessanter als eine Antwort zu glauben, die womöglich falsch ist.“

Kontemplation – als Antipode der Konfusion – beinhaltet die Reversibilität, also jene Möglichkeit, einen bestimmten inneren Akt auch in umgekehrter Richtung zu vollziehen, was nicht unbedingt ein Merkmal derzeitiger Denkschemata ist. Da die Grundlage unseres heutigen Verhaltens die analytisch-kausale Denkart ist, aus der sich auch die technisch-industriellen Produktionssysteme nebst ihren Folgewirkungen ergeben, sind für die Zukunft wohl andere Denkansätze notwendig. Hierbei kann man sich nach entsprechender Ausbildung der systemtechnischen Methoden bedienen. Diese schulen auch das kontemplative Denken und unterstützen die Suche nach Alternativen zu herkömmlichen Denkschemata.

Einen guten Überblick über die meisten angewandten systemtechnischen Methoden gibt das Beispiel der Planungsschritte eines komplexen Projektes, auf die ich in Teil B noch ausführlicher zu sprechen komme: (5)

1

Zielbildung

Auswahl eines Planungsfeldes oder Planungsprojektes aus einem ‚offenen Feld’

Zielanalyse

2

Problemdefinition

Bildung einer Arbeitshypothese über die Zielsetzung des Projektes als Grundlage für die Datenauswahl

Interessengruppenanalyse

3

Zustandsanalyse

Ermittlung aller Daten, die zu dem vorliegenden Problem in irgendeiner Beziehung stehen; Ordnung der Daten nach dem Grad ihrer Wichtigkeit und ihrer Beeinflußbarkeit; Konzentration auf die wichtigsten Einflußgrößen

Trendanalyse

Delphi Methode

Relevanzbaum

Systems-Approach

4

Konzeptanalyse

Definition der verfügbaren Hilfsquellen und deren erkennbaren Grenzen

[Zwischen 2 und 4: Feedback zwischen Zielen und Möglichkeiten im Rahmen des Planungsprojektes]

Scenariowriting

Morphologie

Brainstorming
Simulationstechniken

Systemsynthese

5

Konzeptentwurf, Informationstechniken

Bestimmung der möglichen Lösungswege, die zu dem gewünschten Ziel hinführen. (Aufstellung von Alternativen)

 

6

Bewertung

Aufstellung einer Liste geeigneter Auswahlkriterien als Vorbereitung der Entscheidung über die Alternativen (Ermittlung der Präferenzstruktur des Systems)

Entscheidungsbaum

Kosten/Wirksamkeitsanalyse

   

Ordnung der Alternativen und Bestimmung des relativen Wertes und/oder der Risiken für alle betrachteten Alternativen

Nutzwertanalyse

Nutzen/Kosten-Analyse

7

Auswahlentscheidung

Endgültige Auswahl unter den Alternativen – unter Berücksichtigung des Optimums des Systems, mit Darlegung der zu erwartenden Resultate, z.B. in Form einer Simulation

Politische Entscheidung

8

Realisation

Entwicklungsplanung / Ausführungsplanung

Gruppendynamische Prozesse,

Kybernetisches Management


Die weiterführende Systemtechnik umfaßt dann technische Prognosen, kybernetisches Management, Extrapolationen, Zukunftsforschung und sogar gesamtgesellschaftliche Simulationsmodelle, mit denen zukünftige Entwicklungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeitsrate vorhergesagt werden können.

Bei der Zieldefinition einer ‚hochwertigen Zukunft’ für das Raumschiff Erde ist eine genaue Kenntnis der Zusammenhänge zwischen den Ökosystemen innerhalb der Biosphäre erforderlich. Ich habe aus diesem Grund die beiden wichtigsten Kreisläufe, den Wasser- und den Wärmekreislauf, als Einstieg in diese Thematik ausgewählt, da sich jeder Gegenstand, in den man tief und ganz eindringt, sofort in seinen Beziehungen zu anderen Gegenständen zeigt. Dadurch haben wir die Möglichkeit, uns dem Gesamtbild auf zielorientierte Weise zu nähern.

Und die Operativität – der aktive Aspekt der Intelligenz auf allen Ebenen – kann uns hier den Weg zu epistemologischen Umwälzungen bahnen! (6)

Denn bleibt auch immer das Leben im Mittelpunkt der Betrachtung, da der Beobachter ja selbst ein Lebewesen ist und letzten Endes alles auf sich bezieht, so gelangt man über die Wissenschaft der Ökologie doch schließlich zur totalen Weltschau, zur Schau einer Welt, in der alles in Beziehung zu allem steht, alles direkt oder indirekt auf alles andere wirkt, und in der sich auch alles gleichzeitig in Bewegung und Veränderung befindet. Oder wie es Clemens Brentano in seinem Gedicht ,Sprich aus der Ferne’ beschrieb:

Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,
bietet sich tröstend und trauernd die Hand,
sind durch die Nächte die Lichter gewunden,
alles ist ewig im Innern verwandt.


Gerade in unserer modernen Welt kommt dies klar zum Ausdruck, wenn man sich den weitreichenden sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Verknüpfungen bewußt wird. In unserer ‚elektrifizierten Zivilisation’ kann schon ein einziger (und eventuell völlig unerwarteter) Impuls das Gesamtbild entscheidend ändern. Dies trifft ganz besonders bei politischen, wirtschaftlichen, technischen und religiösen Verknüpfungen zu. Eine kompromittierende Aussage auf einem Tonband besteht real nur aus bestimmten Anordnungen magnetisierter Partikel – und kann doch einen Minister oder Regierungschef stürzen; eine kleine gezielte Indiskretion kann den Aktienmarkt durcheinander wirbeln, und ein Computer-Hack kann prioritäre Alarmstufen auslösen...

Besonders bei Kulminationspunkten kann es dabei zu radikalen Folgeerscheinungen kommen, wenn nämlich jener Impuls der Tropfen ist, der das ‚Faß zum überlaufen bringt’.


Bis jetzt sind die meisten Ergebnisse die man sich von diesem Zeitalter der Elektrizität erhoffte, wie zum Beispiel eine spontane Bewegung zur industriellen Dezentralisierung, (noch) nicht eingetreten. Und leider weiß ich auch nicht mehr, von wem dieser vielsagende Satz stammt: „Die Menschen träumten von Utopia – aber alles was sie bekamen, war eine Menge TV.“ (Anm.: Im April 2008 meldete sich ein aufmerksamer Leser: Johannes Stennes teilte mir dankenswerterweise mit, daß dieses Zitat von Mark Surman stammt. Er fügte auch gleich noch die Originalversion bei: „The techno-revolutionaries dreamed of a cabled utopia. All they got was a whole lot more television.“ Danke, Herr Stennes!)

Fest steht, daß die entscheidenden Faktoren jeder Zivilisation die Produktionsverfahren und -motive sind - sowie deren Interaktion (Wechselwirkung) mit dem Rest der Welt. Bremseffekte entstehen meist durch einen Mangel an Interaktions-Wissen. Wenn diese Aussage stimmt, dann kann eine Evolution in der Technik den gegenwärtigen Zustand entscheidend verbessern.

Die technische Konzeption der Zielvorstellung einer ‚hochwertigen Zukunft’ beinhaltet die absolute Gesundheit des gesamten Systems mit allen seinen Teil- und Subsystemen. Die Technik muß sich hierzu in eine ‚Bio-Logische’ Technik verwandeln – also in eine Technik, die der Logik biologischer Muster folgt. Neben den Kriterien ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit, einer optimalen Effizienz und der maximalen Anwendbarkeit muß sie allerdings immer noch zufriedenstellend funktionieren...

...damit unser Raumschiff Erde auch in Zukunft weiterhin bewohnbar bleibt!


Weiter...