allTEIL C

ENERGIESPEICHERN

Die verschiedenen Batterie- und Akkumulatorentypen (XIX)

Viren-Batterie


Batterien sind unter anderem auch deshalb so groß und so schwer, weil sie zur Hälfte aus Unterstützermaterialien bestehen, die gar nichts mit der Energiespeicherung selbst zu tun haben. Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge entwickeln daher im Jahr 2006 genetisch veränderte Viren, die aktive Batteriekomponenten mit kompakter Struktur bilden können. Die sogenannten Bakteriophagen, die hierfür genutzt werden, sind ein Virus, das speziell Bakterien angreift und für Menschen harmlos ist.

Ziel der Entwicklung sind ultradünne, transparente Batterieelektroden, mit denen sich dreimal mehr Energie speichern läßt als in heutigen Lithium-Ionen-Batterien. Dies wäre ein erster Schritt zu einem Energiespeicher mit hoher Kapazität, der sich auch quasi selbst zusammenbauen könnte. Möglich wären damit etwa Hochleistungsbatterien, die sich nahezu unsichtbar an Flachbildschirmen, Handys, Laptops oder Hörgeräten anbringen ließen. Die am MIT erstellten Viren könnten in Zukunft zudem zu effizienteren Katalysatoren und verbesserten Solarzellen führen.

Angela Belcher

Angela Belcher

Die Geschichte, wie die maßgebliche Forscherin Angela Belcher zu ihrer Entdeckung gekommen ist, lohnt eine kleine selbständige Recherche, die ich an dieser Stelle sehr empfehlen möchte.

Zum Einsatz kommen so genannte M13-Viren, welche die positiven Elektroden z.B. einer Li-Io-Batterie ausbilden können. Diese M13-Viren bestehen aus Proteinen, von denen sich die meisten so aufwickeln, daß sie einen langen, dünnen Zylinder bilden. Die Forscher ergänzen die Viren-DNA durch zusätzliche Nukleotid-Sequenzen , mit denen die Proteine zur Bildung zusätzlicher Aminosäuren angeregt werden, die sich wiederum an Kobalt-Ionen binden können. Die Viren überziehen sich in einer Lösung automatisch mit diesen Kobalt-Ionen, was nach einer Reaktion mit Wasser zu Kobaltoxid führt. Dieses Kobaltoxid eignet sich wesentlich besser als Hochleistungsbatteriematerial, als beispielsweise die derzeit in Li-Io-Batterien verwendeten kohlenstoffbasierten Materialien.

Die Viren-Elektroden zeigen bereits in ihrer ersten Stufe eine zweimal so große Kapazität wie herkömmliche kohlenstoffbasierte Elektroden. Um diese Energieausbeute noch weiter zu steigern, wird die Kobalt-Reaktion zwar beibehalten, zusätzlich aber ein weiterer DNS-Strang eingeführt, der Viren-Proteine herstellt, die sich an Gold binden. Daraus ergeben sich dann Nanodrähte, die sowohl aus Kobaltoxid als auch aus Goldpartikeln bestehen, was die Elektroden zu einer nochmals um 30 % höheren Energieausbeute anregt.

Im März 2008 gibt das MIT bekannt, daß man nun eine Virus-basierte transparente Batterie entwickelt habe, die aus ‚smartem’ NanoMaterial hergestellt ist und eine Kombination aus organischen und anorganischen Komponenten darstellt. Auf der gezeigten Abbildung ist die Batterie selbst allerdings zu klein, um sichtbar zu sein.

Einer Meldung vom August zufolge stellen die Wissenschaftler hierfür zuerst eine Vorlage aus Polydimethylsiloxan (PDMS) her, einem häufig verwendeten Silizium-basierten organischen Polymer. Nach dem abwechselnden Beschichten dieser Vorlage mit Schichten aus positiven und negativen Elektrolyten fügen sie das Virus hinzu.

Jedes Virus ist ein halbsteife Faser mit wenigen Nanometern im Durchmesser und etwa einen Mikrometer lang. Es neigt dazu, sich dicht in eine Wirbelform zu packen, die ähnlich wie ein Fingerabdruck aussieht. Wird die gesamte Anordnung in eine Lösung aus Kobalt-Ionen getaucht, bedeckt diese die Viren und schafft damit eine sehr große Oberfläche, welche Ladung speichern kann.

Die Forscher stempeln die Vorlage anschließend auf eine Platinschicht und ziehen das PDMS ab, worauf sie eine Reihe von kleinen Punkten des vorbereiteten Materials erhalten, mit der Kobalt-Seite nach unten, die das Herz einer wirksamen Batterie bilden.

Viren-Anordnung

Viren-Anordnung

Laut Prof. Paula T. Hammond, die Teil des MIT-Teams ist, sei dies das erste Mal, daß eine Batterie ,gestempelt’ werden konnte, was sie als eine einfache, kostengünstige und umweltbewußte Art der Erzeugung von Mikrobatterien bei Raumtemperatur beschreibt, die einen Durchmesser von nur 4 – 8 µm haben.

Nun wird daran gearbeitet, das Design so zu erweitern, daß die für eine komplette Batterie notwendige zweite Elektrode ebenfalls mit dem gleichen Verfahren gestempelt werden kann. Die bisherige Arbeit wird vom Institute of Collaborative Biotechnologies und dem Institute of Soldier Nanotechnologies des Army Research Office sowie der David und Lucille Packard Foundation finanziert. 

Im April 2009 gibt Angela Belcher bekannt, daß das Material inzwischen stark genug ist, um in einer Autobatterie verwendet zu werden. Die Forscher, darunter die MIT-Professoren Gerbrand Ceder und Michael Strano, hatten zwischenzeitlich nämlich auch eine sehr leistungsfähige Kathode entwickelt. Die Arbeit war schwierig, weil das Material hochleitfähig sein mußte, um wirksam zu sein – während die meisten Materialkandidaten für Kathoden hochisolierend sind. Schließlich gelingt es jedoch, das Virus zu veranlassen, eine Verbindung mit Eisen-Phosphat und dann Kohlenstoff-Nanoröhrchen einzugehen, und so ein gut leitendes Material zu schaffen.

Der 3 V Prototyp der neuen Batterie hat derzeit die Größe einer Münze, doch die Wissenschaftler glauben, daß die Technologie so skaliert werden kann, daß damit flexible Batterien entstehen, welche die Form ihrer Container annehmen können, was perfekt wäre für mobile und kleine Geräte. Außerdem zeigen die Batterien die gleiche Energieleistung und das selbe Leistungsverhalten wie die wiederaufladbaren Batterien für Plug-in-Hybrid-Autos.

Die Forscher sind nun auf der Suche nach Materialien, die mit den Viren noch besser arbeiten, um eine Batterie der nächsten Generation mit noch höherer Leistung zu schaffen. Derzeit kann der Virus-Akku nur etwa 100-mal geladen und entladen werden, bevor er beginnt, seine Kapazität zu verlieren, weshalb auch hier noch Forschungsbedarf besteht.

Ein weiteres Mitglied der MIT-Gruppe, Mark Allen, demonstriert im August 2010,  daß mit den Viren auch Akku-Kathoden aus Eisenfluorid hergestellt werden können. Allen hofft, daß damit die Fertigung von leichten, flexiblen und dennoch leistungsfähigen Akkus möglich wird, deren potentielles Einsatzgebiet Uniformen und Schutzwesten wären. Solch anziehbaren Batterien wären allerdings nicht nur für das Militär interessant – und ein besonderer Vorteil ist, daß sie nicht so leicht entflammbar sind wie Li-Io-Akkus, was bei Batterien innerhalb der Kleidung besonders wichtig ist.


Im Dezember 2010 wird in den Fachblogs darüber berichtet, daß auch ein interdisziplinäres Team von Forschern der University of Maryland um Prof. Reza Ghodssi daran arbeitet, die Fähigkeiten eines Virus, sich schnell und präzise zu replizieren, dazu nutzen will, um mittels dieser Selbsterneuerungs- und Selbstmontage-Eigenschaften eine neue Generation von kleinen, leistungsfähigen und hocheffizienten Batterien und Brennstoffzellen zu bauen.

Die Forscher stellen fest, daß sich die Eigenschaften des starren, stabförmigen Tabakmosaikvirus (TMV), der unter dem Elektronenmikroskop wie ungekochte Spaghetti aussieht, nutzen lassen, um kleine Komponenten für die Lithium-Ionen-Batterien der Zukunft zu produzieren.

Es gelingt ihnen die TMV-Stäbchen so zu modifizieren, daß sie sich senkrecht zu der metallischen Oberfläche einer Batterieelektrode binden und die Stäbchen sich in komplizierten und geordneten Mustern auf der Elektrode anordnen. Anschließend beschichten sie die Stäbchen mit einem dünnen leitenden Film, der als Stromkollektor wirkt, und schließlich mit dem aktiven Material der Batterie, das an den elektrochemischen Reaktionen beteiligt ist.

Als Ergebnis können die Forscher die Elektrodenoberfläche und ihre Fähigkeit, Energie zu speichern, erheblich vergrößern sowie schnelle Lade/Entlade-Zeiten ermöglichen. Während des Herstellungsprozesses wird der TMV außerdem inert; die daraus resultierenden Batterien können das Virus also auch nicht übertragen. Die neuen Batterien erzielen einen 10-fachen Anstieg der Energiekapazität gegenüber einen Standard-Li-Io-Batterie.

Das Verfahren ist einzigartig, da es sich um die direkte Herstellung der Elektrode auf den Stromkollektor handelt, was die Batterieleistung und ihre Lebensdauer erhöht. Auch soll die Verwendung des TMV-Virus bei der Herstellung von Batterien so skaliert werden können, daß sie in die Industrieproduktion überführt werden kann. Da ein Hektar Tabak im Durchschnitt rund 2.100 Pfund Blattgewebe produzieren kann, wobei ein Pfund infizierter Blätter ungefähr einem Pfund TMV enspricht, gilt das Verfahren als einfach, kostengünstig und erneuerbar.


Im  November 2013 erscheinen neue Berichte über die Fortschritte des MIT-Teams, denen zufolge es inzwischen gelingt, mit ihrer Viren-Technologie Nanodrähte herzustellen, die bislang bei extrem hohen Temperaturen und mit gefährlichen Chemikalien produziert werden mußten.

Virus-Nanodraht Grafik

Virus-Nanodraht (Grafik)

Die gentechnisch veränderten Viren funktionieren dagegen bei Raumtemperatur. Sie fischen Metall-Moleküle aus dem Wasser und bauen daraus lange Nanodrähte mit stacheligen Oberflächen. Dabei schaffen die Stachel eine größere Oberfläche als die glatten, industriell hergestellten Nanodrähte, was mehr Fläche für die stattfinde elektrochemische Aktivität bietet und ein schnelleres Laden und Entladen ermöglicht.

Durch Zugabe einer kleinen Menge an Metall kann außerdem die Leitfähigkeit der Nanodrähte erhöht werden. Zusammen könnten die Fortschritte zu einer Batterie führen, die zwei oder drei Mal mehr Energie speichert als die aktuellen Lit-Io-Batterien.

Bislang wurden die ,viralen’ Nanodrähte allerdings nur für 50 Ladungen und Entladungen getestet – was noch viel Arbeit bedeutet, bevor sie tatsächlich in einem Elektrofahrzeug verwendet werden können, wo Tausende von Ladezyklen zu erwarten sind.


Xenon-Difluorid-Batterie


Siehe unter Ultra-Batterie.

 

Weiter mit den verschiedenen Batterie- und Akkumulatorentypen...