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MICRO ENERGY HARVESTING

Felder und Wellen

Elektrostatik (II)


Im Zuge des Micro-Energy-Harvesting richtet sich das Interesse nach der Milleniumswende erneut auf elektrostatische Wandler (Electrostatic Transducers) als Energielieferanten. Deren grundlegender Aufbau ist sehr einfach: Vor einer festen Elektrode liegt als Gegenelektrode eine dünne, leitende isolierte Folie. Als schwingende Membran bestimmt sie die Eigenfrequenz, die sich wegen ihrer geringen Masse relativ hoch auslegen läßt. Eine bekannte Umsetzung dieses Prinzips ist das Kondensatormikrofon, das als elektroakustischer Wandler Schalldruckimpulse in entsprechende elektrische Spannungsimpulse umwandelt.

Das Patent für einen elektrostatischen Aktuator läßt sich die Firma Mitsubishi Chemical Corp. im Jahr 1996 erteilen (US-Nr 5.552.654, angemeldet 1994).


Zu den ersten, die sich mit elektrostatischen Inertial-Generatoren beschäftigen, gehört eine Gruppe um A. P. Chandrakasan am MIT in Cambridge, die bereits in den Jahren 2000 und 2001 über den ersten funktionierenden, elektrostatischen Mikrogenerator berichten.

Dabei beschreiben sie ein monolithisches MEMS-Bauelement mit einer sich seitlich bewegenden Masse und einem elektrostatischen Wandler mit sogenanntem Kammantrieb. Über eine erfolgreiche Netto-Stromerzeugung aus diesen Geräten wird aber nicht berichtet.


Ebenfalls 2000 erscheint der Bericht eines Forscherteams um Ryoichi Tashiro am Saitama Cardiovascular and Respieratory Center in Japan, an dem auch Kollegen der Firma Terumo Corp. und der Waseda University beteiligt sind. Hier wird an der Entwicklung eines trägheitselektrostatischen Wandlers gearbeitet, der für eine in-vivo-Stromversorgung von Geräten wie einem Herzschrittmacher Verwendung finden soll.

Um die zur Verfügung stehende Beschleunigung der Herzbewegung zu schätzen, legen die Wissenschaftler einen Drei-Achsen-Beschleunigungssensor direkt an die linke Herzkammerwand einer kleinen Ziege. Wird der Generator mit einer Resonanzfrequenz von 4,76 Hz und einer Prüfmasse von 640 g durch eine Bewegung erregt, die äquivalent zu der an der Ziege gemessenen ist, erzeugt er 58 µW.


Ähnliche Geräte werden auch von Shad Roundy et al. an der University of California at Berkeley untersucht, welche im November 2002 den ersten Bericht über die Entwicklung, Optimierung und Herstellung eines elektrostatischen Wandlers mit integrierter Ausgangselektronik veröffentlichen, dessen Konzept den ersten Arbeiten von Chandrakasan et al. ähnlich sei. Nachdem detaillierte Modelle von drei verschiedenen Design-Konzepten entwickelt werden, zeigen Simulationen des optimierten Designs, daß damit eine Ausgangsleistungsdichte von 116 µW/cm3 möglich ist.


Auch am belgischen Forschungszentrum IMEC (Interuniversitair Micro-elektronica Centrum vzw) der Universität Leuven arbeitet man schon früh an elektrostatischen Wandlern zur Energieerzeugung, die mit wenigen Ausnahmen auf Resonanz aufbauen. Tom Sterken et al. berichten im Juni 2003 von einem derartigen Gerät, das mit einer Größe von 2 mm3 bei 1 kHz etwa 12 nW erzielt.

IMEC-Prinzip Grafik

IMEC-Prinzip (Grafik)

Im Allgemeinen haben elektrostatische Vorrichtungen den Nachteil, daß bei jedem Zyklus eine Vorladungsspannung angelegt werden muß, was aber durch die Verwendung von integrierten Elektreten vermieden werden kann.

Ein Elektret ist ein dielektrischer Polymer, d.h. ein elektrisch isolierendes Material, das quasi-permanent gespeicherte elektrische Ladungen enthält und somit ein quasi-permanentes elektrisches Feld in seiner Umgebung oder in seinem Inneren erzeugt. Der Name, der von dem englischen Physiker Oliver Heaviside aus dem Jahr 1885 stammt, ist in Anlehnung an das Wort Magnet entstanden und soll zeigen, daß der Elektret als elektrostatisches Analogon zum Permanentmagneten gesehen werden kann. Elektret-Materialien umfassen u.a. Siliziumnitrid, Siliziumoxid sowie Teflon.

Das neue Design auf Basis mikroelektronischer Mikromaschinen (Microelectromechanical Systems, MEMS) besteht aus zwei Wafern, wobei der obere eine bewegliche Elektrode enthält, die an zwei starr befestigten, als Feder fungierenden Balken aufgehängt ist. Zusammen mit zwei weiteren, aber unbeweglichen Elektroden auf beiden Seiten, bilden die Anordnung zwei miteinander verknüpfte variable Kondensatoren. Im unteren Wafer befindet sich ein dielektrisches oder Elektret-Material, das von einer Elektrode kontaktiert werden kann.

Der Wandler nutzt die variable Kapazität zwischen einer schwingenden Masse und einer Referenzmasse. Bei Bewegung der Masse verändert sich die Überlappungsfläche zwischen den parallelen Platten des Kondensators, und damit auch dessen Kapazität, was wiederum einen elektrischen Strom in einer externen Schaltung erzeugen kann.

Im Oktober 2004 wird von einem Prototyp mit einer Fläche von etwa 2,65 mm2 berichtet, auf der zweimal 255 Kammpaare realisiert sind Das Bauteil besitzt eine Resonanzfrequenz von 980 Hz und dürfte bei Anregung durch eine externe Vibration mit 0,1 µm Auslenkung eine Leistung von 1 µW erzeugen. Im Jahr 2005 werden mit einem 5 cm3 großen und 50 g schweren Harvester bei 5 Hz 300 nW erreicht. Ab diesem Jahr werden die Forschungen in dem vom IMEC und der Niederländischen Organisation für Angewandte Naturwissenschaftliche Forschung (TNO) mit Unterstützung des niederländischen Wirtschaftsministeriums und der Regierung von Flandern gegründeten Holst Centre weitergeführt.


Einem Team des Imperial College London um Prof. Eric M. Yeatman und P. Miao berichtet im September 2006 vom erfolgreichen Betrieb einer nicht-resonanten MEMS-Vorrichtung, die besonders für biomedizinische Niederfrequenz-Anwendungen geeignet ist, wie beispielsweise die Körperbewegung. Der auf Coulomb-Kräften basierende parametrische Generator wird unter Verwendung einer Konstruktion mit drei Wafern hergestellt.

Yeatman kooperiert gemeinsam mit seinem Kollegen Michail E. Kiziroglou ab 2006 auch mit dem o.g. IMEC. Diese Gruppe stellt im April 2008 einen neuartigen elektrostatischen Mikrogenerator vor, der eine frei rollende Walzstange besitzt, während alle anderen Komponenten monolithisch integriert sind und mit Standardmethoden der Oberflächenbearbeitung produziert werden können.

Metallzylinder-Harvester

Metallzylinder-Harvester

Das Funktionsprinzip beruht auf einer Reihe von Streifenelektroden, welche die festen Platten des variablen Kondensators bilden und von einer dünnen dielektrischen Schicht bedeckt sind. Ein winziger Metallzylinder aus Edelstahl bildet die bewegliche Gegenelektrode. Ist der Zylinder nach einer der Streifenelektroden ausgerichtet, hat er direkten Kontakt zu einem zusätzlichen, schmalen Ladekontakt, durch den die notwendige Ladung angelegt wird. Dies erzeugt eine elektrostatische Kraft zwischen dem Zylinder und der Streifenelektrode.

Eine Bewegung der Vorrichtung – z.B. durch Vibration – verursacht ein Abrollen des Zylinders, was den Kontakt mit der Ladungszufuhr unterbricht. Die Trennung wird dann bei konstanter Ladung erhöht, so daß sich die Kapazität verringert. Die gespeicherte Energie wiederum erhöht sich durch die Arbeit, die gegen die elektrostatische Kraft aufgebracht wird. Weiter rollend nimmt der Zylinder dann Kontakt mit einer Entladungselektrode auf, um diese Energie in Form eines Hochspannungsimpulses freizugeben.

Es gelingt, den erfolgreichen Betrieb der abgebildeten Vorrichtung nachzuweisen (2,4 mW bei 20 Hz), die den Anforderungen einer Massenherstellung und eines Breitbandbetriebs besonders gut entsprechen soll. Die Abmessungen sind in Millimetern und in dem Einschaltbild ist ein ganzer Wafer mit den elektrostatischen Mikrogeneratoren zu sehen. 


Weitere Forschungen werden durch Makoto Mizuno von der Canon Incorporation in Japan gemeinsam mit Derek G. Chetwynd von der britischen University of Warwick durchgeführt, die im März 2003 über eine elektrostatische Vorrichtung berichten, welche ein Elektret mit variablem Luftspalt verwendet und bei Test mit einer Resonanzfrequenz von 743 Hz einen Output von 16 mV erreicht.

Bei diesen Arbeiten ist der Ansatz, eine mechanisches Resonanzelement zu entwickeln, das seismische Schwingungen in nutzbare Bewegung überträgt und in Form von Arrays gestapelt werden kann, um die Leistung zu erhöhen.


Im Juli 2005 folgt eine Veröffentlichung durch Ghislain Despesse von französischen Laboratoire d’Électronique des Technologies de l’Information (LETI) – MINATEC, S. Basrour von der University Joseph Fourier in Grenoble und weitere Kollegen, die einen elektrostatischen Mikrogenerator mit 100 Hz Bandbreite beschreiben, der Schwingungen über ein breiteres Spektrum ernten kann.

Bei 50 Hz und mit einem Wirkungsgrad von etwa 60 % wird eine Leistung von 1 mW erzielt.


Ein Team um B. C. Yen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge berichtet im Februar 2006 von der Entwicklung einer elektrostatischen Vorrichtung mit einer Nutzleistung von 1,8 µW, die auf einer asynchronen Dioden-basierten Ladungspumpe in Kombination mit einer induktiven Energierücklaufschaltung besteht, welche die Initialenergie bereitstellt.


Ab Oktober 2006 befassen sich auch Wissenschaftler um Prof. Oliver Paul am IMTEK der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg mit Elektret-basierten Mikrogeneratoren, welche vibratorische in elektrische Energie umwandeln. Hier wird im Einzelnen daran gearbeitet, die seismische Masse des Resonators mit Polymer-Federn aus Parylene-C aufzuhängen, das auch selbst als Elektret verwendet werden kann, und gleichzeitig ein nicht-lineares Frequenzverhalten und eine Frequenz-Skalierung zu realisieren.

Damit wird es möglich, niederfrequente Umgebungsvibrationen in höherfrequente Schwingungen umzuwandeln, um mehr Energie zu erzeugen. Zudem soll durch das nicht-lineare Federverhalten ein breitbandiges Ernten der Energie ermöglicht werden. Benötigte Resonanzfrequenzen für Anwendungen am bewegten menschlichen Körper liegen im Bereich von einigen Hz bis wenigen 100 Hz.

Die Arbeiten am IMTEK konzentrieren sich dabei auf die neuen, vielversprechenden Polymere Cytop und PDMS, wobei sich Cytop gleichzeitig als robustes Aufbau- und Verbindungsmaterial bzw. als weichelastisches Material für mechanische Strukturkomponenten eignet. Die Elektretstrukturen werden mit Elektroden und Gegenelektroden auf mikromechanische Resonatoren integriert, welche durch externe Vibrationen in Schwingung versetzt werden. Je nach Anwendungsszenario sind ein- oder mehrdimensionale Schwinger von Vorteil.

Omron-Generator

Omron-Generator


Im November 2008 präsentiert die japanische Firma Omron Corp. mit Hauptsitz in Kyōto den Prototyp eines winzigen Generators, der aufgrund seiner einfachen Struktur für einen Preis um 10 $ auf den Markt kommen soll. Bei einer Input-Frequenz von 20 Hz sollen 10 μW Strom erzeugt werden, die über eine Zeitspanne von einigen Dutzend Sekunden bis zu einigen Minuten in einem Kondensator kulminiert werden und anschließend drahtlose Sensoren und Kommunikationsgeräte betreiben.

Der Omron-Generator arbeitet mit einem Elektret-Stromerzeugungssystem, dessen Kapazität sich in Abhängigkeit von der relativen Position der sich gegenüberliegenden Elektroden verändert, wobei jede Änderung einen elektrischen Stromfluß erzeugt. Als Elektret wird CYTOP eingesetzt, ein flüssiges Polymer-Material der Firma Asahi Glass Co. Ltd. Die Maße des Prototyps betragen 20 x 20 x 8 mm. Die nächste Generation, die bereits in der Entwicklung ist, soll eine Höhe von nur 4 mm haben.

Im April 2013 erfolgt auf Initiative von Prof. Yuji Suzuki an der University of Tokyo die Gründung der Electret Energy Harvester Alliance als Partnerschaft zwischen der Industrie und der akademischen Gemeinschaft, um die Forschung, Entwicklung und Verbreitung von Elektret-Schwingungs-Stromerzeuger zu fördern. Neben den Partnern Omron und Asahi Glass sind an der Allianz auch noch die Firmen Techno Design Co. Ltd., Konishiyasu Co. Ltd. und THHINK Wireless Technologies Ltd. beteiligt.

Elektret-Harvester der University of Tokyo

Elektret-Harvester der
University of Tokyo

Bereits im Juli 2014 stellt das letztgenannte Unternehmen drei Energie-Harvester vor, die auf dieser Technologie basieren und im Laufe des Jahres 2015 in Produktion gehen sollen. Bei einem Gleichstrom-Output von 5,2 V und einer Schwingung von 30 Hz erzeugen sie 0,1 - 1,0 mW. Ein Design der nächsten Generation, das Rotationsenergie wie zum Beispiel von einer Mikrowindturbine ernten und mehrere mW Leistung erzeugen kann, wird ebenfalls präsentiert.

Die Szene in diesem Forschungsbereich scheint gut vernetzt zu sein, denn ebenfalls im Juli 2014 stellt Omron – nun im Kooperation mit dem IMEC – den Prototyp eines 15,4 g schweren und mit 5 x 6 cm extrem kompakten Schwingungsenergie-Wandlers vor, der Gleichstrom im Mikrowattbereich für Sensoren liefert und sich durch die weltweit höchste Effizienz von 73 % auszeichnet.

In dem leistungsoptimierten Modul sind der elektrostatische Ernter und die Power-Management-Elektronik integriert, und der Versorgungsausgang kann auf jeden Wert zwischen 1,5 V und 5 V eingestellt werden. Zudem soll sich das Modul zukünftig auf 2 x 2 cm verkleinern lassen.


Im April 2009 berichtet die Fachpresse über eine neue Folie namens Dielectric Electro Active Polymer (DEAP), die das 2008 als Teil der Danfoss-Gruppe gegründete dänische Unternehmen Danfoss PolyPower A/S in Nordborg entwickelt hat und die ihre Länge ändert, sobald man eine elektrische Spannung anlegt. Sie arbeitet nach dem Prinzip eines Kondensators, bei dem die Isolationsschicht zwischen den leitenden Flächen, das Dielektrikum, flexibel ist. Der Silikonfilm ist von außen mit einer hauchdünnen Silberschicht überzogen.

DEAP-Prinzip Grafik

DEAP-Prinzip (Grafik)

Legt man eine hohe elektrische Spannung an den leitfähigen Überzug an, bewirkt der elektrostatische Druck, daß sich die Folie in der Fläche verbreitert und in der Dicke zusammenzieht, da das elektrische Feld zwischen den Außenflächen eine Kraft erzeugt, die auf das elastische Dielektrikum wirkt. Es ist ähnlich wie der Balg einer Ziehharmonika gefaltet, sodaß es unter Druck seine Länge verändert. Da die Metallschicht mikrostrukturiert ist und eine patentierte Wellenform hat, kann sich das gequetschte Elastomer in Richtung der Wellen ausdehnen, nicht aber quer dazu. So entsteht ein Aktor mit linearem, unidirektionalem Hub.

Das Gummiband, das neben seinen aktorischen auch nochsensorische Eigenschaften besitzt, wird als eine Plattform-Technologie für eine Vielzahl von Anwendungen betrachtet. Zu den besonderen Vorzügen des Materials gehört, daß es sehr leise arbeitet, sehr leicht ist (da gerade einmal 40 µm dick) und keine beweglichen Teile benötigt, um zu funktionieren. Dies ist auch beim Einsatz als Generator der Fall.

Wird nämlich an einem gestreckten Stück der PolyPower-Folie eine Spannung angelegt, und die Folie anschließend entspannt, erhöht sich die Spannung deutlich, indem mechanische Energie in Strom umgewandelt wird, der sich anschließend abgreifen läßt.

Bereits näher an der praktischen Umsetzung ist ein Stoff, den Danfoss im März 2013 vorstellt, der die elektrostatische Folie verwendet, um bei sportlichen Aktivitäten Informationen über die Leistung der Athleten – und ggf. auch deren Energie – zu sammeln.

Solche Messungen umfassen Daten der Knie- und Ellenbogenwinkel, Ausrichtung der Schultern, Atemfrequenz, Muskelvolumen und andere Informationen, um maximale Ergebnisse zu erzielen.

Zudem berichtet die Presse, daß das Unternehmen an einer Demonstrationsanlage im kW-Bereich arbeitet, die zukünftig zur Nutzung der Offshore-Wellenenergie dienen soll. Diese Entwicklungen laufen im Rahmen einer größeren Forschungsgruppe, die sieben dänische Unternehmen sowie drei Universitäten umfaßt. Das Vier-Jahres-Projekt wird teilweise von der dänischen Advanced Technology Foundation finanziert. Was aus dem Gemeinschaftsprojekt inzwischen geworden ist, ließ sich bislang nicht herausfinden.

EpoSil-Versuch

EPoSil-Versuch


Dessen ungeachtet wird nur wenige Monate später, im Juli 2013, über ein ausgesprochen ähnliches Projekt berichtet, das diesmal von der deutschen Firma Robert Bosch GmbH verfolgt wird. Auch hier geht es darum, das elektrostatische Prinzip zu nutzen, um die Energie von Meereswellen in elektrischen Strom umzuwandeln.

Der Name des Projektes ist sein Programm: Elektroaktive Polymere auf Silikonbasis zur Energiegewinnung (EPoSil). Auf die Idee, dielektrische Elastomere zur Wellenenergienutzung einzusetzen, ist das Forschungsteam unter der Leitung von Istvàn Dénes bereits fünf Jahre zuvor durch Kollegen aus der zu Bosch gehörenden Firma Bosch Rexroth gebracht worden, die damals als Zulieferer für Wellenkraftwerke tätig war.

An dem sich daraus entwickelnden Forschungsprojekt sind außer der Robert Bosch GmbH und der Bosch Rexroth noch die Firma Wacker Chemie, das Winnender Ingenieurbüro Brinkmeyer & Partner sowie die technischen Universitäten in Darmstadt und Hamburg-Harburg beteiligt. Als Unterauftragnehmer fungiert die Schweizer Firma Compliant Transducer Systems. Für das bis 2015 laufende Projekt stehen dem Konsortium 4 Mio. € zur Verfügung, von denen knapp die Hälfte vom Bundesforschungsministerium stammt.

Der inzwischen von der Technischen Universität Darmstadt hergestellte Demonstrator besteht aus einem Stapel von 1.400 haarfeinen Modulen aus Elastomer, von denen jedes nur 50 µm dick ist. Oben und unten sind die Module mit einem elektrisch leitenden Stoff beschichtet. Da das Elastomer selbst den Strom nicht leitet, bildet das Modul also eine Art Kondensator.

Die Umsetzung soll wie folgt geschehen: Eine steigende Welle drückt das Modul zusammen, das dabei in die Breite gequetscht wird, da sich das Elastomer nicht komprimieren läßt. Auf dem Höhepunkt der Welle werden die vergrößerten, leitenden Flächen elektrisch aufgeladen. Beim Absinken der Welle schrumpft das Modul, seine Fläche wird kleiner, und die vorhandene elektrische Aufladung führt zu einer höheren Spannung. Diese Energie wird ins Stromnetz geleitet, und der Zyklus beginnt von vorne.

Die Forscher rechnen damit, das die am Anfang des Zyklus zugeführte elektrische Energie etwa verdoppelt werden kann. Unter dem Strich sollen auf diese Weise ca. 20 % der mechanischen Energie einer Meereswelle in elektrische Energie umgewandelt werden. Diskutiert werden dabei in einem Käfig am Meeresboden verankerte Elastomer-Stapel, die mit einer Boje verbunden sind, welche nach oben zieht, wenn eine Welle kommt, und so die Kompression bewirkt. In einem Kraftwerk dieser Art hätte jeder Modulstapel eine Fläche von 1,5 m2 und wäre 5 m hoch.

Alternativ ist eine Technik angedacht, bei der ein mehrere hundert Meter langer Elastomer-Schlauch mit 1,5 m Durchmesser von Meerwasser durchflossen und dabei gepreßt und gestaucht wird. Das System ähnelt damit dem Anaconda genannten Modell der britischen Firma Checkmate Seaenergy Ltd., das ich bereits im entsprechenden Absatz zur Wellenenergie ausführlich beschrieben habe (s.d.)

An der TU Hamburg-Harburg, die einen großen Wellenkanal besitzt, sollte 2014 ein weiterer Test der Technik in Form eines verkleinerten Wellenkraftwerks stattfinden. Bislang lassen sich aber keine weiteren Schritte bei diesem Projekt nachweisen.


Zurück zur Chronologie. Eine ganz andere Form ‚statischer Energie’ entdecken amerikanische und deutsche Physiker an der amerikanischen Yale University unter der Leitung von Prof. Jack Harris, die ihre Ergebnisse im Oktober 2009 veröffentlichen. Die theoretischen Vorhersagen gehen auf eine 15 Jahre alte Doktorarbeit von Felix von Oppen zurück, der am Dahlem Center for Complex Quantum Systems an der FU Berlin forscht.

Nano-Metallringe

Nano-Metallring

Seit den Anfängen der Quantenphysik in den 1920er und 1930er Jahren wurde immer wieder vermutet, daß in winzigen Metallringen mit einem Durchmesser von etwa einem Mikrometer elektrische Dauerströme fließen könnten. Diese Ströme sind zwar klein, existieren aber dauerhaft auch ohne angelegte Spannung. Einen experimentellen Nachweis dafür zu erbringen erwies sich jedoch als äußerst schwierig.

Nach langjähriger Optimierung gelingt es nun mit Hilfe eines Nanokantilevers - einer Art schwingendem Miniatursprungbrett -, die Dauerströme viel präziser als bisher nachzuweisen und zu vermessen. Dabei werden die Metallringe auf die Spitze des Nanokantilevers aufgebracht. Der in den Ringen fließende Strom führt zu einer magnetischen Kraftwirkung auf diesen und kann so mittels der dadurch veränderten Schwingungen des ‚Sprungbretts’ nachgewiesen werden.

Die tatsächliche Existenz der Dauerströme ist auch für Fachleute überraschend, da sie in gewöhnlichen, nicht supraleitenden Metallen auftreten, in denen gemeinhin Ströme aufgrund des elektrischen Widerstands nur bei angelegter Spannung fließen können. Die gemessenen Dauerströme beruhen auf einem Effekt der Quantenphysik, der die Bewegung von Elektronen in Metallen beeinflußt. Letztlich kann man sie sich als Ausdruck derselben Bewegung vorstellen, die es den Elektronen im Atom erlaubt, unaufhörlich um den Atomkern zu kreisen.

Bislang ist allerdings unklar, ob sich diese Ströme auch im Bereich des Micro Energy Harvesting nutzen lassen. Auf alle Fälle werden neue Einsichten in das Verhalten von Elektronen in Metallen erwartet, deren Resultate bei der Entwicklung neuer Supraleiter sowie Qubits dienen könnten, den Bausteinen eines zukünftigen Quantencomputers.

Im Dezember 2014 erhält Harris von der W. M. Keck-Stiftung einen Zuschuß in Höhe von 1 Mio. $, um weitere Experimente zu finanzieren, von denen man sich neue Einblicke in die Quantengravitation erhofft. Was vermutlich interessanter ist, als sich weiter damit zu beschäftigen, winzige Mengen Energie zu sammeln.


Im Dezember 2009 kursieren Meldungen, denen zufolge Wissenschaftler in Russland eine Einrichtung präsentiert haben, die als Chizhevsky-Kronleuchter (Chizhevsky Chandelier) bezeichnet wird und statische Elektrizität aus der Luft in nutzbare Elektrizität umwandeln soll. Das entsprechende Patent trägt die Nummer RU 2250114. Der Name geht auf den Biologen und Physiker Alexander Leonidovich Chizhevsky zurück, der sich bereits in den später 1910er Jahren intensiv mit der Luft-Ionisierung beschäftigt hat.

Leider sind die Informationen äußerst dürftig. Es wird nur gesagt, daß das Gerät über eine Metallplatte verfügt, die Partikel aus dem Kronleuchter akkumuliert und sie über einen Draht zu einer Sammeleinheit überträgt. Dabei werden 40 V produziert, was sich dem Forscherteam zufolge aber noch beträchtlich steigern ließe. Über nähere sachdienliche Hinweise würde ich mich freuen.


Daß das Prinzip der statischen Aufladung vermutlich deutlich komplizierter ist als bisher gedacht, ist das Ergebnis einer im Juli 2011 veröffentlichen Studie von Forschern um den Physiker B. A. Grzybowski an der Northwestern University in Illinois. Sie nehmen an, daß die statische Elektrizität zwischen zwei verschiedenen Materialien auch die Übertragung von Molekülen umfaßt, und nicht nur von Elektronen.

Vorangegangen waren Versuche, bei denen Materialien unterschiedlicher Größe verwendet werden, deren größerer Teil negativ, der kleinere positiv geladen ist. Anschließend werden die Materialien langsam erhitzt, um die ,gefangenen’ Elektronen freizusetzen. Bei diesem Prozeß werden Photonen abgegeben, die nun gezählt werden, um dadurch auf die Anzahl der Elektronen schließen zu können. Dabei stellt sich jedoch heraus, daß die Dichte der Elektronen viel kleiner ist, als sie laut Theorie eigentlich hätte sein dürfen: Sie erreicht nicht mal 1/100.000 davon. Womit klar ist, daß sich der im Alltag tausendfach beobachte Effekt nicht mit Transfer von Elektronen erklären läßt.

Dabei wird seit Jahrhunderten angenommen, daß sich die statische Elektrizität, die entsteht, wenn dielektrische Materialien in Kontakt gebracht und dann getrennt werden, aus räumlich homogenen Materialeigenschaften entlang der Materialoberfläche ableitet, und daß sich die Ladungen in einem gegebenen Paar von Materialien gleichmäßig positiv bzw. negativ aufbauen.

Und daß auch das Bild der Kontaktladung nicht korrekt ist, belegt ein Team unter der Leitung von Heinrich Jaeger an der University of Chicago, das im August 2014 über seine Beobachtungen an granularer Materie berichtet. Modelle der Übertragung von gefangenen Elektronen erklären zwar die Annahme, daß die triboelektrische Aufladung desselben Materials von der Partikelgröße abhängt, wobei große Körner positiv und kleine negativ werden, konnten bisher aber nicht validiert werden.

Nun wird festgestellt, daß jede Oberfläche ein zufälliges ,Mosaik’ von entgegengesetzt geladenen Regionen in nanoskopischer Dimension unterstützt. Diese Mosaiken von Oberflächenladung haben die gleichen topologischen Eigenschaften für verschiedene Arten von elektrifizierten Dielektrika und bieten Platz für wesentlich mehr Ladung pro Flächeneinheit als bisher angenommen. Dies deutet darauf hin, daß weitere negativ geladenen Objekte dafür verantwortlich sind, wie Ionen aus Wassermolekülen, welche die Körner umhüllen, oder die Übertragung von Zirkoniumdioxid-Silikat-Molekülen zwischen den Körnern selbst.

 

Weiter mit der Elektrostatik...