allTEIL C

MUSKELKRAFT

Über- und Unterwasser (IV)


Nun weiter mit den anderen Modellen, die ganz ohne Tragflächen über das Wasser fahren.

Le Caer

AquaCycle

Ein innovatives Gefährt, das die Technologien Fahrrad und Boot miteinander verschmilzt, ist auch das ehrgeizige Ziel des Rennrad-Champions Yvon le Caer, der 1978 mit der Entwicklung seines AquaCycle beginnt, nachdem er bei den Florida Cycling Masters Championships zwei Goldmedaillen gewonnen hatte.

Mit einem Prototyp gelingt es ihm bereits im Juli 1981 den Golfstrom zwischen den Bahamas und Florida zu überqueren, was immerhin eine Strecke von 102 km darstellt, und wofür er 10 Stunden und 50 Minuten benötigt.

Mit der ausgereiften Version des Wasserfahrzeugs, das er mit Hilfe von amerikanischen Experten konstruiert, und das im Laufe der Jahre auch als VeloCat oder Aqua-C bekannt wird, radelt le Caer im September 1985 über den westlichen Ärmelkanal. Ein zwei Jahre zuvor erfolgter Versuch, das Gewässer zwischen Frankreich und England zu befahren, endete fast in einer Katastrophe, als ihm sein eigenes Begleitschiff in einem aufkommenden Sturm über einen Meter von der Vorderseite seines Wasser-Fahrrads absäbelt.

Diesmal klappt die Überquerung der 148 km langen Strecke in 16 Stunden und 42 Minuten.

Chew-Patent

Chew-Patent (Grafik)


Thomas S. Chew
aus Oakland, Kalifornien, reicht im Jahr 1979 das Patent für einen Schwimmer ein, der sich an einem Fahrrad befestigen läßt (US-Nr. 4.285.674, erteilt 1981).

Der Vorteil dieses Systems soll darin bestehen, daß es im Gegensatz zu anderen schwimmenden Fahrrädern keine Anpassungen oder Änderungen erfordert, wenn es vom Land ins Wasser geht.

Das Vorderrad des Gefährts hat eine Scheibe, die im Wasser als Ruder wirkt, während die Speichen des Hinterrads Schaufeln oder Schalen besitzen, die für den Antrieb verwendet werden. Von einer Umsetzung ist aber nichts bekannt.


Der ehemalige Werbe-Manager Garry Hoyt, der 1976 die Firma Freedom Yachts gründet, eine lange Reihe von Innovationen bei Segelbooten einführt und Inhaber von 10 Patenten ist, arbeitet nach dem Verkauf seiner Firma im Jahr 1985 mit den Brüdern Peter und Olaf Harken und ihrer 1967 entstandenen Segelboot-Baufirma Harken Inc. aus Pewaukee, Wisconsin, zusammen, um ein kleines und seetaugliches pedalbetriebenes Boot zu produzieren, das den passenden Namen Waterbug bekommt.

Es gibt das Boot, das in den 1980er Jahren nur für eine sehr kurze Zeit gefertigt wird, auch in einer zweisitzigen Ausführung, die  als Option zudem über ein elektrisches Antriebspaket verfügt.

1986 folgt das aus Glasfaser konstruierte 3-Personen-Tretboot Mallard, mit dem einige Jahre später ein einzelner Fahrer über den Ärmelkanal und zurück radelt - am selben Tag. Hoyt scheint sich dagegen nur noch mit seinen Segelbooten zu beschäftigen.

Im Jahr 1994 kauft daher der Tretboot-Enthusiast und -Bastler Curtis Chambers die Rechte an der Mallard, baut mehrere Exemplare mit dem ursprünglichen Glasfaser-Verfahren, entscheidet sich 1995 aber für den Wechsel zu einem Rotationsformverfahren, mit welchem nun auch das Gehäuse der Antriebseinheit, die Sitze, das Seitenruder sowie der Lenker hergestellt werden. Zudem wird ein neues Pedalantriebssystem konzipiert.

Nachdem Chambers Firma Nauticraft Corp. in Muskegon, Michigan eine neue Polyethylen-Rotationsformmaschine nebst Rotationsformen bekommt, wird die Mallard in Escapade umbenannt und 1996 in die Produktion übernommen. Im Laufe der Jahre werden rund 150 Exemplare des unsinkbaren und selbst-aufrichtenden Vollkunststoff-Bootes produziert.

Escapade

Escapade

Die Escapade wiegt 150 kg und kann mit drei Personen und Fracht bis zu einem Gewicht von 230 kg belastet werden. Mit seinem 16-Zoll-Zweiblatt-Propeller sind Kreuzfahrten bei rund 4 kn möglich. Als Preis werden zu diesem Zeitpunkt 2.475 $ angegeben – bzw. 3.050 $ inkl. Anhänger und Abdeckung.

Ab 2001 wird mit der Herstellung des 1- bis 2-Personenboots Sprite (2.475 $) und des für 2+2 Passagiere zugelassene Encore (4.350 $) begonnen, zwei neuen Nauticraft-Tretbooten, die von Tom Parker und seinem Büro Parker Designs entwickelt worden sind.

Im Mai 2002 radelt der ehemalige britische Offizier Paul Tucker in einem Escapade-Tretboot am gleichen Tag über den Ärmelkanal und zurück. Tucker schafft die fast 60 Meilen lange Rundreise von Folketstone Harbour in England bis nach Calais in Frankreich und zurück in einer Weltrekordzeit von 14 Stunden und 20 Minuten, was ihm einen Guinness-Eintrag verschafft.

2004 folgen ein pedalelektrisches (5.850 $) und ein rein elektrisches (4.950 $) Modell der Encore, und im Jahr 2007 ist die Encore P/E (pedal/elektrisch) das bestverkaufte Boot der Firma Nauticraft.


Das erste internationale Rennen für muskelbetriebene U-Boote findet im Jahr 1989 bei Singer Island an der Riviera Beach in Florida statt, gesponsert von der Florida Atlantic University. Gewinner des ersten International Submarine Race (ISR), an dem sich 17 Boote diverser studentischer Gruppen beteiligen, ist das Team der der U.S. Naval Academy. Das Rennen findet seitdem alle zwei Jahre statt.

Bei dem Wettbewerb geht es ursprünglich darum, mit einem von zwei Personen bemannten U-Boot (einem Piloten und einem als Antrieb agierenden ‚Beweger’), welches von einem Propeller- oder einem anderen System angetrieben wird, auf einer 400 m langen, ovalen Rennstrecke im offenen Ozean die höchste Geschwindigkeit zu erreichen. Dabei atmen die Besatzungsmitglieder aus Taucherflaschen, da die von Grund auf selbst konstruierten ,nassen’ Boote, die für Antrieb und Steuerung neuartige Technologien nutzen, nicht luft- bzw. druckdicht sind.

Im Jahr 1991 beteiligen sich schon 35 U-Boot-Teams an dem ISR, und 1993 sind es bereits 44.

Da sich das Manövrieren pedalbetriebener U-Boote im offenen Wasser als schwierig erweist, und schlechtes Wetter die Sache manchmal sogar völlig verhindert, entscheiden sich die Organisatoren des 4. Wettbewerbs im Jahr 1995 für den Umzug in die geschlossene Umgebung des großen David-Taylor-Testbeckens des Naval Surface Warface Center (NSWC) bei Carderock, Maryland.

Hier erlaubt der 1,6 km lange, gewölbeüberdachte Tunnel mit einem Kanal in der Mitte eine glatte Fahrt ohne Strömungen und Wellen. Dies ermöglicht auch die Implementierung einer neuen U-Boot-Klasse für nur eine Person, bei welcher es eine 100 m lange, gerade Strecke zu bewältigen gilt. Diesmal konkurrieren zwölf Teams, die 1997 auf 13 anwachsen. Die Rennen werden seitdem immer dort durchgeführt, wobei die Teilnehmerzahl bis zum Jahr 2013 auf 19 Teams mit zusammen 21 Booten steigt.


Als Beispiel habe ich das Team der École de technologie supérieure (ÉTS) in Montreal, Quebec, ausgewählt, da es fast von Beginn an mitmacht und zudem diverse Weltrekorde aufstellt. Die Studenten arbeiten ab 1991 an der Entwicklung eines muskelbetriebenen U-Boots namens Omer, wobei im Laufe der Jahre unter diesem Namen  eine ganze Reihe von U-Booten entstehen, deren erste Generation ein Zweisitzer ist, der zwar zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewinnt, aber trotzdem nicht die schnellste U-Boot der Welt ist.

Im September 1995 entscheidet sich das ÉTS-Team dafür, Weltmeister zu werden. Mit den Ideen der neuen Mitglieder und dem Know-how der älteren, wird in vier Monaten ein neuer Rumpf hergestellt und ein Bordcomputer hinzugefügt, um den Verstellpropeller zu steuern und den Piloten mit einigen Informationen zu versorgen. Das Resultat heißt Omer 2 und erringt im Mai 1996 bei einem Wettbewerb Kalifornien einen Weltrekord in der Zweisitzer-Klasse.

Nach diesem Sieg will das Team auch in der Einsitzer-Klasse den ersten Platz erringen und beginnt mit dem Bau des Omer 3. Tatsächlich gelingt es im Juni 1997 beim 5. ISR Weltrekorde in allen Kategorien zu erzielen. Während der 1-sitzige Omer 3 eine Geschwindigkeit von 6,261 kn erreicht, können mit der 2-sitzer Omer 2 immerhin 5,960 kn erzielt werden.

Im Sommer 2001 wird mit dem neu konstruierten 1-Sitzer Omer 4 ein Geschwindigkeits-Weltrekord von 7,192 kn erzielt. Für diesen Wettbewerb war eine neue elektrische Steuerung getestet und integriert worden.

Omer 6 und 7

Omer 6 und 7

Mit der Erfahrung von Omer 4 gelingt es dem neuen und viel stabileren Zweisitzer-U-Boot Omer 5 im Sommer 2003 wieder den ersten Platz zu belegen – mit 6,814 kn. Und im Jahr 2005 setzt das Gefährt mit 7,061 kn einen neuen Geschwindigkeitsweltrekord für Zweisitzer – den es beim 9. ISR im Juni 2007 mit einer Geschwindigkeit von 8,035 kn ein weiteres mal selbst bricht.

Omer 6, ein Einsitzer-U-Boot ohne Propeller, erreicht dann mit dem Fahrer Nicolas Tardif beim 10. ISR im Jahr 2009 eine Geschwindigkeit von 4,642 kn, was ebenfalls einen Weltrekord bedeutet (später werden mit diesem Modell sogar 4,916 kn erreicht). Die biologisch inspirierte Antriebsmethode des Omer 6 besteht aus zwei großen Flügeln, die eine oszillierende Bewegung ausführen und damit den effizienten Schwimmstil der Pinguine nachahmen.


Wegen seines speziellen Antriebssystems wird der Omer 6 im Jahr 2009 auch für das Projekt Life Amphibious ausgewählt, eine Unterwasser-Expedition des australischen Meeres- Wissenschaftlers und Abenteurers Lloyd Matthew Godson und der griechischen Meeresbiologin und PR-Spezialistin Karolina Sarasiti. Diese wollen in die Pedale treten, um die 24 km lange Strecke zwischen den griechischen Inseln Kefalonia nach Ithaca in einem muskelbetriebenen U-Boot zu bewältigen.

Das ursprüngliche Ziel war es, in einem Einsitzer-U-Boot die 100 nautischen Meilen von Korfu nach Ithaca zu überwinden. Dies sollte mit einem von dem Bath University Racing Submarine Team (BURST) unter der Leitung von William Megill entworfenen und gebauten 1-sitzigen U-Boot ohne Propeller geschehen. Nach mehreren Besuchen auf den Ionischen Inseln beschließt das Team, die Sache in zwei Phasen aufzuteilen.

Obwohl das ÉTS- und auch das BURST-Team erfolgreich an der 10. ISR im Juni 2009 teilnehmen, gelingt es letzterem nicht, die Fristen nach dem Wettbewerb einzuhalten, und es verabschiedet sich aus dem Life-Amphibious-Projekt, das von der Australian Geographic Society gemeinsam mit der der John S. Latsis Public Benefit Foundation finanziert wird.

Das dreifache Ziel des Ende September durchgeführten Pilot-Projekts über 24 km lautet: junge Menschen für Wissenschaft und Technik zu begeistern; das Umweltbewußtsein zu inspirieren; und den involvierten Studenten die Erfahrung zu ermöglichen, ihr theoretisches Wissen in die Tat umzusetzen.

Schlechte Wetterbedingungen begrenzen die Expedition zwar auf etwas mehr als 9 km, dennoch kann das Life-Amphibious-Team alle Herausforderungen im Zusammenhang mit der Erkundung der Meerestiefen meistern. Auf Godsons Hompage wird aber auch von einer im Oktober erfolgreich durchgeführten Unterwasserreise von Kefalonia nach Ithaka berichtet. Das Team plant eigentlich, das Projekt im Sommer 2010 in größerem Maßstab zu wiederholen. Dafür ließen sich bislang aber noch keine Belege finden.

Omer 8 bei 1. eISR

Omer 8 bei 1. eISR


Zurück zum ÉTS-Team, das im Juni 2012 mit dem zwischenzeitlich neu konstruierten Omer 8 an den 1. European International Submarine Races (eISR) teilnimmt, die über mehrere Tage in Europas größtem Frischwassertank stattfinden, dem 122 x 61 m großen und 5,5 m tiefen Ozeanbecken der Firma QinetiQ im britischen Gosport.

Es ist wohl müßig darüber zu spekulieren, warum es 23 Jahre lang gedauert hat, bis die Idee des Wettbewerbs den Sprung über den ,großen Teich’ geschafft hat. Sicherlich ist auch die Ignoranz der hiesigen Medien dafür verantwortlich, die in der ganzen Zeit kaum oder gar nicht darüber berichtet haben.

Im Wettbewerb gegen Teams aus den USA (Wolverine / University of Michigan; Maroon Harpoon / Texas A&M University; Talon 1 / Florida Atlantic University), aus Kanada (Archimede V / École polytechnique de Montréal) sowie aus Großbritannien (Minerva / University of Bath), erringt der Omer 8 mit einer Geschwindigkeit von 7,030 kn den ersten Platz.

Auch die europäische Version des Wettbewerbs findet ab 2012 alle zwei Jahre statt – im Wechsel mit seinem amerikanischen Vorbild und immer in Gosport. Der 2. eISR wird im Juni 2014 abgehalten, wobei diesmal schon elf Teams mit dabei sind.

Neben den meisten der vorgenannten sind dies jeweils ein Team aus Deutschland (Inia / Hochschule Rhein-Waal), aus Neuseeland (Taniwha / University of Auckland), aus den Niederlanden (Wasub 4 / Delft University of Technology) und den USA (Laurie Belle / University of Washington), sowie zwei Teams aus Großbritannien (Mayflower / University of Plymouth; und HPS Shakespeare / University of Warwick).

Warwick Sub

Warwick Sub


Das letztgenannte Team der University of Warwick hatte im März 2013 mit dem Bau seines einsitzigen muskelbetriebenen U-Boots begonnen.

Mit der HPS Shakespeare (o. Warwick Sub) soll bei der IWR 2014 der bisherige Geschwindigkeitsrekord gebrochen werden.

Und obwohl man mit dem Team der University of Bath in Konkurrenz steht, arbeiten die beiden Universitäten zusammen, um ihr Wissen über das U-Boot-Design zu teilen.

Große Erfolge können aber noch nicht erzielt werden, weshalb in späteren Jahren fortschrittlichere Versionen namens Godiva und Godiva 2 gebaut werden, die 2015 bzw. 2016 zum Rennen antreten.


Nachdem beim 11. ISR im Jahr 2011 der Hauptkonkurrent TALON 1 der Florida Atlantic University (FAU) gewinnt, während die Minverva 2012 in der Hauptkategorie den dritten Platz belegt, schafft es das ÉTS-Team beim nächsten Rennen 2013 - hauptsächlich durch Implementierung eines elektronischen Verstellpropellers zur Schubmaximierung - mit dem Omer 8 wieder eine neue Bestmarke zu setzen: 7,280 kn. In diesem Jahr konkurrieren 20 Teams miteinander.


Die bislang  neueste Generation ist das U-Boot Omer 9 für zwei Personen, das aus leichten Basaltfasern geformt ist, die mit einer Schicht aus Fiberglas verstärkt sind. Der Propeller aus Leichtaluminium ist mit elektronischen Sensoren bestückt, welche die Anstellwinkel der Blätter justieren. Das in glänzendem Schwarz mit blauen und weißen Rennstreifen lackierte Gefährt kostet mehr als 30.000 $.

Alle Teilnehmer des 13. ISR

Alle Teilnehmer des 13. ISR

Während dem 13. ISR 2015 gelingt dem Team mit dem Omer 9 ein weiterer Geschwindigkeitsweltrekord für muskelbetriebene Zweisitzer-U-Boote mit 7,190 Knoten. Diesmal konkurrieren bereits 25 Universitäts- und Hochschulteams aus Großbritannien, den Niederlanden, Neuseeland, dem Oman, Abu Dhabi und Kanada, sowie ein Dutzend aus den USA auf der Rennstrecke miteinander.

Dabei kommen auch neue Antriebsmethoden zum Einsatz. Das U-Boot INIA der Hochschule Rhein-Waal (HSRW) besitzt beispielsweise ein horizontales Flossenpaar, das sich auf und ab bewegt und die Bewegung eines Delphins nachahmt. Auf einigen Fotos ist auch eine breitere Version der Flossen zu sehen.

In jedem Fall erweist sich die Technologie als äußerst effektiv, denn das HSRW-Team erringt bei dem aktuellen Wettbewerb den zweiten Platz.

Das U-Boot der Sussex Technical Engineering School aus New Jersey wird wiederum durch einen Wasserstrahl-Impuls fortbewegt, ähnlich wie es der auf das Boot gemalte Tintenfisch in realitas tut.

Der 3. eISR wird im Juli 2016 veranstaltet. Hier ist bereits der Omer 10 mit im Rennen.


Weiter über und unter dem Wasser...