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MUSKELKRAFT

Weitere Innovationen (I)

Selbstverständlich gibt es noch viele weiterer Innovationen, die auf einer Umsetzung der menschlichen Muskelkraft basieren. Einige davon, die sich nicht in die vorangegangenen Kategorien einordnen lassen, werde ich hier vorstellen.


Als erstes Beispiel sei eine Vorrichtung genannt, die ebenfalls mittels Muskelkraft betrieben wird, und zwar der der Backenmuskeln. Dabei handelt es sich um einen Wasserfilter, der Partikel wie TrÜbstoffe sowie Mikroorganismen entfernt.

Die Entwicklung beginnt im Jahr 1994, als das Carter Center – eine 1982 vom ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter und seiner Ehefrau Rosalynn gegründete Non-Profit-Organisation – die Schweizer Firma Vestergaard auffordert, einen Filter zu entwickeln, der die Larven des Guineawurms (o. Medinawurm, Dracunculus medinensis) aus dem Wasser entfernen kann.

Aus dem daraufhin von Vestergaard entworfenen und ab 1996 eingesetzten Gewebefilter bildet sich bis 1999 die seitdem genutzte effektivere Rohrform heraus, wobei mehr als 37 Millionen Filter der Vestergaard-Tochtergesellschaft LifeStraw zur nahen Ausrottung der Krankheit beitragen.

Inspiriert durch die Auswirkungen des Guinea-Wurm-Filters arbeitet Torben Vestergaard Frandsen gemeinsam mit Rob Fleuren aus Holland und Moshe Frommer aus Israel daran, ein Produkt zu entwickeln, das praktisch alle mikrobiologischen Verunreinigungen herausfiltern kann, die Wasser trinken unsicher machen und zu Diphtherie, Cholera und Durchfall führen können.

Das Ergebnis ist die LifeStraw-Technologie, die im Jahr 2005 als Strohhalm-ähnlicher Filter für den persönlichen Gebrauch eingeführt wird. Der LifeStraw ist ein 310 mm langes Kunststoffrohr mit 30 mm im Durchmesser. Das durch einen Strohhalm gezogene Wasser wird durch Hohlfasern geführt, welche die Partikel (Trübstoffe sowie Bakterien und Parasiten) über 200 nm Größe physikalisch und ohne Chemikalien ausfiltern, wobei ein Gerät bis zu 1.000 Liter Wasser säubern kann.

Der Filter ist in erster Linie für Menschen entwickelt, die Wasser nicht aus kommunalen Quellen beziehen oder anderen Zugang zu sauberem Wasser haben – sowie für Notsituationen wie nach Naturkatastrophen, wenn das Wasser häufig verunreinigt ist. Zur Anwendung kommen die Filter beispielsweise nach dem Erdbeben in Haiti 2010 sowie nach den Überflutungen in Pakistan (2010) und in Thailand (2011).

Schon im Jahr 2008 wird die Technologie für den Hausgebrauch angepaßt und ein Familien-Wasserreiniger namens LifeStraw Family entwickelt, um größere Mengen an Wasser zu reinigen, gefolgt 2013 von dem Modell LifeStraw Community für institutionelle Einrichtungen wie Schulen und Kliniken. Dem schließen sich 2014 die nachfüllbar Wasserflasche LifeStraw Go, sowie 2015 das Modell LifeStraw Mission an, ein zusammenfaltbarer Sack, der sich ideal für Campingplätze, Gruppenwanderungen und Expeditionen eignet. Die Preise beginnen mit 27 $ für die einfachste Ausführung, während das Community-Modell 410 $ kostet (Stand 2016).

DrinkPure-Filter

DrinkPure-Filter


Vergleichbar mit dem LifeStraw ist der DrinkPure-Filter des Schweizer Unternehmens  Novamem Ltd. aus Zürich, der auf den neusten Fortschritten der Nanotechnologie basiert, wie die Firma mitteilt.

Der kleine und nur 150 g schwere Wasserfilter kann bequem auf jede gewöhnliche PET-Flasche geschraubt werden und filtert rein physikalisch durch Saugdruck 99,9999 % der Bakterien, 99 % der Viren sowie Partikel ab 90 nm aus. Auch unangenehme Gerüche wie zum Beispiel Chlor werden entfernt.

Zudem ist das DrinkPure Filtersystem mit einer desinfizierenden Schicht ausgestattet, welche den Filter vor  Bakterienbewuchs schützt, während er Zuge seiner Lebenszeit von einem Jahr bis zu 300 Liter schmutziges und/oder chloriertes Wasser trinkbar machen kann. Im Jahr 2016 wird der Filter für rund 75 € angeboten.


Eine weitere Version ist der gerade mal 13 x 3 cm große Sawyer-Wasserfilter der Firma Care Plus aus Almere in den Niederlanden für ca. 40 €. Dieser läßt sich entweder mit einem Trinkhalm nutzen, um direkt aus dem Wasser zu trinken, paßt mit seinem fest angebrachten Adapter aber auch direkt auf den beigelegten 500 ml Quetschbeutel oder auf handelsübliche PET-Flaschen.

Basierend auf der Technologie medizinischer Dialyseverfahren, verwendet der Filter Bündel von Mikrofaser-Röhrchen, durch deren Wände hindurch das Wasser in den Hohlinnenraum gesogen wird und schließlich zum Endstück gelangt, während schädliche Bakterien u.ä. in den äußeren Rohrwänden aufgefangen werden.

Guardian

Guardian


Eine größere Variante, die deshalb auch mit einer Handpumpe betrieben werden muß, ist der Wasserfilter Guardian des amerikanischen Outdoorprofi MSR, der nach einer Entwicklungszeit von sechs Jahren Anfang 2016 auf den Markt kommt. Auch diese Gerät soll Bakterien, Parasiten und Viren herausfiltern und so innerhalb weniger Sekunden trinkbares Wasser produzieren. Möglich macht dies ein neuartiger Filter, der aus dünnen Fasern besteht, die so eng verwoben sind, daß sämtliche mikrobiologischen Elemente aufgehalten werden und nur reines Wasser hindurchfließen kann.

Zur Anwendung wird ein Schlauch in die Wasserquelle gehalten, während der Filter auf eine gewöhnliche Wasserflasche geschraubt und die Reinigung mit Hilfe einer mechanischen Pumpfunktion in Gang gesetzt wird. Pro Minute können rund 2,5 Liter Wasser gewonnen werden. Der Filter verfügt zudem über eine Selbstreinigungsfunktion, indem bei jedem Hub 10 % des gereinigten Wassers verwendet werden, um Verunreinigungen aus dem Filter wieder herauszuspülen. Die Lebensdauer des 350 $ teuren MRS Guardian Wasserfilters beträgt 10.000 Liter.


Eine fast gleich aussehende Version ist der Filter Vario der Schweizer Firma Katadyn Products Inc., die sich als mit einem weltweiten Marktanteil von über 50 % bei individuellen Wasserreinigungssystemen und -produkten als die Nummer 1 der Welt betrachtet.

Die zu einem Preis ab 90 € vertriebenen Filter sind klein und wiegen nur 425 g, bringen aber viel Leistung, weshalb sie perfekt für kleinere Gruppen geeignet sind. Dank der Dual-Piston-Technologie lassen sich bis zu 2 Liter Wasser pro Minute aufbereiten. Dabei können wahlweise 2 Liter pro Minute im ,Faster Flow’ Betrieb oder 1 Liter pro Minute im ,Longer Life’ Modus gefiltert werden, bei dem ein keramischer Vorfilter aktiviert wird, der bei stärker verschmutztem Wasser die Lebensdauer des Glasfaserfilters verlängert.

Um alle schädlichen Inhaltsstoffe sicher zu eliminieren, durchläuft das Wasser drei Filterstufen: Die Aktivkohle sorgt dafür, daß lästige Gerüche und Chemikalien reduziert werden, der Keramikvorfilter entfernt Partikel und Schwebstoffe, und der 0,3 µm Glasfaserfilter hält Bakterien und Protozoen zurück.

Mit dem BeFree Filter bietet Katadyn zudem auch noch eine Kleinversion für 45 € an, die den weiter oben beschriebenen Filtern ähnelt.


Ein weiteres Beispiel für Muskelkraft-Geräte sind tragbare, handbetriebene Waschmaschinen – wie z.B. das Modell Wonder Wash, dessen Kunststoff-Trommel einfach durch einen Griff an der Seite gedreht wird. Verkauft wird es zu einem Preis zwischen 45 $ und 50 $.

Das Gerät mit dem Aussehen eines kleinen Zementmischers, das mir durch einen Blogeintrag im Juli 2005 bekannt wird, hat ein Volumen von etwa 25 Litern und kann 2,2 kg schmutzige Wäsche aufnehmen. Dazu wird die Trommel mit heißem oder warmem Wasser und einer geringen Menge an Waschmittel gefüllt und der Deckel geschlossen. Anschließend wird eine auf dem Deckel befindliche Druckschraube stark angezogen. Es ist dieser Druck, welcher der Schlüssel für die Leistung des Geräts darstellt.

Die Idee dabei ist, daß das heiße Wasser in der vollständig abgedichteten Trommel die im Inneren gefangene Luft erwärmt. Dieser Druck zwingt das Wasser und das Waschmittel durch die Stoffe und trennt schnell den Schmutz und Dreck ab. Etwa 2 Minuten Rotation sind angeblich alles, was dazu erforderlich ist. Kundenreaktionen ist allerdings zu entnehmen, daß es einige Probleme mit der Haltbarkeit der Kunststoffstruktur gibt.

Lehmans Own Hand Washer

Lehmans Own Hand Washer


Als Alternativen bietet sich das robustere, mit 599 $ aber auch wesentlich teurere Modell Lehmans Own Hand Washer an, für das es sogar einen optionalen, kurbelbetriebenen Walzen-Wringer gibt (179 $). In einer Ganzmetall-Ausführung ist das Gerät auch unter dem Namen Berry Hill HandWasher & Wringer bekannt (1.099 $).

Hierbei funktioniert das Waschen mittels einer Pendelbewegung durch den Anwender, bei der die Waschzeit auf nur wenige Minuten pro Ladung verkürzt wird. Bei einem Volumen von etwa 57 Litern kann die manuelle Waschmaschine mit bis zu 13,5 kg Wäsche beladen werden.


Im Juli 2009 wird in dem Selbstbau-Blog makezine.com eine manuell betriebene Waschmaschine des Designers Michael Perdriel gezeigt, die ohne Strom und fließendes Wasser arbeitet und aus drei Hauptkomponenten besteht: einem Eimer, einem Sack und dem Hebel-Antriebsmechanismus, der in einem einfachen Holzrahmen untergebracht ist. Ein breiter, offener Zylinder aus flexiblem Netzgewebe in dem Sack sorgt dafür, daß die Kleidungsstücke nicht zusammenklumpen.

Das speziell für arme Menschen in Entwicklungsländern konzipierte Gerät soll bis zu 2,5 kg Wäsche in etwa 20 Minuten sauber bekommen. Das tragbare Gerät soll bereits in Hyanja, Nepal, verwendet werden, wo Perdriel bei der Gestaltung einer lokal angepaßten Version mitgearbeitete hat.

Rapid Laundry Washer

Rapid Laundry Washer


Eine Einfachstversion bildet der in Amerika verbreitete Rapid Laundry Washer, der für 25 $ angeboten wird, je nach Wunsch entweder mit einem verzinnten Stahlkopf mit verstärktem Rand oder aus einem nicht rostenden Kunststoff mit Spritzschutz – nebst einem stabilem, glattem Holzgriff.

Diese Gerät nutzt man mittels Stampfbewegungen wie eine zum Reinigen von Abflüssen gedachte Saugglocke. Die besonderen inneren Versteifungen schicken Wasser durch die Kleidung, um den Schmutz herauszuspülen.

Das Gerät ist auch unter dem Namen Breathing Hand Washer bekannt – wegen des Atmen-ähnlichen Geräuschs das entsteht, wenn es Wasser und Seife effektiv durch die Kleidung schiebt und zieht.


Doch es gibt auch verschiedene neuere Konzepte manuell betriebener Waschmaschinen. Von der Industriedesign-Studentin Kristin Mueller an der University of Illinois in Chicago stammt beispielsweise das Modell SquashWash, das im März 2010 in den Blogs gezeigt wird.

Auch diese Version aus Polyethylen und Vinyl versucht mithilfe einer innovativen, aber einfachen Kompressions- und Salatschleuder-Technologie Wasser und Energie zu sparen.

Der Anwender muß lediglich ein paar Kleidungsstücke hinein stopfen, Wasser hinzufügen und die Maschine komprimieren – indem er das Oberteil mit den Händen nach unten drückt, oder sich oben drauf stellt. Eine starke Feder sorgt für die Gegenbewegung.

Swirl Montage

Swirl (Montage)


Noch mehr Spaß machen tut das Wäschewaschen mit dem Swirl, der nur einen Monat später veröffentlicht wird.

Das Konzept von DesignAffairs Studio, einer strategischen Design Consulting Agentur mit Stammsitz in München, basiert auf auf einem mit Wasser befüllbaren Waschball, der wie ein Kinderwagen geschoben und auf diese Weise rollend in den Waschgang versetzt werden kann. Oder man läßt zur Abwechslung einfach die Kinder mit dem ,Wäscheball’ herumtollen und -rollen.

Die Waschmaschine verfügt über einen gewirbelten kugelförmigen Korb und einen Deckel. Bei Nichtgebrauch kann sie daher auch als Wäschekorb oder als Wassertonne verwendet werden.

Als Zielgruppe gelten die Frauen in den trockenen Entwicklungsländern, deren traditionelle Aufgabe es ist, an oftmals entlegenen Wasserstellen die Wäsche zu waschen oder von dort Trinkwasser zu besorgen. Mittels der ballförmigen Low-End-Waschmaschine können sie vor allem körperliche Energie sparen und effektiv einsetzen – indem der ohnehin notwendige Rückweg zur Wasserstelle ohne die Zufuhr von Strom zum Wäschewaschen genutzt wird.

Aufgrund seiner einfachen Konstruktion und der kostengünstigen Materialien könnte der Swirl auch in den jeweiligen Ländern vor Ort hergestellt werden, was teure Importe vermeidet.


Nicht ganz klar, ob wirklich ernst gemeint, ist die Lage im Fall des Konzepts Hula Washer, das im August 2012 in den Blogs erscheint. Der Entwurf des Designers Sang-soon Lee von der Yongin University in Südkorea ist ein Beitrag zum diesjährigen Electrolux Design Lab Wettbewerb.

Der Hula Washer hat die Form eines zu breit geratenen Hula-Hoop-Reifens und ist hohl. In das Innere lassen sich ein paar Socken und Unterhosen stopfen, dazu kommen etwas Wasser und natürlich das Flüssigwaschmittel. Für größere Kleidungsstücke ist das Teil allerdings ungeeignet.

Greinigt werden soll die Wäsche dann mittels der Energie, die durch das kreisen lassen des
Reifens entsteht. Nach der Wäsche kann das merkwürdige Gerät in vier Einzelteile zerlegt und in einem passenden Säckchen gelagert werden. Auf Reisen mag der Hula Washer ein idealer Begleiter sein, denn so hat man frische Kleidung, wann und wo immer man sie braucht.

Scrubba

Scrubba


Noch einfacher aufgebaut ist das ebenfalls im Jahr 2012 vorgestellte ultraleichte und tragbare Waschgerät Scrubba des australischen Erfinders und Patentanwalts Ash Newland aus Melbourne, dem die Idee zwei Jahre zuvor bei einer Reise nach Afrika gekommen war. Das Teil hat die Form einer Tasche und basiert auf dem Prinzip des guten alten Waschbretts. Auch hier wird die Wäsche sauber gerubbelt – allerdings innerhalb eines wasserdichten Beutels.

Der Scrubba Waschbeutel benötigt dafür bis zu 4 Liter Wasser, Muskelkraft und etwas Waschmittel oder Kernseife. Dann wird er einfach für 30 – 60 Sekunden auf einer festen Oberfläche gerubbelt, um anschließend das schmutzige Wasser auszugießen und zum Klarspülen frisches Wasser nachzufüllen.

Newland versucht nun Mittel zusammenzutragen, um sein Waschgerät auch in einer größeren Stückzahl fertigen zu können. Der Preis für die mobile Waschlösung soll dann bei knapp 50 $ liegen. Tatsächlich gehen Vorbestellungen in Höhe von 22.500 $ ein, umd im Juli kann das Produkt auf dem Markt eiungeführt werden.

Nach demselben Prinzip funktioniert der Scrubba Pack, den Newland im Juli 2015 vorstellt. Diesmal ist es ein Rucksack, mit dem in wenigen Minuten auch die Wäsche gewaschen werden kann und dessen Waschqualität nach Angaben des Erfinders vergleichbar mit einer Waschmaschine sein soll – nur deutlich schneller und umweltfreundlicher.

Das in den Rucksack integrierte Waschbrett ist flexibel, sehr dünn und extrem leicht, es besteht aus einem festen und abriebfesten Nylongewebe. Um den Waschvorgang zu starten füllt man nun lediglich ein wenig Shampoo oder Seife, etwas Wasser und die Kleidung in den Sack. Anschließend läßt man mit Hilfe eines Ventils die Luft entweichen. Damit Reibung zwischen der Kleidung und den Nippeln des Waschbretts entsteht, muß die Masse dann nur noch geknetet und gedrückt werden. Alles in allem dauert ein solcher Waschvorgang nicht länger als drei Minuten und erfordert nur minimalen Körpereinsatz.

Zur Finanzierung des neuen Waschmaschinen-Rucksacks startet Newland eine Indiegogo-Kampagne – mit der er bis August 27.861 $ einsammeln kann, 23 % mehr als eigentlich gewünscht. Nun sollen die ersten Exemplare bereits im Oktober zur Auslieferung kommen.
Dem Stand von 2016 nach wird der Scrubba Wash Bag für rund 50 €, und der Scrubba Wash Pack für 90 € angeboten.


Über die verschiedenen padalbetriebenen Waschmaschinen habe ich bereits weiter oben berichtet (s.d.).

 

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