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Zur Abrundung der bisher vorgestellten
Anlagen möchte ich noch auf ähnliche Technologien hinweisen,
die als Antriebe von Schiffen und Flugzeugen genutzt
werden.
An erster Stelle ist dies der Voith-Schneider-Propeller
(VPS), der es z.B. Schleppern ermöglicht, sehr flexibel und präzise zu
manövrieren, und sogar auf der Stelle zu wenden.
Der Propeller, der auch unter dem Namen Voith Water Tractor vermarktet wird, sieht ein wenig wie ein H-Darrieus aus, dessen drehbare Einzelblätter sich zentral um 360° drehen lassen.
Erfunden wurde der Voith-Schneider-Antrieb von dem Österreicher Ernst Leo Schneider (DE-Nr. 453823, erteilt 1927). Wobei ein weiter unten erwähntes Patent von Prof. Kirsten, welches von Voith gekauft wird, bereits 1924 beantragt worden war, und möglicherweise die tatsöchliche Grundlage des Antriebs bildet (s.d.). Ein weiteres Patent unter dem Namen Flügelradpropeller wird 1938 eingereicht (DE-Nr. 763080), seltsamerweise aber erst 1953 erteilt.
Weiterentwickelt und produziert wird der Antrieb seitdem von der Firma Voith in Heidenheim bzw. St. Pölten, die heute unter dem Namen Voith Turbo Schneider Propulsion GmbH & Co. KG aktiv ist.
Der neue Propeller erscheint schon 1934 international in der Presse, wobei berichtet wird, daß er bereits in recht großen Schiffen mit mehreren hundert Pferdestärken auf dem Bodensee und der Donau Verwendung findet.
Im US-Magazin Modern Mechanix vom November 1935 folgt die Meldung, daß der nächste Schritt der deutschen Ingenieure nun der Versuch sei, den Antrieb mit den vertikalen Blätter auch bei Flugzeugen anzuwenden.
Später gibt es einige Ansätze, den Voith-Schneider-Propeller zu verbessern, wie in dem Gebrauchsmuster der Ludwig Bergdorf KG aus Vöhringen (DE-Nr. G 82 02 837.0, angemeldet 1982, veröffentlicht 1982, erloschen 1985), die auch gleich Varianten für ein Modellfahrzeug und eine Schiffsmodell schützen läßt (DE-Nr. G 82 02 898.2 und G 82 02 899.0), oder ein Voith-Schneider-Propeller mit in Schiffslängsrichtung ausrichtbaren Flügeln von Prof. Rainer Alte aus Husby (DE-Nr. P 32 14 015.0, angemeldet 1982, erteilt 1983, erloschen 1985). Es scheint aber, daß diese Innvoationen nie umgesetzt worden sind.
Im Jahr 1997 beginnt die niederländische Firma Whale
Tail Systems BV (WTS) in Leiden an einem Schiffsantrieb zu arbeiten,
der im Grunde aus zwei Rädern besteht, zwischen denen horizontal eine
Reihe von Tragflächen angebracht sind.
Hydrodynamische Berechnungen, Computermodellierungen und Modellversuche im Schlepptank am Maritime Research Institute (MARIN) in Wageningen mit einem etwa 2 m breiten Prototyp hatten ergeben, daß das vom der Wal-Schwanzflosse inspirierte Systeme eine Kraftstoffersparnis von 25 - 33 % gegenüber herkömmlichen Antriebspropellern erzielt – oder dem gleichen Motor 33 – 50 % mehr Schub erzeugt. Für die Erfindung werden daraufhin eine Reihe von Patenten angemeldet.
Bei meiner entsprechenden Recherche fand ich eine Anmeldung vom Oktober 1997, deren Antragsteller die Firma Schelde Maritiem BV ist, während als Erfinder ein Johannes Wilhelmus Lubbertus Ludolphij aus Vlissingen benannt wird (EP-Nr. 0841502 A1, Priorität 1996, erteilt 1998, erloschen 2003 wegen Nichtzahlung der Gebühren). Das deutsche Patent trägt seltsamerweise den Titel ,Hai-Flossenpropeller für Schiffe’ (DE-Nr. 69710158 D1, erteilt 2002, erloschen 2004).
Das Whale Tail Wheel genannte Antriebssystem funktioniert durch zwei Formen der Drehung: die der Räder selbst, sowie die der einzelnen Blätter. Während die Räder kreisen, drehen sich die sechs einzeln angetriebenen Blätter ebenfalls, um den hydrodynamisch jeweils ideale Position einzunehmen. Der Schwanz-Struktur, die an der Rückseite des Schiffs hängt und ein wenig einem Rasenmäher ähnelt, kann bei jeder Art von Schiff eingesetzt werden.
Im Sommer 1998 wird auf der De Hoop Werft in Lobith der Binnenfrachter für Kies und Sand Lidwina hinten komplett umgebaut, um ein 4,5 m breites Whale Tail Wheel-System mit einem Durchmesser von 1,50 m aufzunehmen.
Anfang 1999 startet das Schiff zu Tests im offenen Wasser. Dabei werden die Belastungen der Tragflächen aus Kohlenstoff-Epoxy-Verbundmaterialien untersucht, die Anstellwinkel optimiert und der Gesamtwirkungsgrad gesteigert.
Es lassen sich zwar noch einige vergessene Seite im Netz finden, auf denen die Arbeiten jener Wochen und Monate Blog-artig beschrieben werden, leider undatiert, doch selbst ohne holländische Sprachkenntnisse fällt auf, wie häufig das Wort ,Problem’ darin auftaucht.
Das System wird jedenfalls mehrfach umgebaut und verstärkt, und scheint dann auch gute Resultate zu erbringen – trotzdem verschwindet die Entwicklung Ende 2000 wieder von der Bildfläche – ebenso wie die Firma selbst, auf deren Homepage wohl schon seit einigen Jahren nur noch ein lakonisches „Bald neue Entwicklungen!“ steht.
Unter der Bezeichnung 2D Propulsor erweitert
der im Jahr 2005 gegründete Bauhaus
Luftfahrt e.V. in München
den obigen Voith-Schneider-Propeller (VSP) auf Flugzeuge, und läßt sich
die Technologie im Jahr 2007 patentieren: ,Fluggerät
mit rotierenden Zylindern zur Erzeugung von Auftrieb und/oder Vortrieb’ (DE-Nr.
10 2007 009 951.9, erteilt 2008). Ein mittig zu den
VSP-Flügeln angeordneter, rotierender Flettner-Zylinder erzeugt dabei
zusätzlichen Auftrieb. Dadurch sollen sogar Hubschrauber mit vier quer
liegenden Schaufelrädern, und ohne herkömmliche Rotorblätter, möglich
werden.
Ein Flettner-Rotor alleine kann entweder Vortrieb (Rotorschiff) oder Auftrieb (Rotorflugzeug) erzeugen – aber nicht beides zugleich. Daher entsteht schon früh die Idee des Hybrid-Rotors, der eine vorteilhafte Kombination aus Zykloidalpropeller und Flettner-Rotor bildet. In der Anwendung bei Luftfahrzeugen sorgt der Zykloidalpropeller beim Vortrieb und Steuerbarkeit, während der Flettnerrotor den Auftrieb liefert.
Der Verein ist eine interdisziplinäre Forschungseinrichtung, die von vier Luft- und Raumfahrtunternehmen getragen wird: der Airbus Group, der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG), der Liebherr-Aerospace und der Firma MTU Aero Engines. Gefördert wird er durch das Bayeische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie.
Das neuartige Fluggerät besitzt dem um Querachsen rotierende und mit steuerbarer Drehzahl antreibbare geschlossene Zylinder zur Erzeugung von Auftrieb und/oder Vortrieb nach dem Magnuseffekt. Dabei ist jedem Zylinder zur Erzeugung eines ihn quer anströmenden Luftstromes ein eigenes Gebläse mit einstellbarer Antriebsleistung zugeordnet.
Im Jahr 2010 erscheinen noch einige Berichte über die geplanten Umsetzungen, die auch auf der ILA in Berlin präsentiert werden, danach scheint man jedoch wieder Abstand von dieser Antriebtechnologie genommen zu haben, denn auf der Hompage des e.V. erzielen die entsprechenden Stichwörter inzwischen keinerlei Treffer mehr.
Auch über die 1998 gegründete Firma Atena Engeneering GmbH (Silver Atena Electronic Systems Engineering GmbH) in München, die an dem Konzept mitgearbeitet hat und im Jahr 2008 von der Assystem Deutschland Holding GmbH übernommen worden ist, kann mit dem Begriff Propulsor inzwischen nichts mehr anfangen.
Von Kritikern wird der 2D Propulsor allerdings als (nur) eine Schachtelung aus Flettner-Rotor und Voith-Schneider-Antrieb bezeichnet, die als nicht besonders innovativ gilt. Trotzdem finde ich es schade, wenn diese Entwicklung nicht weiter verfolgt wird.
Über die Grundlage der Technologie, den Zykloidalpropeller, wird hier noch häufig gesprochen, denn dieser kann durch eine entsprechende Schubvektorsteuerung in die Vertikale eine Alternative zum Hubschrauberrotor oder Schwenkrotor bei senkrecht startenden Fluggeräten bilden.
In der Animation kann man die zyklische Blattverstellung eines Zykloidalpropellers erkennen, bei dem das Propellerblatt während eines Umlaufs einmal bis zum positiven Maximalausschlag ausgelenkt, und einmal bis zum negativen Maximalausschlag, womit im dargestellten Fall eine Schubkraft nach links erzeugt wird.
Die Voith Hydro GmbH & Co. KG in Heidenheim meldet 1996 einen Zykloidalpropeller zum Patent an (EP-Nr. 19960120876, erteilt 1997), in welchem als Erfinder ein Herbert Perfahl genannt wird (s.a. DE-Nr. 19637833 C1, angemeldet 1996, erteilt 1998; sowie DE-Nr. 19718682.3, angemeldet 1997, erteilt 1998), Erfinder: Harald Gross aus Bolheim).
1998 läßt sich auch die Voith Turbo Marine Gmbh & Co. KG einen Zykloidalpropeller patentieren (EP-Nr. 0829422 A2), wobei als Erfinder wiederum Herbert Perfahl genannt wird, während die Voith Hydro GmbH & Co. KG 1999 einen Zykloidalpropeller mit einer sogenannten Schubkurbelkinematik zum Patent anmeldet (EP-Nr. 0943539, Erfinder: Harald Gross). Das Patent für einen weiteren Zykloidalpropeller mit Schwenkachsen an den Flügeln reicht die Voith Turbo Marine Gmbh & Co. KG im Jahr 2004 ein (DE-Nr. 102004020522 A1). Hier werden Dirk Jürgens und Michael Palm als Erfinder benannt.
Die Produkte auf dem Marinesektor sind erfolgreich auf dem Markt, und werden auch rege vertrieben.
Die Idee des oftmals auch Cyclogyro oder Cyclocopter beeichneten
Zykloidalpropellers
läßt sich bis in die 1910er Jahre zurückverfolgen,
es scheint jedoch damals nicht gelungen sein, die Flugobjekte tatsächlich
in die Luft zu bekommen.
Ohne im Einzelnen in die Details zu gehen, erwähne ich hier den Militäringenieur E. P. Sverchkov (o. Jewgeni Swertschkow), der 1909 in St. Peterburg erfolglos versucht, sein Samoljot genanntes Wheel-Orthopter-Flugzeug mit seinen 12 Blättern und einem 10 PS Motor überhaupt in Bewegung zu versetzen - sowie den Elektroingenieur A. N. Lodygin, der im Jahr 1914 daran scheitert, die russische Regierung für das Projekt eines ähnlichen Cyclogyro-Flugzeugs zu erwärmen.
Aufnahmen von desaströsen Versuchen mit einem unbekannten Cyclogyro stammen aus Frankreich, sie datieren aus einer Zeit zwischen 1909 und 1914, und sind in dem Film ,Wings of Fame’ zu sehen. Vermutlich in den mittleren 1920er Jahren führt auch ein C. Brooks aus Pattonville in Montana Experimente mit einem äußerst komplizierten und aufwendigen Flügelrad-Antrieb durch, ohne es damit aber in die Luft zu schaffen.
Im Oktober 1922 läßt sich der deutschstämmige Erfinder
Prof. Frederick Kurt J. Kirsten aus Seattle, Washington,
einen Zykloidalpropeller patentieren (US-Nr. 1.432.700, beantragt 1921;
vgl. DE-Nr. 413896, erteilt
1925), dessen akribisch ausgearbeitete Idee sogar William
E. Boeing, den Begründer der Boeing-Flugzeugwerke, überzeugt. Das System
wird damals unter den Namen Egg-Beater Wind Plane
bzw. Cycloidal
flying machine bekannt.
Boeing hatte schon früh erkannt, daß er für seine Pläne ausgebildete Luftfahrtingenieure und eine Einrichtung benötigt, um neue Flugzeugentwürfe testen zu können. Er beschließt daraufhin, der University of Washington in Seattle einen Windkanal zu spenden - unter der Bedingung, daß die Universität einen Luftfahrttechnik-Lehrplan aufstellt. Konstruktion und Bau des neuen Windkanals beginnen im Jahr 1917.
Als Boeing nun den Zykloidalpropeller von Kirsten kennenlernt, tun sich die beiden zusammen, um den Propeller für Luftfahrt- und Schiffsanwendungen weiterzuentwickeln. Boeing investiert 175.000 $ in die Kirsten Boeing Engineering Co., die bereits 1924 ihr erstes eigenes Patent für ein motorbetriebenes Wasserfahrzeug beantragt (US-Nr. 1.740.820, erteilt 1929), dessen Antrieb schon den späteren Voith-Schneider-Propeller erahnen läßt.
Bestätigten Quellen zufolge versucht Kirsten in dieser Zeit auch, seinen Antrieb bei dem US-Marine-Luftschiff Shenandoah zum Einsatz zu bringen – womit er sogar auf positive Resonanz stößt. Durch den Unfall, bei dem das Schiff im September 1925 zerstört wird, zerschlagen sich diese Pläne jedoch. Auch die Luftschiff-Kooperationspartner Goodyear Rubber Co. und Zeppelin wollen lieber bei ihren konventionellen Lufschrauben bleiben.
Tests mit einem Schiffsmodell verlaufen dagegeb erfolgreich, allerdings erweist sich schließlich, daß das Konzept für Luftfahrtanwendungen nicht praktikabel ist, worauf das Kirsten/Boeing-Unternehmen aufgelöst wird und Kirsten seine Patente der Firma Voith-Schneider verkauft (s.o.).
Während der frühen 1930er Jahre ist Kirsten begierig darauf, sein Zykloidalpropeller-Flugzeug-Konzept Cycloplane zu testen – zumindest im Windkanal. 1934 reicht er das Patent für ein entsprechendes Fluggerät ein, daß genau so aussieht wie das abgebildete Modell im Maßstab 1:6, neben dem der Erfinder zu sehen ist (US-Nr. 2.090.052, erteilt 1937). Dieses Konzept ist als Passagierflugzeug für 10 Personen gedacht. Gemeinsam mit einem Herbert M. Heuver beantragt Kirsten noch ein weiteres Patent für einen Flugzeugpropeller (US-Nr. 2.045.233, erteilt 1936).
Interessanterweise meldet der letztgenannte im Jahr 1945 einen eigenen Zykloidalpropeller für Flugzeuge an, den er als Verbesserung des gemeinsamen Patents bezeichnet (US-Nr. 2.580.428, erteilt 1952). Hier ist die Anordnung von zwei hintereinander liegenden Flügeln an jeder Seite des Flugzeugrumpfes bemerkenswert.
Doch zurück zu Kirsten, der im Jahr 1934 beantragt, den Windkanal der Graduate Aeronautical Laboratories am California Institute of Technology (GALCIT) zu nutzen, um seine Tests durchzuführen. Der verlangte Preis von 200 $ pro Tag ist allerdings viel mehr, als er sich leisten kann. Da das GALCIT zu dieser den einzigen Windkanal von ausreichender Größe an der Westküste besitzt, schlägt Kirsten 1935 der University of Washington vor, wo er seit 1923 als Professor tätig ist, einen neuen Windkanal zu errichten.
Die Bauarbeiten beginnen im Januar 1936 und werden schon im frühen Herbst abgeschlossen. Bis der Windkanal betriebsbereit ist, dauert es allerdings noch. Und als es dann endlich soweit ist, wird der Kanal vollständig von militärischen Projekten in Beschlag genommen. Die einzige Ausnahme bildet 1941 eine Post-Kollaps-Analyse des Zusammenbruchs der Tacoma-Narrows-Hängebrücke im US-Bundesstaat Washington im November 1940, eine der berühmtesten Resonanzkatastrophen der Geschichte, die sogar filmisch dokumentiert ist, was man sich auf der entsprechenden Wikipedia-Seite unbedingt ansehen sollte.
Kirstens Flieger schafft es im November 1934 auf das Titelbild des US-Magazins Popular Science, und in der Ausgabe vom Oktober 1935 des Magazins Modern Mechanix ist ein längeres Interview mit ihm veröffentlicht, wo man auch den 4,5 m durchmessenden Zykloidalpropeller sehen kann, der für seine Experimente hergestellt worden war. Er besitzt 24 jeweils 54 x 137 cm große Blätter, und wird von einem 400 PS Wright-Flugzeugmotor auf 80 U/m beschleunigt.
Im Jahre 1942 ist es dann endlich so weit, daß Kirsten Zeit am Windkanal bekommt und sein Cycloplane Tests unterziehen kann, deren Ergebnisse jedoch sehr ungünstig sind. Sicherlich tröstlich ist, daß der Windkanal 1948 offiziell auf den Namen ,Kirsten Wind Tunnel’ getauft wird.
In den Papieren in seinem Nachlaß, die an der Universität von Washington aufbewahrt werden, finden sich fotostatische Reproduktionen und Negative eines lenkbaren Luftschiffmodells, das mit Zykloidalpropellern angetrieben wird (1933 – 1940), ein 1944 abgeschlossenes Abkommen mit der Pacific Car and Foundary Co. bezüglich der Herstellung und des Vertriebs von Zykloidalpropellern und -mechanismen, Berichte über die ab 1946 erfolgte Installation und Prüfung von Kirstens Propellern an einem Motor-Torpedo Boot PT 8 der US-Marine, sowie Entwürfe für eine cycloidale Windmühle von etwa 1950. Bis zu seinem Tod 1991 lassen sich aber keine weiteren Umsetzungen mehr nachweisen.
Ein im Februar 1923 beantragtes,
und 1927 erteiltes weiteres Cyclogyro-Patent (noch nicht
verifiziert) geht auf den autodidaktischen Luftfahrtingenieur Jonathan
Edward Caldwell aus Santa Monica, Kalifornien, zurück,
der vermutlich auch den Begriff Cyclogyro erfunden hat. Sein Fluggerät,
das er als Gravity Aeroplane bezeichnet, soll vertikal
starten und dann in den Vorwärtsflug übergehen. Die Flügel bestehen aus
kleinen Tragflächenprofilen, die in der Form drehbarer Schaufelräder
aus den beiden Seiten des Flugzeugrumpfs herausragen.
Statt dieses Konzept umzusetzen, wendet sich Caldwell jedoch der Patentierung und dem Bau eines Ornithopters zu (Schlagflügel-Flugzeug) (US-Nr. 1.730.758, beantragt 1927, erteilt 1929). Um an Kapital zur Finanzierung des Baus seines Ornithopters zu kommen, gründet er im Jahr 1928 in Reno, Nevada, die Firma Gray Goose Airways, und schafft es sogar, Aktien für etwa 10.000 $ zu verkaufen. Die Quellenlage ist an dieser Stelle widersprüchlich, denn auf einem historischen Briefumschlag aus dieser Zeit, auf dem auch eine bescheidene Grafik des entsprechenden Flugzeugs abgebildet ist, heißt das Unternehmen Gravity Aeroplane Company.
Es gelingt Caldwell bis 1931 nicht, einen flugfähigen Ornithopter zu produzieren, worauf er mit seinem Unternehmen an die Ostküste zieht, zuerst nach Orangeburg, New York, und später nach Madison, New Jersey, wo er im Jahr 1932 auf dem Flughafen Teterboro mit einem weiteren Versuch startet, einen Prototyp seines Ornithopters zu bauen. Was aber auch diesmal nicht gelingt. Dazu gibt es noch einen Gerichtsstreit wegen den Aktienanteilen, worauf Caldwell 1934 in die Gegend von Washington DC zieht.
Anderen Quellen zufolge beginnt Caldwell bereits 1932 in Teterboro mit dem Bau eines Scheibenläufer-Flugzeugs. Im Gegensatz zu anderen Erfindern, die sich zuvor an kreisförmigen Flügeln versucht hatten, ist Caldwell Ansatz in einer Hinsicht einzigartig, denn der Flügel seines Flugzeugs besteht aus einer mit Stoff bezogenen, 3,5 m durchmessenden Scheibe, die auf einer rotierenden Nabe montiert ist.
Am Rand der Scheibe sind jeweils vier sehr kleine Blätter aufgesetzt, wodurch Reaktionsflächen entstehen, welche die gesamte Anordnung drehen, wenn das Flugzeug nach vorne rollt. Die Leistung wird durch einen kleinen, luftgekühlten 9-Zylinder-Radialmotor und einen Zweiblatt-Propeller geliefert, wovon sich der Erfinder eine Spitzengeschwindigkeit von über 160 km/h erhofft.
Zwischen 1936 und 1938 wird der Bau des Gray Goose disk-rotor plane Prototyps in der Nähe von Washington abgeschlossen, und die CAA stellt eine experimentelle Registrierungsnummer aus [NX99Y].
Um 1937 wendet sich Caldwell aber auch wieder seinem alten Cyclogyro-VTOL-Konzept zu, und beginnt mit dem Bau eines modifizierten Prototypen. Diesmal montiert er zwei lange, dreiflügelige und mit Tragflächen ausgestattete Schaufelräder an die Seiten eines herkömmlichen Flugzeugrumpf, wobei die Achsen der Schaufelräder in diesem Fall parallel zum Rumpf von vorn nach hinten verlaufen.
Diese Tragflächen werden von einem 125 PS Sternmotor in Drehung versetzt, was theoretisch genug Schub produzieren soll, um das Flugzeug geradewegs nach oben abheben zu lassen. Ein Mitarbeiter Caldwells gibt später an, daß dieser Prototyp tatsächlich einige erfolgreiche ,Test-Hüpfer’ auf eine Höhe von knapp 2 m gemacht habe. Schließlich heuert Caldwell einige professionelle Luftfahrtingenieure und Flugzeugtechniker an, während Prof. Louis Crook an der Katholischen Universität Washington Windkanal-Tests an dem Cyclogyro durchführt.
In Erwartung breiter militärischer Anwendungen für ein Flugzeug, das in der Lage wäre, senkrecht zu starten und zu landen und sogar in der Luft zu schweben, legt Caldwell seine Pläne dem Air Corps vor, das sich jedoch unbeeindruckt zeigt.
Ende 1937 oder Anfang 1938 überzeugt Caldwell - wahrscheinlich unter dem Druck seiner Aktionäre, endlich Ergebnisse vorzuweisen - einen seiner Mechaniker namens Willard Driggers, einen Testflug mit dem Scheibenläufer-Flugzeug zu unternehmen, obwohl dieser noch nie ein Flugzeug geflogen war, ganz zu schweigen von einem so radikal neuen Apparat. Für den Versuch wird das Flugzeug zu der verlassenen Benning-Rennstrecke in der Nähe von Washington transportiert.
Späteren Berichten zufolge habe Driggers die Drosselklappe geöffnet - und sich umgehend in rund 12 m Höhe wiedergefunden, getragen von dem wirbelnden untertassenförmigen Flügel, und langsam weiter an Höhe gewinnend. Als er versucht den Kurs zu ändern, muß er erkennen, daß die Kontrollen nicht reagieren. Aus Angst um seine Sicherheit, falls er noch weiter steigen würde, kappt er abrupt die Energiezufuhr, und das Flugzeug schlägt auf den Boden auf, etwa 180 m von seinem Startpunkt entfernt. Dabei wird zwar das Fahrwerk zerschlagen, Driggers bleibt aber unverletzt.
Das gebrochene Fahrwerk wird schließlich durch eine modernes Bugrad ersetzt, doch langsam laufen Caldwells Firma Zeit und Geld davon. Obwohl angeblich nur rund 5.000 $ benötigt werden, um die Maschine zu perfektionieren, verliert der Erfinder offenbar das Interesse an der Lösung der Probleme des Scheibenläufer-Prototyps – und benachrichtigt seine Investoren, daß die Aktien der Gray Goose Airways jetzt in Aktien eines von ihm neu gegründeten Unternehmens namens Rotor Planes Inc. getauscht werden, das sich mit der Weiterentwicklung des VTOL-Drehflügler-Designs befassen würde.
1939 schließt Caldwell die Gray Goose Airways, entläßt seine Mitarbeiter, und zieht ein weiteres mal um, diesmal nach Baltimore. Hier beginnt er mit Hilfe eines anderen Flugzeugmechanikers an einem neuen Rotorplane zu arbeiten... doch dann verlaufen sich seine Spuren.
Weiter mit den Antriebsvarianten...