TEIL C
Schwerpunkt
Cool Roof / White Roof (A)
Ein besonderer Begriff, der im Laufe des Jahres 2011 zunehmend
in der Presse erscheint, lautet Cool Roof. Dessen
allgemeine Verbreitung beginnt mit einem Bericht des Lawrence
Berkeley National Laboratory (LBNL), dem zufolge Emissionseinsparungen,
die der Stillegung sämtlicher Autos der Welt für rund elf Jahre entsprächen,
erreichbar sind, wenn alle städtischen Dächer in
den gemäßigten und tropischen Klimazonen weiß gestrichen und
alle Straßen einheitlich in Betontönen statt
in Schwarz gehalten werden würden.
Ideengeber des LBNL-Ansatzes war der 2017 verstorbene US-Physiker Arthur Hinton Rosenfeld, der sich seit den 1980er Jahren mit Kühldächern befaßt hatte, und der auch 2005 als die treibende Kraft hinter der Verschärfung der kalifornischen Bauvorschriften galt, die seitdem vorsehen, daß die Flachdächer von Geschäftsgebäuden weiß sein müssen.
In den 1980er Jahren wurden vom Department of Energy in Kalifornien und Tennessee Forschungsarbeiten zur Analyse von ‚solar radiation control coatings‘ auf Dächern durchgeführt, bei denen festgestellt wurde, daß die Energiekosten beim Einsatz dieser Beschichtungen sinkt. Die Technologie ist für die damaligen Planer und Bauherren jedoch nicht von Bedeutung.
Auch spätere Untersuchungen zum Einfluß von hellen Beschichtungen auf Dächer ergeben, daß diese die Gesamtlufttemperatur in städtischen Gebieten senken können. Immerhin gelten 20 – 25 % der städtischen Fläche als Dachflächen.
Die Umsetzung ist nicht jedenfalls schwierig, denn Firmen wie die Energy Seal Coatings aus Woodstock, Georgia, arbeiten schon seit Mitte der 1990er an entsprechenden hochreflektiven und resistenten Beschichtungen für Flachdächer. Andere US-Anbieter aus Georgia sind die Lexis Coatings aus Acworth und die Duracool Coatings Inc. aus Cumming, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Die Firma Kingfield Construction Products aus Minneapolis bietet mit ihrem ‚Eco-Roof Cool Roof Coating‘ sogar eine hochweiße und wasserdichte Beschichtung an, die den Energiebedarf zur Kühlung einer Struktur erheblich reduzieren kann und zudem auch noch photokatalytisch ist, da sie spezielle Titandioxid-Additive verwendet.
Wobei der Hype insofern etwas verwundert, da weiße Hausanstriche im gesamten Mittelmeerraum eine seit vielen Jahrhunderten, wenn nicht gar Jahrtausenden, praktizierte Methode sind, das Aufheizen der Gebäude zu verringern. Man erinnere sich alleine nur an den Namen der Stadt Casablanca, was ja nichts anderes als ‚Weißes Haus‘ bedeutet. Eine weitere Methode, die sich ebenfalls zunehmend verbreitet, sind Gründächer, die in dieser Übersicht schon mehrfach erwähnt worden sind und daher hier nicht extra behandelt werden.
Zur Abrundung dieser Darstellung sollen zuerst noch die wichtigsten
der bislang eingesetzten Methoden bei der Dachkühlung genannt
werden, angefangen mit den schwach geneigten Dächern.
In den Bereichen Wohnen, Industrie und Gewerbe sind ja kaum zwei
Gebäude gleich, weshalb es auch mehrere Methoden gibt, Dächer zu
kühlen.
Beschichtete Dächer (Coated Roofs) werden buchstäblich mit einer lackähnlichen Oberfläche beschichtet, um die Haftung, Haltbarkeit und Langlebigkeit eines Daches zu verbessern und gleichzeitig das Bakterienwachstum zu reduzieren. Diese Kühlbeschichtungen können auf einer Vielzahl von Oberflächen aufgebracht werden, darunter Asphalt, Kies, Metall u.a. Materialien.
Schaumdächer (Foam Roofs) sind Dächer, die zu Isolierzwecken mit einem schaumartigen Material überzogen sind. Der Schaumstoff besteht im allgemeinen aus zwei flüssigen Chemikalien, die sich zu einem festen, flexiblen und leichten Material verbinden. Diese langlebige und erschwingliche Kühldachtechnik wird seit über 45 Jahren angewandt.
Built-Up Roofing Systems (o. BUR-Systeme) sind Dächer, die aus mehreren Schichten verschiedener Materialien und Mineralien bestehen, die zusammengenommen dazu beitragen, daß keine Solarwärme in das Gebäude eindringen kann. Eine Methode bettet reflektierende Materialien in Asphalt oder Steinkohleteer ein, um das Sonnenlicht zu reflektieren. Eine weitere Technik besteht darin, das Dach mit mineralischen Platten aus reflektierendem Mineralgranulat oder aufgetragenen Beschichtungen zu belegen.
Modifiziertes Bitumen (Mod-Bit) ist ein asphaltbasiertes Dachsystem ähnlich dem BUR-System. Es ist sowohl für kalte als auch für warme Temperaturen ausgelegt und elastischer als BUR-Systeme. Es wird im Wesentlichen auf vier Arten installiert: mit Brenner, heißgeklebt, kalt aufgetragen oder mit Selbstklebefolie.
Einlagige Dachbahnen (Single-Ply Membranes) werden für niedrig geneigte Dächer verwendet, die einer umfangreicheren Reparatur bedürfen. Es handelt sich um vorgefertigte Bahnen, die individuell auf ein Dach aufgebracht werden. Die beiden Haupttypen sind einlagiges EPDM (Ethylene Propylene Diene Monomer) und einlagiges Thermoplast.
Und falls Sie sich detaillierter damit beschäftigen möchten: Die U.S. Environmental Protection Agency verfügt über eine Liste von über 3.000 bewerteten Kühldachmaterialien.
Für Steildachdächer, wie sie im allgemeinen in Wohngebieten
zu finden sind, werden aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur
und Materialien – wie Dachziegel, Fliesen, Asphaltschindeln und Metalldächer
– andere Kühltechniken eingesetzt. Da diese Dächer zudem einen Großteil
der äußeren Erscheinung eines Gebäudes ausmachen, werden bevorzugt
ästhetische Elemente (wie eben Schindeln und Fliesen) zur Kühlung
eingesetzt.
Reflektierende Beschichtungen, um ein Dachkühlung zu erzielen, gibt es ebenfalls diverse:
Weiße Dachbeschichtungen sind undurchsichtig und reflektierend und bestehen aus polymeren Materialien und einigen Arten von Weißpigmenten. Sie reflektieren 70 – 80 % der Sonnenenergie, und je dicker die Beschichtungen sind, desto stärker reflektierend sind sie. Sie halten die Oberflächentemperaturen sehr nahe an den Umgebungstemperaturen.
Pigmentierte Beschichtungen sind weniger effizient als weiße, da dunkle Farbtöne wie Rot, Grün und Blau nur 20 % oder weniger der Sonneneinstrahlung reflektieren. Diese Technik ist jedoch im Wohnbereich aus ästhetischen Gründen verbreitet.
Aluminium-Dachbeschichtungen bestehen oft aus einem asphaltartigen Harz, das Flocken aus Aluminium-Folie enthält. Die meisten Aluminiumbeschichtungen bieten einen Sonnenreflexionsgrad von mindestens 50 % und können bei bestimmten Marken 70 % überschreiten. Bei ihrer Verwendung können die Innentemperaturen um bis zu 20° gesenkt werden.
Dachbahnen (Roofing Membranes), die aus Filz, Glasfaser oder Polyester hergestellt sind und mit flexiblen polymeren Materialien wie Asphalt, synthetischem Gummi oder synthetischen Polymeren wie Polyvinylchlorid befestigt werden. Die oberste Schicht der robust, flexibel und wasserdicht konstruierten Membranen kann entweder mit Pigmenten, die den Sonnenschutz erhöhen, oder mit Dachkies abgedeckt werden.
Die beiden Haupttypen sind einschichtiges, langlebiges EPDM und einlagige, flexible thermoplastische Bahnen aus Kunststoffpolymeren wie Polyvinylchlorid (PVC) oder Polyolefin (TPO). Obwohl sie in der Regel weiß sind, können auch Pigmente hinzugefügt werden.
Fliesen oder Ziegel sind in wärmeren Klimazonen wegen ihres hohen solaren Reflexionsvermögens häufig anzutreffen. Tondachziegel sind ein beliebtes kühlendes Dachmaterial mit einem Sonnenreflexionsindex von über 50 % und einer Wärmeabstrahlung von bis zu 86%. Sie sind extrem langlebig und am Ende ihrer Lebensdauer zu 100 % recycelbar. Ebenfalls beliebt sind hochbelastbare Betonplatten, die in einer Vielzahl von Farben angeboten werden und auch unter extremen Wetterbedingungen funktionieren.
St. Petersburg / Florida
Was in diesem Kapitelteil dokumentiert werden soll, ist die Verbreitung
und tatsächliche Umsetzung der Cool Roofs als
helle Dachanstriche, die etwa um 2001 beginnen
sich in Kalifornien zu verbreiten. Aufgrund des übermäßigen Energiebedarfs
und einer unzureichenden Stromversorgung kommt es hier häufig zu
Stromausfällen. Durch den Einsatz der weißen Anstriche sollen sowohl
der Spitzenenergiebedarf als auch die Stromkosten gesenkt und gleichzeitig
zukünftige Stromausfälle in der Region vermieden werden.
Allzu stark entwickelt sich das Ganze aber trotzdem noch nicht, obwohl es zunehmend Fürsprechern gibt. Sogar damalige der US-Energieministers und Physik-Nobelpreisträger Steven Chu empfiehlt beim Klimawandel-Symposium in London im Mai 2009: „Streichen Sie die Dächer weiß, lackieren Sie Autos in hellen Farben und lassen Sie sie auf hellen Straßen rollen.“
Als Teil der Bemühungen, die Bundesregierung energieeffizienter zu machen, kündigt Chu im Juli 2010 eine Reihe von Initiativen an, um Kühldachtechnologien auf Anlagen und Gebäuden des Energieministeriums und den gesamten Bundesbehörden zu implementieren.
Auf europäischer Ebene findet bereits im Februar 2009 in
London das 1. Treffen des European Cool Roofs Councils (ECRC)
statt, einem gemeinnützigen europäischen Verband, an dem die Branche
maßgeblich beteiligt ist (BASF, Akzo Nobel, Daikin, Hambleside Danelaw,
das Cyprus Institute, Monier Technical Center, Sonnergy Ltd., SOPREMA,
Bioni CS GmbH u.a.). Mit einem Budget von knapp 1 Mio. €, von denen
die EU 75 % trägt, wird anschließend ein Projekt zur Förderung von
Kühldächern in der EU gestartet (‚Promotion of cool roofs in the
EU‘), dessen Koordination in der Hand der National and Kapodistrian
University of Athens liegt.
Zu den Ergebnissen des 2012 abgeschlossen Cool Roof project gehören die Gründung des EU Cool Roofs Council (EU CRC); die Planung und Durchführung von fünf Pilotstudien zu Kühldächern; der Aufbau einer Datenbank mit den entsprechenden Dachdeckungsmaterialien und deren Herstellern; die Erstellung eines Handbuchs und eines ,Werkzeugkastens’ zur Erläuterung der technischen Aspekte der Kühldach-Technologie; ein Marktförderungsplan; die Organisation von Workshops und Seminaren; die Schaffung eines Webportals mit Informationen über das Projekt, u.v.m.
In dem 2014 veröffentlichen Endbericht wird aufgeführt, daß die Pilotstudien eine Reduzierung des Kühlungsbedarfs um 40 % und des Heizbedarfs um 10 % ergeben haben. Insgesamt konnte eine 30 %-ige Energieeinsparung erreicht werden. Auch in Gebäuden ohne Kühlung wird der thermische Komfort verbessert. Interessant ist auch der folgende Absatz: „Es herrscht die allgemeine Auffassung, daß unter einem kühlen Dach ein einfacher weißer Anstrich zu verstehen ist; die tatsächliche verbesserte Wärmeleistung oder die Vielfalt der verfügbaren Farben sind im Allgemeinen unbekannt.“
Forscher des National Center for Atmospheric Research und
der University of Kansas in Lawrence berechnen 2010 die
Wirkung des Effekts auf das urbane und globale Klima. Das Modell
geht davon aus, daß es gelingt, die Albedo – d.h. den Reflektionswert
– von 0,32 auf 0,90 zu erhöhen – womit 90 % des einfallenden Sonnenlichts
reflektiert werden würden. In diesem Fall könnte die städtische sommerliche
Durchschnittstemperatur um bis zu 1,1°C gesenkt
werden. Global gesehen habe das Ganze aber keinen nennenswerten Effekt.
Punktuell, das heißt für das Haus mit weiß gestrichenem Dach selbst, kann dagegen bei den Kühlkosten mit Einsparungen von bis zu 20 % gerechnet werden. Aus diesem Grund initiiert das DOE bis Mitte 2010 schon mehr als 185.000 m2 weiße Dachflächen, was einer jährlichen Einsparung von rund 0,5 Mio. $ entsprechen soll. Auf die gesamte USA hochgerechnet würden sich demnach sogar 735 Mio. $ pro Jahr einsparen lassen, wenn 85 % aller mit Klimaanlagen ausgestatteten Gebäude weiße Dächer bekämen.
Bowery Mission
Großen Erfolg hat das White Roof Project (WRP),
das Piñeiro Escoriaza und einige wenige Aktivisten
im September 2010 starten, indem sie das Dach des
Obdachlosenheims der Bowery Mission in New York
City weißen. Nachdem das Geld für den Anstrich gesammelt war, wurden
Freiwillige rekrutiert. Als bereits am ersten Tag 100 Personen zur
Teilnahme erscheinen, beschließen die Initiatoren, aus dem Projekt
eine gemeinnützige Organisation zu machen.
In einer Großaktion werden bis Oktober in New York 105 Dächer mit einer Dachfläche von insgesamt 304.800 m2 angestrichen – was angesichts der Gesamtdachfläche von über 120 Mio. m2 aber kaum mehr als nur ein (weißer) Tropfen auf den heißen Dachsteinen ist. Die Aktion hat aber einen positiven Nebeneffekt: Neben den verringerten Betriebskosten wird auch die Lebensdauer der Kühlaggregate verlängert. Die Projekte des WRP bis 2015 sind auf der Homepage der Initiative dokumentiert.
Neben dem WRP gibt es noch ein von der Stadt unterstütztes Projekt NYC °CoolRoofs, das mit Grundstückseigentümern zusammenarbeitet, um Anreize für die Bedeckung von Dächern mit reflektierendem weißem Material zu schaffen. Das Programm ist gleichzeitig eine Initiative der Stadt, die lokalen Arbeitssuchenden eine Ausbildung und Arbeitserfahrung bei der Installation energiesparender reflektierender Dächer bietet. Bisher hat dieses Projekt 138.000 m2 Dachfläche beschichtet.
in Mumbai
Auf internationaler Ebene wird im Jahr 2011 bekannt,
daß auch Japan, Hongkong, Singapur und Malaysia an
der Nutzung von Kühldächern forschen. In Indien sind es die Städte
Ahmedabad, Mumbai, Neu-Delhi und Bangalore, die diese Technologie
nutzen, teilweise bereits seit dem Jahr 2007. Zudem
führt die Asia Pacific Economic Cooperation (APEC)
in dieser Region eine Studie durch, die sich auf die Implementierung
der Kühldachtechnologie konzentriert.
Im Oktober 2011 berichten die Fachblogs über eine
im Journal of Climate veröffentlichen Studie von Mark
Jacobson, Professor für Bau- und Umwelttechnik an der Stanford
University, und seinem Kollegen John Ten Hoeve,
der zufolge weiße Oberflächen zwar die Häuser kühlen, aber auch die
Bewölkung reduzieren, so daß letztlich mehr Sonnenlicht auf die Häuser
fällt. Trotz ihrer positiven Auswirkungen auf die unteren Teile der
Atmosphäre verringern weiße Dächer den Temperaturunterschied in einer
halben Meile Höhe über dem Boden – ein Unterschied, der die Wolkenbildung
verringert, und weniger Wolken bedeuten mehr Sonnenlicht, das die
Erdoberfläche erreicht.
Die Schlußfolgerungen dieser Klimasimulationen ergänzen eine kürzlich durchgeführte Studie des National Center for Atmospheric Research, in der festgestellt wurde, daß der positive Effekt von weißen Dächern im Sommer durch einen negativen Effekt im Winter ausgeglichen würde. Sollten diese Analysen zutreffen, wäre ein weißes Dach nur eine massive Verschwendung von weißer Farbe. Jacobson zufolge ist es besser, Solarpaneele auf dem Dach anzubringen, denn diese kühlen nicht nur das Haus, indem sie das Sonnenlicht absorbieren, sondern erzeugen dabei auch noch Strom.
University of Melbourne
Dem obigen widerspricht allerdings eine Im Januar 2012 erscheinende
Studie der University of Melbourne und der Stadt
Melbourne, die zeigt, daß das Weißstreichen des Gebäudedaches
einen großen Beitrag zur Senkung der Innen- und Außentemperaturen
leisten kann. Demnach fanden die Forscher um Dominique Hes durch
die Überwachung der Temperaturen von fünf Testgebäuden auf dem Burnley-Campus
der Universität heraus, daß weiße Dächer sowohl außen als auch innen
deutlich kühlere Temperaturen aufwiesen.
Hes zufolge können an heißen Tagen weiße Dächer gewerbliche Gebäude um drei Prozent kühlen, was dazu beiträgt, den Energieverbrauch für die Kühlung sowie den städtischen Wärmeinseleffekt zu reduzieren.
Ebenfalls im Januar 2012 veröffentlichen die Global
Cool Cities Alliance (GCCA) und die R20 Regions
of Climate Action gemeinsam ein ‚Cool Roofs and Cool Pavements
Toolkit‘, das im Netz als 86-seitiges PDF abrufbar ist. Darin sind
u.a. verschiedene aussagekräftige Fallstudien aus den USA und Indien
zu finden.
Über eine Studie von Stuart R. Gaffin und seinen
Kollegen an der Columbia University, an der auch
Wissenschaftler der City University of New York sowie
der NASA beteiligt sind, wird im März 2012 berichtet.
Demnach hat eine Untersuchung, wie verschiedene weiße Dachmaterialien
in New York City über mehrere Jahre hinweg im praktischen Einsatz
funktioniert haben, ergeben, daß selbst die kostengünstigste weiße
Dachbeschichtung die Spitzentemperaturen auf dem Dach im Sommer um
bis zu 84 % reduzieren vermag.
Am heißesten Tag des New Yorker Sommers 2011, dem 22. Juli, wurde eine weiße Dacheindeckung gemessen, die um 5,5°C kühler war als das traditionelle schwarze Dach, mit dem sie verglichen wurde. Die dunklen Flächen können bei knallender Sonne Temperaturen von bis zu 82°C erreichen.
Im Mai 2012 folgt ein Bericht der Oregon
State University (OSU), wo Forscher um Prof. Mas
A. Subramanian eine Lösung für Menschen gefunden haben,
die dunklere Dächer ästhetisch ansprechender finden. Das neue, umweltfreundliche
und leuchtende ‚kühl Blaue‘ Pigment hat ein Infrarot-Wärmereflexionsvermögen
von etwa 40 %, was deutlich höher ist als bei den meisten blauen
Pigmenten, die bislang verwendet werden.
(Grafik)
Im Laufe der Geschichte haben die Menschen immer wieder nach leuchtenden blauen Pigmenten gesucht. Die Ägypter und Babylonier verwendeten vor 6.000 Jahren Lapislazuli. Und im alten Zentrum der indischen Stadt Jodhpur sind auch heute noch fast alle Häuser blau getüncht.
Im Jahr 1802 synthetisierte der französische Chemiker Louis Jacques Thénard Kobaltblau (Cobaltaluminat), das bis heute dominierende kommerzielle Blaupigment. Die meisten dieser Pigmente haben jedoch Einschränkungen hinsichtlich Kosten, Stabilität, Farbe oder Toxizität.
Die neue Verbindung, die jetzt die Patentzulassung erhalten hat, wurde vor etwa drei Jahren zufällig entdeckt, als OSU-Wissenschaftler Materialien auf ihre elektrischen Eigenschaften hin untersucht haben. Dabei wurde festgestellt, daß sich einige Manganverbindungen im einem Ofen bei rund 1.100°C in ein wunderschönes Blau verwandeln, was auf eine ungewöhnliche trigonale bipyramidale Kopplung ihrer Moleküle zurückzuführen ist, die sich bei extremer Hitze verändert.
Diese Entdeckung führte zur Entwicklung des blauen Pigments mit seiner einzigartigen Kristallstruktur, das die roten und grünen Wellenlängen des Lichts absorbiert und nur Blau reflektiert. Und nachdem sich herausgestellt hat, daß es haltbar, ungiftig und relativ einfach herzustellen ist, erweist es sich – auf Dächern und Wänden von Gebäuden aufgebracht – zudem als neuer Kandidat für die Energieeffizienz, weshalb die OSU nun nach Lizenzpartnern für die Erfindung sucht.
Tatsächlich kann die OSU im Mai 2015 melden, daß das inzwischen als YInMn-Blau bekannte, äußerst beständige Pigment noch in diesem Jahr in einer breiten Palette von Beschichtungen und Kunststoffen auf den Markt kommen wird, nachdem mit der Shepherd Color Company eine exklusive Lizenzvereinbarung abgeschlossen wurde. Der Name ist eine Kombination der Elemente, aus denen sich das Pigment zusammensetzt: Yttrium, Indium und Mangan. Ein weiterer Name lautet ‚Oregon-Blau‘.
In diesem Kontext soll angefügt werden, daß Forscher des Lawrence
Berkeley National Laboratory um Paul Berdahl im
Mai 2018 die kühlende Wirkung des vor tausenden
Jahren entdeckten Pigments Ägyptisch Blau bestätigen,
wenn es auf Dächer und Wände gepinselt wird. Im alten Ägypten war
es die Farbe der Pharaonen und anderer hochgestellter Persönlichkeiten.
Die Moleküle des künstlichen Minerals, das auch den Namen Cuprorivait trägt,
enthalten Calcium, Kupfer, Silizium und Sauerstoff.
Man fand nun heraus, das das Pigment einen Teil des Sonnenlichts absorbiert und es als nah-infrarotes Licht wieder emittiert – und dies mit zehnmal mehr Effizienz als bisher vermutet wurde. Beim Vergleich der Erwärmung von fünf mit Pigmenten beschichteten Proben von jeweils 75 mm2, die der Sonne ausgesetzt werden, zeigt sich, daß Ägyptisch-Blau fast 100 % der Photonen, die die Farbe absorbiert, auch wieder abgibt. Reines Weiß ist zwar unübertroffen, was die Reflexion von Wärmestrahlen betrifft, doch das Blau der Ägypter ist fast so effektiv wie ein sehr helles Grau.
Das Pigment könnte neben der Energieeinsparung aber auch zur Stromerzeugung genutzt werden: Würde es zur Tönung von Fensterglas verwendet werden, könnte das emittierte Nah-Infrarot-Licht von PV-Zellen absorbiert werden, die sich an den Rändern des Fensters befinden und es in Elektrizität umwandeln. (Mehr über derartige Einsatzformen findet sich unter Solarfenster, s.d.).
Berdahls Team hatte übrigens schon im September 2016 aus mit Chrom dotiertem Aluminiumoxid rubinrote, fluoreszierende Pigmente entwickelt, die die energiesparenden Eigenschaften von Kühlflächenfarben verbessern sollen.
Da die nun folgende Technologie der Passiven Tageslicht-Strahlungskühlung (Passive
Daylight Radiative Cooling, PDRC) in meinen Augen besonders zukunftsträchtig
ist, soll sie an dieser Stelle etwas umfassender beschrieben werden
– zusammen mit ihren Entwicklern und den umsetzenden Unternehmen.
Als das Department of Energy (DOE) im November 2012 im Rahmen des Frühphasen-Zuschußprogramms ARPA-E insgesamt 66 neue energiebezogene Projekte angekündigt, die mit zusammengerechnet 130 Mio. $ finanziert und betreut werden sollen, gehört auch die Stanford University dazu, die 400.000 $ für die Entwicklung einer kostengünstigen Beschichtung für Dächer, Gebäude und Autos bekommt, welche das Sonnenlicht reflektiert und dadurch eine passive Kühlung erzielt.
Da jedes Objekt, das Wärme produziert, diese in einen Kühlkörper abführen muß, will das Stanford- Team eine Beschichtung schaffen, die es ermöglicht, die Kälte des Universums auch an einem sonnigen Tag als Wärmesenke zu nutzen. Bereits in den 1960er Jahren sollen Wissenschaftler versucht haben, dieses Phänomen für die praktische Anwendung zu nutzen. Doch die passive Strahlungskühlung macht sich nur in der Nacht bemerkbar: Tagsüber taucht uns das Sonnenlicht in viel mehr Wärmeenergie ein, als wir in den Weltraum schicken können.
Das Team unter der Leitung von Prof. Shanhui Fan und Aaswath Pattabhi Raman, der 2012 als erster die optischen Eigenschaften untersucht, die ein Material benötigt, um die Sonnenwärme zu überwinden, denkt, das Ziel durch technische Materialien auf der Nanoskala erreichen zu können. Dies umfaßt die Schaffung von Strukturen, die kleiner sind als die Wellenlängen des Lichts, das sie durchqueren wird, und sollte die Absorption und Emission einiger Wellenlängen verbessern und die anderer unterdrücken.
Die Gruppe hat die Idee, Muster in Oberflächen zu ätzen, und veröffentlicht im März 2013 einen Bericht darüber unter dem Titel ‚Ultrabroadband Photonic Structures To Achieve High-Performance Daytime Radiative Cooling‘. Da die 400.000 $ mit einer nur einjährigen Frist verknüpft sind, beschließt das Stanford-Team wegen der Kürze der Zeit, das Design zu vereinfachen. Anderen Meldungen zufolge habe das Stanford-Team von ARPA-E im Jahr 2013 einen Zuschuß in Höhe von 3 Mio. $ bekommen, was sich bislang aber nicht verifizieren ließ.
(Grafik)
Als das Projekt im November 2014 erstmals in der Fachpresse vorgestellt wird, beschreiben die Forscher ihre Neuentwicklung als ein ultradünnes, mehrschichtiges, nanophotonisches Material, das nicht nur wie ein Spiegel die Sonnenstrahlen von Gebäuden weg reflektiert, sondern auch die Abstrahlung der inneren Wärme eines Gebäudes in den Raum hinaus ermöglicht und so das Gebäude kühlt (‚Passive radiative cooling below ambient air temperature under direct sunlight‘).
Das als photonische Strahlungskühlung (photonic radiative cooling bezeichnete Verfahren beruht auf einer Beschichtung aus einer Kombination von Siliziumdioxid (SiO2) und Hafniumoxid (HfO2), die in sieben Schichten auf einer dünnen Silberschicht aufgebracht wird. Im Einzelnen wechseln sich vier dünne Materialschichten ab, die das Licht schwach (Siliziumdioxid oder Glas) und stark (Hafniumdioxid) brechen, ein in der optischen Technik häufig verwendetes Motiv, das aufgrund der Interferenz von Lichtwellen beim Durchgang durch verschiedene Schichten funktioniert.
Dasselbe Prinzip nutzt das Team zur Verstärkung der Infrarotemissionen, indem es drei dickere Schichten aus denselben Materialien darauf absetzt. Die resultierende Gesamtdicke des Metamaterials von nur 1,8 μm ist dünner als die dünnste Aluminiumfolie. Besonders wichtig ist, daß die innere Struktur des Materials so optimiert ist, daß es die Wärme im mittleren Infrarotbereich von 8 – 13 μm abstrahlt, die sie aus der Atmosphäre heraus in den Raum durchläßt, ohne die Luft in der Nähe des Gebäudes zu erwärmen. Dieser Frequenzbandbereich wird auch als ‚Fenster ins All‘ bezeichnet.
Tests mit der neuen Beschichtung zeigen, daß sie 97 % des einfallenden Sonnenlichts reflektiert, was in Kombination mit der photonischen Strahlungskühlung dazu führt, daß das Material selbst bei direkter Sonneneinstrahlung von etwa 850 W/m2 etwa 4,9°C kühler bleibt als die Umgebungstemperatur, was einer Kühlleistung von 40,1 W/m2 entspricht. Laut einer einer 2015 veröffentlichte Simulationsanalyse von Nick Fernandez aus dem Pacific Northwest National Laboratory könnten damit unter idealen Klimabedingungen Energieeinsparungen für Heizung, Kühlung und Belüftung von fast 70 % erreicht werden.
Trotz der vielversprechenden Ergebnisse gibt es aber noch einige technische Hindernisse zu überwinden. Zum einen ist die Beschichtung gegenwärtig nur für eine Fläche von der Größe einer Pizza ausgelegt, so daß ein Verfahren zur Herstellung großer Platten zu angemessenen Kosten entwickelt werden muß. Und gleichwohl sie in einer Laborumgebung funktioniert, muß noch ein Mechanismus entwickelt werden, die Wärme eines Gebäudes gezielt von innen nach außen zu leiten, um sie auch praktisch nutzbar zu machen.
Als im September 2017 wieder über den nun radiative Himmels-Kühlung (radiative sky cooling) genannten Ansatz berichtet wird, ist zu erfahren, daß Prof. Fan und Raman zusammen mit dem weiteren Stanford-Teammitglied Eli A. Goldstein im Jahr 2016 das kalifornische Start-up SkyCool Systems gegründet haben, um die Technologie zu vermarkten.
Zwischenzeitlich hatten die Forscher das System auf dem Dach eines Gebäudes der Universität getestet – mit Platten, die mit dem neuen Material beschichtet sind und auf Rohren für fließendes Wasser verlegt wurden. Dabei wurde festgestellt, daß die Paneele in der Lage waren, die Wassertemperatur innerhalb von drei Tagen um bis zu 5°C unter die Umgebungstemperatur zu senken (‚Sub-ambient non-evaporative fluid cooling with the sky‘).
mit Wärmebild
Das in Burlingame beheimatete Unternehmen schätzt, daß der Einsatz des Materials bei einem zweistöckigen Bürogebäude im stets heißen Las Vegas die jährlichen Kühlungs-Stromkosten um 21 % senken würde. Bei den meisten Gebäuden, die mit dem System nachgerüstet werden, würden diese Einsparungen in der Größenordnung von 10 – 20 % liegen. Demzufolge sollen sich die Paneele in drei bis fünf Jahren amortisieren.
Für die Stanford-Ausgründung steht jetzt als erstes an, die Fertigungseinrichtungen zu schaffen, mit denen die Paneele im benötigten Umfang hergestellt werden können. Zuvor soll aber noch ein Feldtest mit der neuesten Platten-Generation in Davis, Kalifornien, abgeschlossen werden.
Die Forscher veröffentlichen im September 2017 eine weitere Studie, in der sie das Konzept speziell konstruierter, flüssigkeitsgefüllter Dachpaneele vorstellen, die dazu beitragen können, Klimaanlagen deutlich effizienter zu machen (‚Sub-ambient non-evaporative fluid cooling with the sky‘). Diese Paneele funktionieren wie Solar-Warmwasserbereiter, nur daß sie der strömenden Flüssigkeit Wärme entziehen, anstatt sie hinzuzufügen.
Möglich wird dies erst durch die Entwicklung der neuen, hochreflektierenden Materialien, die es erlauben, der Flüssigkeit mehr Wärme zu entziehen, als wieder hineinfließen kann, selbst in der Hitze eines sonnigen Tages.
Herkömmliche Klimaanlagen werden ihre Wärme durch einfaches Ablassen von heißer Luft aus der Außenlüftereinheit des Systems los. Das neue Design fügt jedoch einen zusätzlichen Schritt hinzu, indem es einen Wärmetauscher verwendet, um die normale Kältemittelwärme in die Flüssigkeit, die entweder Wasser oder Glykol sein kann, zu leiten. Diese Flüssigkeit fließt dann in die Kühlpaneele auf dem Dach, so daß die Wärme in den Himmel abgeleitet werden kann.
Berechnungen zufolge würde eine bestehende Klimaanlage, in deren Kreislauf die Paneele leicht integriert werden könnten, 20 – 50 % weniger Strom verbrauchen, um die gleiche Menge an Innenkühlung zu liefern.
in Sacramento
Eine erste Umsetzung der SkyCool-Technologie wird Mitte 2018 gemeldet, als der Geschäftsmann Howard Bisla den Auftrag erhält, ein lokales Geschäft in Sacramento vor dem finanziellen Ruin zu retten. Da eines seiner ersten Anliegen die Energieeffizienz ist, wendet er sich an seinen örtlichen Stromversorger, um die Beleuchtung zu verbessern. Der Anbieter hat jedoch eine andere Idee und bietet an, ein experimentelles Kühlsystem zu installieren: Paneele, die selbst unter der glühend heißen Sonne kälter als ihre Umgebung bleiben könnten, ohne dabei Energie zu verbrauchen.
Nachdem die aluminiumbeschichteten SkyCool-Paneele auf dem Dach des Geschäfts installiert und ihre verspiegelten, mit dem dünnen Kühlfilm beschichteten Oberflächen zum Himmel geneigt sind, kühlen sie die Flüssigkeit in den darunter liegenden Rohren, die in den Laden laufen – und senken zusammen mit neuen Leuchten die Stromrechnung um etwa 15 %.
Ende 2018 gibt das Forschungslabor von Fan zudem die Entwicklung eines hybriden Geräts bekannt, das am gleichen Ort und zur gleichen Zeit Energie sparen und Energie erzeugen kann, indem es zwei unterschiedliche Eigenschaften des Lichts kontrolliert. Das Gerät, das ebenfalls auf dem Dach eines Gebäudes der Stanford University getestet wurde, besteht aus traditionellen Halbleitermaterialien, die in Solarzellen verwendet werden, und dem innovativen mehrschichtigen Material, an dem Fan und seine Kollegen seit Jahren arbeiten.
(Grafik)
Bei den Tests erwies sich, daß die oberste Schicht des Geräts – das traditionelle Solarzellenmaterial – heißer war als das Dach. Die untere Schicht war jedoch viel kühler, was die Erwartungen bestätigte, daß die Wärme von unten nach oben, durch die obere Schicht und dann in den Raum abstrahlte.
Im April 2019 berichten Fan und seine Kollegen dann ausführlicher über ihre experimentelle Infrarot-Fotodiode, die Strom direkt aus der Kälte des Weltraums erzeugt (‚Experimental demonstration of energy harvesting from sky using the negative illumination effect of a semiconductor photodiode‘). Indem die Gruppe ihr Gerät auf den Weltraum ausrichtetet, dessen Temperatur nur um wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt liegt, wird ein ausreichend großer Temperaturunterschied erreicht, um Strom zu erzeugen.
Die Gruppe findet heraus, daß ihre negative Beleuchtungsdiode etwa 64 nW/m2 erzeugt, eine nur winzige Menge an Elektrizität, aber ein wichtiger Konzeptbeweis. Berechnungen, die anschließend durchgeführt werden, zeigen, daß das aktuelle Gerät unter Berücksichtigung atmosphärischer Effekte theoretisch fast 4 W/m2 erzeugen kann. Da die gewonnene Energiemenge weit unter der theoretischen Grenze liegt, soll der Ertrag nun durch die Verbesserung der quantenoptoelektronischen Eigenschaften der verwendeten Materialien verbessert werden.
Im September meldet das Team, daß sich aus einem weiterentwickelten Gerät, das einen thermoelektrischen Generator beinhaltet, bereits 25 mW/m2 erzeugen lassen (‚Generating Light from Darkness‘), womit es möglich ist, nachts genug Strom für eine kleine LED zu liefern. Im Vergleich dazu erzeugen die heutigen Solarpaneele zwar 100 – 200 W/m2. Die Ressource, die sich aus dem Temperaturunterschied zwischen dem Weltraum und der Erde ergibt, hat gegenüber der Sonne jedoch den Vorteil, daß sie auch nachts zur Stromerzeugung genutzt werden kann.
(Grafik)
Das Stanford-Team ist aber nicht das einzige, das an der neuen Kühlmethode
arbeitet. Nach den Erfolgen 2013 und 2014 finanziert
ARPA-E auch eine Idee der Professoren Ronggui Yang und Xiaobo
Yin an der University of Colorado, Boulder,
die ebenfalls kühlende Materialien herstellen wollen, und zwar
in großem Maßstab. Da sich herausgestellt hatte, daß viele Materialien
eine Unterkühlung aufweisen, wenn sie richtig strukturiert sind
– nicht nur exotische oder spezielle Materialien – entscheiden
sie sich für die Arbeit mit billigem Plastik und Glas.
Glaskugeln von wenigen Mikrometern Durchmesser emittieren stark im Bereich von 8 - 13 µm. Die Glaskugeln in eine 50 µm dicke Folie aus transparentem Polymethylpenten einzubetten und diese mit reflektierendem Silber zu unterlegen, reicht aus, um ein super-kühlendes Metamterial zu schaffen. Noch wichtiger ist, daß die Forscher den Film mit der kostengünstigen Rolle-zu-Rolle-Technologie herstellen können, die 5 m pro Minute produziert, was das Ganze zu einer potentiell praktikablen Großtechnologie macht.
Im März 2017 veröffentlicht das Boulder-Team eine Arbeit, in der ihr Glas-Polymer-Hybrid-Metamaterial beschrieben wird, das zur Mittagszeit bei direkter Sonneneinstrahlung eine Strahlungskühlleistung von 93 W/m2 erreicht (‚Scalable-manufactured randomized glass-polymer hybrid metamaterial for daytime radiative cooling‘). Und wie das Stanford-Team meldet es ein Patent an, gründetet in Boulder eine Firma namens Radi-Cool und ist schon bald darauf in Gesprächen mit potentiellen Investoren und Herstellern.
Im Januar 2018 berichtet die Firma, daß ihr Material den Stromverbrauch für die Kühlung im Sommer um 32 – 45 % senken könnte, wenn es z.B. in Phoenix, Arizona oder Texas in die dort üblichen Wasserkühlanlagen von gewerblichen Gebäuden integriert würde.
Im Mai 2019 beschreiben die Wissenschaftler ein weiteres neues Material: ein kühlendes Holz, das zusammen mit Liangbing Hu und Tian Li an der University of Maryland hergestellt wurde (‚A radiative cooling structural material‘). Genau wie Polymere enthält Holz chemische Bindungen, die die richtige Art von Infrarotstrahlung aussenden. Ein Netto-Kühleffekt kann erreicht werden, indem das Lignin chemisch entfernt wird, um das Holz reflektierend zu machen, und indem das Produkt komprimiert wird, um seine Zellulosefasern auszurichten und die Infrarotemissionen zu verstärken.
Hu lizenziert das superkühle Holzmaterial bald darauf an eine von ihm mitbegründete Firma namens InventWood LLC aus Maryland, die bereits transparente und besonders stark isolierende Hölzer anbietet.
Da die Entwicklung des kühlenden Metamaterials angesichts der Klimaerwärmung zunehmend an Wichtigkeit gewinnt, habe ich die Angelegenheit ein weiteres Mal komplett neu recherchiert (und entschuldige mich vorab für Doppelungen):
Ingenieure der University of Colorado, Boulder (CU Boulder) um die Professoren Xiaobo Yin, Ronggui Yang und Gang Tan berichten im Februar 2017, daß sie ein dünnes, künstlich strukturiertes Metamaterial entwickelt haben, das Objekte ohne den Einsatz von Wasser oder Energie kühlen kann. Das passiv kühlende Glas-Polymer-Hybridmaterial leitet die Wärme des Objekts durch Wärmestrahlung ab und läßt gleichzeitig eingehende Sonnenenergie, die diese Verluste aufheben könnte, abprallen (‚Scalable-manufactured randomized glass-polymer hybrid metamaterial for daytime radiative cooling‘, im Netz einsehbar).
Konstruiert wird das einfach herzustellende Metamaterial aus einer Polymerschicht, in die ~ 10 µm große Mikrokügelchen aus Glas eingebettet sind, und die mit einer dünnen, reflektierenden Silberschicht überzogen ist. Das Ergebnis ist eine lichtdurchlässige, flexible und nur 50 µm dicke Folie, die als Rollenware in großen Mengen für eine Vielzahl von Anwendungen hergestellt werden kann.
Gebäude und Kraftwerke sind nicht die einzigen Strukturen, die davon profitieren könnten, denn das zum Patent angemeldete Material könnte auch Solarpaneele vor Überhitzung schützen, so daß sie nicht nur länger, sondern auch um 1 – 2 % effektive arbeiten könnten. Nun ist geplant, noch in diesem Jahr den 200 m2 großen Prototyp einer ‚Kühlfarm‘ zu errichten.
Metamaterials
Die Erfindung ist das Ergebnis eines Zuschusses in Höhe von 3 Mio. $, den die Wissenschaftler vor zwei Jahren von der Advanced Research Projects Agency-Energy (ARPA-E) des US-Energieministeriums erhalten hatten. Im Dezember wird die neue Metamaterialfolie von dem US-Magazin Physics World als einer der zehn größten Durchbrüche des Jahres 2017 ausgezeichnet.
Im Oktober 2018 melden die Ingenieure der CU Boulder, daß sie gemeinsam mit Kollegen der University of Wyoming zwischenzeitlich ein innovatives, RadiCold genanntes Wasserkühlsystem konstruiert haben, das auf dem kostengünstigen hybriden organisch-anorganischen Strahlungskühlungs-Metamaterial basiert. Das System bildet ein etwa 140 m2 großes Array, das auf die meisten Dächer paßt und als eine Art natürliche Klimaanlage fast ohne Stromverbrauch funktioniert.
In dem einsehbaren Bericht ‚Subambient Cooling of Water: Toward Real-World Applications of Daytime Radiative Cooling‘ beschreiben Dongliang Zhao und sein Team, wie sie ihr System im Freien unter verschiedenen Wetterbedingungen, darunter Wind, Niederschlag und Feuchtigkeit getestet haben. Bei den im August und September 2017 durchgeführten Experimenten hält das RadiCold-Modul einen mit dem Metamaterial bedeckten Wasserbehälter während der intensivsten Sonneneinstrahlung des Tages (12:30 – 15:00 Uhr), um 20°C kühler als die Umgebungsluft.
(Montage)
Davon ausgehend, damit den Schritt von der Materialebene zur Systemebene erfolgreich absolviert zu haben, übernimmt das 2017 gegründete Start-Up Radi-Cool Inc. (o. RADI-COOL Radiation Refrigeration Technology Co. Ltd.) eine exklusive Option auf die Technologie bis März 2019 und scheint auch eine erste Produktionslinie aufgebaut zu haben.
Nachdem die Radi-Cool-Technologie im Januar 2018 in Ningbo, China, vorgestellt worden war, ist dort bereits im Februar die Ningbo Radi-Cool Co. Ltd. gegründet worden, der im Mai das Ningbo Radi-Cool institute for Energy and Environment Solutions folgt. Im Dezember wird der Bau der Produktlinie abgeschlossen und die Großproduktion der Kühlfolie offiziell gestartet.
Im Jahr 2019 erfolgt die schrittweise Erforschung, Entwicklung und Herstellung von Derivaten wie Beschichtungen, Textilien, Abdichtungsmembranen u.ä. – aber auch Hüten, Vorhängen und Schutzhelmen. Im Juni führt die Shenzhen Lijian Pharmaceutical Co. Ltd. einen Test mit dem Radi-Cool-Material auf dem Dach ihrer Fabrik durch.
Das Ergebnis zeigt einen Unterschied von 6,1°C der Innentemperatur nach dem Anbringen der Folie im Vergleich zur Temperatur vor dem Anbringen. Im Vergleich zum schwach reflektierenden verzinkten Dach (rechts auf der Abbildung) hat das hoch reflektierende Kaltdach eine weitaus niedrigere Oberflächentemperatur. Im August führt das Unternehmen eine zweite Testphase mit einer vergrößerten Fläche von 3.000 m2 durch.
der CU Boulder
Bereits im Mai stellt das Team der CU Boulder zudem ein gemeinsam mit Prof. Liangbing Hu von der University of Maryland und dem Team von Ashlie Martini an der University of California, Merced entwickeltes umweltfreundliches Baumaterial vor: Kühlholz, das tatsächlich ausschließlich aus Holz besteht. Das Team von Hu hatte in den letzten Jahren eine ganze Reihe neuer Holz-Nanotechnologien entwickelt, darunter ein transparentes Holz, kostengünstige Holzbatterien, superstarkes Holz, superwärmedämmendes Holz und einen Wasserreiniger auf Holzbasis.
Indem sie das Lignin entfernen, das das Holz braun und stark macht, schaffen die Forscher ein sehr helles Holz aus Zellulose-Nanofasern, das anschließend komprimiert wird, um seine Festigkeit wiederherzustellen. Um es wasserabweisend zu machen, wird eine superhydrophobe Verbindung hinzugefügt, die das Holz schützt. Das Ergebnis ist ein strahlend weißes Baumaterial, das für Dächer verwendet werden könnte, um die Wärme ohne den Einsatz von Strom oder Wasser aus dem Gebäudeinneren abzuleiten.
Bei Tests auf eine Farm in Arizona, wo das Wetter immer warm und sonnig ist und wenig Wind weht, erweist sich das kühlende Holz im Durchschnitt um 5 – 6°C kühler als die Umgebungstemperatur, selbst während der heißesten Tageszeit. Im Vergleich zu natürlichem Holz, dessen Temperatur bei Sonneneinstrahlung ansteigt, bleibt es im Durchschnitt um 12°C kühler. Darüber hinaus ist die mechanische Festigkeit dieses Holzes im Verhältnis zum Gewicht höher als die von Stahl, so daß es sich hervorragend als Baumaterial eignet.
Im August 2018 berichtet ein Team um Zongfu
Yu von der University of Wisconsin–Madison und Qiaoqiang
Gan von der State University of New York in
Buffalo, daß sich unterkühlte dünne Filme aus auch Polydimethylsiloxan (PDMS)
herstellen lassen, einem Silikonmaterial, das in Produkten wie Schmiermitteln,
Haarspülungen und Hüpfkitt enthalten ist, indem es auf eine reflektierende
Unterlage gesprüht wird (‚A polydimethylsiloxane-coated metal structure
for all-day radiative cooling‘). Tests ergeben, daß ein mit einer
100 µm dicken Schicht aus PDMS besprühter Aluminiumfilm 11°C kühler
bleibt als die Umgebungsluft.
Nachts kondensiert Wasserdampf auf Oberflächen, die Wärme an den klaren Nachthimmel abgeben, zu Tau – ein Effekt, der seit Jahrhunderten genutzt wird, um Wasser einzufangen. In einer bereits im Juni veröffentlichten Studie berichtet das Team, daß eine mit PDMS beschichtete Aluminiumfolie nicht nur kühl bleibt, sondern auch die Wasserkondensation während des Tages verbessern kann (‚Accelerating vapor condensation with daytime radiative cooling‘). Um das neue Gerät zu vermarkten gründen Yu und Gan in Buffalo eine Firma namens Sunny Clean Water.
Im Januar 2020 veröffentlichen Prof. Jeremy
N. Munday und der Doktorand Tristan Deppe von
der University of California, Davis (UCD)
eine Studie über ihre Entwicklung einer ‚Nacht-Solarzelle‘, die
bereits kleine Mengen an Strom erzeugen kann (‚Nighttime Photovoltaic
Cells: Electrical Power Generation by Optically Coupling with Deep
Space‘).
Während übliche Solarzellen Strom liefern, wenn sie Licht aufnehmen, können nach demselben Prinzip Gegenstände Wärme als Infrarotlicht abstrahlen, wobei Strom und Spannung dann in die entgegengesetzte Richtung gehen. Und das funktioniert auch nachts. Wenn man zudem Maßnahmen ergreift, um entweder direktes Sonnenlicht zu blockieren oder es von der Sonne wegzuleiten, kann das Gerät auch tagsüber betrieben werden.
Da eine speziell entworfene thermoradiative Zelle unter idealen Bedingungen nachts bis zu 50 W/m2 Leistung erzeugen könnte, d.h etwa ein Viertel dessen, was ein herkömmliches Solarpaneel am Tag leistet, wollen die Forscher nun die Leistungsabgabe und den Wirkungsgrad ihres Prototyps verbessern.
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