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Ein besonders breites Feld bietet die Stromerzeugung mittels Pedalen,
wobei ich es aus Gründen der Übersichtlichkeit in stationäre und mobile
Systeme unterteilt habe.
Um einen ,sinnlichen’ Eindruck davon zu bekommen, wie viel Strom man selbst für sein Leben benötigt, muß man nur die Anzahl der verbrauchten kWh aus der letzten Stromrechnung x 4 nehmen - denn man kann auf einem Fahrradgenerator pro Stunde rund 250 W produzieren. Das Ergebnis zeigt die Anzahl der Stunden die man im Sattel verbringen müßte, um den eigenen Verbrauch vollständig selbst zu decken.
Ein weiteres eindrückliches Beispiel: Um den SiCortex SC648 Supercomputer des MIT 20 Minuten lang mit den hierzu erforderlichen 1,2 kW betreiben zu können, müssen im Dezember 2007 gleichzeitig 10 Mitarbeiter kräftig in die Pedale treten.
Zu den frühen stationären pedalbetriebenen Maschinen gehören die bei
den obigen Mehrzweckmaschinen aufgeführten, ab dem Jahr 1968 gebauten Dynapods von Alex
Weir, die an einen Generator gekoppelt auch Strom erzeugen
können.
Und der eine oder andere erinnert sich vielleicht noch an das Fahrradgestrampel von Polizist Robert Thorn und seinem älteren Mitbewohner Solomon ,Sol’ Roth im Scifi-Thriller Soylent Green aus dem Jahr 1973, mit dem die beiden ein wenig Licht in ihre Bruchbude im New York von 2022 bringen.
Als Beispiel für kleine, stationäre Pedal-Dynamos, von denen es inzwischen sehr viele und in den unterschiedlichsten Ausführungen und Qualitäten gibt, wie wir weiter unten noch sehen werden, führe ich hier den 60 - 80 W leistenden Human Power Generator an, der für 550 $ von der seit 1974 aktiven Firma Windstream Power LLC aus North Ferrisburgh, Vermont, und den es auch als Handkurbel-Version gibt (Stand 2008).
Zusammen mit einer 12 V Lightbox wird das System für pädagogische Zwecke für 1.060 $ angeboten (Stand 2015).
Die ersten Mehrpersonen-Pedalkraftanlagen werden am Campus
Center for Appropriate Technology (CCAT) der Humboldt State
University entwickelt. Einer der wichtigsten
Pioniere, der wiederum viele andere inspiriert hat, ist dabei Bart
Orlando, der im Laufe der Jahre noch eine ganze Palette weiterer
Pedalapparate wie Mixer, Bohrer, Sägen und sogar eine Waschmaschine baut
(s.d.).
1993 beginnt Orlando damit, pedalbetriebene Ladegeräte zu benutzen, um 12 V Batterien aufzuladen. Eine seiner ersten Kreationen ist der Multiple Bicycle Powered Generator, der erstmals 1994 bei einem Konzert auf der Hog Farm zum Einsatz kommt.
Auf dem Foto ist gut zu erkennen, daß die Hinterräder der angezurrten, aber ansonsten nicht umgebauten Standard-Fahrräder auf einem gemeinsamen Friktionsantrieb-Rad ruhen, das aus einem durchbohrten Zaunpfosten als Achse gemacht worden ist.
Mit dem Human Energy Converter aus dem Jahr 1995 erzeugen dann 14 Personen gleichzeitig bis zu 1 kWh Strom – zumeist für Musikveranstaltungen und Festivals.
1998 folgt das pedalbetriebene TV, das ohne eine Batterie oder einen Kondensator auskommt und as dem CCAT als augenfälliges Exponat dient - sowie im Jahr 2000 der sogenannte Pedal Powered Concert Generator, der anschließend auf diversen Veranstaltungen zum Einsatz kommt, wie beispielsweise bei einem Konzert von Jackson Brown ebenfalls auf der Hog Farm oder zur Versorgung des PA-Systems für eine Menge von 4.000 Menschen bei einer Anti-Irak-Kriegs-Demonstration 2002.
Eine besonders interessante Initiative bildet das Projekt der beiden
Kalifornier Lee Thorn aus San Francisco, einem Navy-Veteran,
der später zu einem führenden Mitglied der Vietnam-Antikriegsbewegung
wurde, sowie Lee Felsenstein aus Palo Alto,
einem Gründungspionier aus dem Silicon Valley, der u.a. mit dem Osborne
1 den weltweit ersten tragbaren Computer erfunden hatte, die im Jahr 2003 gemeinsam
mit der bereits 1998 von Thorn gegründeten Non-Profit-Organisation
Jhai Foundation das 200-Seelen-Dorf Phon Kham in
Laos mittels Tretgenerator an das Internet anschließen.
In
der 3. Welt verbreiteen sich zunehmend konventionelle, zumeist
aus Fahrradteilen zusammengeschraubte Pedal-Generatoren, wie z.B.
das hier abgebildete Modell aus Karagwe in Tansania, dessen Technologie
von der im Jahr 2005 gegründeten
US-Firma dissigno aus
San Francisco in Kooperation mit der afrikanischen Nichtregierungsorganisation
KADERES aus Nepal ‚importiert’ wird.
Eine konventionelle 12 V Autobatterie kann damit innerhalb von 6 h aufgeladen werden – was wiederum ausreicht, um mit dem gespeicherten Strom 8 – 10 kleinere Batterie-LED-Lampen aufzuladen und zu betreiben.
Das Team von dissigno, das in erster Linie Dienstleistungen in den Bereichen Entwicklung und Investitionen anbietet, hat bereits 2007 in Haiti ein entsprechendes Pedal-Energie-Projekt erfolgreich durchgeführt und wird deshalb bei seiner im September 2008 startenden Aktion in Tansania von der Weltbank mit 200.000 $ unterstützt.
Das dort installierte Set besteht aus einem Pedalgenerator nebst 200 Stück 4 V Firefly-LED-Lampen des australischen Projekts Barefoot Power aus Epping, von denen jede einzelne mehr Licht liefert als mehrere Kerosin-Lampen zusammen. Der Breiteneinsatz soll dann ab Januar 2009 beginnen.
Hierzu sei angemerkt, daß Schätzungen von 2005 zufolge
die Bewohner der weniger entwickelten Länder jährlich mehr als 10 Milliarden
Dollar (!) für Kerosin (Leichtpetroleum) ausgeben, das sie für Beleuchtungszwecke
verbrauchen.
Oder die vielfältigen Aktionen und Technologien in Zusammenhang mit dem Einsatz von Solar-LED-Leuchten in der 3. Welt habe ich daher inzwischen ein eigenes Kapitelteil verfaßt (s.d.).
Im Dezember 2006 gestalten der kanadische
Stromversorger BC Hydro und die Kreativagentur DDB Canada gemeinsam
mit 120 Freiwilligen eine Plakatwand in der Innenstadt
von Vancouver um zu zeigen, wie energieeffizient eine LED-Weihnachtsbeleuchtung
ist.
Dabei wird das mit etwa 1.500 LEDs beleuchtet Rentier auf der Plakatwand über einen Zeitraum von etwa 5 Tagen von freiwilligen Fahrern auf einem einzigen Strom-Fahrrad mit Energie versorgt.
Auch die o.e. US-Initiative Rock the Bike (RTB) beginnt 2007 damit,
Musik-Events mit dem Strom zu versorgen, der aus den Pedalen kommt.
Ein Jahr später folgt die Pedal Powered Recharge Station, bei der eine einzelne Person genügend Energie erzeugen kann, um bis zu 8 USB-Geräte aufzuladen, von Handys bis Laptops.
Das besonders für Kongresse, Tagungen und andere ganztägige Events gedachte System, wo viele Leute ihre mobile Elektronik mit Strom versorgen möchten, ist erstmals auf dem Virgin Mobile Festival 2008 zu sehen. RTB vermietet die Einheit für 600 $ pro Tag.
Es gibt inzwischen eine
Vielzahl von Einzelerfindern, die sich mit der Optimierung der pedalerzeugten
Elektrizitätsgewinnung beschäftigen. Eine der effektivsten Umsetzungen
stammt von David Butcher,
der seinen ersten 12 V Pedalgenerator-Prototyp im Jahr 1976 baut.
Im Laufe der Zeit entwickelt sich das Ganze zu einem großen, hölzernen Schwungrad als Motorantrieb – und in den zwei Jahren, in denen Butcher an seiner Entwicklung arbeitet, nimmt er 15 kg ab. Bis 2008 verkauft er 300 Kopien seiner Baupläne.
Bereits 2007 reist er nach Großbritannien, um für das Big Chill Festival bei Eastnor Castle einen fahrradbetriebenen ,Laternenbaum’ zu bauen. Um die Basis einer riesigen Eiche werden Fahrräder in einem Kreis aufgestellt, wobei jedes Rad mit Laternen unterschiedlicher Farbe verbunden ist, deren Helligkeit die Energie des jeweiligen Radfahrers spiegelt.
Dieser Einsatz markiert die im Mai erfolgende Gründung und den Beginn der Aktivitäten der in Peckham, London, ansässigen Firma Electric Pedals, die weiterhin Pedalantriebsanlagen für alle Arten von Anwendungen entwirft, baut und vermietet – und uns in dieser Darstellung noch häufiger begegnen wird.
Ebenso startet im Sommer dieses Jahres in London das gemeinnützige Bildungsprojekt Magnificent Revolution (MR) einer Gruppe von Künstlern, Musikern, Designern, Ökologen und Ingenieuren, die sich mit einem fahrradbetriebenen Kino am Big Chill Festival beteiligen.
Ihr System namens Cycle-In Cinema verwendet bis zu 20 Fahrräder, mit denen ein kräftiges 1 kW Sound-System und ein 7.000 Lumen-Projektor für Filmvorführungen oder Projektionen versorgt werden. Eine Croudfunding-Kampagne, die im Dezember 2010 gestartet wird und das Ziel hat, 4.000 £ für den Aufbau weiterer Pedal-Kinos zu beschaffen, scheitert allerdings trotz 9-monatiger Laufzeit kläglich.
Ein cleveres Zusatzgerät, mit welchem jedes
normale Fahrrad zur Erzeugung von 75 – 200 W bei 12 – 25 V Gleichstrom
eingesetzt werden kann, wird für 365,95 $ auf econvergence.net angeboten,
während die Baupläne 49,95 $ kosten.
Eine technisch etwas anspruchsvollere Version gibt es bei windstreampower.com für 595 $, die mitsamt eins ‚portable Power Pack’ zur Speicherung der Tretenergie für 1.025 $ angeboten wird (Stand 2008).
Durch persönliche Korrespondenz werde ich auch auf den Oekotrainer Single Power von Tim Baudermann aus Leipzig aufmerksam, den dieser für 250 € verkauft. Über den mit einem Generator ausgestatteten Rollentrainer kann Strom mit einer drehzahlabhängigen Ausgangsspannung (0 – 50 V DC) und einer maximalen Leistung von 250 W erzeugt werden.
Das Modell Oekotrainer Double Power für 350 € kann die doppelte Leistung von maximal 500 W erzeugen, sofern die Kräfte des Fahrers dies zulassen. Auf Baudermanns Seite oekotrainer.de werden zudem Wechselrichter, Akkus und sonstiges Zubehör angeboten, teilweise auch zum Verleih (Stand 2015).
Im Juni 2008 veranstaltet die japanische Non-Profit-Organisation Archship ein
Konzert in Yokohama mit dem Titel ,Yokohama Human
Powered Concert: Power Saving Saves the Earth’, bei dem das Publikum
den erforderlichen Strom mittels vier umgebauten alten Fahrrädern generieren
muß.
Ein eigenständiger und recht fortschrittlich aussehender Pedalgenerator
aus China, der sowohl mit den Füßen als auch mit den Armen betrieben
werden kann und rund 140 $ kostet, wird Mitte 2008 unter
dem Bandwurmnamen ,Pedal Powered Gadget Charger LED Spotlight Combo
Contraption’ bekannt.
Um das Teil etwas marktgängiger zu machen, wird der Name im Folgejahr zu POWERplus Gazelle (oder Cougar) gekürzt.
Der interne 12 V Akku besitzt diverse Output-Optionen (3 V / 4,5 V / 6 V / 9 V und 12 V), so daß man eine breite Palette von Geräten versorgen kann. Es gibt auch einen integriert AC-Wechselrichter, der 220 V bei max. 100 W liefert – wenn man zuvor ordentlich in die Pedale getreten hat –, sowie eine starke LED-Leuchte, einen Stauraum für Adapter etc. und einen integrierten Handgriff für den einfachen Transport des etwa 5 kg schweren Geräts, dessen Preis sich um die 180 € bewegt (Stand 2015).
Zunehmend werden Pedalgeneratoren aber auch in der Öffentlichkeit
installiert - zumindest zeitweise. So beschließt die Stadtverwaltung
von Barcelona beispielsweise Ende 2008,
sechs, von der Designerin Martiria Figueres entworfene Weihnachtsbäume aus
Metall aufzustellen, deren Lichter solar- bzw. fahrradbetrieben aufleuchten.
Das Ganze bildet einen Aufruf zur Senkung des Energieverbrauchs – und dies insbesondere während der 44 Tage, an denen die Weihnachtsbeleuchtung angeschaltet ist. Die Bäume sind 11 m hoch, verbrauchen jeweils von 200 - 300 W und kosten zusammen 214.000 €.
In ihrer Rolle als Solar-Bäume, deren Blätter aus Solarzellen bestehen, fangen sie die Energie während des Tages ein und strahlen in der Nacht ihr buntes LED-Licht aus, während andere Bäume durch aufgebockte Fahrräder betrieben werden, wodurch die Menschen eingeladen sind, für die Weihnachtsdekoration selbst in die Pedale zu treten.
Ein ähnlicher Einsatz findet zum Jahresende 2008 auch am Times Square in New York statt, wo der Batteriehersteller Duracell sechs stationäre Fahrräder mit elektrischen Generatoren aufstellt, die wie Motorschlitten aussehen. Um die große Leuchttafel mit Strom zu versorgen, auf der am Sylvesterabend eine viertel Stunde lang der Sekunden-Countdown bis zum Jahreswechsel zu sehen ist, strampeln sich ab Anfang Dezember insgesamt 137.228 Touristen und Einwohner ab. Die gewonnene Elektrizität wird in Batterien zwischengespeichert - und dann von den 608 Halogenlampen der Leuchttafel verbraucht, die für die Aktion zusammen 7,25 kWh Strom benötigen.
Anscheinend ist es zu diesem Weihnachtsfest ausgesprochen angesagt, zu strampeln, denn sogar das renommierte Tate Museum in London läßt seinen Baum in diesem Jahr per Pedalkraft aufleuchten. Direkt um den von Bob und Roberta Smith aus recycelten Materialien gestalteten Baum herum sind 15 Strom-Räder angeordnet, deren Technik von der Gruppe Electric Pedals stammt.
Im Folgejahr 2009 steigt auch Kopenhagen, das als Stadt der Radfahrer bekannt ist, mit einem 17 m hohen Christbaum ein, der nicht an das Stromnetz der Stadt angeschlossen ist, sondern nur dann leuchtet, wenn 15 Leute auf stationären Fahrrädern strampeln um Energie für die 700 LEDs zu erzeugen.
Da während der Feiertage die führenden Politiker der Welt in Kopenhagen darüber diskutieren, wie die Welt den Klimawandel bekämpfen kann, hat der Baum auf dem Rathausplatz quasi Signalcharakter.
Selbst der Stadtteil San Borja von Lima in Peru übernimmt das neue Werbekonzept eines 11 m hohen und emissionsfreien Weihnachtsbaums in einem beliebten Park als Teil der Veranstaltung namens ,Magie, Licht und Farbe: Die Energie, die Sie generieren’.
Die LED-Baumbeleuchtung wird hier durch eine Kombination von 10 Fahrrädern, zwei kleinen Solarpaneelen und einem Windrad mit Strom versorgt.
Weitere öffentliche Aktionen im Laufe dieses Jahren sind der Einsatz eines ausklappbaren Anhängers mit zwölf Rädern im März, die den Strom für das erste Earth Hour Concert auf dem Federation Square in Melbourne in Australien liefern.
Mehr als 1.200 Menschen, die meisten davon Schulkinder, beteiligen sich daran, über 53 kWh Strom zu erzeugen – was für das dreistündige live-Konzert mehr als ausreicht.
Initiator ist der Ingenieur Geoff Ball, der seitdem unter dem Label Future Spark in der Umgebung von Melbourne an Schulen und Festivals pedalbetriebene Bildungsveranstaltungen durchführt.
Rock the Bike meldet im Sommer 2009 das geniale Konzept
seiner Biker Bar zum Patent an. Das System, das in
New York und San Francisco vermietet werden soll, erzeugt gleichzeitig
Strom und Spaß, da es einen 300 W Generator mit sozialer Aktivität
verbindet.
Angeliefert wird die Pedalstrom-Palette von einem elektrisch betriebenen ‚Mundo cargo bike’, das anschließend aufgebockt und dessen Elektromotor als Generator genutzt wird, der 1 kW Spitze leistet. Die demokratische Basis des Ganzen: Anstelle von speziellen Bikes kann jeder mit seinem eigenen Fahrrad angeschlossen werden um sich an der Stromproduktion zu beteiligen. Eine Komplettanlage wird für 6.750 $ angeboten, der Selbstbausatz kostet 2.750 $.
Im September 2009 erscheint in den Blogs das Konzept
einer 3,4 m hohen, pflanzenartigen Pedal-Straßenlampe namens kinetolux,
die von dem chinesischen Designer Barrylock Lai stammt
und zusätzliche Energie aus Solarzellen gewinnen soll. Als Lichtquelle
dient ein OLED-Paneel.
Unter Vorwegnahmen der Chronologie: Ähnlich, aber mit einem sympathischen minimalistischen Ansatz, kommt ein Entwurf des Design-Absolventen Bharat Bhargava am Central Saint Martins College of Art and Design in London vom Juni 2011 daher.
Sein Pedal-Generator soll ebenfalls eine Straßenlampe versorgen, ist zudem aber mit einer Bank versehen, um die zwischenmenschliche Kommunikation zu fördern. Ein interessanter Beitrag, der bislang leider nicht umgesetzt wurden ist.
Die Abbotsford Middle School in Vancouver wird im
Oktober 2009 die erste Schule Kanadas, deren Computerraum
mit drei verschiedenen Formen erneuerbarer Energie betrieben wird.
Gemeinsam speisen eine Photovoltaikanlage, eine Windkraftanlage sowie
ein fahrradbetriebener Generator ihren Strom in ein Batterie-System,
das dann die Computer betreibt. Pro Jahr sollen so knapp 1.100 kWh
auf anschauliche Weise erzeugt und verbraucht werden.
In dem Bemühen,
das Bewußtsein für den Energieverbrauch und die globale Erwärmung zu
erhöhen, sendet der BBC Ende 2009 ein
TV-Programm in der Reihe ,Bang Goes the Theory’, in dessem Verlauf
ein ganzer Haushalt über Fahrrad-Generatoren versorgt wird – indem
80 kräftig strampelnde (freiwillige) Fahrer gemeinsam elf Stunden lang
bis zu 14 kW erzeugen.
Um die Generatoren zu beschaffen und die Radfahrer zu versorgen, wird Electric Pedals engagiert. Es zeigt sich allerdings sehr schnell, daß die Menschen mit mehr Energie gefüttert werden müssen, als die Energie ausmacht die sie produzieren. Was ja auch nicht verwunderlich ist.
Ende 2009 wird die Great Apes Film Initiative (GAFI),
eine Organisation, die den Schutz der Menschenaffen und ihre Lebensräume
fördert, bei ihrer Bemühung, Naturschutz-Bildung in die Gemeinden am
Rande des Mgahinga-Nationalparks in Uganda zu bringen, Opfer des eigenen
Erfolgs.
Denn allzu oft sind die Filmvorführungen völlig überfüllt, und einige Kinder müssen mehr als 20 Meilen zurück nach Hause laufen ohne ein einziges Bild der Berggorillas gesehen zu haben, die unsichtbar neben ihnen leben.
Die Lösung, um den Film auf eine kostengünstige, nachhaltige und umweltfreundliche Art und Weiese auch in die kleinsten Dörfern zu bringen, trägt bald darauf den Namen Pedal-Powered Cinema Project. Mit nur zwei Kinder-Mountainbikes kann genug Energie für die Filmvorführung erzeugt werden, und das Kino kann von einem 2-Personen-Team innerhalb von Minuten aufgebaut oder wieder zerlegt werden. Das Equipment ist leicht und robust genug, um über Bodenwellen und Schlaglöcher bis in die meisten Bergdörfer transportiert zu werden, und die Betriebskosten sind minimal. Partner bei der Umsetzung ist Electric Pedals.
Ab dem November 2010 gelingt es innerhalb kurzer Zeit, mit dem weltweit ersten pedalbetriebenen Feld-Kino Filmvorführungen für rund 150.000 Kinder und Erwachsene zu realisieren.
In Vorwegnahme der Chronologie: Im Jahr 2013 entwickelt Electric Pedals ein pedalbetriebenes Kino-Rucksack-Set, das in Zusammenarbeit mit der britischen Wohltätigkeitsorganisation Purple Field Productions (PFP) und deren Partner Temwa, einer lokalen Entwicklungsagentur, erfolgreich dazu verwendet wird um in abgelegenen Gebieten von Malawi Lehrfilme zu zeigen.
Das gesamte Set, inklusive des Projektors, paßt in einen Rucksack und kann leicht über Flüsse und durch dichtes Unterholz transportiert und vor Ort in wenigen Minuten aufgestellt werden. Schon zwei Jahre später hat Electric Pedals bereits 14 derartige Rucksack-Kino-Sets auf der ganzen Welt im Einsatz.
Ein weiteres Kino wird im November 2017 in den Niederlanden
unter dem Namen Cycling Cinema vorgestellt. Dabei
handelt es sich aber nicht um einen pedalbetriebenen Projektor, sondern
um ein bewegliches Kino im Art-Déco-Stil, das komplett mit Projektor
und Leinwand, Lautsprechern, einer Popcorn-Maschine und sogar mit Retro-Kinoschildern
mit austauschbaren Buchstaben ausgestattet ist. Entwickelt und gebaut
hat das Cycling Cinema Milan Tak von der Design
Academy Eindhoven.
Im April 2010 wird gemeldet, daß das dänische Hotel Crowne
Plaza in Kopenhagen, das zu den umweltfreundlichsten Hotels
der Welt gehört und u.a. mit seinen auf der Fassade installierten Solarmodulen
pro Jahr 170.000 kWh Strom generiert, seinen Gästen nun auch zwei Fahrräder
bereitstellt, mit denen sich sportlich betätigen und gleichzeitig Strom
erzeugen.
Gäste, die es schaffen, während ihres Workouts 10 Wh Strom zu genieren, was üblicherweise innerhalb von ca. 15 Minuten möglich ist, erhalten im Restaurant des Hotels einen kostenlosen Hauptgang im Wert von 36 €. Bei Erfolg des Pilotprojekts sollen auch sämtliche Crowne Plaza Hotels in Großbritannien mit den Stromrädern ausgestattet werden.
Eine äußerst bequem wirkende Struktur entwickelt der indonesische
Industriedesigner Rizki Tarisi mit seinem auf den
Namen Go! getaufte Stuhl, der die Funktionen von Heimtrainer,
Arbeitsstuhl, Schreibtisch und Ruhesessel verbindet und dabei auch
noch Strom erzeugen kann.
Das Design, das im März 2010 in den Blogs erscheint, setzt natürlich voraus, daß man ab und zu kräftig in die Pedale tritt, während man es sich auf dem Go! gemütlich macht, wobei der dadurch erzeugte Strom im Idealfall dazu ausreicht, ein Notebook oder Tablet zu versorgen, für die es einen eigenen kleinen Beistelltisch gibt.
Der bislang nur als Konzept existierende Pedalstuhl soll komplett aus recyceltem Plastik hergestellt und mit Öko-Farbe lackiert werden, außerdem sollen an einigen Stellen LED-Leuchten angebracht werden.
Ebenfalls
für das traute Heim gedacht ist der rustikale Entwurf des italienischen
Designers Gionata Gatto und seinem Atelier Atuppertu
mit Sitz in den Niederlanden, der auf der Mailänder Möbelmesse im April 2010 zu
sehen ist.
Mit seinem Fahrrad-LED-Lampe würde eine Tretzeit von etwa vier Minuten ausreichen, um 30 Minuten lang Licht zu bekommen.
Denselben Ansatz, aber im Rahmen eines öffentlichen Auditoriums, verfolgt
das Konzept des Designers Petar Bojović aus Belgrad,
der inzwischen bei W2 Architekten im schweizerischen Bern tätig
ist.
Sein im August 2010 vorgestelltes mobiles Auditorium namens Boobamara, das keine externe Stromquelle benötigt und überall in kürzester Zeit aufgestellt werden kann, besteht aus einer leichten und zusammenlegbaren Holzstruktur mit einer Hülle aus Polycarbonat. Bewegliche Flügelsegmente aus imprägniertem Stoff lassen sich einzeln öffnen oder schließen, womit die Struktur vom geschlossenen Kokon bis hin zum vollständig offenen Raum umgewandelt werden kann.
Die Funktion des Auditoriums verläßt sich ganz auf die Aktion der Nutzer, denn die elektrische Energie für Klang und Licht wird ausschließlich durch das Publikum generiert, welches während der Vorträge oder kleinen Konzerte auf Fahrrädern sitzt und stromproduzierend in die Pedale tritt. Die dabei erzeugten durchschnittlich 200 Wh pro Rad werden in Batterien zwischengegespeichert.
Als im Oktober 2010 die erst im Jahr zuvor entstandene
Firma Fenix International aus San Francisco mit einem
Gerät namens ReadySet an die Öffentlichkeit tritt,
will sie damit die Ad-hoc-Wirtschaft optimieren, die sich in Dörfern
in Afrika und Indien entwickelt hat, die keinen regelmäßigen Zugang
zu Netzstrom haben. Dort nutzen lokale Unternehmer häufig gebrauchte
Batterien, die sie aufladen lassen und dann ins Dorf transportieren
um den Strom für Handy-Aufladung u.ä. zu verkaufen.
Über das robuste und benutzerfreundliche ReadySet, ein Battery-System, das den härtesten Bedingungen in Afrika standhalten kann, habe ich bereits im entsprechenden Kapitelteil über Blei-Säure-Batterien berichtet (s.d.).
Hier wird es deshalb nochmals hervorgehoben, da das ReadySet, das zu einem Einführungspreis von ca. 150 $ angeboten werden soll, wahlweise mit einem 15 W Solarpaneel oder einem Fahrrad-Generator ausgeliefert wird, der die Batterie mit bis zu 100 W nachladen kann.
Ebenfalls im Jahr 2010 installiert Sheriff Joe
Arpaio in Phoenix, Arizona, in seinem Maricopa County Stadtgefängnis
als neues Fitness-Programm für die Insassen ein pedalbetriebenes System,
das er Pedal Vision nennt, denn der erzeugte Strom
wird genutzt um den Fernseher zu betreiben.
In Verbindung damit wird Ende des Jahres in Tempe (o. Gilbert?) die Firma Pedal Power Generators LLC gegründet (auch: MNS Power LLC), welche unter anderem sehr detaillierte Video-Selbstbauanleitungen für derartige Systeme veröffentlicht. Eine Netz-Recherche erbringt allerdings eine Vielzahl weiterer Anleitungen und Beschreibungen, in denen Selbstbau-Experten ihre Erfahrungen teilen.
Über die Seite pedalpowergenerator.com kann man zudem einzelne Komponenten sowie Komplettsysteme bestellen, wie den ,MNS Power 300 Watt Pedal Power Bicycle Generator Blender’, mit einem regulierten 14 V Ausgang und einer WattsVIEW Stromüberwachungssoftware zu einem Preis von rund 1.800 $. Die Gruppen-Systeme werden mit 1,5 kW angeboten (5-Person-Ladesystem), mit 3 kW (10 Personen) und mit 4,5 kW (15 Personen). Außerdem gibt es einen speziellen Heimtrainer-Generator für Kinder.
2010 erhält das Pedalenergie-Startup Nuru
Energy den prestigeträchtigen und 300.000 $ schweren UNEP
Sasakawa-Preis sowie den UNDP World Business und Development Award
für seine Bemühungen, Familien in Ost-Afrika und Indien dabei zu
helfen, ihre teuren, gesundheitsschädlichen und gefährlichen Kerosinlampen
zu ersetzen.
Aus der Taufe gehoben wurde Nuru Energy im Jahr 2008 von Sameer Hajee, einem kanadischen Elektroingenieur und Sozialunternehmer mit kenianischen und indischen Wurzeln, dem es zusammen mit seinen Partnern gelingt, von der Weltbank eine Startfinanzierung in Höhe von ebenfalls 200.000 $ zu bekommen.
Das Unternehmen entwickelt einen einzigartig robusten, kostengünstigen und einfach zu bedienenden Pedalgenerator namens POWERCycle, dessen durchschnittlicher Output von 50 W dazu verwendet wird, um Handys sowie die ebenfalls von Nuru Energy konzipierten tragbaren und modularen LED-Leuchten aufzuladen, die unter dem Namen Nuru Lights (NL 1) für einen Preis von weniger als 7 $ vermarktet werden. Von diesen können in nur 20 Minuten gleichzeitig fünf Stück aufgeladen werden, die jeweils einem ländlichen Haushalt bis zu 10 Tage lang Licht spenden.
Dabei ist das System mehrere hundert Mal effizienter als die aktuellen solarbasierten Lösungen, und dies zu einem Bruchteil der Kosten. Weshalb es von Nuru Energy auch so entworfen ist, daß es Arbeitsplätze für lokale Unternehmer schafft, die mittels eines Mikro-Kredits oder einer anderen geeigneten Finanzierung den 150 $ teuren Pedal-Generator kaufen und sich einen Kundenstamm aufbauen, der für das Wiederaufladen der Lichter eine Gebühr bezahlt.
Nuru Energy schätzt, daß eine pedalbetriebene Ladung von 40 Stunden pro Licht etwa 30 $-Cent kostet, im Vergleich zu den etwa 1,75 $, die der Liter Kerosin kostet, der nur 13 Stunden lang ein viel weniger helles Licht bietet. Anders gerechnet kann eine Minute treten Licht für gut 400 Minuten produzieren. Und im Vergleich zu der Lieferkette der fossilen Brennstoffe hilft diese Anordnung dabei, mehr Geld im lokalen innergemeinschaftlichen Verkehr zirkulieren zu lassen.
Im Jahr 2009 wird mit Hilfe der UNDP und der Millennium Villages ein einjähriger Feldversuch in Ruanda durchgeführt, und schon 2010 gibt es rund 70 Kleinunternehmer, die bis zu 10.000 Nuru Lights bedienen. 2011 wird das Startup von der Bank of America Merrill Lynch und dem Africa Enterprise Challenge Fund kommerziell finanziert und eröffnet Büros in Kenia, Uganda und Indien. Den Plänen von 2012 zufolge will man bis Ende 2016 bis zu 10.000 Kleinunternehmen initiiert haben, die rund 1,8 Mio. der Lichter im Umlauf haben.
Im März 2011 beteiligt sich Electric Pedals an der
Installation von 60 Fahrradgeneratoren, um Projektoren mit Energie
zu versorgen, die anläßlich der Earth Hour eine Botschaft
des WWF über gefährdete Arten an die Seite der Royal Albert Hall in
London strahlen.
Ende Juni debütiert die Gruppe Pedal Power NYC als Teil der Bushwick Open Studios Konzerte auf dem Union Square mit ihrer ,The Natural Ass Session’, als 250 verschiedene freiwillige Radfahrer auf 16 neu hergestellten Fahrrad-Generatoren genügend kinetische Leistung für die gesamte Show bereitstellen. Während 14 Räder an den Seiten der Bühne stehen werden zwei Stück plakativ auf der Bühne plaziert, die dann auch von den (auf)tretenden Künstlern, dem Produzenten sowie lokaler Prominenz betrieben werden.
Im August organisieren TOKYO FM und Sumitomo Rubber Industries eine Veranstaltung mit dem Titel Tokyo Tower – Powered By People, bei welcher Sumitomo-Mitarbeiter, DJs und Hörer von TOKYO FM sowie andere prominente Gäste eingeladen werden, tagsüber einige Zeit auf stromproduzierenden Fahrrädern zu verbringen, um mit der gespeicherten Energie am Abend den ikonischen, 1958 erbauten Tokyo Tower (mehrfach von Godzilla zerquetscht) zu erleuchten.
Electric Pedals und das Free Film Festival tun sich im September zusammen, um in England eine Reihe von fahrradbetriebenen Outdoor-Filmvorführungen zu veranstalten. Die Filme werden an Orten wie einem Friedhof oder auf einer Radrennbahn gezeigt, die in direktem Bezug zu den Filmen stehen, was ein besonders inspirierendes künstlerisches Erlebnis darstellt.
In der im Dezember 2011 ausgestrahlten 2. Folge der
1. Staffel von Black Mirror, einer britischen Science-Fiction-Serie,
deren Fokus auf die Abhängigkeit und die Prägung von moderner Technik
sowie deren negativen Auswirkungen gerichtet ist, zeigt eine Zukunft,
in der die Menschen im grauen Sportanzug auf einem Trimm-Dich-Rad sitzen,
mit dem sie Strom für die Bildschirme erzeugen, die um sie herum phantastische
Ablenkung bieten.
Die Folge mit dem Titel ‚Das Leben als Spiel (15 Million Merits)‘ beschreibt auch, wie jeder Mensch zudem einen ‚Doppelgänger‘-Avatar hat, für den man Kleidung erhält, die man sich in Form von Punkten auf dem Tretrad verdient. Es ist nachvollziehbar, daß dicke Menschen in dieser Welt zur zweiten Klasse gehören.
Anfang 2012 kommt mit der Power
Box der
Firma K-TOR LLC aus Clayton, North Carolina, ein weiterer
pedalbetriebener Generator auf den Markt, der Geräte mit bis zu 20
W Verbrauch mit Energie versorgen kann. Der Output ist mit 120 V allerdings
nicht auf den europäischen Markt zugeschnitten.
Die komplette Power Box wiegt rund 1,8 kg und läßt sich für den Transport zu einem handlichen Paket zusammenklappen. In den Versand gehen soll das Gerät ab April, und zwar zu einem Preis von 220 $ (der später auf 195 $ gesenkt wird). Daneben bietet das Unternehmen auch noch einen 10 W Generator mit Handkurbel namens Pocket Socket an.
Das We-Bike der in Löwen, Belgien, beheimateten Firma WeWatt,
das erstmals im Mai 2012 in den Blogs erscheint, ist
ein Bürofahrrad das bewegungsarmen Schreibtischarbeitern die Möglichkeit
bietet, durch lockeres Pedalieren in Form zu bleiben, wobei über eine
integrierte 230 V Steckdose gleichzeitig Elektronikgeräte geladen
werden.
Der Öko-Schreibtisch aus Materialien wie Aluminium, Stahl und wiederverwendetem Zedernholz, der deshalb auch 9.950 € kostet, ist zudem als Dreisitzer erhältlich, um beim stromproduzierenden Treten kleine Meetings abhalten zu können. Pro Sitz erzeugt das Pedalsystem dabei rund 30 W.
Trotz des Preises kommt das System gut an und wird bereits während der Olympischen Spiele in London 2012 im Belgischen Haus eingesetzt. In den Folgejahren verbreitet es sich hauptsächlich in Belgien (z.B. Flughafen Brüssel, ICC Gent), Frankreich (verschiedene U-Bahnhöfe in Paris) und den Niederlande (Flughafen Amsterdam). Die erste Installation in Deutschland erfolgt am Nürburgring.
Im Juni macht eine Meldung die Runde, der zufolge im Gefängnis
Santa Rita do Sapucaí nördlich von São Paolo in Brasilien
auf Vorschlag eines lokalen Richters stationäre Stromerzeugungs-Fahrräder
installiert worden sind, um die Insassen aktiv zu halten, während sie
gleichzeitig zum Gemeinwohl beitragen.
Und auch für die Gefangenen selbst kommt etwas dabei heraus, denn bei guter Führung wird ihnen für jeweils 16 Stunden, die sie – freiwillig – damit verbracht haben in die Pedale zu treten, um eine mit dem Fahrrad verbundene Batterie zu laden, ein Tag ihrer Strafe erlassen.
Die gewonnene Energie wird genutzt, um einige Straßenlaternen in der Stadt zu versorgen, die sonst dunkel blieben, wodurch die Gemeinde in der Nacht zu einem sichereren Ort wird. Angesichts des Erfolgs des Programms plant das Gefängnis nun, noch mehr stromerzeugende Fahrräder aufzustellen, um vielleicht sogar die eigene Stromrechnung zu reduzieren.
Im Zuge der Kultur-Olympiade 2012, bei welcher zeitgleich
zu den Olympischen Sommerspielen in London in ganz Großbritannien Kulturveranstaltungen
durchgeführt werden, wird unter dem Titel Tree of Light eine
Reihe von großen Outdoor-Theateraufführungen präsentiert, an der insgesamt
1.200 Darsteller und ein 450-köpfiger Chor teilnehmen. Auch hier beteiligt
sich Electric Pedals mit 28 Fahrrad- und Ruder-Generatoren, um die
LED-Lichter des Baums mit Strom zu versorgen.
Fast zeitgleich präsentiert das Duo Menestrel beim artefact-Sommermarkt im Juni in Glücksburg seine musikalischen Darbietungen auf ,Europas erster muskelbetriebener Bühne’, bei der vier Radfahrer erforderlich sind, um Mikrofon und Beleuchung auf Touren zu bringen.
Wesentlich umfangreicher ist eine Veranstaltung im September, als auf dem Pier 57 in Manhattan die Premiere einer neuen TV-Serie von NBC namens Revolution stattfindet, in welcher es um den Kampf der Matheson Familie geht – in einer postapokalyptischen Welt, 15 Jahre nach einem geheimnisvollen weltweiten Stromausfall.
Passend dazu wird der gesamte Strom für die einstündige Premierenveranstaltung von 80 emsig in die Pedale tretenden New Yorkern bereitgestellt.
Im Februar 2013 berichtet der Maschinenbaustudent
an der Northern Arizona University (NAU) Matthew Petney über
ein Projekt, mit dem eine wenig Klarheit in die Fragestellung ,Was
genau ist ein Watt? Kannst Du es fühlen?’ gebracht werden soll.
Gemeinsam mit einer Gruppe von Kommilitonen entwickelt, konstruiert und baut Petney ein Lehrmittel, das in einer sehr physischen Art zeigen soll, was Kraft und Energie bedeuten.
Die entstehende fahrradbetriebene, stationäre Ladestation für Handys oder iPods zeigt über ein integriertes Display in Echtzeit die Menge an Energie, die beim treten der Pedal erzeugt wird, ebenso wie den Gesamtbetrag der Energie, die man generiert hat, wenn man fertig ist. Die Ladestation wird im Engineering-Gebäude auf dem Campus der NAU ausgestellt.
Im Rahmen einer 2012 von Studenten ins
Leben gerufenen Initiative, um die Stromproduktion mittels Pedalen
zu studieren, erstellt das 2009 gegründete Open
Sources Collektive im
französischen St. Etienne innerhalb eines Jahres fünf Strom-Bikes,
die in liegender Position betrieben werden, um Energie für die Projektionstechnik
des lokalen Film-Festivals Curieux voyageurs im Mai 2013 bereitzustellen.
Zwei der fünf Räder, die jeweils rund 100 W erzeugen, werden aus vor Ort gesammelten Abfallmaterialien gebaut, wie z.B. Hartfaser-Kisten, alten Bänken und Betten.
Bei dem erfolgreichen Versuch schafft es das Team, eine umweltfreundliche 54-minütige Vorführung von Filmen zu gewährleisten. Messungen während des Experiments zeigen, daß eigentlich nur drei Fahrräder nötig sind, um den Energiebedarf des Projektors zu decken.
Da dieses interessante Projekt ausgesprochen gut dokumentiert ist, verdient es auch einen Link auf seine französischsprache Homepage.
Im November 2013 schaffen es die stromproduzierenden
Räder sogar auf die Bretter der Berliner Schaubühne,
als Katie Mitchell hier das Stück Atmen von Duncan Macmillans
inszeniert, dessen über 75 Minuten lange Strampelei die Akteure sichtlich
erschöpft.
Auf Podien sind zwei Fahrräder fixiert, auf denen sich die Schauspieler Lucy Wirth und Christoph Gawenda während der gesamten Aufführung abstrampeln, um die 108,75 Wh Strom zu erzeugen, die für die Halogenlampen über ihren Köpfen benötigt werden.
Da die Vorführung aber noch Mikrofone, zwei 600 W Lautsprecher, einen Mischpult, einen LED-Projektor mit einem Stromverbrauch von ca. 140 W sowie ein Effect-Pedal mit ebenfalls 140 W benötigt werden, wird diese Energie im Hintergrund von vier zusätzlichen, gleichfalls unermüdlich tretenden Sportlern auf Standrädern herbeigeradelt. Und auch in diesem Fall stammt die Fahrradkonstruktion von Electric Pedals. Gastspiele des Stücks folgen in den Jahren 2014 und 2015 in Moskau, Amsterdam, Zagreb und Vilnius.
Zum Jahreswechsel 2013/2014 folgen die schon fast
obligatorischen Weihnachtsbäume, wie diesmal z.B.
als Teil des London Southbank Centre Winter Festival auf Riverside
Terrace – aber auch der Times Square Ball in New York
City, der seit 1907 alljährlich an Silvester auf dem
Dach des One Times Square Wolkenkratzers an einer 23 m langen Stange
herabgelassen wird.
Zur Stromversorgung der 672 LED-Module der 3,65 m durchmesenden geodätischen Kugel stellt die Fahrradvermietung Citi Bikes in diesem Jahr erstsmals sechs Fahrrad-Generatoren auf, auf denen Besucher pro Stunde 75 W erzeugen, deren Energie bis eine Minute vor Mitternacht in 12 V Batterien gespeichert wird.
Im Mai 2014 stellen 2.900 Teilnehmer in Oldenburg
zwei neue Energie-Weltrekorde auf: Zum einen, indem sie über 24 Stunden
lang auf über 120 Indoor-Cycling-Rädern insgesamt 20.700 kWh Strom
erzeugen – was die bislang größte Energiemenge ist, die durch Menschenkraft
mit Standrädern innerhalb von 24 Stunden erzeugt wurde –, und zum anderen,
indem mit der erradelten Energie ein Elektro-VW UP eine Strecke von
120 km zurücklegt, womit der Rekord aus dem Vorjahr um 14,4 km übertroffen
wird. Mit der Veranstaltung werden zudem 10.750 € für das St. Peter
Hospiz in Oldenburg eingenommen.
Im Oktober 2015 wird in der Presse von dem Plan des
indisch-amerikanischen Milliardärs und Philanthropen Manoj
Bhargava, Erfinder des umstrittenen 5 Hour Energy-Drink, mit
seiner Bewegung ,Billions in Change’ neue Lösungen in den Bereichen
Wasser, Energie und Gesundheit umzusetzen.
Das erste dieser Geräte ist ein mit Schwungrad, Generator und 12 V Batterie ausgestattets Bike namens Free Electric, das als klein, leicht und einfach beschrieben wird. Es soll in der Lage sein, den Strombedarf eines ländlichen Haushalts für 24 Stunden mit einer einzigen Stunde in-die-Pedale-treten zu liefern. Es wird sogar behauptet, daß das vor etwa drei Jahren konzipierte Pedalsystem genug Strom produziert, um 24 Glühbirnen, Ventilator, Telefon und Tablet-Ladegerät zur gleichen Zeit zu versorgen.
Nachdem die ersten Prototypen nicht funktionieren, durchlaäuft das Design eine iterative Entwicklung, bis eine funktionierende Version erstellt werden kann. Anschließend wird jedes Element weiterentwickelt, um das System so einfach wie möglich zu machen, wobei zumeist Standard-Fahrradteile verwendet werden, damit es durch Fahrradmechaniker überall auf der Welt gewartet oder repariert werden kann. Im Interesse der Einfachheit gibt es auch nur einen Gang, der das Schwungrad in Bewegung setzt, das wiederum den Generator dreht, der die Batterie lädt.
Die Organisation sagt, daß sie weiterhin damit beschäftigt sei, die Effizienz des Rades zu verbessern, weshalb auch noch keine spezifischen Leistungzahlen veröffentlicht werden. Im Moment gibt es zwei Versionen des Strom-Fahrrads, eine einfache für ärmere Länder, die rund 250 $ kosten soll, sowie ein anspruchsvolleres Modell dessen Presi zwischen 1.200 $ und 1.500 $ liegen wird. Die Fertigung der beiden Versionen soll Anfang 2016 beginnen, und Bhargava plant dann mit der Verteilung von rund 10.000 Stück dieser Free Electric Bikes in Indien zu beginnen.
Im April 2017 wird ein neuer Weltrekord aufgestellt
– für die mit 130,7 km weiteste E-Auto-Strecke mit rein durch Muskelkraft
erzeugter Energie. Der für die Fahrt in einem elektrisch betriebenen
VW Up notwendige Strom war in den 24 Stunden zuvor durch 120 Standräder
mit je vier parallel geschalteten handelsüblichen Seitenläufer-Dynamos
erzeugt worden, die von 2.648 sich abwechselnden Sportlern aus 23 Nationen
ununterbrochen in Betrieb gehalten worden waren.
Mit der von der National Cycling Academy und Ralph Butzin organisierten und von innogy geförderten Aktion wird zudem eine Spendensumme von insgesamt 13.500 € eingenommen, die an das Christliche Kinderhospital Osnabrück geht, das damit unter anderem Klinikclowns finanziert.
Ein neues System namens eKinekt BD 3, das im Januar 2023 auf
der CES 2023 präsentiert wird, verbindet die Stromproduktion
der Pedale mit einer Arbeitsfläche, so daß man Kalorien in Elektrizität
umwandeln kann, die umgehend zum Aufladen von Laptops und Smartphones
verwendet werden kann, welche an die in dem Tisch integrierten USB-Buchsen
angeschlossen sind. Der geräumige integrierte Schreibtisch befindet
sich auf einem komfortablen Heimtrainer, der es dem Benutzer ermöglicht,
während der Arbeit in die Pedale zu treten, sich zu verausgaben und
Muskeln aufzubauen.
Im ‚Arbeitsmodus‘ ist der Schreibtisch näher am Benutzer positioniert, so daß dieser aufrecht sitzen kann, um zu tippen oder bei einem Zoom-Anruf im Bild zu bleiben. Der Schreibtisch kann aber auch nach vorne in den ‚Sportmodus‘ geschoben werden, so daß der Benutzer mehr Platz hat, um sich für eine kraftvollere Fahrt mit erhöhtem Pedalwiderstand nach vorne zu lehnen. Ein kleiner Bildschirm auf dem Schreibtisch zeigt sowohl Fitneß-Metriken als auch Informationen über die erzeugte Energie an.
Eine sehr spezielle Variante bildet das Konzept Spinning Together,
das ein stationäres Fahrrad mit einer Babywiege kombiniert.
Das primär für Mütter mit Neugeborenen gedachte Gerät hält nicht nur
fit, sondern baut auch Streß ab und schafft eine positivere Einstellung
zu anderen, in diesem Fall zu den Kindern, da die Eltern ihr Baby während
des Trainings leicht im Auge behalten können.
Das Fahrrad, das von einem achtköpfigen Designteam aus China entwickelt wurde, wandelt die Tretbewegung in Energie um, die das Gerät antreibt, um die Wiege sanft zu schaukeln – was zum Training motiviert, während man sicher sein kann, daß es dem Baby gut geht. Es war leider nicht herauszufinden, wann dieses sinnvolle Konzept erstmals vorgestellt wurde, und bislang gibt es auch noch nichts von einer Umsetzung zu sehen.
Und für den Fall, daß eine Leserin oder ein Leser mit dem Gedanken
spielt, sich eine pedalbetriebene stationäre Stromversorgung selber
zu bauen, verweise ich einen entsprechenden Artikel des Lowtech
Magazine mit detaillierten Erklärungen und Plänen, der im März 2022 erscheint.
Weiter mit den pedalbetriebenen Geräten...