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MUSKELKRAFT


Muskelkraft-Luftschiffe (2)


Der britische, in die USA emigrierte Verleger Frederick Marriott will 1869 der erste sein, der eine Methode für schnelle und sichere transkontinentale Reisen entwickelt, welche die Hindernisse unterwegs durch zerklüftetes Gelände, Banditen und feindliche Eingeborenen leicht umgehen bzw. überfliegen kann. Das Rennen wird aber schon im Mai zu seinen ungunsten beendet, als die erste transkontinentale Eisenbahnverbindung zwischen ost- und Westküste vollendet wird.

Trotzdem läßt Marriott seinen 11,3 m langen Luft-Dampfwagen Avitor Hermes, Jr. nur einen Monat später, im Juli 1869, erstmals in die Luft gehen – allerdings unbemannt -, wobei das Gefährt zwei 800 m große Kreise mit einer Geschwindigkeit von bis zu 9,6 km/h absolviert. Der mit Wasserstoff gefüllte Ballon in Form eines Footballs besitzt eine Dampfmaschine zum Drehen der auf Stummelflügeln angebrachten Propeller und wird durch einen beweglichen Schwanz gesteuert.

Auf der Mechanik-Messe in San Francisco fliegt der Avitor etwa eine Woche lang täglich für Tausende zahlende Zuschauer, bevor er mit einem Gaslicht in der Halle kollidiert, der Wasserstoffsack explodiert und der Pavillion in Flammen aufgeht. Diese Katastrophe, der mangelnde Fahrgastraum und der Erfolg der Eisenbahn beenden die weitere Entwicklung.

Aérostat de Lôme

Aérostat de Lôme

Im Zuge der Belagerung von Paris zwischen September 1870 und Januar 1871 durch die preußische Armee verwenden die Franzosen Ballone, um Btiefe und Passagiere aus der Stadt zu bringen. Insgesamt werden bei 66 Flügen bis zu drei Millionen Briefe und 110 Passagiere transportiert, darunter sogar Frankreichs Innenminister Léon Gambetta.

Als Mitglied des Komitees für die Verteidigung der Festungen beschäftigt sich der französische Schiffbauingenieur und Politiker Stanislas Charles Henri Laurent Dupuy de Lôme in dieser Zeit hauptsächlich mit der Konzeption eines Luftschiffs (Aérostat), für das er einen Kredit in Höhe von 40.000 Francs erhält, das aber erst nach Beendigung des Krieges gebaut und getestet werden kann.

Das mit Wasserstoff gefüllte, 33 m lange und 14,3 m durchmessende Luftschiff ist in der Lage, mehrere Personen zu tragen und besitzt einen großen 4-Blatt-Propeller, der von acht Männern angekurbelt wird. Es macht im Februar 1872 einen einzigen Flug von Fort Vincennes nach Mondecourt, bei dem es eine Geschwindigkeit von 8 km/h erreicht. Obwohl das Schiff eine deutliche Verbesserung gegenüber der vorherrschenden Ballontechnik bedeutet, kann sich die Konzeption nicht durchsetzen.

Auf der Detaildarstellung sind die kurbelnden Luftmatrosen auf der linken Seite der Gondel gut zu sehen, während die Herren mit Zylindern vermutliche wissenschaftliche Arbeiten durchführen.


Im selben Jahr 1872 baut der Mainzer Maschinenbauingenieur und Erfinder Paul Haenlein ein 50,4 m langes Luftschiff mit einem Durchmesser von 9,2 m namens Aeolus. Schon in der Zeit seiner Anstellung als Maschinenkonstrukteur in London entwickelt er die Idee eines Gasmotor-angetriebenen und dadurch lenkbaren Luftschiffs, wobei das benötigte Kraftgas der Ballonhülle entnommen werden sollte. Im April 1865 erhält er ein Patent auf diese Erfindung.

Aeolus

Aeolus

Nachdem Haenlein 1868 nach Mainz zurückgekehrt ist, beginnt er ein verkleinertes Modell seines Luftschiffs zu bauen, das er im Oktober 1871 der Öffentlichkeit vorstellt. Obwohl die Vorführung des 10 m langen Ballonkörpers mit einen Durchmesser von mehr als 2 m erfolgreich ist, gelingt es ihm nicht, private Geldgeber zum Bau eines großen Luftschiffs zu finden. Auch die Experten des Preußischen Kriegsministeriums winken ab.

Mehr Erfolg hat er mit einem zweiten Modell, das er zwei mal in Wien vorführt, denn anschließend kann Haenlein mit Hilfe des Niederösterreichischen Gewerbevereins eine Gesellschaft ,zum Zweck der Ausführung eines großen personentragenden Ballons’ gründen.

Die daraufhin gebaute Aeolus hat ein Gesamtgewicht von 1.406 kg, das Nutzgewicht (bei Leuchtgasfüllung) beträgt 300 kg. Um den Ballon trotz des Gasverbrauchs durch den Motor in Form zu halten, enthält die Hülle ein Ballonet, in das mit Hilfe eines Ventilators heiße Luft geblasen wird. Zum Antrieb installiert Haenlein einen 4-Zylinder-Lenoir-Gasmotor mit 2,7 kW sowie eine vierflügelige Luftschraube mit 4,6 m Durchmesser. Im August 1872 erhält Haenlein das US-Patent für seine ,Ballon Lokomotive’ (US-Nr. 130.915).

Das es in Wiener Neustadt, der  zweitgrößten Stadt Niederösterreichs, kein Stadtgas für die  Ballonfüllung gibt, findet der erste und einzige Aufstieg des Luftschiffs im Dezember 1872 in Brünn statt. Allerdings stellt sich das verwendete Leuchtgas als zu schwer heraus, woraufhin Haenlein kurzerhand die großen Kühlwasserreservoirs durch einen Notkühler ersetzt. Nun erhebt sich das Luftschiff mit zwei Personen in eine Höhe von bis zu 20 m, wird während der Fahrt aus Sicherheitsgründen aber von Soldaten locker an Seilen gehalten.

Die Aeolus erreicht eine Geschwindigkeit von 18 km/h, was ausreicht, um sich auch gegen den Wind zu bewegen. Da es nach dem Wiener Börsenkrach von 1873 nicht gelingt, weitere Geldmittel aufzutreiben, wird die Gesellschaft aufgelöst und Haenlein  muß die Weiterentwicklung des Luftschiff einstellen. Eine überarbeitete Konstruktion, bei der das Gefährt von unter dem Luftschiff angebrachten drei Gondeln mit Motoren angetrieben wird, erhält zwar 1874 ein weiteres Patent, wird aber nicht umgesetzt.


Aus dem Jahr 1874 stammt die Patentanmeldung ,Vorrichtung zum Navigieren in der Luft’ von Micajah Clark Dyer aus Blairsville, Georgia (US-Nr. 154.654). Es wird angenommen, daß er zwischen 1872 und 1874 einige erfolgreichen Testflüge gemacht hat, doch schon seinerzeit versteckt Dyer seine Neuerfindung vor neugierigen Blicken in seiner Scheune. Der Körper der Maschine ähnelt der Form eines Vogels und soll durch gleichzeitig aktive Flügel und Schaufelräder betrieben werden.

Später erfindet Dyer eine propellerbestückte Flugmaschine, die durch eine aufgezogene Feder betrieben wird, wobei er mehreren Zeugen zufolge erfolgreich ein Modell davon starten läßt. Es wird berichtet, daß der Erfinder persönlich auch in einem Gefährt in voller Größe geflogen sei, das mit einer Lenkvorrichtung ausgestattet ist. Die Beschreibung, daß er von einer selbst entwickelten schienenartigen Rampe auf einem Berghang in Choestoe startet, legt nahe, daß es sich wohl eher um einen steuerbaren Gleiter handelt, detaillierte Daten darüber liegen aber nicht vor.


Der US-amerikanische Erfinder Prof. Charles Francis Ritchel aus Bridgeport, Connecticut (oder Portland, Maine?), veranstaltet im Juli 1878 den ersten öffentlichen Demonstrationsflug mit seinem Handkurbel-betriebenen und mit Wasserstoff-befüllten Ein-Mann-Starrluftschiff Dirigicycle (oder Flying Car), mit dem er schon auf der 1876 Centennial Exposition in Philadelphia einen Flug in einer der großen Ausstellungshallen gemacht hatte.

Nun fliegt Mark Quinlan das zylindrische, in der Hauptsache aus einem von der Goodyear Tire and Rubber Co. hergestellten 7,6 m langen Gummi-Gassack von 4 m Durchmesser bestehende Luftschiff vor einer großen Gruppe von Zuschauern in Hartford. Mittels des 60 cm durchmessenden 4-Blatt-Propellers aus Eichenholz schwebt er über die Fabrik von Samuel Colt und über den Connecticut River und erreicht dabei eine Höhe von rund 60 m, bevor er wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrt und landet.

Dirigicycle-Reparatur

Dirigicycle-Reparatur

Eine andere Geschichte, die sogar bebildert wird, erzählt, daß Ritchel weniger als zwei Wochen zuvor selbst einen Flug versucht habe, bei dem sich das Propellergetriebe verklemmt und der Ballon gefährlich weit hoch steigt. Ohne Ventil, um den erhöhten Druck des expandierenden Traggases abzulassen, schwillt der Gassack so stark an, daß mehrere der Bänder reißen, an denen der Rahmen angehängt  ist. Aufschlitzen kann er den Sack auch nicht, da dieser kein Netz besitzt, in welchem sich der Stoff sammeln könnte, um einen Fallschirm zu bilden.

Ritchel hat keine Wahl, als eine Hand und einen Knöchel an den Rahmen zu binden und sich unter sein Gefährt fallen zu lassen, um Reparaturen mit einem Klappmesser als einziges Werkzeug zu machen. Nach einem Flug von einer Stunde und 20 Minuten gelingt ihm schließlich eine sichere Landung im rund 70 km entfernten Farnumsville.

Ritchels Vorstellung einer transkontinentalen Fluggesellschaft mit größeren Luftschiffe, die von 11 Männern vorangekurbelt werden, läßt sich allerdings nicht umsetzen.


Charles H. Grimley, Richard W. Cowan und Charles A. Pagé aus Montréal steigen im Juni 1879 – und im Juli dann nochmals gemeinsam mit drei Journalisten – in ihrem 24,4 m langen und 15,2 m durchmessenden, spindelförmigen Luftschiff Canada auf, um zu beweisen, daß sich ein gasbefüllter Ballon mit handbetriebenen Schaufelrädern als Antrieb steuern läßt.

Obwohl sie wenig Erfolg damit haben, öffnen sie mit dem ersten Flug eines in Kanada gebauten Ballons die Tür zur Förderung weiterer Untersuchungen und Entwicklungen im Bereich des kontrollierten Fluges.


Im zeitlichen Kontext soll an dieser Stelle auch auf den französischen Chemiker, Meteorologen, Flieger und Gründer des Wissenschaftsmagazins La Nature Gaston Tissandier hingewiesen werden, der im Jahr 1881 am Conservatoire des Arts et Metiers in Paris das Modell eines elektrisch betriebenen Luftschiffs vorstellt, dessen Motor von dem berühmten französischen Erfinder Gustave Trouvé gebaut ist, der auch für das erste ,offiziell’ anerkannte Elektrofahrzeug Trouvé Tricycle verantwortlich ist (s.d.).

Auf der Detailabbildung ist der Aufbau von Batterie, Motor und Propeller klar zu erkennen – ebenso wie die aus Bambusstäben bestehenden Träger.

Tissandier-Modell

Tissandier-Modell

Ein Luftschiff in voller Größe, das von einem 1,1 kW Siemens-Elektromotor angetrieben wird, kann Tissandier schon im Oktober 1883 besteigen. Ich habe darüber bereits im Kapitelteil Solar-Ballone und Solar-Luftschiffe berichtet.

Dort finden sich auch ausführlichere Informationen über ein weiteres elektrisch betriebenes Luftschiff, das auf den französischen Hauptmann und Militäringenieur Charles Renard zurückgeht, der es zusammen mit seinem Bruder Paul Renard und dem Hauptmann und Piloten Arthur Constantin Krebs im Jahr 1884 baut und mit einer 435 kg schweren Batterie ausstattet.

Schon die erste voll gesteuerte Fahrt der 50,3 m langen La France im August führt in 23 Minuten knapp 8 km weit – und endet erfolgreich am Startpunkt bei Chalais Meudon in der Nähe von Paris. In Anerkennung ihrer Verdienste werden Renard und Krebs 1886 mit dem Ponti-Preis der französischen Akademie der Wissenschaften geehrt.


Ein ganz besonderes Paar sind Mary and Carl Myers, die hauptsächlich durch ihre Balloon Farm in Frankfort, New York, bekannt werden. Carl, Sohn eines Bauern deutscher Abstammung, wächst in Mohawk auf, arbeitet sechs Jahre lang bei der Mohawk Valley Bank und kauft dann, entsprechend einem seiner Hobbys, eine Fotografie-Galerie in Hornellsville. Hier lernt er Mary Breed Hawley kennen, die er im Jahre 1871 heiratet.

Skycycle

Skycycle

Nachdem sich Carl zwei Jahren lang mit Wasserstoff-Ballons beschäftigt hat, kehrt er 1875 nach Mohawk zurück, um die Sache hier weiter zu verfolgen. Auch Mary teilt seine Leidenschaft für die Luftfahrt. Ihren ersten Flug macht ,Carlotta – die Aeronauten-Dame’ im Juli 1880 in Little Falls im Beisein von fünfzehntausend Zuschauern.

Carl Myers wird vor allem für seine ausgereiften Ballons bekannt. Im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten entwickelt er meteorologische Wasserstoff-Ballons zur Wetter-Vorhersage. Im März 1889 meldet er das Patent für sein Skycycle an, das er aber erst im April 1897 erteilt bekommt (US-Nr. 581.218).

Bei dem auch ,Gas-Drachen’ (Gas-Kite) genannten Skycycle-Ballon sitzt der Luftschiffer in einem Sattel und betreibt mit Händen und Füßen einen Segel-Propeller sowie Flatterflügel, um Nutzen aus dem Wind zu ziehen. Myers fliegt mit seinem Gefährt bei hundert Flügen in 13 Bundesstaaten insgesamt einige hundert Meilen, ohne zu versuchen, gegen den Wind anzugehen, sondern indem er jene der verschiedenen Strömungen in unterschiedlichen Höhen auswählt, die sein Vorhaben begünstigen. Dabei soll er eine Geschwindigkeit von bis zu 19 km/h erreicht haben.

Neben dem Propeller und den Flatterflügeln sind auch noch bewegliche Tragflächen und Ruder mit an Bord, da Myers die relativen Vorteile aller bekannten Antriebs- und Steuerungssysteme testen will. Es werden aber nur drei Maschinen gebaut, die sich etwas in der Form unterscheiden. Der Durchmesser der Schraube wird von 4,5 m auf 2,4 m reduziert während die Flügel und Seitenruder ganz aufgegeben werden, da sich die Tragflächen in jeder Hinsicht als überlegen erweisen.

Die Myers liefern auch die Hülle für das Luftschiff America, das 1888 von Prof. Peter Carmount Campbell aus Rhinebeck, New York, konzipiert und für 2.500 $ von der Novelty Air Ship Company of Brooklyn gebaut wird. Es bietet Platz für den Piloten und drei Passagiere und besitzt zwei große, vogelähnliche Flügel an beiden Seiten, die allerdings nicht schlagen, sondern nur angehoben oder abgesenkt werden können, um die Bewegungsrichtung zu kontrollieren. Das Patent dafür hatte Campbell im Mai 1887 erhalten (US-Nr. 362.602).

America Detail

America
(Detail)

Campbell, der ursprünglich plant, den horizontal unter der offenen Kabine angebrachten Mehrblatt-Propeller zum Aufstieg - sowie die drei weiteren kleinen Antriebsrotoren an den Enden des Schiffes mit einem Elektromotor und Batterien zu versorgen, muß davon aus Gewichtsgründen Abstand nehmen, weshalb das Luftschiff mittels Fahrradpedalen angetrieben wird.

Seinen Erstflug im Dezember 1888 macht das 18,3 m lange und 12,8 m durchmessende Luftschiff von James K. Allan pilotiert, der schnell auf 30 m steigt, dann von Campbell für ein Foto heruntergerufen wird und problemlos auch wieder absteigt. Danach geht er auf eine Höhe von gut 150 m und kreuzt eine halbe Stunde lang begeistert am Himmel zwischen Coney Island und Brooklyn herum.

Das Campbell-Luftschiff wird im Juli 1889 während eines Versuchsaufstieges auf dem Meer vor der Küste von New Jersey hinausgetrieben und geht verloren, wobei auch der Pilot Edward D. Hogan aus Jackson stirbt, ein Bruder des Ballonfahrers Prof. W. M. Hogan. Ein weiterer Bruder, John Hogan, stirbt im gleichen Jahr bei einem Aufstieg in Detroit.


Vom November 1886 datiert das Patent von Marby P. Appling aus Campbell, Texas, über ein Luftschiff mit Schlagflügeln (US-Nr. 353.193).

Cole-Luftschiff

Cole-Luftschiff


Das Magazin Scientific American berichtet im Januar 1887 über ein Luftschiff des in Rivas, Nicaragua, lebenden US-Amerikaners Moses S. Cole, der das Patent für sein Aerial Vessel im November des Vorjahres erhalten hatte (US-Nr. 352.298).

Es wird behauptet, daß dieses Gefährt steigen und sinken und in jede Richtung gelenkt werden kann, die dem Piloten vorschwebt. Dazu beinhaltet die Geschichte alle Informationen, wie das Luftschiff gebaut wurde – ohne jedoch darauf einzugehen, wie genau es angetrieben wird. Die Beschreibung impliziert, daß es das aus zwei Halbkugelformen bestehende und mit großen Propellern ausgestattete Luftschiff tatsächlich existiert, getestet sei und bereit ist, in Betrieb gehen – was leider alles nicht stimmt.


Von dem Erfinder Reuben Jasper Spalding aus Rosita, Colorado, ist ein Patent aus dem Jahr 1889 bekannt, in welchem er einen Flugapparat in Form eines fliegenden Menschen beschreibt (US-Nr. 398.984, ‚Human-powered flapping wings with balloon‘).

Die Konstruktion, die er augenscheinlich auch baut, besteht aus Flügeln und einem Schwanz, die mittels einer jackenartigen Konstruktion getragen werden und mit einen Ballon verbunden sind. Die am Handgelenk befestigten Flügel sind durch Holm-Gelenke schwenkbar und können durch die Bewegung der Arme ausgeklappt werden, während der Schwanz spreizbar ist. Das Modell befindet sich heute im Washington DC National Air and Space Museum.


Auf der Tennessee Centinnial Exhibition im Mai 1897 führt Prof. Arthur W. Barnard aus Nashville, Leiter der Abteilung Leibeserziehung der Young Men’s Christian Association (YMCA), ein eiförmiges Wasserstoff-Luftschiff von 13,7 m Länge und rund 6 m im Durchmesser vor, das vorn mit einem 2,4 m durchmessenden, umkehrbaren Segeltuch-Propeller bestückt ist, der etwa 3 m weit aus der Maschine herausragt.

Barnard-Luftschiff Grafik

Barnard-Luftschiff
(Grafik)

Die einzige auffindbare Abbildung – mit der Bezeichnung CactusCow-airship – stammt aus einer zeitgenössischen Tageszeitung und beruht auf einem mündlichen Bericht.

An beiden Seiten des in gelber Farbe aus Seide und Baumwolle gewebten Tragesacks befinden sich drachenförmige Segel von 90 cm Länge und 50 cm Breite. Statt eines Korbes, wie bei einem Ballon, verfügt das Schiff über einen angehängten Fahrradrahmen, auf dem der Pilot sitzend mittels Pedalen und Griffen die Propeller betreibt und die Seitensegel steuert.

Mit Hilfe des Windes fliegt Barnard 32 km weit und erreicht dabei eine Geschwindigkeit von rund 24 km/h. Auf den Rückflug bricht jedoch einer der Propeller, und Barnard muß schon gut 19 km vor den Ausstellungsgelände landen, was ihm aber problemlos gelingt. Weitere Informationen ließen sich bislang nicht finden.


Friedrich Hermann Wölfert (der z.T. auch unter dem Namen Dr. Karl Wölfert aufgeführt wird) ist ein Leipziger Verlagsbuchhändler, der 1879 den Forstmann und Erfinder Ernst Georg August Baumgarten kennenlernt und sich von diesem für die Luftschifffahrt begeistern läßt. Er hilft Baumgarten finanziell und persönlich bei der Weiterentwicklung der Luftschiffe.

Baumgarten hatte zunächst einige unbemannte Luftschiffmodelle mit Federwerkantrieb gebaut, darunter steuerbare Versionen von bis zu 12,5 m Länge, bis er im Juli 1879 in Grüna die erste erfolgreiche bemannte Auffahrt macht und mit seinem lenkbaren, muskelkraftbetriebenen Luftschiff eine Höhe von etwa 25 m erreicht.

Wölfert-Luftschiff

Wölfert-Luftschiff

Gemeinsam mit Wölfert wird in Dresden ein Schiff gebaut, das aus einem Ballon mit einer Länge von 26 m, drei Gondeln sowie Luftschrauben besteht, die per Handkurbel angetrieben wurden. Ein gemeinsamer Freiflug-Versuch endet mit einem glimpflich verlaufenden Absturz.

Als ihm seine vorgesetzte Behörde 1881 die Luftschiffexperimente verbietet, arbeitet Baumgarten heimlich weiter, worauf 1882 die Amtsenthebung und der Verweis aus der Dienstwohnung erfolgen. Nachdem er in einer Auseinandersetzung, in der es um seine Luftschiffe geht, auch noch zum Gewehr greift, wird er im Januar 1883 in die Landesirrenanstalt Cloditz eingeliefert, wo er ein Jahr später an Tuberkulose stirbt. Daraufhin werden die Arbeiten von Wölfert alleine weitergeführt, der insgesamt sieben Luftschiffe baut.

Nachdem Gottlieb Daimler Wölfert im Jahr 1887 kontaktiert, beginnt dieser mit Daimlers Benzinmotor zu experimentieren, der sogenannten ,Standuhr’. Im August 1888 startet sein Luftschiff vom Fabrikhof der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) auf dem Cannstatter Seelberg zu einem 4 km weiten motorisierten Flug bis zum Aldinger Exerzierplatz bei Kornwestheim, wo es von den erstaunten Offizieren begrüßt wird. Pilot dieser Fahrt ist der Daimler-Mitarbeiter Gotthilf Wirsum. Zwei Tage später steuert Wirsum das wasserstoffgefüllte Luftschiff von Cannstatt aus zu einem weiteren Flug von 4 km Länge.

Der 84 kg schwere Daimler-Einzylindermotor leistet 2 PS (1,5 kW) und treibt zwei Luftschrauben an, von denen die eine vertikal und die andere horizontal angeordnet ist. Gelenkt wirdedas Luftschiff mittels eines großen Steuerruders am Bug der Gondel, das wie die beiden Propeller mit Tuch bespannt ist. Mit dem Einsatz des Motors erfüllt sich nun Gottlieb Daimlers Vision der Motorisierung von Fahrzeugen zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

Für Wölferts Luftschiff Deutschland liefert Daimler 1896 den 7 PS (5,1 kW) starken Zweizylinder-Phönixmotor mit Leichtmetall-Kurbelgehäuse, mit dessen Hilfe mehrere erfolgreiche Probefahrten durchgeführt werden, bei denen Wölfert im Mai 1896 mit 1.940 m den ersten Höhenrekord für Luftschiffe aufstellt. Weitere Fahrten erfolgen im August 1896 und März 1897, aber ohne viel Erfolg beim navigieren der Maschine.

Während einer Fahrt im Juni 1897 vor Regierungswürdenträger und Militärs auf dem Tempelhofer Feld bei Berlin geht das neue Luftschiff in 200 m Höhe plötzlich Flammen auf und Wölfert stirbt zusammen mit seinem Mechaniker Robert Knabe beim Absturz. Eine originalgetreue Rekonstruktion der Gondel inklusive Motor wird heute im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart ausgestellt.


In den 1890er Jahren, der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt, beginnt sich auch W. D. Custead für Luftschiffe zu interessieren, der sich als Telegrafist der Katy Railroad in der kleinen Stadt Elm Mott außerhalb von Waco in Texas unterfordert fühlt. Was nicht überrascht, wenn man erfährt, daß Custead ein Cousin von William Frederick Cody ist, der unter dem Namen Buffalo Bill als Bisonjäger und einer der Begründer des modernen Showbusiness berühmt wird.

Mitte bis Ende der 1890er Jahre führt Custead mit seinem etwa 30 m langen und ursprünglich aus einem Bambus-Rahmen gebauten Luftschiff diverse Fesselfahrten im Inneren eines Zeltes durch, das er neben seinem Haus errichtet hat. Das mit Wasserstoff gefüllte Gefährt wirkt wie direkt aus einer Geschichte von Jules Verne entsprungen.

Das Kanu-förmige Gerüst (später aus Stahlrohr) ist mit geöltem Leinentuch bedeckt, um es luftdicht zu machen. An jeder Seite befinden sich drei große, schaufelförmige Flügel, die von einen Benzinmotor angetrieben über einen Kettenantrieb für den Vorwärtsschub sorgen – weshalb man das Gefährt mit dem Profil einer dicken Zigarre auch als Ornithopter-Luftschiff bezeichnen kann.

Im Jahr 1899 reist Custead nach Washington, um seinen Entwurf patentieren zu lassen und ihn dem Kriegsministerium vorzustellen, wo er – zumindest dem Waco Times Herald zufolge – mit Begeisterung begrüßt wird. Zurück in Waco arbeitet er an der Weiterentwicklung seines Luftschiffes, hat aber das Problem, daß die Benzinmotoren seiner Zeit zu schwer sind, als daß er sie erfolgreich einsetzen könnte.

Custead reist deshalb nach New York, um mit einem anderen (ungenannten) Erfinder zusammenzuarbeiten, dessen neues Motordesign ihm vielversprechend aussieht. Dort reicht er außerdem Patente für mehrere Mechanismen für variable Geschwindigkeiten ein, die sein Luftschiff benötigt, um ordnungsgemäß zu funktionieren.

Mit Unterstützung einer Reihe von Kapitalgebern aus Texas und den Südstaaten gründet Custead im April 1900 die Custead Airship Co. - und schmiedet bereits im August mit einem Aktienkapitalanteil von 100.000 $ eine Partnerschaft mit Gustav Whitehead aus Bridgeport, Connecticut. Ihr Ziel ist, Luftschifflinien zwischen den größeren Städten der USA sowie zwischen New York City und Europa zu etablieren. Whitehead ist ein deutsch-amerikanischer Pionier des Motorflugs, der ursprünglich Gustav Albin Weißkopf hieß und höchstwahrscheinlich noch vor den Gebrüdern Wright geflogen ist.

Das erste 12,2 m lange und 3,6 m durchmessende Schiff will die neue Firma schon Ende Juli fertigstellen. Angetrieben von einen 10 PS Kohlensäure-Druckkgas-Motor soll es eine Maximalgeschwindigkeit von 40 km/h erreichen – und nur 5.000 $ kosten. Damit plant Custead gemeinsam mit einigen Freunden zuerst nach NY und dann über den Atlantik nach Paris zu fahren, um das Luftschiff dort auf der Weltausstellung zu präsentieren. Anschließend sollen kleinere 1-Personen-Luftschiffe für 500 $ das Stück gebaut werden.

Es gibt aber keine Hinweise darauf, daß diese ambitionierten Pläne auch umgesetzt werden, gleichwohl Zeitungen in Waco und Hillsboro von einigen Flügen berichten. Als dann im Dezember 1903 von dem bezeugten Flug der Kitty Hawk der Gebrüder Wright berichtet wird, ist Custead am Boden zerstört und verschwindet. Seine Frau und seine Kinder sehen ihn nie wieder und bekommen auch nur selten Briefe von ihm. Er wandert nach New Orleans, San Francisco und Panama, um schließlich in Hawaii zu landen, wo er stirbt.


Der brasilianische Journalist, Lehrer und Politiker Augusto Severo de Albuquerque Maranhão baut im Jahre 1893 mit Unterstützung des Präsidenten Floriano Peixoto und gemeinsam mit der Ballon-Firma Lachambre & Machuron in Paris ein halbstarres Luftschiff mit einem Volumen von 2.000 m3, das den Namen Bartolomeu de Gusmão erhält und sich erstmals im Februar 1894 in Rio de Janeiro in die Luft erhebt. Welch einen Antrieb das Gefährt hat, ließ sich bislang nicht herausfinden.

Pax

Pax

Schon beim dem Erstflug bricht jedoch die Bambusstruktur, aus der das 60 m lange Schiff besteht, und die mangels Ressourcen nicht aus Aluminium gebaut werden konnte. Das Scheitern und das Ende des im März 1892 begonnenen 2. Aufstands der Armada, gegen den die brasilianische Regierung das Gerät einzusetzen beabsichtigt hatte, führen zum Ende des Projekts, ohne daß das Luftschiff repariert wird.

Erst im Jahr 1902 kehrt Severo nach Paris zurück, um den Bau eines neuen Luftschiffs mit einem Volumen von 1.900 m3 zu verfolgen, das den Namen Pax erhält, und das er sich bereits im Juli 1899 in Brasilien hatte patentierten lassen. für dieses Schiff werden sieben Propeller hergestellt. Die beiden größten sitzen am Bug und Heck des 30 m langen und 12 m durchmessenden Ballons, während vier kleinere an der Tragestruktur befestigt sind. Diese sich nicht nur für die Lenkung gedacht, sondern auch um Seitenwind zu kompensieren. Der siebte Propeller sollte zum Antrieb an der Gondel montiert werden, kommt aber nicht zum Einsatz.

Schon Anfang Mai desselben Jahres ist das mit zwei Motoren ausgestattete Gerät bereit und auch die Tests verlaufen erfolgreich – doch als es beim Erstflug am 12. Mai 1902 in Paris nach rund 10 Minuten eine Höhe von 400 m erreicht, zerreißt eine Explosion das Luftschiff, was den sofortigen Tod von Severo und seines französischen Mechanikers Georges Saché zur Folge hat (an der Absturzstelle in der Avenue du Maine gibt es heute eine Marmortafel in Erinnerung an die beiden).

Die anschließenden Untersuchungen zeigen, daß der Mangel an Finanzmitteln zu einigen gefährlichen Veränderungen geführt hatte. So wurde die ursprünglich aus Aluminium geplante Struktur aus Bambus hergestellt, was sie schwerer und es deshalb notwendig machte, die Wasserstoffmenge in dem Ballon auf 2.500 m3 zu erhöhen. Und anstelle des eigentlich vorgesehenen Elektromotors wird ein Brennstoffmotor verwendet. So wird vermutet, daß das Ablassen von Wasserstoff durch eines der Sicherheitsventile, das viel zu nahe am Motor sitzt, die Explosion verursacht hat.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Biographie von José Carlos do Patrocínio, eines brasilianischen Journalisten, Schriftstellers und Verlegers mit farbigen Vorfahren, der sich als politischer Aktivist der Anti-Sklaverei-Bewegung hervortut und 1892 in seiner Zeitung das Manifest eines der Führer des Aufstand der Armada veröffentlicht. Er wird daraufhin nach Cucui im Amazonas verbannt, kehrt aber insgeheim schon 1893 nach Rio de Janeiro zurück, allerdings ohne jede Einkommensquelle.

In den folgenden Jahren vernachlässigt er die politische Partizipation und richtet seine Aufmerksamkeit statt dessen auf die moderne Luftfahrt. Nachdem 1897 die politische Normalität in das Land zurückgekehrt ist, widmet er sich der Beschaffung des Sponsoring für die Konzeption eines Luftschiffs und arbeitet mit der Hilfe eines Freundes, Magellan Viégas, dem Leiter der Marine-Gießerei, am Wochenende an dem Projekt.

Mitte 1901 beginnt er in einen Hangar mit dem Bau eines 45 m langen Luftschiffes aus Aluminium namens Santa Cruz, bei dem die Gondel und die Hülle ein festes, integriertes Ganzes bilden, was er sich auch patentieren läßt. Ein heftiger Sturm über Rio de Janeiro im Dezember führt allerdings zur Zerstörung des Hangars und des in Bau befindlichen Schiffes, wobei zudem noch zwei Tote und fünf Verletzte zu beklagen sind.

Im Jahr 1902 startet Patrocínio einen erneuten Versuch, um sein Schiff bis zum Nationalfeiertag am 7. September fertigzustellen, doch es geht nur zögerlich voran und noch nicht einmal der Besuch des Präsidenten der Republik, Campos Salles, im Hangar führt zur Weiterfinanzierung des Baus. Um sein Projekt dennoch zu verwirklichen verkauft Patrocínio sein Haus und seine Zeitung und lebt krank und mittellos in einem kleinen Raum neben dem Hangar.

Etwas makaber wirkt auch sein Ende, als er im Januar 1905 an einem durch Tuberkulose ausgelösten Bluthusten stirbt – ausgerechnet während einer Rede zu Ehren seines erfolgreichen Landsmanns Santos Dumont (s.u.). Patrocínios Luftschiff wird dengegenüber nie vollendet.

 

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