TEIL C
SolarhÄuser und solare Bauelemente (2010 B)
Bei einem ‚Plusenergiehaus mit Elektromobilität’ betitelten Wettbewerb,
den das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ende 2010 durchführt,
gewinnt der Entwurf einer Arbeitsgemeinschaft der Universität
Stuttgart, die von Prof. Werner Sobek und
seinem Institut Leichtbau Entwerfen Konstruieren (ILEK) geleitet
wird.
(Grafik)
Aufgabe des Wettbewerbs ist es, ein Haus zu entwerfen, das nicht nur sich selbst, sondern auch ein Elektro-Auto mit Strom versorgen kann. Konzipiert wird es als Informations- und Anschauungsobjekt sowie Forschungs- und Modellvorhaben im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau.
Im Gegensatz zu vielen der eher organischen Designs, die in dieser Chronologie bereits vorgestellt wurden, wirkt der ILEK-Entwurf, der nun in Berlin auch realisiert werden soll, allerdings genauso kantig wie seine Beschreibung (Auszug):
„Ein gläserner Versorgungskern fungiert als energetisches und architektonisches Bindeglied zwischen den mobilen und immobilen Lebensbereichen der Bewohner. Während sich zur Gartenseite ein kompaktes Gebäudevolumen anschließt, dient zur Straßenseite hin eine offene, ungedämmte Rahmenkonstruktion der Öffentlichkeit als großes ‚Showcase’, welches Informationen vermittelt und zum Interagieren einlädt. Der Schwerpunkt der Innovation liegt hierbei in der Schnittstelle der Energieströme und Speicherkapazitäten zwischen dem Plusenergiehaus und der Mobilität der Zukunft. (...)
Durch die optimale räumliche Ausrichtung und der Optimierung der solaren Gewinne Richtung Süd-Ost bei gleichzeitiger Minimierung der Verluste Richtung Nord sowie der weitreichenden architektonischen Integration von Photovoltaik und Solarthermie wird mehr Energie produziert als zur Versorgung des Gebäudes und der Fahrzeuge notwendig ist. Diese zusätzliche Energie wird in das öffentliche Netz eingespeist und trägt zur Erhöhung des regenerativ erzeugten Anteils am Gesamtstrommix bei.“
Anders ausgedrückt: Das zweigeschossige Effizienzhaus Plus (o. Energieeffizienzhaus Plus) besteht im Grunde aus zwei Teilen, einem vorderen, der als Unterstellplatz für die Elektromobile und als öffentliches Schaufenster für die verwendete Gebäudetechnik dient, und einem hinteren, privaten Teil, der bewohnt werden soll. Eine Glasfuge zwischen beiden Baukörpern enthält den sogenannten Energiekern mit den versorgungstechnischen Einheiten.
Tatsächlich wird der mit rund2,5 Mio. € geförderte Bau in Berlin im Dezember 2011 fertiggestellt und von Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich einweiht. Das vollständig eingerichtete und funktionsfähige Einfamilienhaus mit 136 m2 Wohnfläche kann ab dem Januar 2012 besichtigt werden. Das zweigeschossige Gebäude, das etwa doppelt so viel Strom produzieren soll, als es verbraucht, keine Emissionen hat und vollständig aus wiederverwertbaren Materialien besteht, ist mit einer hoch gedämmten Hülle ausgestattet, wie sie bei Passivhäusern verwendet wird.
(Rückseite)
Die Energieeffizienz wird außerdem durch die kompakte Bauweise und die Nord-Süd-Ausrichtung begünstigt. Photovoltaikmodule auf dem Dach und an der Südfassade erzeugen Strom, der in einem 40 kWh Lithium-Ionen-Akku zwischengespeichert wird und damit auch nachts zur Verfügung steht – ebenso wie für die Schnelladestationen zum Aufladen eines Elektroautos und eines E-Bikes (teilweise per Induktion).
Der Sonnenstrom wird aber auch eingesetzt, um eine Luft-Wasser-Wärmepumpe anzutreiben, die aus der Außenluft Wärme für die Zentralheizung beschafft. Überschüssige Energie wird in das Stromnetz eingespeist.
Als vierköpfige Familie, die ab März für eine mietfreie, 15-monatige Testphase in das ‚Energieüberschußhaus‘ gegenüber der Technischen Universität in der Fasanenstraße in Berlin einziehen soll, werden aus 132 Bewerbungen Simone Wiechers und Jörg Welke mit ihren Kindern Freyja und Lenz ausgewählt, die das Haus bis Ende Mai 2013 bewohnen sollen. Nach Abschluß der gesamten Testphase, die auf drei Jahre angelegt ist, wird das Gebäude rückstandsfrei zurückgebaut, um entweder anderswo neu aufgebaut oder recycelt zu werden.
Im Oktober 2012 meldet die Presse, daß die Werner-Sobek-Group und fünf weitere Projektträger, darunter die Daimler AG, rund 5 Mio. € in die Entwicklung eines für die Mobilität von morgen passenden Zukunftshauses stecken wollen – einschließlich von 2,4 Mio. € an Zuschüssen des Bundes, die in das ‚Schaufenster Elektromobilität‘ in Baden-Württemberg fließen sollen.
Sobek plant, mitten in der berühmten Weißenhofsiedlung in Stuttgart ein sogenanntes E-Lab zu bauen, das auf dem Effizienzhaus Plus aufbauen wird. Dabei soll das neue Zukunftshaus, für das zu gegebener Zeit passende Bewohner gesucht werden, noch deutlich besser werden als sein in Berlin realisierter Vorgänger. Es soll mit PV-Anlagen garantiert 70 oder 80 % mehr Strom herstellen, als es selbst benötigt.
Außerdem soll hier die Verbindung mit intelligenten Stromnetzen, mit Nachbarhäusern und mit Elektromobilen vorexerziert werden. Schnittstellen und Steuerungsgeräte sollen dafür sorgen, daß der solar erzeugte Strom nicht nur ins allgemeine Netz eingespeist, sondern auch in Autobatterien zwischengespeichert und in Nachbarhäusern abgerufen werden kann.
Für den einjährigen Praxistest durch die Familie Welke/Wiechers stellen die deutschen Autohersteller Audi, BMW, Daimler, Opel und VW für jeweils drei Monate zwei ihrer Elektrofahrzeuge zur Verfügung. Neben den befristeten E-Autos kann die Familie, die aus Umweltschutzgründen kein eigenes Auto besitzt, insgesamtvier Pedelecs benutzen.
Einer ersten Bilanz im März 2013 zufolge erzeugen die PV-Anlagen des Hauses wegen schlechter Wetterbedingungen etwa 20 % weniger Strom als vorausberechnet. Auch das Ziel, mit dem selbst erzeugten Strom Haus und Elektromobile komplett zu versorgen, kann nicht erreicht werden. Im Test konnten die Elektrofahrzeuge nur zu einem Viertel mit selbst erzeugtem Strom versorgt werden.
(Vorderseite)
Rechnet man den Verbrauch der Fahrzeuge heraus, hat das Haus bislang lediglich einen geringen Stromüberschuß von 906 kWh erzeugt. Prognostiziert hatte man 3.633 kWh. Andererseits lag auch Stromverbrauch im Haus mit 12.400 kWh rund 75 % höher als prognostiziert. Der größte Mehrverbrauch wurde bei der Wärmepumpe ermittelt, welche im Meßzeitraum 5.865 kWh anstelle der prognostizierten 2.217 kWh verbrauchte.
Der Gesamtverbrauch der Elektrogeräte, Haus- und Meßtechnik und Elektromobilität von etwa 20.000 kWh konnte jedenfalls nur zu knapp einem Drittel durch den selbst erzeugten Solarstrom abgedeckt werden. Zwei Drittel des benötigten Stroms mußten aus dem öffentlichen Stromnetz zugekauft werden. Vom Gesamtertrag der Fotovoltaik-Anlage wurde etwa die Hälfte ins öffentliche Netz eingespeist und etwa die Hälfte selbst genutzt.
Die Zeitschrift Sonnenenergie fällt daher ein vernichtendes Urteil: „Das Energiehaus Plus sei in doppeltem Maße ineffizient: Es bietet weder wirtschaftlich noch ökologisch gesehen eine sinnvolle Zukunftsversion“. Auch von anderer Seite wird die Kombination der Photovoltaik mit Wärmepumpen kritisiert, die vor allem in der kalten Jahreszeit für zusätzliche Lasten sorgt. Andererseits: Aber auch ein Forschungs- und Demonstrationsobjekt, das zeigt, was nicht geht, kann sinnvoll sein.
Ab der Wiedereröffnung im Juni 2013 ist das Haus erneut für die Öffentlichkeit als Ausstellungs- und Veranstaltungsort geöffnet.
Als Resultat auf die erste Meßperiode wird im Dezember 2013 die Wärmepumpe ausgetauscht. Zusätzlich wird eine Glastür eingebaut, welche das EG thermisch vom OG trennt, um die Wärmeverluste zu reduzieren. Die Meßergebnisse aus den Jahren 2014 und 2015 zeigen dann deutliche Unterschiede im Stromverbrauch. Während die Erträge mit 12.644 kWh bzw. 13.490 kWh im Bereich der ersten Meßperiode lagen, reduziert sich der Stromverbrauch auf 10.633 kWh bzw. 7.960 kWh. Das Haus erwirtschaftet somit im letzten Meßjahr ein Stromüberschuß von immerhin 3.543 kWh.
Von Anfang Mai 2014 bewohnt eine zweite Familie das Gebäude für einen weiteren 12-monatigen Alltagstest. Zwischen dem Juni 2015 und dem Juni 2016 ist das Effizienzhaus Plus in einer dritten Ausstellungsperiode für interessierte Besucher geöffnet, wird dann geschlossen und für eine weitere Nutzung umgebaut. Im Oktober 2017 wird das Gebäude als ‚Informations- und Kompetenzzentrum für zukunftsgerechtes Bauen‘ des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUB) wieder eröffnet. Im Rahmen der Forschungsinitiative ZukunftBau sind die Entwicklung und weitere davon initiierte Projekte gut dokumentiert.
Im Mai 2019 wird im Effizienzhaus Plus das SolarZentrum Berlin eröffnet, das anhand von Vorort-Begehungen, durch Workshops und Expertenkreise sowie die Beratung bei der Planung von Solarsystemen die Hauptstadt „zusammen mit den BerlinerInnen zur Solarstadt zu entwickeln“ soll.
Wesentlich größer ist das Projekt
des Hessencampus der Herwig-Blankertz-Berufsschule Wolfhagen,
wo die seit 2008 geschlossene ehemalige Kaserne
einer Panzerdivision (Pommernkaserne) in ein modernes und energieeffizientes
Gebäude umgewandelt wurde.
Bei dem Konzept der Firma HHS Planer + Architekten AG aus Kassel wird im ersten Abschnitt ein ehemals offener Panzer- und Fahrzeugunterstand unter Einbeziehung der vorhandenen Tragstruktur durch eine einfach verglaste Hülle geschlossen und mit 5.000 m2 Dünnschicht-Solarglasmodulen belegt, die aufgrund ihrer Stärke von nur einem Mikrometer halbtransparent sind und viel Licht in das Gebäude gelangen lassen, bei gleichzeitiger Reduzierung von Blendung und Hitze.
Das 220 kW Array besteht aus 7.160 Paneelen und gilt als eines der größten seiner Art in Europa. Anderen Informationen zufolge beträgt die Fläche 4.200 m2 und die Anlagenleistung 195 kW.
Im Inneren der Solarhalle sind für den Bereich Wirtschaft Schulungsräume in Form von hoch wärmegedämmten, beheizbaren Boxen eingebaut, die im Laufe des Jahres 2010 bezogen werden können. Ein außen liegendes Sonnenschutzsystem und motorisch betriebene Fensterkippflügel in der oberen Raumzone wirken einer sommerlichen Überhitzung der weitgehend gläsernen Halle entgegen, sorgen für frische Luft und ermöglichen ebenso eine energiesparende Nachtauskühlung des Gebäudes.
des NREL
Als zu diesem Zeitpunkt größtes Null-Energie-Gebäude der USA gilt
das im Juni 2010 in Colorado fertig errichtete neue
Forschungsgebäude des National Renewable Energy Laboratory (NREL),
in dem in Zukunft über 800 Personen arbeiten werden. Die Gesamtbaukosten
betragen 57,4 Mio. $. Im Vergleich zu ähnlichen Bauwerken ist der
Energiebedarf der Research Support Facility (RSF)
um 50 % reduziert, was durch eine Vielzahl von Maßnahmen erreicht
wird.
Zu diesen zählen ein energieeffizientes Rechenzentrum, das Verdunstungskühlung, Außenbelüftung, Abwärmeerfassung und effizientere Server nutzt; lichtreflektierende Installationen bei den nach Süden ausgerichteten Fenstern, die das Tageslicht an die Decke und tief in den Raum hinein werfen; elektrochrome Verglasungen; Luftkollektoren an der Südseite der Gebäude, deren erwärmte Luft in das Gebäudes gezogen wird, damit die Wärmeenergie in der thermischen Masse gespeichert später die Lüftungsluft für das Gebäude passiv vorwärmen kann, u.v.m.
des RSF
Für den letztgenannten Zweck ist ein Großteil der nach Süden ausgerichteten Fassade der RSF mit hocheffizienten Luftkollektoren (Transpired Solar Air Collectors) verkleidet, die in den 1990er Jahren beim NREL selbst entwickelt wurden und bis zu 80 % der Energie des auf den Kollektor auftreffenden Sonnenlichts einfangen können.
Im Dezember 2010 wird die Installation der 449 kW PV-Solardachanlage beendet, die alle Teile des Hauptgebäudes bedeckt. In der Folgezeit erfolgt der sukzessive Ausbau, zuerst im Juli 2011, als auf dem Besucherparkplatz eine 524 kW Anlage in Form von Schattenüberdachungen in Betrieb geht; dann im Dezember mit einem 408 kW System auf dem Dach des Erweiterungsbaus; und schließlich im August 2012, als der Parkplatz für Mitarbeiter eine 1.256 kW Anlage bekommt. Mit der damit installierten Gesamtleistung von über 2,5 MW kann der Eigenverbrauch komplett gedeckt werden.
Auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Zollverein in
Essen, deren Schachtanlagen sowie die Kokerei seit 2001 zum
Weltkulturerbe zählen, und wo bereits 1999 eine
3 MW PV-Anlage errichtet wurde, wird im September 2010 ein
Bauwerk eröffnet, das aus 275 Tonnen Altpapier besteht. Der PH-Z2 (PapierHaus-Zukunftsweisend2)
genannte Entwurf des Oberhausener Büros Dratz & Dratz
Architekten hatte 2007 den Wettbewerb mobile
working spaces – Temporäre Bauten als Raumangebote für Gründer gewonnen.
Die größte Herausforderung für die Zeilnehmer des Wettbewerbs war es, eine intelligente Raumlösung aus ungewohnten Baumaterialien zu schaffen. Das Designer-Brüderpaar Daniel und Ben Dratz entschied sich für Altpapier, das als ‚Kaufhauspapier B19‘ bekannt ist: Verpackungsmaterialien aus dem Supermarkt, die gesammelt und zu Ballen gepreßt werden. Aus 550 Exemplaren dieser jeweils eine halbe Tonne schweren Papierblöcke entstand nun eine begehbare Konstruktion in Form einer Mastaba – dem flachen, rechteckigen Pyramidenstumpf, der als Vorform der ägyptischen Pyramiden gilt.
Das mit einem Zuschuß in Höhe von 200.000 $ geförderte Papierballen-Haus hat eine Nutzfläche von 185 m2, beherbergt eine ‚Altpapierbar‘ und hat sogar Toiletten. In Zukunft soll es als Veranstaltungsfläche für Ausstellungen, Pressekonferenzen und Produktpräsentationen genutzt werden. Aufgrund der schallschluckenden Wirkung des Altpapiers können auch Konzerte stattfinden.
(Grafik)
In Australien sichert sich die Griffith University in
diesem Jahr eine Finanzierung in Höhe von 21 Mio. $ durch den Education
Investment Fund der Landesregierung, um mit dem Bau eines neuen Forschungsinstituts
zu beginnen. Die 4.000 m2 große Anlage mit sechs Etagen
wird 200 Studenten beherbergen und 100 Büros beinhalten. Das wichtigste
räumliche Element ist ein rückseitig natürlich belüftete Fassade
aus verglasten Blenden, die von einer Tensegrity-Struktur getragen
werden.
Der Entwurf der australischen Firma Cox Architects, dessen Verwirklichung 2012 beginnt, wird das erste Null-Emissions-Gebäude in Downunder sein, das seinen Strombedarf vollständig selber deckt und damit dem Rest des Landes als Paradebeispiel und Modell für die Null-Energie-Bauweise dient.
Energetische Grundlage des in Nathan, Brisbane, inmitten des Toohey Forest Naturschutz-Parks, zu errichtenden Sir Samuel Griffith Centre ist eine Solar/Wasserstoff-Technologie, die hier weltweit erstmals mit einem Gebäudekonzept kombiniert wird. Hierfür decken mehr als 1.000 PV-Module mit insgesamt 376kW das Dach und die Fensterblenden der Südfassade ab.
Als Australiens erste netzferne, autarke Lehr- und Forschungseinrichtung im Juli 2013 eröffnet wird, hat sie 29,3 Mio. $ (andere Quellen: 41 Mio. $; 45 Mio. $) gekostet und bildet das bislang größte Solar-Wasserstoff-Demonstrationsprojekt des Landes. Der solar erzeugte Sonnenstrom wird in Batterien gespeichert und versorgt einen Elektrolyseur, der Wasser zu Wasserstoff spaltet, welcher in stabiler Form als Metallhydrid gespeichert wird.
An sonnigen Tagen wird mehr als genug Strom erzeugt, um das gesamte 6-stöckige Gebäude mit einer Grundfläche von ca. 1.000 m2 pro Ebene zu versorgen. Nicht verbrauchte Energie wird zur Kühlung von Wasser für den Betrieb der Klimaanlage am nächsten Tag verwendet. Wenn es keine Sonne gibt, wird der Wasserstoff aus dem Speicher zurückgebracht und in einer Brennstoffzelle zur Stromerzeugung genutzt. Der Prozeß ist ein geschlossener Kreislauf, da das Wasser nicht verbraucht wird, sondern nur vorübergehend zur Herstellung von Wasserstoff verwendet und anschließend in der Brennstoffzelle zurückgewonnen wird.
Das Sir Samuel Griffith Building wird vom Green Building Council of Australia mit einem 6-Sterne Green Star geehrt und erhält 2014 zwei Auszeichnungen vom Australian Institute of Building.
Im Jahr 2010 wird in Australien in der Nähe von
Morwell in Gippsland das Vortex Centre der Gippsland
Water Factory errichtet, welches das Büro, das Labor und eine pädagogische
Station beherbergt. Es steht neben der großen neuen Abwasseraufbereitungsanlage,
die täglich 15 Millionen Liter kommunales Abwasser von Central Gippsland
sowie 20 Millionen Liter Gewerbeabwässer der Zellstoff- und Papierfabrik
von Australian Paper in Maryvale behandelt.
Das silberne Metallobjekt wird hier nicht nur wegen seiner okulusförmige Struktur erwähnt, die an der Seite eines massiven Membran-Bioreaktortanks hängt und aus sieben Fässern besteht, die mit abnehmender Größe ineinander passen und so an einen Wirbel erinnern – sondern vor allem wegen der kreisrunden, transparenten Nord- und Südfassaden, die natürliches Licht und Einblicke in das Gebäude sowie Ausblicke auf die Landschaft an den Enden des Gebäudes ermöglichen.
Zudem liegt das Bauwerk auf einem künstlichen See, der im Sommer zur Kühlung des Innenraums genutzt wird. Das kühle Wasser wird vom Grund des Sees entnommen und durch Wärmetauscher geleitet, um kühle Luft in das Gebäude zu leiten. Umgekehrt wird die Abwärme eines mit Biogas betriebenen Blockheizkraftwerks genutzt, um das Innere des Gebäudes in kalten Wintern warm zu halten.
Das Kühlsystem und andere passive Mechanismen wie natürliche Belüftung und thermische Konvektion senken den Energieverbrauch des Zentrums, während transparente, pneumatische ETFE-Kissen, die in die Fassade eingebaut sind, diese ‚atmen‘ lassen, sich an unterschiedliche Außentemperaturen anpassen und bei Bedarf das Sonnenlicht abhalten.
Anfang 2023 wird vor Ort auch noch eine 1.280 kW Solarstromanlage in Betrieb genommen, welche die zwei 330 kW Biogasgeneratoren sowie den 385 kW Wassergenerator ergänzt, mit denen die Wasseraufbereitungsanlage versorgt wird. Auch die Anlagen der Gippsland Water in Warragul, Traralgon und Tyers, sowie die Kläranlagen in Warragul und Moe werden mit Solarzellen betrieben. Daneben ist zu diesem Zeitpunkt ein weiteres Solarprojekt ist im Gange, bei dem schwimmende Solarpaneele auf den Lagunen der kürzlich modernisierten Kläranlage in Drouin installiert werden sollen.
Um Moscheen umweltfreundlicher zu gestalten, beginnen
sechs ambitionierte Studentinnen und Studenten der Technischen Universität
Darmstadt im Jahr 2010 damit, Beratungsleistungen
für Solarstromanlagen anzubieten.
Mit ihrem technischen Wissen, mit viel Leidenschaft und Energie konzipierten und realisieren die Mitglieder des Vereins NourEnergy e.V. bis 2012 zwei Photovoltaikanlagen: eine für die Emir-Sultan-Moschee in Darmstadt und eine für die Mevlana-Moschee in Weinheim. Der Energieüberschuß wird ins öffentliche Netz eingespeist.
Im Januar 2022 veröffentlicht die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität Frankfurt die erste Ausgabe ihres neuen Publikationsformats Praxisperspektiven unter dem Titel ‚Imara – Moscheen und Umweltschutz. Moscheegemeinden als Akteurinnen nachhaltiger Entwicklung.‘ Das arabische Wort Imara bedeutet Kultivierung. Die obigen Moscheen werden als Best-Practice-Beispiele genannt.
Wenden
wir uns nun den Hochhäusern zu, wo sich
die Kreativität der Designs auch in diesem Jahr wieder wild ausgetobt
hat.
Einige dieser häufig utopisch anmutenden Projekte werden jedoch tatsächlich
realisiert, wie beispielsweise der 262 m hohe Aqua Tower,
der seit dem September 2009 in Chicago steht.
Die Architektin Jeanne Gang, die gemeinsam ihrem Ehemann Marc das Architekturbüro Studio Gang Architects in Chicago betreibt, war im Jahr 2006 vom dem Bauherrn James R. Loewenberg eingeladen worden, einen Vorentwurf für den von ihm geplanten Turm einzureichen. Mit dem Bau war dann 2007 begonnen worden.
Der Name des Bauwerks ist auf das Gestaltungselement Wasser zurückzuführen, und die wellenförmige Gestaltung der Fassade bezieht sich auf die Inspiration dazu, den funkelnden Lake Michigan. Der Turm mit 86 Etagen war eigentlich als Hotel konzipiert, mußte dann aber aufgrund kränkelnder wirtschaftlicher Faktoren in eine Wohnanlage umgewandelt werden.
Das Hochhaus nutzt die Sonnenenergie zwar nur passiv, doch endlich hat ein so hohes Gebäude bis zu 3,7 m weit hinausreichende Balkone und kleine Terrassen, die den Bewohner eine individuelle Nutzung von Tageslicht und natürlicher Belüftung erlauben.
Neben anderen umweltfreundlichen Aspekten wie ein wassersparendes Bewässerungssystem und eine energieeffiziente Beleuchtung bildet die Beschattung der jeweils darunter liegenden Wohnung vor der hoch stehenden Sommersonne einen der wesentlichen Elemente, weshalb das Hochhaus hier aufgeführt wird. Die gewellte Fassade mildert zudem effektiv die starken Winde in Chicago und bricht sie so weit ab, daß das Gebäude keine Massendämpfer benötigt, um es gegen Windschwingungen und Pendeln zu stabilisieren.
Auch Gang’s Liebe zu Vögeln fand ihren Weg ins Design. Die Architektin achtete genau darauf, wie Vögel in der Stadt navigieren und auf unterschiedliche Materialien reagieren. Die komplexe Fassadengestaltung hilft Vögeln, Unregelmäßigkeiten in ihrem Weg wahrzunehmen und signalisiert ihnen, das Gebäude zu umfliegen.
Bereits 2009 erhält der Aqua Tower den Emporis Skyscraper Award, und im September 2011 wird Jeanne Gang mit dem MacArthur Genius Grant in Höhe von 500.000 $ ausgezeichnet. Der wellenförmige Aqua Tower, der seit seiner Fertigstellung zu einem ikonischen Stück Architektur der Stadt geworden ist, war übrigens ihr erster Entwurf. Es ist zu diesem Zeitpunkt das höchste Gebäude der Welt, das von einer Frau konzipiert wurde.
Anfang 2010 wird die maximale Höhe des Pearl
River Tower von 309,6 m erreicht, der zu diesem Zeitpunkt
als das grünste Hochhaus der Welt gilt. Das Gebäude mit 71 Stockwerken
produziert seine benötigte Energie komplett selbst.
Ich habe das Projekt, das Ende 2011 abgeschlossen wird, bereits ausführlich im Kapitelteil Windenergie und Architektur präsentiert (s.d.), da die Energieerzeugung primär durch vier aerodynamisch geformte Öffnungen erfolgt, in denen Windturbinen angebracht sind. Als ergänzende Energiequellen gibt es in die Glasfassade eingebrachte PV-Paneele und Sonnenkollektoren.
Ein weiteres solares Hochhaus, dessen Bau 2010 beendet
wird, ist der repräsentative, 100 m hohe Sequana Tower (anfangs
auch: Tour Mozart) im Süden von Paris, in dessen
Dach die Firma Scheuten Solar 805 maßgefertigte Glas-Glas-Solarmodule
integriert, deren Stützstruktur aus einem raffinierten Spinnennetzsystem
besteht (Scheuten hat übrigens auch die Module für das Dach des Berliner
Hauptbahnhofs angefertigt).
Die BIPV-Module, die eine Fläche von 360 m2 (andere Quellen: 450 m2) bedecken, haben eine installierte Nennleistung von ca. 30 kW und bieten durch ihre Transparenz eine offene Arbeitsumgebung für die Büroräume der Hauptverwaltung der Bouygues Telecom, einem der größten Telekommunikationsanbieter Frankreichs.
Die Hälfte der Gesamtfläche des 484 Mio. € teuren Sequana-Turms ist verglast. Eine nach Norden und Süden belüftete Doppelhaut, eine moderne Doppelverglasung und ein Beschattungssystem zwischen den beiden Hüllen ermöglichen erhebliche Energieeinsparungen durch Minimierung des Heiz- und Kühlbedarfs. Die Verglasungen mit einem Solarfaktor von weniger als 25 % und einer Lichtdurchlässigkeit von mindestens 50 % sind mit automatischen Jalousien ausgestattet, die die Beleuchtung entsprechend der Umgebungshelligkeit steuern.
Der 23-stöckige Turm ist Teil eines Komplexes von drei Gebäuden, die auf dem Gelände des ehemaligen EDF-Turms errichtet wurden. Für die Energie- und Umweltqualität des Sequana-Hochhauses wird der Bauherr Bouygues Immobilier bereits 2007 mit dem Grand Prix Eco Building Performance ausgezeichnet. Im Jahr 2015 wird AccorHotels zum neuen Mieter des Turms, nachdem die Bouygues Telecom den Standort im Zuge eines umfangreichen Sparplans verlassen hat.
Bei den Hochhausdesigns dieses Jahres – und es sind
viele Dutzend – fällt mir die Auswahl nicht leicht, doch sie alle
aufzuführen ist auch nicht sinnvoll, da sich die wesentlichen Elemente
immer häufiger wiederholen. Immerhin scheinen sich zunehmend
mehr Architekten – und auch Medien – mit diesen ins Auge fallenden
Großbauten zu beschäftigen, als es auf dem ‚normalen’ Bausektor
der Fall ist.
Hinzu kommt, daß einige Designs so mutig und kühn sind, daß ich sie keinesfalls unterschlagen will, auch wenn ich die Beschreibungen auf ein Mindestmaß reduzieren werde. Immerhin ist das meiste davon im Netz leicht recherchierbar, wozu diese Chronologie ja auch anregen soll. Viele der Entwürfe stammen auch 2010 aus dem eVolo Skyscraper Architektur-Wettbewerb.
(Grafik)
Beginnen möchte ich mit dem Konzept eines erdbebensicheren Bauwerks
des 1998 gegründeten slowenischen Architekturbüros OFIS
Arhitekti mit Sitz in Ljubljana, das in Armenien errichtet
werden soll. Das Projekt ist ein Beitrag für den Mercedes Benz Hotelturm-Wettbewerb
für Eriwan. Durch ein System aus Betonkernen und
drei konzentrischen Sätzen von Säulen aus Verbundwerkstoffen soll
die Struktur der hohen seismischen Aktivität in der Region widerstehen
können.
Das solarbetriebene und extrem energieeffiziente Ensemble besteht aus zwei zylindrischen Türmen, die von einer gemeinsamen, durchbrochenen Zeltstruktur umschlossen sind. Der höhere der Türme würde ein Restaurant, einen Pool, ein Spa, ein Fitneßcenter und eine Bar beherbergen – zusätzlich zu einem Hotel und Wohnungen sowie einen Geschäftszentrum und einer Garage. Der Baukörper, der sich vom Hauptturm nach außen erstreckt, dient ebenfalls als Wohn- und Ausstellungsfläche sowie als Garage.
Die begrünte Außenfassade bietet im Sommer einen Sonnenschutz, während ein in einer Betonplatte eingebettetes Rohrsystem, das auf natürlichen Ressourcen wie einem Flußwasser-Wärmetauscher basiert für Kühlung im Sommer und – in Kombination mit einer Wärmepumpe – für die Beheizung im Winter sorgt. Zur ganzjährigen Stromerzeugung sind in das Atrium-Dach Solarzellen eingebettet.
(Grafik)
Ein weiteres Konzept für Eriwan kommt von dem
selbst dort herstammenden Architekten Prof. Vahan Misakyan,
der für sein Hochhausgebilde eine mechanische ‚intelligente’ Haut
vorsieht, die durch mechanische Öffnungen den Lichteinfall und die
Belüftung reguliert, Regenwasser sammelt sowie mit PV-Tellen und
Windkraftanlagen ausgestattet ist. Leider werden dazu
keine näheren technischen Details genannt.
Das in den Jahren 2008/2009 konzipierte Hochhaus besteht aus einer Ansammlung von ‚strukturellen Geodäten’, wobei die drei Türme im oberen und unteren Bereich mittels bewohnbarer Brücken miteinander verbunden sind.
In jedem Turm befinden sich verschiedene Nutzungsbereiche, darünter für Wohnungen, Büros und Hotels.
(Grafik)
Sehr gespannt bin ich, ob der
Entwurf Suspended
City (Cidade Suspensa) von Coolie Calihan und Charles
Johnson umgesetzt
wird, den diese für das dichtbebaute städtische Ufer von Rio
de Janeiro vorschlagen. Das geschwungene Hochhaus, das seine
gesamte benötige Energie aus erneuerbaren Quellen beziehen sollte,
könnte bis zu den Olympischen Spielen 2016 fertig
sein .
Die quasi über dem Wasser schwebende Struktur soll die urbane Architektur verfeinern und in Einklang mit Natur und Umwelt bringen. Die Basis wird aus zwei auf dem Meeresboden verankerten Pylonen gebildet, die alle mechanischen und Transport-Systeme sowie Biomasse-Generatoren enthalten.
Diese Generatoren nutzen auch die Vorteile von Hydrokultur, Wasser-Recycling, Kompostierung, Fischzucht und anderer landwirtschaftlicher Wissenschaften – und bilden damit eine nachhaltige Nahrungsquelle für die Bewohner der Stadt. Auch hier sind leider keine weiteren technischen Details zur geplanten Energieversorgung bekannt. Und letztlich wird das Bauwerk auch nicht errichtet, was sehr schade ist.
(Grafik)
Ein sehr spezielles Design bildet der Waterfall Skyscraper,
der als autarker Turm für die Olympischen Sommerspiele 2016 erneuerbare
Energie erzeugen soll, die sowohl im Olympischen Dorf als auch in
der Stadt Rio de Janeiro genutzt werden kann.
Ein großes Solarkraftwerk erzeugt tagsüber Energie. Überschüssige Energie, die tagsüber nicht verbraucht wird, wird genutzt, um Meerwasser in einen Speichertank innerhalb des Turms zu pumpen. Nachts wird das Wasser abgelassen, um Turbinen anzutreiben, die dann Strom für die Stadt liefern. Über die Größe des Solar- und des Pumpwasserspeichersystems gibt es noch keine Informationen.
Zu besonderen Anlässen wird ein Wasserfall über die Kanten des Gebäudes erzeugt, das laut dem für den Entwurf verantwortlichen Studio für Architektur und Design RAFAA Zürich ein Symbol für die Kräfte der Natur darstellen soll.
Auf der Meeresseite des 105 m hohen Turms (hinter dem Wasserfall) befinden sich eine Cafeteria und ein Shop. Der Zugang zum Ökoturm erfolgt über eine breite Plaza, und in 60 m Höhe gibt es ein Amphitheater, das für gesellschaftliche Veranstaltungen genutzt werden kann. Ein Aufzug bringt die Besucher in die oberste Etage, wo eine Aussichtsplattform einen Rundumblick auf den Ozean und die Stadt bietet.
Weiter mit den Solarhäusern und solaren Bauelementen 2010 ...