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MUSKELKRAFT

Zusatzantriebe


Ergänzende elektrische Antriebe gibt es für Fahrräder aller Art. Auch diese sollen hier kurz beleuchtet werden, da sie in direktem Zusammenhang mit dem Muskelantrieb stehen – z.B. bei der Rückgewinnung von Bremsenergie, wenn die ursprüngliche Beschleunigung durch das Treten der Pedale erreicht wurde.

Copenhagen Wheel

Copenhagen Wheel


Den wohl bekanntesten Zusatzantrieb stellen Studenten des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Dezember 2009 auf der Klimakonferenz COP15 im dänischen Kopenhagen vor – weshalb er auch unter dem Namen Copenhagen Wheel bekannt wird. Bei dem Prototyp handelt es sich um ein im Vorjahr detailliert ausgearbeitetes Mobilitäts-Forschungsprojekt des SENSEable City Lab am MIT, das mit Unterstützung von Industriepartnern wie Ducati Energia sowie mit kommunaler Hilfe der Stadt Kopenhagen selbst durchgeführt wurde, die auch als Auftraggeber genannt wird.

Die Technik des einfachen Nachrüstsatzes steckt in einem kreisrunden Gerät, das auf dem Hinterrad montiert wird und neben dem Motor und einen kleinen Litium-Ionen-Akku auch die Steuerelektronik nebst Sensoren beinhaltet. Das in sich geschlossenes System, das in jedes Fahrrad integriert werden kann, ohne daß man Zusatzelektronik oder Drähte bräuchte, besitzt zudem ein Kinetic Energy Recovery System (KERS) zur Energierückgewinnung beim Bremsen. Überwacht und gesteuert wird es per Smartphone, wobei zum Beispiel das Maß der Unterstützung per App gewählt werden kann. Die Reichweite wird mit bis zu 50 km angegeben.

Das Copenhagen Wheel-Projekt soll nun schrittweise in die Praxis umgesetzt werden – was sich aber als weitaus schwieriger erweist, als gedacht.

Einige Zeit nach der Konferenz gehen die MIT-Entwickler um Michael Chia-Liang Lin und William J. Mitchell eine Partnerschaft mit dem Schweizer High-End-Anbieter MTB-Cycletech ein – worauf aus dem roten Copenhagen Wheel das grüne GreenWheel mit einem 250 W Motor und einer Reichweite von 80 km wird, das für weniger als 1.000 $ verkauft werden soll. Anderen Quellen zufolge bildet das GreenWheel das ursprüngliche Konzept des MIT, das später im Rahmen der Zusammenarbeit mit Kopenhagen eine Wandlung erfährt.

Patentinhaber Lin und MTB-Cycletech feilen an einem kompletten Rad mit dem GreenWheel-Antrieb, das sie auf den Namen E-Jalopy taufen und das deutlich mehr können soll als andere Elektrofahrräder. Das Rad wird im September 2011 auf der Eurobike erstmals öffentlich vorgestellt, die Produktion anschließend aber mehrfach verschoben. George Merachtsakis von MTB-Cycletech beendet daraufhin im April 2013 die Zusammenarbeit mit dem MIT, da es noch immer an der Umsetzung hakt.

Michael Lin hält jedoch am GreenWheel fest und bekommt bald mit dem Schweizer Designer Frédéric ,Butch’ Gaudy und dessen Firma FTW in Bern einen neuen Partner, der selbst viele Jahre bei MTB-Cycletech gearbeitet hatte.

Ende 2013 meldet dann die Presse, daß das Copenhagen Wheel ab sofort für 699 $ vorbestellt werden kann. Die Preise für den rund 5,9 kg schweren Bausatz, der in Cambridge, Massachusetts, von der Firma Superpedestrian hergestellt wird, deren Chef Assaf Biderman praktischerweise gleichzeitig Direktor des SENSEable City Lab ist, gelten zunächst nur für die ersten 1.000 Besteller, die Lieferung soll im Frühling 2014 erfolgen. Tatsächlich läßt sich das Copenhagen Wheel aber auch Ende 2015 nur vorbestellen – nun allerdings für 949 $.

Smart-Wheel

Smart-Wheel

Doch damit nicht genug – denn auch der Slowene Niko Klansek entwickelt mit seiner New Yorker Firma FlyKly Inc. einen Elektroantrieb zum Nachrüsten, der vollständig in die Fahrradnabe paßt und das Gefährt bis auf 25 km/h beschleunigt.

Bidermann behauptet allerdings, daß Klansek das MIT-Labor besucht und die Idee dort abgekupfert haben – einen Vorwurf, gegen den sich dieser entschieden verwahrt. Fakt ist, daß Klansek zumindest schneller ist als die Leute vom MIT. Bereits Anfang 2013 kann er einen Prototypen vorweisen und im Oktober startet er eine Kickstarter-Kampagne zur Finanzierung seines Rades, bei der er in weniger als 48 Stunden das Ziel von 100.000 $ erreicht. Bis Ende November kommen von 2.358 Unterstützern sogar sagenhafte 701.239 $ zusammen. Die Auslieferung der umgerechnet rund 590 $ teuren Hinterrad-Motoren soll nun im Mai 2014 erfolgen, verzögert sich dann jedoch bis Mitte 2015.

Das nur 3 kg wiegende Smart-Wheel von FlyKly, erhältlich in acht Farben, erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 32 km/h und hat eine Reichweite von knapp 50 km. Zudem besitzt es eine interessante Zusatzfunktion, da es gleichzeitig als Fahrrad-Wächter fungiert: Sobald es jemand unerlaubt bewegt, sendet das eingebaute GPS dem Besitzer eine Info auf sein Smartphone. Der Preis des in Milano, Italien, hergestellten Rades beträgt 999 €, während ein Smart Ped Roller für ebenfalls 999 € bzw. ein Smart Bicycle für 1.599 € angeboten werden (Stand 2015).


Weitere Hersteller ähnlicher Produkts sind die kanadische Firma BionX International Inc. aus Aurora, Ontario, die auf der Eurobike 2013 Heckantriebe im Scheibendesign vorstellt, deren Akkus allerdings in separaten Gehäusen untergebracht sind; der italienische Hersteller ZeHus, dessen Bike+ System ab 2010 am Polytechnikum Mailand entwickelt wurde, den 250 W Motor nebst 160 Wh Li-Io-Akku in einer ziemlich kompakten und nur 3 kg schweren Hinterradnabe integriert und Anfang 2014 auf den Markt kommen soll; die Firma Evelo Inc. mit ihrem per Funkfernbedienung gesteuerten 8, Ah / 350 W Omni Wheel, das einen ganzen Fahrradreifen ausfüllt und Ende 2014 für 999 $ zur Vorbestellung angeboten wird (2015: 1.199 $); die südkoreanische Firma Hycore aus Seoul, die im Mai 2015 mit ihrer Kickstarter-Kampagne zur Finanzierung des mit zwei 180 W Motoren 13 Ah Li-Io-Akku ausgestatteten Centinel Wheel eine schwere Bauchlandung macht, als statt der erhofften 100.000 $ von 23 Unterstützern nur schlappe 12.774 $ zusammenkommen; oder die Firma Belon Engineering, die für das erste Quartal 2016 ein neues, 9 kg schweres Electron Wheel mit 250 W Motor und 10,7 Ah Li-Io-Akku für 800 $ ankündigt.


Es gibt aber noch weitere Antriebsvarianten. So stellt die bereits 1991 als kleine Forschungs- und Produktionsfirma gegründete JSC Elinta in Kaunas, Litauen, im Jahr 2013 einen elektrischen Walzenantrieb für das Hinterrad vor, mit dem sich jedes Fahrrad antreiben, und der sich auch schnell wieder abnehmen läßt. Er soll eine Geschwindigkeit von ungefähr 25 km/h ermöglichen, allerdings nur für etwa 25 km Streckenlänge.

Das wasserdichte Rubbee umfaßt einen 280 Wh Akku, einen 250 W Elektromotor, die Steuerung und eine große Polyurethan-Walze, welche die Kraft auf den Hinterreifen überträgt. Das 6,5 kg schwere Gerät wird mit einem Schnellverschluß an der Sattelstange montiert und kann einfach wieder abgenommen werden, um etwa den Akku zu laden oder den Antrieb nicht schutzlos auf der Straße stehen lassen zu müssen. Der Drehschalter zum Beschleunigen wird am Lenker montiert und ist über ein Kabel mit der Box verbunden.

Zur Finanzierung der Serienproduktion starten die inzwischen in London ansässigen Designer und Entwickler im Juli 2013 eine Kickstarter-Kampagne, bei welcher der Nachrüstantrieb für 699 £ bzw. 799 £ angeboten wird. Bis Mitte August kommen von 214 Interessenten immerhin 64.984 £ zusammen, sodaß die Herstellung umgehend beginnen kann.

Im November 2014 kommt bereits die zweite Version namens Rubbee 2.0 auf den Markt, die noch einfacher zu bedienen sei – wofür ein fest installierter Pedalsensor-Assistent verantwortlich ist, dessen Software überwacht, wie schnell der Fahrer in die Pedale tritt und auch die Geschwindigkeit verfolgt, mit welcher der Motor läuft. In der ursprünglichen Version mußte der Fahrer die Ausgangsleistung des Motors über einen am Lenker montierten Controller anpassen. Weitere Verbesserungen umfassen 30 % mehr Drehmoment und eine Erhöhung der Reichweite um 35 %. Die neue Version wird für 1.190 $ angeboten. Das Modell Rubbee 3.0, das 2015 erscheint, kostet 890 €.


Den gleichen Ansatz verfolgt auch der ConoDrive Antrieb der Start-Up Firma ConoDrive des Deutschen Alexander Theis in Mainz, der im Oktober 2015 in den Fachblogs erscheint, auch wenn er sich noch in der Prototypenphase befindet. Theis ist übrigens auch Blogger (velostrom.de).

ConoDrive

ConoDrive

Der besonders leichte und effektive Pedelec-Antrieb, der von dem spanischen Physiker und Pedelec-Fan José Fernandez entwickelt wurde, treibt das Hinterrad gleichfalls von oben über eine Rolle an und fungiert zugleich als Gepäckträger. Besonderer Vorteil bei dem Nachrüstsatz ist der geringe Gewichtzuwachs von nur 4,5 kg bei den Antriebskomponenten.

Die Antriebsrolle des 250 W Motors verfügt über eine spezielle Form und Struktur, die in Kombination mit einer besonderen Aufhängung wiederum für eine perfekte Traktion sorgt. Der verbaute 10 Ah LiFePO4 Akku, der Reichweiten von bis zu 120 km verspricht, läßt sich unkompliziert wechseln. Zudem raubt die Rolle keine Energie, wenn diese nicht benötigt wird. Ein am Lenker positioniertes Display informiert über die wichtigen Parameter, wie Reichweite und Akkustand. Von diesem aus können auch Leistungsstufen zwischen 100 W und 250 W gewählt werden.

Ist die Batterie leer oder wird keine Motorleistung benötigt, kann die Rolle über einen am Lenker montierten Schalter vollständig vom Reifen wegbewegt werden, um glattes, normales Radeln zu ermöglichen. Andererseits ist auch an eine Rekuperation der Batterie gedacht, wenn es bergab geht.

Eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext.de, bei welcher der ConoDrive für 1.200 € bzw. 1.500 € offeriert wird, ist zwar nicht erfolgreich, trotzdem laufen die Vorbereitungen für die Weltpremiere im April 2016 auf der Spezialradmesse in Germersheim, nach der im zweiten Quartal die Markteinführung geplant ist.


Ein ähnliches Konzept, das als elektrisches Antriebssystem für Skateboards und Longboards gedacht und daher wesentlich kleiner als das Rubbee ist, wird im September 2013 von der Firma Kickr Inc. aus West Lafayette, Indiana, vorgestellt.

Die Entwicklung geht auf die Studenten Joe Carabetta und Evan Merz von der Purdue University zurück, die auch die Unternehmensgründer sind.

Der mit nur 2,3 kg als weltweit leichtester und praktischster Kickr Antrieb erfordert keine Änderung an der Boards und verspricht Geschwindigkeiten bis zu 32 km/h bei einer Reichweite von knapp 10 km mit dem unter dem Board anzubringenden Akku-Pack.

Obwohl die Ausführung des Prototyps noch ein wenig grob wirkt, gelingt es dem Team mit seiner Kickstarter-Kampagne bis Ende Oktober von 161 Unterstützern insgesamt 33.643 $ einzunehmen, um das Projekt zu verwirklichen, bei dem die Zusatzantriebe für 399 $ verkauft werden sollen. Ob der für Mai 2014 geplante Verschiffungsbeginn tatsächlich eingehalten wird, ließ sich bislang nicht herausfinden.

Velospeeder

Velospeeder


Eine weitere Variante, die wiederum für Fahrräder konzipiert ist, wird im Mai 2014 in den Blogs vorgestellt, nachdem sie im Vormonat ihr Debüt auf der Spezialradmesse in Germersheim hatte.

Der patentierte Velospeeder der Kölner Firma Velogical Engineering GmbH hat ein Motorengewicht von nur 500 g und gilt als der einzige Reibradantrieb für Fahrräder mit dynamischer Auto-Regulation des Anpreßdrucks bei jeder Geschwindigkeit. Bei Nässe rutscht der Antrieb nicht durch und bei Nichtgebrauch ist er vollständig abklappbar. Das Setgewicht mit Elektronik und 193 Wh Li-Ion Akku beträgt 1,6 kg (Modell B) und bietet eine Reichweite von rund 20 km.

Das Antriebssystem mit 250 W Dauerleistung besteht aus zwei kleinen Elektromotoren, die sich – links und rechts der Hinterradfelge angeordnet – an den Felgenflanken verkeilen und das Laufrad antreiben, sobald sie unter Strom gesetzt werden. Das Unternehmen plant nach der Optimierung des Systems im Laufe des Jahres 2015 mit der Herstellung zu beginnen.


Das ONwheel der von Frank Fox und Peter Pötzi neu gegründeten Firma go-e GmbH in Feldkirchen, Österreich, das wiederum im August 2015 in den Blogs erscheint, wird an der Stelle unter dem Rad angebracht, wo die Hinterradgabel auf das Tretlager trifft und wo für gewöhnlich der Ständer montiert ist.

Ein Sensor erkennt, wenn der Benutzer zu treten beginnt, und bewegt daraufhin automatisch den Schwingarm des Onwheel zu seinem Platz, wodurch sich dessen Drehwalze gegen den Hinterreifen drückt. Der Anteil der Antriebsunterstützung für den Fahrer kann entweder über eine fest verdrahtetes Bediengerät am Lenker oder mit einem Smartphone App über Bluetooth eingestellt werden.

Auch die Ausgangsleistung und die Drehzahl des Motors können via App gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zwischen 250W / 25 km/h und 800W / 45 km/h reguliert werden. Wenn das Fahrrad geparkt ist kann der Motor zudem mit einer PIN gesperrt werden. Noch einfacher ist es, den nur 850 g leichten und wasserfesten Motor aus seiner Montageplatte zu ziehen, wenn das Rad unbeaufsichtigt ist, was in nur wenigen Sekunden durchgeführt werden kann.

Strom kommt aus einem ebenfalls leicht abnehmbaren, zylindrischen 200 Wh Li-Io-Akku, der in einem Käfig, ähnlich einem Flaschenhalter, sitzt. Als elektrische Reichweite werden etwa 60 km angegeben.

Auch hier ist die Kickstarter-Kampagne erfolgreich, bei der man den ONwheel für 499 € vorbestellen kann: Bis Mitte September 2015 bringen 689 Unterstützer 311.198 € zusammen. Ende des Jahres wird der Komplett-Kit für 549,00 € angekündigt, eine Auslieferung ist bislang aber noch nicht erfolgt.

Wheezy

Wheezy


Und schließlich gibt es noch Fahrradanhänger mit der Funktion eines elektrischen Zusatzantriebs. Als Beispiele seien der oben bei den Lasten-Fahrrädern bereits vorgestellte Ridekick der Firma Ridekick International aus Colorado genannt – sowie der kompakte, 12 kg schwere Wheezy Anhänger der gleichnamigen Londoner Firma, der mit einem einzelnen, schlauchlosen und geländegängigen 9 x 3,5 Zoll Reifen, einem bürstenlosen Elektronabenmotor, einem abnehmbaren Akkupack nebst eingebautem Ladegerät ausgerüstet ist.

Geplant werden verschiedene Versionen des in einem Edelstahl-Gehäuse eingebauten und mit einem zweiachsigen Gelenk versehenen Antriebs, dessen Standardversion einen 250 W Motor nebst 166 Wh NiMH-Akku besitzt, eine Reichweite von bis zu 28 km und eine Höchstgeschwindigkeit von 24 km/h bietet und 259 £ kosten soll.

In diesem Fall geht die Kickstarter-Kampagne wieder einmal gründlich schief, denn statt der anvisierten 50.000 £ finden sich nur zehn Personen, die zusammen gerade einmal 2.022 £ investieren, um einen der Apparate zu erwerben.

 

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