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Solare Wasserentsalzung


Angesichts der untragbaren Situation, daß noch immer ein großer Teil der Menschen keinen oder nur sehr erschwerten Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, gleichzeitig aber genügend Fluß-, Brack- und Salzwasser vorhanden ist, das sich entsalzen und aufbereiten ließe, sollte der solaren Wasserentsalzung besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ebenso wichtig ist es, diese Informationen über die bereits existierenden Methoden möglichst weit zu verbreiten.

Die solare Entsalzung arbeitet sowohl im nieder- wie auch im hochthermischen Bereich. Letztere Technologien und Umsetzungen, die zumeist im industriellen Maßstab realisiert werden, behandele ich separat unter Solare Meerwasser-Entsalzungsanlagen.

Hier geht es dagegen um die geschichtlichen Ursprünge und die späteren Umsetzungen in Form kleiner Anlagen und Geräte, die insbesondere für den Einsatz in Ländern der 3. Welt und/oder zur Katastrophenhilfe gedacht sind. Die solare Wasseraufbereitung von verschmutztem oder verkeimtem Wasser wird ebenfalls in einem späteren Kapitelteil separat behandelt.


Die Technologie der indirekten solaren Entsalzung läßt sich sehr weit zurückverfolgen. Ihre Ursprünge liegen in prähistorischen Methoden der Wasserversorgung in Wüsten und Trockengebieten, bei denen der Effekt der Luftentfeuchtung genutzt wird.

In Höhlen oder künstlichen Kavernen im Gebirge, wie sie z.B. in der nabatäischen Stadt Petra in Jordanien zu finden sind, wirken die kühlen Steinoberflächen als Luftentfeuchter, an denen die Luftfeuchtigkeit kondensiert und als Wasser in Becken aufgefangen wird.

Bei einer weiteren Methode strömt feuchte Luft durch eine Anordnung von Steinen, die als luftdurchlässige Kuppel angeordnet sind. Da die Steine nachts auskühlen und ihre Temperatur unter den Taupunkt der einströmenden Luft fällt, kondensiert der Wasserdampf an der Innenseite der Tau- oder Luftbrunnen und das Destillat tropft in eine darunter ausgehobene, seitlich zugängliche Grube. Da es im Inneren der Kondensationskammer auch tagsüber kühler bleibt, kann damit kontinuierlich Wasser produziert werden.

Die bislang älteste bekannte Anlage dieser Art sind die 13 Luftbrunnen der ursprünglich griechischen Kolonie Theodosia auf der Krim aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. (andere Quellen: 6. Jahrhundert v. Chr.), die der russische Ingenieur Friedrich Zibold (o. Siebold) im Jahr 1900 entdeckt, der als Förster und Ingenieur für dieses Gebiet zuständig ist. Jeder Steinhaufen umfaßt etwas mehr als 900 m2 und ist etwa 10 m hoch, woraufhin Ziebold berechnet, daß jeder Luftbrunnen täglich mehr als 55.400 Liter produziert hätte.

Zur Überprüfung seiner Hypothese errichtet er auf dem Berg Tepe-Oba in der Nähe des antiken Theodosia in 288 m Höhe einen Kondensator aus Seesteinen, die er zu einem 6 m hohen Kegelstumpf mit einem Durchmesser von 8 m auftürmt – über einer schalenförmigen Auffangfläche mit einem Abfluß. Der 1912 in Betrieb genommene Luftbrunnen soll eine maximale Tagesproduktion von etwa 360 Litern erreicht haben.

Die Wasserspartechniken der nabatäischen Landwirtschaft, die neben den Kondensationshöhlen und -kammern auch steinerne Anlagen zur Regenwassersammlung und unterirdische Dämme umfassen, verbreiten sich im Laufe der Zeit nicht nur im Nahen Osten und im gesamten Mittelmeerraum, sondern auch bis in den Jemen. Ähnlich funktionieren die beispielsweise in den Trockengebieten Apuliens verbreiteten Strukturen, wo Steinhügel den nächtlichen Tau auffangen und den Boden mit Feuchtigkeit versorgen.

Antike Meerwasserentsalzung Grafik

Meerwasserentsalzung
in der Antike
(Grafik)

In den Quellen wird berichtet, daß die Perser die Destillation für die Herstellung von Rosenwasser bereits 3.500 v. Chr. erfunden haben, von wo aus sich die Technik in Asien, Nordafrika und Europa verbreitet, um zur Herstellung von Essenzen, zur Entsalzung von Meerwasser und in der Alchemie eingesetzt zu werden.

Andererseits haben Archäologen bei Forschungen in der Vanguard-Höhle in Gibraltar entdeckt, daß schon die Neandertaler vor 60.000 Jahren komplexe, mit Sand und Guano ausgekleidete Feuerstellen zur Herstellung von Leim nutzten, in denen sie durch die kontrollierte Destillation von Birkenrinde für ihre Waffen und Werkzeuge Birkenpech herstellten.

Die früheste Erwähnung einer Methode, um unreines Wasser gezielt zu verdampfen und anschließend zu kondensieren, um Trinkwasser zu gewinnen, wird Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) zugeschrieben: „Salzwasser, wenn es sich in Dampf verwandelt, wird süß, und der Dampf bildet kein Salzwasser, wenn er wieder kondensiert. Dies ist durch das Experiment bekannt“. Allerdings hatte schon Plato (428 – 347 v. Chr.) bemerkt: „Wasser ... geht, wenn es schmilzt und diffundiert, in Dampf und Luft über ... (und) Luft, wenn sie gesammelt und kondensiert wird, erzeugt Wolken und Nebel; und aus diesen, wenn sie noch mehr verdichtet werden, entsteht fließendes Wasser.“

Eine bereits vor Aristoteles angewandte Methode zur Entsalzung wird um 200 n. Chr. von Alexander von Aphridisias gezeichnet und zeigt Seeleute, die Meerwasser in einem Gefäß erhitzen. Der erzeugte Wasserdampf wird in großen Schwämmen aufgefangen, die an den Öffnung eines Messinggefäßes hängen und dann das entsalzte Trinkwasser liefern.

Was die Apparaturen zur Destillation anbelangt, so entwickelt eine vermutlich im 4. Jahrhundert n. Chr. in Alexandria, Ägypten, lebende griechische Alchemistin, die unter dem Decknamen Kleopatra bekannt wird, viele solcher Destillierapparate. In ihren Schriften findet sich übrigens auch die wohl älteste figürliche Darstellung der alchemischen Schlange.

Der Kopf des Gefäßes wird Ambix genannt, was im Griechischen eigentlich nur ‚Kopf des Destillierapparats‘ bedeutet, sehr oft aber auf den gesamten Apparat angewendet wird. Die arabische Alchemisten die im 7. Jahrhundert die Wissenschaft und insbesondere die Alchemie übernehmen, nennen die Destillateure Al-Anbiq, woraus sich der Name Alembik (o. Alembic) ableitet.

Anbiq nach al-Razi

Anbiq nach al-Razi
(Modell)

Das hier abgebildete, 77 cm hohe Modell eines Alembik stammt aus der Instrumentensammlung des Instituts für Geschichte der Arabisch-Islamischen Wissenschaften (IGAIW) an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Das Gerät wurde gemäß der Beschreibung von Abu Bakr al-Razi (865 – 925) nachgebaut.

Dem französischen Wissenschaftler A. B. Mouchot (s.u.) zufolge sind es eben diese arabischen Alchemisten, die im 15. Jahrhundert polierte Damaszenerstahl-Hohlspiegel verwenden, um die Sonnenstrahlung auf Glasgefäße mit Salzwasser zu fokussieren und Süßwasser herzustellen.

Der neapolitanische Wissenschaftler Giambattista (o. Giovanni Battista) della Porta beschreibt im 20. Band seines Werkes Magiae naturalis sive de miraculis rerum naturalium von 1558 drei Entsalzungssysteme. In der zweiten Auflage im Jahr 1589 nennt er im Band über die Destillation sogar sieben Entsalzungsmethoden. Die wichtigste von ihnen ist ein solarer Destillationsapparat, der Brackwasser in Süßwasser umwandelt.

Dabei werden breite irdene Töpfe verwendet, die der intensiven Hitze der Sonnenstrahlen ausgesetzt sind, um Wasser zu verdampfen, während das an der Innenfläche von Glasgefäßen sammelnde Kondensat in darunter stehenden Vasen aufgefangen wird. Mit dieser solaren Destillation lassen sich aber auch aus grünen Blättern oder Blüten Essenzen, Kräuterextrakte für medizinische Anwendungen, alkoholische Lösungen und Duftöle produzieren. Über moderne Umsetzungen berichte ich unter Destillation.

Um 1774 verwendet der französische Chemiker und Naturwissenschaftler Antoine Laurent de Lavoisier große Glaslinsen, die auf aufwendigen Stützkonstruktionen montiert sind, um die Sonnenenergie auf den Inhalt von Destillationskolben zu konzentrieren.


In diesem Kontext soll noch kurz auf einige wichtige Schritte bei der konventionellen Entsalzung eingegangen werden. Demnach lassen sich die modernen Umsetzungen auf die Zeit um 1600 zurückführen, als die Seeleute auf vielen Ozeanschiffen (wieder) damit beginnen, Meerwasser zu kochen und den Dampf in gekühlte Flaschen zu leiten, um aus dem Salzwasser sauberes Trinkwasser zu gewinnen. Königin Elizabeth I. von England (1533 – 1603), deren Segelflotten häufig an Trinkwassermangel leiden, hatte eine Prämie in Höhe von 10.000 £ für denjenigen ausgesetzt , der auf den Schiffen aus Meerwasser Trinkwasser machen könne.

Ende des 17. Jahrhunderts führt der irische Physiker Robert Boyle die erste Vakuumdestillation durch. 1758 entdeckt der britische Arzt James Lind, daß sich aus dem Dampf von erhitztem Meerwasser trinkbares Wasser gewinnen läßt. Und aus der Amtszeit von Thomas Jefferson – dem späteren dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten – als Außenminister ab 1790 stammt eine Darstellung über den Stand der Technik der ‚Marine Stills‘ seiner Zeit: Report on the Method for Obtaining Fresh Water from Salt.

Die erste Meerwasser-Verdampfungsanlage in großem Maßstab wird 1869 am Golf von Aden von den Briten gebaut, um ihre Kolonialflotte mit Trinkwasser aus dem Roten Meer zu versorgen. Eine weitere kommerzielle (und konventionelle) Meerwasserentsalzungsanlage folgt 1881 in Sleima auf Malta.


Zurück zur Sonne: Der französische Wissenschaftler und Solarpionier Augustin Bernard Mouchot, über den im Geschichtlichen Rückblick der Solarenergie mehr zu erfahren ist, experimentiert ab 1860 mit konischen konzentrierenden Solarsystemen zum Kochen und zur Destillation. Er beschreibt auch die Verwendung von silber- oder aluminiumbeschichteten Glasreflektoren zur Konzentration der Sonnenenergie. Und 1866 arbeitet seine solarbetriebene Dampfmaschine, die wohl erste überhaupt.

Patent von Wheeler und Evans Grafik

Patent von Wheeler & Evans
(Grafik)


Im Jahr 1870 wird Norman W. Wheeler und Walton W. Evans aus dem Bundesstaat New York das erste amerikanische Patent für die solare Destillation erteilt (US-Nr. 102.633).

Fast alles, was wir inzwischen über die grundlegende Funktionsweise der solaren Destillierapparate wissen, ist bereits in diesem Patent beschrieben, darunter den Treibhauseffekt, die Deckenkondensation und die Absorption dunkler Oberflächen. Ebenso wird empfohlen, das Destilliergerät zu drehen, um der einfallenden Sonnenstrahlung zu folgen.


Als ein besonders wichtiger Meilenstein in der Geschichte dieser Technologie gilt die Errichtung der weltweit ersten industriellen solaren Meerwasserentsalzungsanlage ab 1872 nahe der Stadt Las Salinas in der Atacama-Wüste in Chile, die als die trockenste Wüste der Welt betrachtet wird.

Das durch ein Technikerteam unter der Leitung des Schwedischen Ingenieurs Carlos Wilson gebaute Destillierwerk hat eine Fläche von 4.000 m2 (andere Quellen: 4.450 m2; etwa 4.700 m2), erreicht einen täglichen Ausstoß von 17.800 Litern (andere Quellen: 22.700 Liter; 24.000 Liter) Frischwasser und wird bis 1907 (andere Quellen: bis 1912) ununterbrochen problemlos betrieben, die ersten Süßwasserleitungen aus den Anden in Betrieb genommen werden.

Zum Hintergrund: 1870 verbreitet sich die Nachricht von der Entdeckung eines ‚Silberbergs‘ in der als Caracoles bekannten Atacama-Region, was viele Menschen in der Hoffnung dorthin treibt, auf ergiebige Adern zu stoßen. Um das Silber hinaus und die Vorräte hinein zu bringen, sind zwischen Caracoles und dem etwa 190 km entfernten Hafen Antofagasta rund 1.500 Maultier-Karren unterwegs. Der Zwischenstopp erfolgt auf halbem Weg in Las Salinas.

Hier verlaufen zwar Grundwasserleiter, die aber nur ungenießbare Sole führen. Um von dem Bedarf an Trinkwasser zu profitieren, errichtet ein Unternehmer eine dampfbetriebene Destillationsanlage, die mit Kohle aus Antofagasta betrieben wird. Der Transport des Brennstoffs ist aber sehr teuer, was der Wasserhändler an die durstigen Bergleute weitergibt, die deshalb enorme Summen für gutes Wasser zahlen müssen.

Wilson wiederum sieht seine Chance auf Reichtum nicht in den Minen, sondern in der Herstellung von Trinkwasser mit Hilfe der Sonnenenergie. Schließlich sind die Zutaten für die Herstellung von solar destilliertem Wasser, nämlich Sonnenlicht, Wind und Sole, reichlich vorhanden. Anderen Quellen zufolge wird die Anlage gebaut, um die Arbeiter und ihre Familien eines Salpeterbergwerks der Firma Lastenia Salinas und einer nahe gelegenen Silbermine mit Frischwasser zu versorgen.

Solare Entsalzung in Las Salinas

Solare Entsalzung
in Las Salinas

Die solare Destillationsanlage, die Wilson baut, pumpt mit Hilfe einer Windmühle Sole aus dem Boden in einen Teich mit einer Kapazität von vier Tagen, um dann die 20 flachen Tröge zu füllen, die von niedrigen Holzrahmen mit Glasscheiben überdacht sind. Die dampfbeladene Luft – noch viel heißer als die Außenluft – kondensiert, wenn sie mit dem kühleren Glas in Berührung kommt und es bilden sich Tröpfchen, die zusammenfließen und an dem schrägen Glas in Auffangrillen hinunterlaufen und durch Rohre zu einem Frischwassertank geführt werden.

In einigen Quellen wird hingegen erwähnt, daß als Speisewasser für die Destillation die Abwässer des Salpeterbergwerks verwendet werden, die einen sehr hohen Salzgehalt von rund 140.000 ppm aufweisen.

An Spitzentagen wird der Fünftausend-Gallonen-Tank (~ 19.000 Liter) bis zum Anschlag gefüllt, was 2.000 $ einbringt und die anfänglichen Investitionen in weniger als einem Monat wieder einspielt. Denn während der Preis für das Wasser in der Region 20 – 40 US-Cent pro Gallone liegt, betragen die Produktionskosten mittels Sonnenenergie weniger als einen Cent pro Gallone. Dies bedeutet den Untergang für Wilsons Konkurrenten in Las Salinas und anderen nahe gelegenen Städten.

Diese versuchen zwar, Wilson töten zu lassen, der jedoch aufgrund der Warnung eines Freundes überlebt und den geständigen, verhinderten Attentäter sogar der Justiz übergibt. Die Anlage selbst wird von J. Harding in dem Artikel ‚Apparatus for solar destillation‘ beschrieben, der 1883 in der Ausgabe 73 der Proceedings of the Institution of Civil Engineers erscheint.


Anschließend scheint es jedoch keine weiteren Entwicklungen zu geben, obwohl Koehlers Flottenkalender von 1908 notiert, daß nun jedes der zwischenzeitlich mit Kohle betriebenen Schiffe mit Destillierapparaten ausgestattet ist, die je nach Größe 2.000 – 60.000 Liter pro Tag liefern.

Die Verwendung von Solarkonzentratoren für die solare Destillation wird erst im Jahr 1928 durch den französischen Chemiker und Mediziner Louis Pasteur beschrieben, der selbst einen Konzentrator nutzt, um Sonnenstrahlen auf einen Kupferkessel mit Wasser zu fokussieren. Der vom Kessel erzeugte Dampf wird in einen herkömmlichen wassergekühlten Kondensator geleitet, in dem sich das destillierte Wasser ansammelt. Das einfachste Prinzip einer solarthermischen Verdunstungsanlage ist hingegen die sogenannte Gewächshausdestille (Greenhouse-Prinzip).

Das Interesse an der solaren Destillation lebt nach dem Ersten Weltkrieg wieder auf. So entwirft der US-Amerikanische Astrophysiker Charles Greeley Abbot im Jahr 1930  ein solares Destillationsgerät, das dem von Mouchot ähnelt. Abbot hatte übrigens schon 1916 einen Solarofen gebaut, der mit einen Öl-Zirkulationssystem ausgestattet ist und über 150°C erreicht. Um diese Zeit herum werden auch in der UdSSR einige Forschungen zur solaren Destillation durchgeführt, über die sich bislang aber keine Details finden ließen.

In den Jahren 19301940 weckt die Trockenheit in Kalifornien neues Interesse an der Wasserentsalzung. Einige Projekte werden zwar in Angriff genommen, aber die schlechte Wirtschaftslage zu dieser Zeit erlaubt keine tatsächliche Forschung oder Anwendung.


Noch mehr wächst das Interesse während des Zweiten Weltkriegs, als Hunderte von alliierten Truppen unter Trinkwassermangel leiden, während sie in Nordafrika, auf den Pazifikinseln und an anderen abgelegenen Orten stationiert sind. Ein Team des MIT unter Leitung der Solarpionierin Maria Telkes beginnt daraufhin mit Experimenten an Solar-Destillatoren, während das U.S. National Research Defense Committee zur gleichen Zeit Forschungen zur Entwicklung solarer Entsalzungsanlagen für den militärischen Einsatz auf See fördert.

Sun Still

Sun Still

In den 1940er Jahren werden daraufhin viele Patente für kleine und tragbare Solar-Destillierapparate aus Kunststoff angemeldet, die dann für Rettungsboote oder Schiffe angepaßt und von der US-Marine ausgiebig genutzt werden. Die Geräte sind so konzipiert, daß sie im aufgeblasenen Zustand auf dem Meerwasser schwimmen.

Die ersten entsprechenden Berichte und Anzeigen erscheinen allerdings erst Ende 1951, wie z.B. über das zusammenfaltbare Modell Sun Still, eine 61 cm durchmessende Kunststoffkugel aus Vinylit, deren schwarzer Innenbeutel die Sonnenwärme absorbiert und das Wasser verdampft. Ein seitlich angebrachter flexibler Schlauch dient als ,Strohhalm’.

Besonders clever an der Apparatur der Bakelite Co. ist, daß die Salzrückstände in den Ballastschlauch geführt werden, der dafür sorgt, daß die Einheit aufrecht an der Seite des Rettungsbootes oder -floßes schwimmt. Die Kugel soll bei idealer Sonneneinstrahlung täglich rund 2,5 Liter liefern, bei Bewölkung immerhin noch 1 Liter. Ähnliche Destillierapparate sind  auch heute noch in einigen Rettungsinsel-Survival-Kits enthalten, obwohl sie meist durch manuelle Umkehrosmose-Entsalzungsanlagen ersetzt wurden.


Der Wuppertaler Prof. Ulrich Reif und sein Student Walter Heidenfels wiederum entwerfen 1987 einen kleinen, mobilen Solar-Trinkwassergenerator für die 3. Welt, für den sie den Hauptpreis des Internationalen Designpreises Osaka 1987 erhalten.

Das System funktioniert nach dem Treibhausprinzip, wobei das Salz- oder Schmutzwasser im Inneren einer pyramidenförmigen Zeltkonstruktion verdunstet, an den Seitenwänden kondensiert und in einer umlaufenden Rinne aufgefangen wird. Die Ausbeute pro Einheit beträgt rund 50 Liter Trinkwasser täglich. Das System scheint später allerdings wieder in Vergessenheit geraten zu sein.


Eine der einfachsten modernen Umsetzungen der solaren Meerwasserdestillation sind durchsichtige kegelförmige ‚Schwimmhüte’ aus dem UV-resistentem Makrolon, die eine nach innen gewölbte Auffangrinne besitzen, und die man auf der Salzwasseroberfläche schwimmen lassen kann.

Das salzige oder verschmutzte Wasser verdunstet durch die Sonneneinstrahlung und kondensiert an der Innenseite des Kegels. Wassertropfen bilden sich und laufen auf der Innenseite der Kegelwand herab in die Auffangrinne. Diese wird entleert, indem man den Deckel an der Spitze abnimmt und den Inhalt durch langsames Drehen des Kegels um 180° ausschüttet.

Das 1999 von dem Münchner Designer Stephan Andreas Augustin erfundene und später unter dem Namen Watercone bekannt gewordene System kann ebensogut auf Sumpfflächen bzw. Schmutzwasserpfützen eingesetzt werden. Oder es wird über eine schwarze Bodenwanne gestülpt, in der sich das zu destillierende Wasser befindet – und funktioniert damit auch auf dem Trockenen.

Watercones im Jemen

Watercones
im Jemen

Die Mini-Solardestille hat einen Durchmesser von 80 cm, eine erwartete Lebensdauer von bis zu fünf Jahren und liefert täglich 1 – 1,7 Liter sauberes Wasser. Die seitens der GTZ durchgeführten Messungen ergeben einen Wirkungsgrad von 40 %.

Über viele Jahre erscheinen die Watercones zwar immer wieder in der Presse, werden in Rundfunk und Fernsehen erwähnt, mehrfach ausgezeichnet und international ausgestellt – doch trotz ihres niedrigen Preises unter 20 €, der geringen Größe und der technischen Unkompliziertheit verbreiten sie sich lange Zeit nicht so schnell, wie man es sich gewünscht hätte.

Endlich engagiert sich die Hans-Hauer-Stiftung aus Deisenhofen finanziell und startet im Jemen zwischen November 2003 und Januar 2004 das erste Pilotprojekt zur Alltagstauglichkeit mit 100 Stück. Bei dem ‚Watercones – East of Aden’ genannten Vorhaben werden in einem kleinen Fischerdorf zehn Familien mit jeweils zehn Watercones zur Trinkwassergewinnung ausgestattet.

Mitbeteiligt sind CARE Deutschland (Schirmherr, ständiger Projektassistent), CARE Jemen (Hilfe in Verwaltungsangelegenheiten), das Wissenschaftszentrum Umwelt (WZU) der Universität Augsburg (wissenschaftliche Leitung), die BAYER AG (Material, PR), die Zeltec Distributions GmbH (Herstellungskosten) und die UNICEF Jemen (unabhängiger Beobachter).

Die Test-Ergebnisse zeigen, daß die Wasserqualität eindeutig den WHO-Normen entspricht, und nach Angaben der Nutzer übertrifft der Geschmack des mit dem Watercone gewonnenen Trinkwassers sogar den des käuflich erwerbbaren Flaschenwassers.

Der Autor mit seinem Watercone

Der Autor mit
seinem Watercone

Auf seiner Hompage meldet mein Freund Stephan Augustin im Frühjahr 2008, daß er mit der Münchner TiNOX-GmbH nun einen erfahrenen und kompetenten Partner gefunden hat, der Ende Sommer 2009 mit der Massenfertigung und dem weltweiten Vertrieb der Watercones beginnt. Außerdem gewinnt Augustin verdientermaßen den internationalen, renommierten Energy Globe Award 2008 für das Pilotprojekt im Jemen.

Ich selbst bestelle mir 2010 einen Watercone, um ihn mit nach Syrien zu nehmen und einzusetzen – was sich aufgrund der dortigen Geschehnisse ab 2011 bislang aber noch umsetzen ließ.

Die seit 1995 bestehende TiNOX-GmbH (o. Almeco-TiNOX GmbH), die hochselektive Absorber für Flach- und Vakuumröhrenkollektoren sowie Aluminium-Spiegelschichten für Solarkraftwerke, Prozeßwärmeanlagen und Röhrenkollektoren herstellt, ist Teil der Almeco Group, welche ihre beiden Töchter TiNOX GmbH und Almeco GmbH Anfang 2012 zu einem Unternehmen unter dem Namen Almeco GmbH verschmilzt. Es läßt sich jedoch nichts darüber finden, daß sich dieses mit dem Watercone weiterbeschäftigt hat.


Im Zuge der Recherchen stieß ich auf einen Wasseraufbereiter namens AquaCone, der auf die 1996 von dem Erfinder Frank Husson gegründeten Firma Solar Solutions LLC (o. Solar Solutions Laboratories) aus San Diego in Kalifornien zurückgeht, die sich mit der Entwicklung von fortschrittlichen Solarthermie-Technologien befaßt. Das zumindest äußerlich ähnliche Produkt soll pro Tag 1,5 – 2,5 Liter Trinkwasser bereitstellen, scheint aber nie in Produktion gegangen zu sein.

Dafür hat das Unternehmen mit einem kleinen solaren Wasser-Pasteurisierer aus Plastik mehr Erfolg. Der AquaPak, der für 22,5 $ angeboten wird, erreicht eine Temperatur von 65°C, bei der fast 100 % aller Pathogene abgetötet werden. Je nach Verfügbarkeit von Sonnenlicht während des Tages kann ein AquaPak bis zu 15 Liter sicheres Trinkwasser pro Tag produzieren, genug für eine vierköpfige Familie.

AquaPak

AquaPak

Der AquaPak ist für die Massenproduktion in Ländern der Dritten Welt konzipiert und soll dort für nur einen Dollar hergestellt werden können. Um verläßlich den Beginn des Pasteurisierungsprozesses anzuzeigen, gibt es ein wiederverwendbares versiegeltes Glasröhrchen, das an einem Ende mit farbigem Wachs gefüllt ist, das schmilzt, wenn die erforderliche Temperatur erreicht wird. Dabei handelt es sich um den von Dale Andreatta und Fred Barrett erfundenen  Water Pasteurization Indicator (WAPI), der ausführlich im Kapitelteil der Solaren Wasseraufbereitung vorgestellt wird.

Der AquaPak wird insbesondere im März 2014 bekannt, als das Henry Ford Innovation Institute die Wasserpasteurisierer der World Health Student Organization an der Wayne State University zur Verfügung stellt, um sie von Medizinstudenten der Organisation auf ihren Reisen nach Ecuador, Nicaragua, Peru und in andere Länder einzusetzen.


Seit über 50 Jahren soll es schon den Aquamate Solar Still (o. Solar Destillator) geben – eine aufblasbare, leichte, kompakte, schwimmende und sehr einfach zu bedienende Solar-Destille aus PVC, die an das obige Modell Sun Still erinnert – oder sogar davon abgeleitet ist.

Das zusammengefaltet nur 36 x 22 x 6 cm große und 1,35 kg schwere Objekt kann pro Tag 0,25 – 1,8 Liter Trinkwasser produzieren und wird von verschiedenen Firmen zu Preisen von 150 – 250 $ angeboten. Hersteller ist die 1998 gegründete britische Firma Aquamate Products Ltd. aus Essex (zuvor: Auto-Marine Utilities Ltd.). Der aktuelle Preis der Solar-Destille, die auch eine NATO-Bestands-Nummer hat (4610-66-144-2646), liegt zwischen 230 € und 350 € (Stand: 2022).


Kontextbezogen soll hier auf eine weitere Variante hingewiesen werden, die im November 2024 in den Blogs erscheint.

Solar-Destilliergerät der Dalhousie University

Solar-Destilliergerät
der Dalhousie University

Dabei handelt es sich um ein schwimmendes Solar-Destilliergerät von Forschern der Dalhousie University in Kanada, das pro Quadratmeter Material täglich 3,5 Liter Wasser reinigen kann, was er bei Praxistests bereits beweisen hat.

Das Beste an dieser Destille ist, daß sie aus alten Autoreifen hergestellt wird, aus denen durch Pyrolyse kohlenstoffreiche Kohle erzeugt wird, die dann mit plasmonischen Titankarbiden vermischt als hauchdünne Schicht auf die Oberfläche des schwimmenden Schaums unter der Kuppel aufgebracht wird.

Als Bonus kann das Solar-Destilliergerät auch so modifiziert werden, daß es durch den thermoelektrischen Effekt auch eine kleine Menge Strom erzeugt, die ausreichen, um kleine Wasserqualitätssensoren zu betreiben.


Doch nun weiter mit der Chronologie erwähnenswerter Ansätze und Initiativen, die sich mit der Lösung des Trinkwasserproblems mittels der Solarenergie beschäftigen.


Im März 2007 will das US-Unternehmen Open Energy Corp. aus dem kalifornischen Solana Beach (früher: Barnabus Energy, später: Applied Solar Inc.) seine Suncone genannten Solarkonzentratoren auf den Markt bringen. Über diese Technologie habe ich bereits im Kapitel Optimierungs- und Verstärkungstechniken berichtet.

Es handelt sich dabei um eine Gruppe zusammenfaltbarer, konisch geformter thermischer Konzentratoren aus Aluminium-beschichtetem Kunststoff, welche die Sonnenstrahlen wie in einem Trichter bündeln. In Verbindung mit einer dampfbetriebenen ‚Kinetic Pump’ läßt sich die Anlage zur Meerwasserentsalzung einsetzen. Leider hört man später nichts mehr von dieser Entwicklung.


Im Mai 2007 präsentieren Ingenieure der New Mexico State University (NMSU) um Prof. Nirmala Khandan eine weitere preisgünstige Alternative um Meerwasser zu entsalzen, die sogar rund um die Uhr funktionieren soll. Ein auf dem Campus der NMSU in Las Cruces errichteter Prototyp kann einen 4-Personen-Haushalt versorgen. Nähere Details dazu finde ich jedoch nicht.


Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesystem (ISE) in Freiburg stellt Anfang 2008 die dort im Laufe der letzten Jahre mit EU-Förderung entwickelten kleinen und dezentralen Entsalzungsanlagen mit autonomer Solarenergie-Versorgung vor, die auf der Membrandestillation basieren.

Die Forscher haben bisher zwei unterschiedliche Systeme realisiert: Ein Kompaktsystem für etwa 120 Liter Frischwasser pro Tag mit 6 m2 thermischen Solarkollektoren, einem kleinen Photovoltaikmodul zur Versorgung der Pumpe und einem Entsalzungsmodul - sowie ein Zwei-Kreissystem, bei dem mehrere Entsalzungsmodule parallel geschaltet und dadurch auch mehrere Kubikmeter Wasser pro Tag aufbereitet werden können. Die Kosten für einen Kubikmeter Trinkwasser liegen allerdings noch bei etwa 10 €, was für die meisten Länder viel zu hoch ist.

Erste Testanlagen auf Gran Canaria und in Jordanien laufen bereits seit einiger Zeit erfolgreich, weshalb die Forscher nun planen, ihre Anlagen ab Mitte des Jahres über ihre neugegründete Firma SolarSpring zu vermarkten. Mehr darüber findet sich im Kapitelteil zu den großtechnischen solaren Meerwasser-Entsalzungsanlagen.

Die SolarSpring bietet übrigens auch ein vollständig solarbetriebenes, automatisches UV-Desinfektionssystem namens SolarUV Oryx an, das ohne den Einsatz von Chemikalien sauberes Trinkwasser für abgelegene und ländliche Gebiete liefert. Weitere solche Systeme finden sich unter Solare Wasseraufbereitung.


Ebenfalls in der Form eines Konus, aber sehr viel größer, ist die patentierte WaterPyramid des Niederländers Matijn Nitzsche, das Mitte 2008 in den Blogs vorgestellt wird.

Nitzsche gründet 2002 in Delft die Firma Aqua-Aero WaterSystems BV, um nachhaltige Lösungen für Probleme im Wasserbereich zu finden, wobei sich die Aktivitäten des Unternehmens insbesondere auf Curacao in Westafrika, auf die indischen Bundesstaaten Gujarat und Rajasthan sowie auf das indonesische Archipel konzentrieren.

Wichtigstes Produkt ist eine hybride Wasserpyramide, deren erstes Exemplar in der wasserarmen Kutch, in Gujarat, und das zweite (2005 ?) in der Thar-Wüste im Gebiet von Rajasthan errichtet wird. Die rund 1.000 Einwohner des dortigen abgelegenen Dorfes Roopji Raja Beri nahe Pachpadra, etwa 125 km von Jodhpur entfernt, bzw. deren Frauen, mußten bislang täglich 4 km laufen, um Trinkwasser heranzuschaffen, da das Dorf nur über eine Salzwasserquelle verfügt.

Die aufblasbare Struktur aus robuster Folie nutzt die Sonnenenergie um verschmutztes oder verunreinigtes Wasser zu verdunsten und anschließend zu Trinkwasser zu kondensieren. Und während die in Indien Shiv Jal Dhara bezeichnete WaterPyramid auf der Innenseite destilliertes Wasser erzeugt, wird die Außenseite verwendet, um während der Regenzeit Regenwasser zu sammeln. Dieses wird getrennt gesammelt, gereinigt und in einem großen Erdtank gespeichert.

Mit einer Höhe von 9 m, einem Durchmesser von 30 m und einer Grundfläche von rund 650 m2 produziert die Pyramide täglich bis zu 1.250 Liter destilliertes Wasser, was dem lokalen Verbrauch mehrerer Hundert Menschen entspricht. Die Menge des gesammelten Regenwassers wiederum ist abhängig von den Niederschlagseigenschaften des Standortes. Im Durchschnitt kann man mit 600 m3 pro Saison rechnen.

Die Energie, die für den Überdruck innerhalb der WaterPyramid benötigt wird, stammt von Solarzellen in Kombination mit einem Batterie-Backup-System. Sporadisch auftretender Spitzenbedarf, z.B. bei Löchern oder Wartungsarbeiten, werden mit einen kleinen Generator-System abgedeckt.

Unterstützt wird das Projekt vom dem niederländischen Jacob Soetendorp Institute for Human Values, der indischen Jal Bhagirathi Foundation (JCF) und dem US-amerikanischen Acumen Fund. Im Jahr 2006 zeichnet die Weltbank das Projekt mit dem Development Marketplace Award aus.

 

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