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Der Thermoelektrische Effekt / Seebeck-Effekt (TEGs) (XII)


Wie oben berichtet, finanziert das DOE seit 2004 verschiedene Teams, um einen ATEG zu entwickeln, der den Kraftstoffverbrauch von Fahrzeugen um 10 % senken soll. Im Mai 2011 melden die Fachblogs, daß nun zumindest bei der General Motors Global R&D in Warren, Michigan, an einem endgültigen Prototyp gearbeitet wird, der auf der neuen und vielversprechenden Thermoelektrika-Klasse der Skutterudite basiert.

Computermodelle des Unternehmens zeigen, daß ein solches Gerät in einem Chevrolet Suburban 350 W erzeugen könnte, was einer Verbesserung des Kraftstoffverbrauchs um 3 % entspräche. Im Sommer sollen Testfahrten mit einem Chevrolet SUV beginnen. Nach siebenjähriger Forschung betrachte ich den Stand aber als ein ziemlich dürftiges Ergebnis, das auch noch wweit von der Zielvorgabe entfernt ist.


Ebenfalls im Mai 2011 startet das bis April 2014 laufende Fördervorhaben TEG 2020, bei dem sieben Partner aus Industrie und Wissenschaft TEG-Systeme entwickeln wollen, die spätestens in zehn Jahren die Serienreife erreichen und in breiten Anwendungen, z. B. in der Automobilindustrie, auf dem Markt kommen sollen. Die Förderung erfolgt durch das BMBF-Programm  ,ThermoPower – Strom aus Wärme mit thermoelektrischen Generatoren’.

Unter Projektleitung der Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr GmbH (IAV) arbeiten die Firmen BASF SE und Benteler Automobiltechnik GmbH gemeinsam mit dem Fraunhofer IPM, zwei Instituten der Technischen Universität Berlin sowie der Brandenburgischen Technischen Universität in Cottbus daran, hocheffiziente, wirtschaftliche und großserientaugliche TEG zu entwickeln.

Im Rahmen des Projekts werden mehrere TEG-Systeme aufgebaut und auf Prüfständen sowie im Abgasstrang eines Versuchsfahrzeugs erprobt, wobei die Tragfähigkeit der entwickelten Konzepte und die Funktion der Systeme und Komponenten nachgewiesen werden kann.

Ein paralleles Forschungsvorhaben, an dem das Fraunhofer IPM beteiligt ist und das zwischen Mai 2011 und Oktober 2014 läuft, trägt den Projekttitel ThermoMag und beinhaltet die Entwicklung neuartiger thermoelektrischer Materialien auf Basis von nanostrukturierten Mg2Si-Massivmaterialen.

Neben den einschlägigen ,Mitspielern’, wie dem Ioffe-Institut in Russland, dem Centro Ricerche Fiat SCPA in Italien und der Firma Termo-Gen in Schweden sind an ThermoMag noch die Firmen Volvo Technology, Jaguar Cars Ltd., Aristotelio Panepistimio, Babrow Consultants Ltd. und EADS Deutschland GmbH beteiligt. Die wissenschaftliche Seite wird vom Centre National De la Recherche Scientifique und dem Institut National Polytechnique de Lorraine, beide in Frankreich, der Europäische Weltraumorganisation sowie der britischen Cardiff University, der Akademia Groniczo-Hutnicza in Polen und der University of Cyprus abgedeckt.

Abseits der Chronologie führe ich an dieser Stelle in Kurzform die weiteren entsprechenden Projekte auf, an denen das Fraunhofer IPM in den Folgejahren mitwirkt, um weiterführende Recherchen zu ermöglichen:

Projekt RExTEG: Anwendung von TEG zur Nutzung der Motorabwärme bei Range-Extender-Elektrofahrzeugen (REEV), Januar 2013 – Juni 2015.

Projekt Globasol: Entwicklung von Konzepten, Materialien und Geräten zur effizienten Umwandlung von Sonnenenergie durch integrierte photovoltaisch-thermoelektrische Module in elektrischen Strom, März 2013 – Februar 2016.

Projekt TeWab: Wirkungsgradsteigerung eines BHKW mittels thermoelektrischem Wärmetauscher, Mai 2014 – April 2016.

Projekt AddiTEG: Anwendung der additiven Fertigung auf neuartige, funktionale Materialien am Beispiel thermoelektrischer Materialien, April 2015 – März 2017.

Projekt POWERSTEP – energiepositive Klärwerke: Entwicklung eines TEG für die Integration in ein klärwerkseigenes Blockheizkraftwerk, Juli 2015 – Juni 2018.

Projekt TE-BHKW: Effizienzsteigerung von BHKW durch thermoelektrische Stromerzeugung – Feldtests und Wirtschaftlichkeitsstudie, Juli 2016 – Juni 2019.


Auf der Electronic Materials Conference im Juni 2011 in Santa Barbara stellt die Firma Panasonic neuartige thermoelektrische Röhren vor, die ein kompaktes und einfaches System darstellen, um bislang ungenutzte Wärme aus heißen Quellen oder die Abwärme von Fabriken zu nutzen.

Die röhrenförmige Form ermöglicht eine direkte und effiziente Wärmeübertragung ohne zusätzliche Wärmetauscher, wodurch sich die hohe Dichte der nutzbaren Energie erklärt: Aus innen fließendem Warmwasser von 90°C und einem äußeren Kaltwasserstrom von 10°C sollen mit einem nur 10 cm langen Rohr 1,3 W erzeugt werden können (andere Quellen: 7 W).

Die Rohre, die aus Stapeln von Konusringen aus Bismut-Tellurid als Thermoelektrikum bzw. Nickel als Metall bestehen, funktionieren aufgrund eines unkonventionelle Phänomens, das als transversaler thermoelektrischer Effekt bekannt ist. Dieser wurde erstmals vor einigen Jahren an gekippt aufgewachsenen Dünnschichten des Hochtemperatur-Supraleitermaterials YBa2Cu3O7-δ (YBCO) beobachtet: Die Erwärmung der Schichtoberfläche bei Bestrahlung durch einen Laserpuls erzeugt elektrische Spannungssignale, die an den Schichträndern abgegriffen werden können.

Später läßt sich der Effekt, der es möglich macht, den Wärmefluß und den elektrischen Strom unabhängig voneinander zu steuern, auch bei gekippten Multilayer-Schichten aus thermisch-resistiven thermoelektrischen Materialien sowie thermisch leitenden Metallen nachweisen.

Der Einsatz dieser Technologie erlaubt die Entwicklung kompakter Kraftwerke, die 10 kW pro 1 m3 Heißwasser erzeugen, was schon recht beeindruckend ist. Panasonic hält diese Technologie durch 29 japanische und 12 ausländische Patente. Nun stehen die Weiterentwicklung des System-Designs, die Optimierung der Fertigung sowie die Durchführung von Machbarkeitsstudien auf dem Plan. Ziel ist die Realisierung kompakter, effizienter und wirtschaftlicher Generatoren, die von Erdwärme und Abwärme betrieben werden können.


Im Juni 2011 wird am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln ein neuer Gebäudeteil eingeweiht, der mit einer Forschungsanlage TEG-Line ausgestattet ist. Auf 400 m2 Laborfläche stehen hochmoderne Geräte, mit denen thermoelektrische Materialien hergestellt, analysiert und zu Modulen zusammengebaut werden können. Weitere Geräte dienen dazu, die Module zu charakterisieren und zu testen.

Ziel der Forscher am DLR-Institut für Werkstoff-Forschung um den Projektleiter Peter Schorn ist es, die Werkstoffe und Herstellungsverfahren so weiter zu entwickeln, daß ein maximaler Anteil der Abwärme genutzt werden kann, um dann gemeinsam mit den Partnern aus Industrie und Forschung daraus marktfähige Produkte zu gestalten.

Dem Physiker und Abteilungsleiter Prof. Wolf Eckhardt Müller zufolge hätte die Thermoelektrik auch innerhalb des DLR lange hat ein Nischendasein geführt, doch industrielles Interesse und öffentliche Förderung haben derweil bewirkt, daß allein in dem Institut über 20 Wissenschaftler und Techniker daran arbeiten und daß in industrienahe Anlagen investiert wird. Als Müller im Jahr 1987 seine wissenschaftliche Laufbahn begann, stand er mit seinem Forschungsgebiet – der Thermoelektrik – in Deutschland noch ziemlich alleine da.

Im August 2009 erscheint ein ausführlicher Bericht über die zwischenzeitlich seitens der Arbeitsgruppe von Müller ,Thermoelektrische Materialien und Systeme’ im DLR erzielten Fortschritte. Die Gruppe hatte neuartige thermoelektrische Materialien untersucht und die Technologieentwicklung zum Einsatz über größere Temperaturbereiche vorangetrieben.

Gemeinsam mit Kollegen des Instituts für Fahrzeugkonzepte des DLR in Stuttgart und in Kooperation mit BMW wird dabei den Prototypen eines fahrzeugtauglichen thermoelektrischen Generators entwickelt (s.o.). Der ATEG, der in den Abgasstrang eines Fahrzeugs vom Typ 535i integriert wird, besteht aus Wärmeübertragern, die zusammen mit insgesamt 24 thermoelektrischen Modulen aus Bismut-Tellurid übereinander angeordnet sind.

Einen Teil der Wärme wandelt das System direkt in elektrische Energie um, während ein weiterer Teil dazu dient, einzelne Fahrzeugkomponenten schneller auf die erforderliche Betriebstemperatur zu bringen. Zu diesem Zeitpunkt können bis zu 200 W verwertbare elektrische Leistung gewonnen werden, doch man rechnet damit, daß in wenigen Jahren bereits bis zu 1.000 W realisierbar sind. Gezeigt wird der ATEG erstmals auf der IAA 2009. Über weitere Umsetzungen seitens des DLR ist bislang nichts bekannt.


Wie ebenfalls im Juni 2011 gemeldet wird, entwickelt Prof. Ulrich Schmid vom Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität Wien zusammen mit Prof. Thomas Becker und Dominik Samson von den ,Innovation Works’ des Flugzeugherstellers EADS Deutschland GmbH seit zwei Jahren ein Netz von nur wenige Zentimeter großen Sensoren, das in Zukunft Flugzeuge wie ein Nervensystem durchziehen soll, ohne daß dazu eine äußere Stromversorgung nötig wäre. Diese wird für jeden einzelnen Sensor durch einen thermoelektrischen Generator mit einem kleinen wärmespeichernden Wasserreservoir gesichert – bzw. aus dem Temperaturunterschied erzeugt, der zwischen der bodennahen Luft, deren Wärme in dem Reservoir gespeichert wird, wenn das Flugzeug am Boden steht, und der eisigen Kälte in großer Flughöhe herrscht.

Harvester-Modul der TU Wien

Harvester-Modul der TU Wien

Während des Fluges kühlt das Wasser ab und friert ein. Bei der Landung wird dann die Außenseite des Flugzeuges wärmer als das Wasserreservoir, wodurch derselbe Effekt in umgekehrter Richtung noch einmal genutzt werden kann. Durch eigens entwickelte elektronische Schaltungen wird sichergestellt, daß die zeitlich fluktuierenden Thermo-Ströme in einen gleichmäßigen Strom mit ausreichend hoher Spannung umgewandelt werden, mit denen ein Sensor stundenlang versorgt werden kann.

Mit den direkt an der Flugzeugwand angebrachten Sensoren soll überwacht werden, ob sich bei den genutzten Kohlefasermaterialien feine, unsichtbare Risse bilden, deren Erkennung während der Wartung aufwendig und kostenintensiv ist. Die vielen hunderte Sensoren zu verkabeln ist aber kompliziert und ebenfalls teuer. Als Lösung bieten sich daher thermoelektrische Energie-Harvester-Module an, welche die gemessenen Daten per Funk weitergeben. Pro Flug kann jedes dieser Module, deren Wasserreservoir ein Fassungsvermögen von etwa 10 cm3 hat, eine elektrische Energie von 8 - 10 mWh bereitstellen, was für den drahtlosen Sensorknoten völlig ausreicht.

Die Idee, Strom durch Temperaturunterschiede am Flugzeug zu erzeugen, soll aber auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden. Entsprechende Sensoren könnten beispielsweise überwachen, ob die Passagiere angeschnallt oder die Tische hochgeklappt sind. Ebenso könnte der Flugbegleiter durch Knopfdruck per Funk gerufen werden – ohne Verkabelung, und nur durch die Körperwärme der Passagiere betrieben.

Im März 2013 wird berichtet, daß die Energy Harvesting Module in den letzten Monaten in Testflügen unter realen Flugbedingungen erprobt worden sind. Dabei werden pro Flug etwa 23 Joule Energie gewonnen, was für den Sensorbetrieb tatsächlich genügt. Nun soll erforscht, ob je nach Außentemperatur möglicherweise andere Materialien oder andere Flüssigkeiten als Wasser besser geeignet sind. Außerdem werden passende Strategien für Extremfälle gesucht, etwa für Flugrouten in sehr kalten Regionen. Weitere Neuigkeiten darüber gibt es bislang nicht.


Im Juli 2011 meldet ein internationales Forscherteam mit Wissenschaftlern der deutschen Universitäten Gießen, Göttingen und Bielefeld sowie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA, daß es eine neue Methode entwickelt hat, die Effekte der Thermoelektrik und des Magnetismus in magnetischen Tunnelelementen zu kombinieren. Insbesondere ist es gelungen, die Thermospannung der Elektronen in einem magnetischen Tunnelelement durch die Veränderung der Magnetisierung gezielt zu beeinflussen, wodurch sich die Umwandlung von Wärme in elektrische Energie kontrollieren läßt.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Christian Heiliger an der Justus-Liebig-Universität Gießen arbeitet bereits seit mehreren Jahren intensiv auf dem Gebiet der Thermoelektrik. Ihr neues Forschungsgebiet Spin-Kaloritronik verbindet zwei physikalische Effekte: die Thermoelektrik und den Magnetismus – und der neu entdeckte Effekt des Schaltens der Thermospannung in magnetischen Tunnelelementen erhält den Namen Magneto-Seebeck-Effekt. So ändert sich in einem ferromagnetischen Metall (wie z. B. Eisen) der Seebeck-Koeffizient bei Drehung der Magnetisierung in einem externen Magnetfeld.

Der Effekt war bereits theoretisch vorhergesagt worden, wobei eine Vergrößerung der Thermospannung um mehr als 1.000 % erwartet wurde. In Zusammenarbeit mit der experimentellen Arbeitsgruppe von Prof. Markus Münzenberg an der Georg-August-Universität Göttingen und weiteren Kollegen in Bielefeld gelingt es nun, den Magneto-Seebeck-Effekt auch experimentell in Tunnelelementen zu bestätigen. Dabei wird eine der beiden magnetischen Schichten in einem Tunnelelement mit Laserimpulsen aufgeheizt, was zu einer Thermospannung führt. Dem neuen Magneto-Seebeck-Effekt zufolge ändert sich diese Thermospannung, wenn die Magnetisierung verändert wird.

Zukünftige Anwendungen sind noch spekulativ, es ergibt sich jedoch die viel versprechende Möglichkeit, Energieumwandlung in kleinsten Elementen lokal so zu steuern, daß zum Beispiel die in Mikroprozessoren entstehende Abwärme gezielt genutzt werden kann.

Die gemeinsame Forschung der Arbeitsgruppen an den drei deutschen Universitäten wird seit Juli 2011 im Rahmen des neuen Schwerpunktprogramms ,Spin Caloric Transport (SpinCat) – SPP 1538’ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 1 Mio. € gefördert, von denen knapp ein Viertel in die theoretische Erforschung des neuen Effekts in Gießen fließen.


Ebenfalls im Juli 2011 findet in Traverse City, Michigan, die bereits 30. International Conference on Thermoelectrics statt.


Im August 2011 wird in den Blogs eine interessante Erfindung vorgestellt, die als umweltfreundliche Technologie gepriesen wird. Vertrieben wird sie vond er Werkzeug-Firma Garrett Wade aus Cincinnati in Ohio.

Bei den Caframo EcoFans hamdelt es sich um wärmeaktivierte Lüfter, die über einer Heizung, einem Ofen oder Herd plaziert werden und einen thermoelektrischen Motor besitzen, der die Wärme für den Antrieb seiner Blätter nutzt – und im kühlen Winter einen warmen Wind liefert.

Durch die Verwendung des wärmeaktivierten Ventilators soll ein Ofen auch effektiver genutzt werden können. Das kleinere Modell wird für 139 $ angeboten, das größere für 179 $ (später: 120 $ bzw. 160 $). Auf Amazon gibt es ähnliche Modelle aber auch schon zu Preisen ab 52 $ (Stand 2016).


Das Massachusetts Institute of Technology (MIT), das uns in diesem Kapitel schon mehrfach begegnet ist, belegt in einer im Oktober 2011 veröffentlichten und vom DOE geförderten Studie, daß thermoelektrisch-solare Hybridsysteme (hybrid solar thermoelectric, HSTE) und solarthermophotovoltaische (STPV) Geräte beträchtliche Vorteile gegenüber herkömmlichen Solarzellen oder Solarthermie-Anlagen besitzen.

Prof. Evelyn Wang, die sich seit 2007 auf verschiedene Aspekte der Wärmeübertragung konzentriert, hatte zusammen mit ihrem Team eine Kombination aus den Parabolrinnen eines konventionellen Solarthermie-Systems und thermoelektrischen Receivern entwickelt, das Verdampfung, Kondensation und Schwerkraft verwendet, um die aufgenommene Wärme ohne energieverbrauchende Pumpe zu transportieren.

Hybridsystem von Wang

Hybridsystem von Wang

Hierzu wird die zentrale Röhre mit der Wärmeflüssigkeit, wie sie bei den üblichen Parabolrinnen-Systemen zur Anwendungen kommt, durch drei konzentrische Rohre ersetzt. Innerhalb der äußersten Glasröhre, und durch Vakuum isloliert, befindet sich eine schmalere, mittlere Röhre, deren Außenfläche mit einem selektiven Absorber beschichtet ist, während ein noch dünneres Rohr in der Mitte der Konstruktion einen sogenannten Thermosiphon enthält, der die Wärme passiv von der kalten Seite der Thermoelemente abführt, um Wasser für die Raumheizung, für industrielle Prozesse oder den Heißwasserbedarf zu erwärmen.

Bei dieser Anordnung wird das Rohr nur teilweise mit einem speziellen Arbeitsfluid gefüllt, das bei Erwärmung durch die Sonne verdampft. Der entstehende Dampf steigt und fließt natürlich durch das Rohr, bis er eine kühle Oberfläche erreicht, wo er kondensiert und seine Wärme freisetzt. Weil das System mit einer nach oben gerichteten Neigung konstruiert ist, zwingt die Schwerkraft das kondensierte Fluid dann dazu, zu dem Bereich des heißen Solarabsorbers zurückzufließen, wo es dem wärmeaufnehmenden Wärmeaustauschzyklus erneut beginnt. Der Thermosiphon überträgt die Wärme nicht nur mechanisch, sondern auch extrem effizient.

Das thermoelektrische Material wiederum ist in Form von ,Beinchen’ zwischen der Absorberwand und der Außenfläche des Thermosyphons eingebaut, sodaß die Wärme von der Absorberfläche durch die TE-Schenkel zu dem Thermosyphon wandert, wo sie durch die Verdampfung des Arbeitsfluids abgeführt wird. Infolgedessen ist jedes Beinchen mit einem Ende an der heißen Absorberwand befestigt, während das andere Ende die ständig gekühlte Außenseite des Thermosyphons berührt. Dadurch wird die Temperaturdifferenz beibehalten und der Strom fließt.

Gemeinsam mit dem Diplom-Studenten Nenad Miljkovic baut Wang einen Prototyp ihres neuartigen Hybridsystems auf. Dabei untersuchen die Wissenschaftler thermoelektrische Elemente aus Bismut-Tellurid, Blei-Tellurid und Silizium-Germanium, und zwar in Verbindung mit zwei verschiedenen Kombinationen auch Wärmereceiver und Betriebsflüssigkeit: Edelstahl/Quecksilber bzw. Nickel/Flüssig-Kalium. Dabei zeigt sich, daß Bismut-Tellurid bei niedrigen Temperaturen gut arbeitet, Blei-Tellurid bei mittleren Temperaturen und Silizium-Germanium bei hohen Temperaturen.

Als die Effizienz des Systems in einem Temperaturbereich von 150 – 650°C und bei Solar-Konzentrationen von 1 - 100 Sonnen analysiert wird, zeigt sich, daß das HSTE-System Wirkungsgrade bis zu 52,6 % erreichen kann. Außerdem sind thermoelektrische Elemente wesentlich preisgünstiger als Solarzellen und funktionieren im Gegensatz zu diesen bei hohen Temperaturen, wie sie z.B. bei Maschinen auftreten, sehr effizient.

Die praktische Umsetzung des neuen Ansatzes kann allerdings noch mehrere Jahre dauern, insbesondere, weil auch noch die Oberflächenwissenschaft in die Arbeit integriert wird. Beispielsweise wird untersucht, wie man Oberflächen strukturiert, um den Phasenwechselprozeß selbst – d.h. die Verdampfung und Kondensation – effizienter zu gestalten.

Die Forschungen werden vom Solid-State Solar-Thermal Energy Conversion (S3TEC) Center des MIT, dem Office of Science, dem Office of Basic Energy Sciences und dem kanadischen Natural Sciences and Engineering Research Council gefördert. Über weitere Schritte zu einer Umsetzung ist bisher nichts zu finden.

Erst im September 2014 gibt es wieder Neuigkeiten aus dem Wang-Team des MIT, als mitgeteilt wird, daß die Entwicklung eines Materials gelungen sei, das dem ‚Ideal’ für die Sonnenabsorption sehr nahe kommt. Ideal für die Umwandlung von Sonnenenergie in Wärme bedeutet, daß das Absorptionsspektrum des Materials genau darauf abgestimmt ist, praktisch alle Wellenlängen zu absorbieren, die von der Sonne auf die Erdoberfläche gelangen – aber nicht viel vom Rest des Spektrums, da dies die Energie erhöhen würde, die von dem Material abgestrahlt wird und somit für den Umwandlungsprozeß verloren geht.

Das neue Material ist ein zweidimensionaler, metallischer, dielektrischer photonischer Kristall der die zusätzlichen Vorteile besitzt, Sonnenlicht aus einem weiten Winkelbereich zu absorbieren (was teure Solar-Tracker obsolet macht) und extrem hohen Temperaturen standzuhalten.

Vielleicht am wichtigsten ist, daß das Material auch billig in großem Maßstab hergestellt werden kann. Einsatz finden soll es als Teil der STPV-Geräte, welche die Energie des Sonnenlichts zuerst in Wärme umwandeln, bis das Material glüht und Licht emittiert, welches dann seinerseits in Strom weiterverwandelt wird.

Jeffrey Chou, der führende Autor der neuen Studie, berichtet, daß einige Mitglieder des Teams an einem früheren STPV-Gerät arbeiteten, welches die Form von leeren Hohlräumen hatte, in denen sich nur Luft befand. Als nun versucht wird, ein dielektrisches Material nach innen zu legen, was zuvor noch niemand gemacht hatte, zeigten sich einige interessante Eigenschaften. Insbesondere das Absorptionsspektrum entspricht genau dem zur Nutzung der Sonnenenergie gewünschten spezifischen Fenster im Wellenlängenband.

Darüber hinaus können die Absorptionseigenschaften mit großer Präzision gesteuert werden, da das Material aus einer Ansammlung von Nanokavitäten hergestellt wird. Die Absorption läßt sich justieren, indem einfach die Größe der Nanohohlräume geändert wird. Die grafische Darstellung zeigt den metallischen dielektrischen photonischen Kristall, der Sonnenenergie als Wärme speichert.

Ein weiteres wesentliches Merkmal des neuen Materials ist, daß es gut zu bestehenden Fertigungstechnologien paßt. Den Forschern zufolge sei es das erste dieser Art, das mit einem Verfahren hergestellt werden kann, das auf aktuellen Techniken basiert und daher in der Größe von Siliziumwafer-Waagen gefertigt werden kann. Frühere Labor-Demonstrationen ähnlicher Systeme konnten nur wenige Zentimeter auf einer Seite mit teuren Metallsubstraten produzieren und waren somit nicht für die Skalierung bis zur kommerziellen Produktion geeignet.

Um das System maximal zu nutzen, welches das Sonnenlicht mit Spiegeln konzentriert, muß das Material bei sehr hohen Temperaturen bestehen. Gegenwärtig hält es eine Temperatur von 1.000°C für einen Zeitraum von 24 Stunden ohne starke Degradation aus. Das Funktionsmodell enthält das relativ teures Metall Ruthenium, doch in der Theorie sollte sich jedes Metall verwenden lassen, das diese hohen Temperaturen überleben kann.

Die Gruppe arbeitet nun an der Optimierung des Systems mit alternativen Metallen und hofft, das System innerhalb von fünf Jahren zu einem kommerziell nutzbaren Produkt entwickeln zu können. Unterstützt wird die Arbeit vom State Solar Thermal Energy Conversion Center und dem U.S. Department of Energy.


Im November 2011 bekommt ein neu gegründetes Startup namens Silicium Energy Inc. mit Sitz in Ann Arbor, Michigan (später: Menlo Park, Kalifornien) von dem berühmten Greentech-Investor Vinod Khosla eine Anschubfinanzierung in Höhe von 1,65 Mio. $, um Laborforschungen zur Verwendung von Silizium-basierten Nanodrähten als thermoelektrisches Material fortzuführen.

Der Ansatz des neuen Unternehmens geht auf Arbeiten am Caltech (s.o.) sowie auf eine Entwicklung von Wissenschaftlern der University of Michigan (U-M) um Prof. Akram Boukai zurück, der schon im Januar 2008 einen Fachartikel über Silizium-Nanodrähte als effizientes Thermoelektrikum veröffentlichte – und nun gemeinsam mit Douglas Tham Mitbegründer der Silicium Energy ist.

Boukai hatte bis dahin das Labor für Innovative Grüne Energie Forschung an der U-M geleitet, dessen Aufgabe es ist, kostengünstige und effiziente thermoelektrische und photovoltaische nanostrukturierte Materialien herzustellen. Dabei richtet sich das Interesse vor allem auf erneuerbare Energien und dabei speziell auf die Nutzung von Sonnenlicht.

Silicium Energy befindet sich in einem sehr frühen Laborstadium und soll in erster Linie Thermoelektrik mit hohen ZT-Werten für die Kältetechnik untersuchen. Im Juni 2014 gibt es von Khosla Ventures weitere 500,000 $ - und im Mai 2016 von einem nicht bekannt gegebenen Investor einen Gesamtbetrag von rund 5,7 Mio. $. Über irgendwelche weiteren Aktivitäten verlautete bislang noch nichts.

Prallel zu obigem wird im November 2011 auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo eine neue thermoelektrisch betriebene Armbanduhr namens Matrix PowerWatch angeboten, über die ich im Kapitel Micro Energy Harvesting unter Wärme ausführlich berichte (s.d.). Auch hinter dieser Innovation steht das Duo Boukai und Tham.


Ebenfalls im November 2011 kursiert eine Meldung aus Norwegen in den Blogs. Wissenschaftler am Zentrum für Materialwissenschaft und Nanotechnik der Universität Oslo (UiO) um Prof. Johan Taftø arbeiten zusammen mit der norwegischen Stiftung für Wissenschaftliche und Industrielle Forschung (SINTEF) daran, die in thermoelektrischen Elementen noch immer häufig verwendeten giftigen Substanzen Blei und Tellur durch umweltfreundliche, billige und leicht zugänglichen Alternativen zu ersetzen. Natürlich testen sie dabei auch das in Norwegen vorkommende Kobalt-Arsenid-Mineral Skutterudit.

TE-Wärmepumpe der UiO

TE-Wärmepumpe
der UiO

Taftø ist seit dem Jahr 2006 an dem Projekt Basic und Applied ThermoElectrics (BATE) der Fakultät für Physik beteiligt, das durch den Forschungsrat von Norwegen starke Unterstützung erhält. Das Kürzel hat übrigens eine Doppelbedeutung, denn ,bate’ bedeutet in der alten nordischen Sprache Vorteil, Fortschritt, Nützlichkeit – was äußerst treffend ist.

Bei seiner Problemlösung setzt das Forscherteam, an dem auch Prof. Ole Martin Løvvik mitwirkt, auf Nanotechnologie, um in dem TE-Material eine atomare Barriere zu erzeugen, die den Wärmefluß verhindert. Ähnlich wie ihre Kollegen am Boston College (s.o.) nutzen sie hierfür eine spezielle Mühle, welche die Halbleiter in Nano-große Körner zermahlt. Dies geschieht durch die Abkühlung des Mahlguts mit flüssigem Stickstoff auf minus 196°C, was das Material spröde macht, weniger haftend und leichter zu zerdrücken.

Danach werden die Körner wieder zusammengeklebt und auf diese Weise die Barrieren hergestellt, da die entstehenden kleinen Unregelmäßigkeiten die Hitzewellen reflektieren. Mit einem Elektronenmikroskop werden die neuen Mikro-Strukturen, wie z.B. Nano-Hohlräume, entdeckt und sichtbar gemacht. Ziel ist es, 15 % der Wärme umzuwandeln, statt nur 10 % wie bisher.

Zum Einsatz kommen sollen die thermoelektrischen Elemente in Raumheizungen, um sich vor dem norwegischen Winter schützen zu können. Schließlich haben thermoelektrische Wärmepumpen mehrere Vorteile. Sie produzieren keine umweltschädlichen Gase, sie sind einfach und zuverlässig und es gibt auch keine Kompressoren oder Rohre, die lecken können, wie bei gewöhnlichen Wärmepumpen.

Zusätzlich können thermoelektrische Wärmepumpen auch leicht verkleinert werden, sodaß man ein in jedem Raum haben kann, damit sich die Wärme besser im Haus ausgebreitet. Ebenso können Wärmepumpen zwischen den Räumen installiert werden, um die Wärme nach Bedarf von einem zum anderen zu bewegen.

Um die Effizienz der von Taftø und seiner Arbeitsgruppe entwickelten thermoelektrischen Wärmepumpen zu messen, wird unter der Leitung von Prof. Vidar Hansen an der Universität Stavanger ein Haus mit einer Grundfläche von 6 x 6 m gebaut, in dessen Inneren ein simuliertes Außenklima gesteuert wird. Innerhalb dieses Gebäudes gibt es zwei kleinere, in denen die Wärmepumpen installiert sind, die aus Standard-Elementen bestehen. Dabei zeigt sich, daß thermoelektrische Wärmepumpen mit konventionellen Wärmepumpen konkurrieren können, auch wenn sie noch ein wenig mehr Strom benötigen.

Das Team betrachtet dies jedoch nicht als Problem und erinnert daran, daß herkömmliche Wärmepumpen schließlich schon seit Jahrzehnten optimiert werden, während man mit der thermoelektrischen Variante noch am Anfang stünde (was so nicht ganz stimmt, wie man weiß, wenn man das Vorstehende gelesen hat). Die Materialien, die in Stavanger getest werden, haben einen ZT-Wert von etwa 1. Taftø weist aber darauf hin, daß bislang noch niemand eine Obergrenze für den ZT-Wert berechnet habe. Seine Gruppe arbeitet auch mit anderen zusammen, darunter mit Jeff Snyder am California Institute of Technology (s.u.).

 

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