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MUSKELKRAFT

Über- und Unterwasser (IX)


Nach einer Vorbereitungszeit, die der er unter anderem die Nordsee überquert, radelt Ebrahim Hemmatnia, ein iranisch-niederländischer Abenteurer und Gründer der World With No Borders Foundation, zwischen November 2014 und Januar 2015 ohne Begleitschiff in 68 Tagen über den Atlantischen Ozean. Obwohl er die überwiegende Zeit der 2.371 km Fahrt auf See verbringt, muß er von der brasilianischen Küste bis in die Stadt São Paulo auch 70 km weit über’s Trockene in die Pedale treten.

Eigentlich wollte Hemmatnia von Dakar im Senegal aus schon im Herbst 2013 zu einer 50.000 km langen Weltumrundung entlang des Äquators aufbrechen, bei der er sich im Laufe von 800 Tagen 35.000 km weit über Land und 15.000 km weit über das Wasser fortbewegt hätte. Diese Pläne mußte er aber erst einmal verschieben.

Boat Bike

Boat Bike

Für die nun durchgeführte Fahrt nutzt er ein gemeinsam mit dem Yacht-Designer Dick Koopmans Jr. gefertigtes Boat Bike (o. Melanie, früher: Ad Infinitum), ein 6 m langes und 1,4 m breites selbstaufrichtendes pedalbetriebenes Amphibienfahrrad aus superleichtem Material mit abnehmbaren Räder, das gleichermaßen auf Land wie über Wasser fahren kann. Die Länge beinhaltet das Cockpit und eine Schlafkabine, zusammen mit Stauraum für Lebensmittel, eine Meerwasser-Entsalzungsanlage und weitere Ausrüstungen.

Im Land-Modus wird die Melanie auf vier Fatbike-Reifen fortbewegt, deren hintere zwei durch die Pedale angetrieben werden. Geht es dann auf’s Wasser, werden die Räder entfernt und ein Kupplungsmechanismus schaltet den Antrieb auf den Propeller um. Zusätzlich kann ein Teil der Tretkraft auf einen Generator umgeleitet werden, der eine Batterie auflädt, die wiederum einen kleinen Elektromotor antreibt. Als Ergebnis kann Hemmatnia Pausen machen, ohne den Antrieb zu verlieren.

Sonnenkollektoren auf dem Deck versorgen die an Bord verwendeten Elemente wie die Entsalzungsanlage, die Navigationslichter, das Satellitentelefon u.ä.

Ende Januar wird sein Tretboot bei einem Hai-Angriff beschädigt, worauf er per Funk um Hilfe der brasilianischen Marine bittet, die ihn rettet und nach Natal mitnimmt. Nach Reparatur des Fahrrad-Boots radelt er von dort aus weiter nach São Paulo, wo er Anfang Juni ankommt – nur um festzustellen, daß ihn das brasilianische Bundesfinanzamt (Receita Federal) zwischenzeitlich mit einer Geldstrafe in Höhe von 18.000 $ belegt hat, weil er sein Fahrzeug länger als zulässig im Land behalten hat.

Dies zwingt Ebrahim, seine Reise in São Paulo auszusetzen und nach Apeldoorn in Holland zurückzukehren, wo er die letzten 14 Jahre gelebt hat, um über den Verkauf seines Buches The Oceanbiker, in dem er seine Atlantiküberquerung beschreibt, mehr Mittel zur Fortführung der Weltumrundung zu sammeln. Er hatte zudem festgestellt, daß die Kosten und der Zeitaufwand beträchtlich höher sind als erwartet. Die Weiterfahrt würde eher 4 – 5 Jahre dauern und soll beginnen, sobald die Finanzierung sichergestellt ist.

Ebrahim will dann nach Brasilien zurückkehren, um von dort aus weiter nach Argentinien, Chile und dann nach Peru zu fahren, von wo aus er zu seiner Überquerung des Pazifischen Ozeans aufbrechen will, um Australien zu erreichen. Bis dahin hält er – trotz der unterbrochenen Reise – den Guinness-Weltrekord für die längste Reise der Welt mit einem amphibischen Rad (2.371 km).


Im Mai 2015 meldet die Presse, daß sich die aus Florida stammende Sonya Baumstein darauf vorbereitet, in einem Ruderboot 6.000 nautischen Meilen von Choshi in Japan bis nach San Francisco in Kalifornien zurückzulegen – und dies völlig alleine, d.h. ohne ein Unterstützungsschiff.

Sie wird dabei eine 350 kg schweres und 7,3 m langes Boot namens Icha über den Ozean rudern. Icha ist ein japanisches Kürzel mit der Bedeutung, „wenn wir uns treffen, sind wir eine Familie“. Gebaut wurde das Boot von Baumstein Unternehmen SpinDrift Rowing mit Sitz in Port Townsend, Washington.

Beim Start werden sich eine Tonne Lebensmittel, ein Ersatzteilsatz, drei Taschen mit Medikamenten und sechs Ruder mit an Bord befinden. Über einen, wenn auch begrenzten, Internet-Zugang sollen auf einem Twitter-Account Updates von der Reise veröffentlicht werden.

Baumstein ist im Jahr 2011 zusammen mit drei männlichen Ruderern von Spanien nach Barbados gerudert, 2012 von Mexiko nach San Francisco geradelt, und hat 2013 auf einem Steh-Paddleboard die Beringstraße überquert. Bei ihrer nun geplanten Kreuzfahrt wäre sie aber nicht die erste, denn Gerard d’Aboville hatte die Überfahrt 1991 in 134 Tagen gemacht, wurde im Jahr 2005 aber von Emmanuel Coindre um 5 Tage überrundet. Die erste Frau, welche die Reise versuchte, war Sarah Outen mit ihrem Boot Happy Socks, die dabei aber nicht erfolgreich ist, weil sie von einem tropischen Sturm und starken Strömungen von ihrer Route weggedrängt wird.

Die Britische Abenteurerin Outen gilt als die erste Frau und zudem jüngste Person, die alleine sowohl den Indischen wie auch den Pazifischen Ozean überquert hat.

Baumstein bricht im Juni 2015 tatsächlich zu ihrer Fahrt auf, bei der sie idealerweise 14 – 16 Stunden am Tag rudern will. Doch schon nach 2 Wochen auf See trifft ihr Epoch Expeditions Team die Entscheidung, den Versuch aufgrund der Wetterbedingungen abzubrechen. Über einen neuen Ansatz ist bislang nichts bekannt.

Supski

Supski


Eine weitere, neue Kombination, die im September 2015 auf der Surf Expo in Orlando, Florida, vorgestellt wird, ist das Supski Paddle System, welches ein Steh-Paddleboard mit dem ansonsten eher auf dem trockenen stattfindenden Langlauf verbindet.

Das System der in West Palm Beach beheimateten Firma Supski Manufacturing Corp. von Guy Chaifetz ist so konzipiert, daß es auf einem bestehenden Board installiert werden kann und mit modularen Standard-Paddeln funktioniert.

Der Anwender kann mit beiden Stöcken auf einmal oder abwechselnd die seitlichen Paddel betätigen, so wie man es beim Skifahren tun würde, um voranzukommen. Das Gerät ist bislang nur ein zum Patent angemeldeter Prototyp und wird noch nicht zum Verkauf angeboten.


Im November 2015 folgen Informationen über das nächste Atlantik-Projekt. Diesmal ist es ein Mutter-Sohn-Team aus Südafrika, bestehend aus Robyn Wolff und David du Plessis, das den Südatlantik in einem pedalbetriebenen Boot überqueren will. Wobei das Ganze auch wörtlich The Atlantic Project heißt und das Ziel hat, die Aufmerksamkeit auf das durch den Menschen verursachte Massenaussterben der Arten aufmerksam zu machen.

Bei schönem Wetter wollen die beiden Veganer schon Ende des Monats zu ihrer 6.450 km weiten Tretfahrt aufbrechen, für die sie zwischen 90 und 150 Tagen brauchen werden. Bei ihrer nicht unterstützten Überquerung verlassen sie sich auf ein effizientestes Pedalsystem, das sie aus einem schließbaren Cockpit heraus betreiben, um sich nicht den gnadenlosen Bedingungen des Ozeans aussetzen zu müssen, wie es bei den Ruderbooten der Fall ist.

Das maßgeschneiderte, selbstaufrichtende Boot, entworfen von dem amerikanische Schiffsbauingenieur Dudley Vix, wird über einen Zeitraum von zwei Jahren von Davids Onkel, dem erfahrenen Yachtbauer Tertius du Plessis, in Knysna in der Westkap-Provinz von Südafrika gebaut und auf den Namen Vakita getauft – nach einem gefährdeten Schweinswal im Golf von Mexiko. David Du Plessis finanziert die Expedition mit seinem eigenen Geld, um ein Corporate Sponsoring und Greenwashing zu vermeiden.

Nachdem das Duo bis Anfang Januar 2016 auf die richtigen Wetterbedingungen warten muß, startet es vom Royal Cape Yacht Club in Kapstadt zu seiner großen Überfahrt – nur um schon einen Tag später von Südafrikas National Sea Rescue-Institut (NSRI) aus rauher See gerettet werden zu müssen.

Vakita-Rettung

Vakita-Rettung

Das NSRI berichtet, daß man zuerst das Rettungsschiff Rotarian Schipper losgeschickt hätte, als die Bitte einging, ein Tracking-Gerät an das Paddelboot Herbivore (wie es hier genannt wird) zu liefern. Das Gerät war bei starkem Seegang versehentlich zurückgelassen worden. Es wurde ihnen geliefert und setzen ihre Reise fort.

Am nächsten Tag schickt die NSRI das Rettungsboot Rotary Onwards aus – als Vorsichtsmaßnahme, da Wolffs Ehemann gefordert hat eine Suche durchzuführen, nachdem das Tracking-Gerät anzeigte, daß die beiden Ruderer weit vom Kurs abgekommen sind und hilflos und kurz vor der Küste treiben. Worauf das südafrikanische Maritime Rescue Coordination Center sogar ein Rettungsflugzeug in Alarmbereitschaft versetzt.

Nachdem die anfängliche Suche das Paddelboot nicht findet, startet das NSRI-Team in Table Bay am Nachmittag das eigene Rettungsboot Spirit of Vodacom, als nun auch eine Bitte um Unterstützung von du Plessis und Wolff direkt eingeht. Die Crew des Rettungsboots nimmt die beiden an Bord und versucht auch ihr Boot zu schleppen. Starke Wellen erzwingen aber, das Boot in einem geschützten Ort in der Nähe der Insel Dassen zu verankern und zu verlassen, während die erfolglosen Abenteurer zum Hafen in Table Bay zurückkehren.

Du Plessis schreibt später auf seiner Facebook-Seite, daß das Boot zwar dem Wind von 40 Knoten und den bis zu 6 m hohen Wellen standhielt, es mit dem Pedalsystem aber nicht gelungen sei, das Boot weiter nach Westen und auf das Meer zu bewegen. Zudem werden er und seine Mutter seekrank. Nun soll Ende des Jahres ein zweiter Anlauf genommen werden.


Erfolgreicher in ihren Bemühungen ist demgegenüber eine Frauencrew, die in neun Monaten über den Pazifik rudert. Die sechs Britinnen legen die mehr als 15.000 km in einem pinkfarbenen Ruderboot in 257 Tagen zurück, bevor sie Ende Januar 2016 glücklich in Cairns an der australischen Ostküste landen, nachdem sie unterwegs schweren Stürmen mit meterhohen Wellen getrotzt hatten.

Die Frauen waren in San Francisco an der US-Westküste aufgebrochen und hatten auf Hawaii und Samoa Halt gemacht. Drei Crew-Mitglieder sind die ganze Zeit an Bord des knapp 9 m langen Bootes namens Doris, drei weitere rudern jeweils auf einer der Teilstrecken mit, von San Francisco nach Hawaii, von Hawaii nach Samoa und von Samoa nach Cairns. Während der Fahrt rudern immer zwei Frauen, während sich die beiden anderen ausruhen, wobei sie sich im Zweistundentakt abwechseln.


Nicht ganz so anspruchsvoll ist die Wasserreise der britischen TV-Moderatorin Lindsey Russell, die versuchen will, die Irische See zwischen Nordirland und Schottland in einem menschengroßen Hamsterball zu überqueren, wie im März 2016 gemeldet wird. Das Ziel ihrer Aktion ist es, Geld für die britische Fundraising-Organisation Sport Relief zu sammeln.

Ihr Zorb ist eine Kunststoff-Kugel, die erstmals im Jahr 1995 in Neuseeland bekannt wird. Bei der Zorbing genannten Freizeitaktivität rollen ein oder mehrere Menschen im Inneren einer aufblasbaren, meistens transparenten, doppewandige Kugel aus PVC einen Abhang oder eine Rutsche hinunter – was den Videos zufolge großen Spaß machen muß. Durch den großen statischen Auftrieb ist eine Fortbewegung auch auf dem Wasser möglich.

In einem speziell ausgestatteten Zorb, der speziell hierzu entworfen ist, will Russell die 34,8 km lange Strecke in etwa 14 Stunden laufen – d.h. in der gleichen Zeit, die es in der Regel dauert, den Kanal zu durchschwimmen. Für ihre Reise ergänzt sie die aufblasbare Plastikkugel mit einem äußeren Rahmen und einem Satz von Schaufeln, um sich über das Wasser bewegen zu können.

Russell startet in Nordirland um 06:30 in der Morgendämmerung und schafft bis zum Mittag mehr als 20 km, mit nur einer kurzen Pause für einen Energie liefernden Imbiß aus Spaghetti und Schokolade. Leider verschlechtert sich im Laufe des Nachmittags das Wetter und zwingt sie dazu zur Unterbrechung ihrer Reise. Bis dahin hat sie etwa 31 km hinter sind – ist ihrem Ziel also schon sehr nah.

 

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