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Der Thermoelektrische Effekt / Seebeck-Effekt (TEGs) (XIV)


Im Januar 2013 wird über die Arbeiten von Wissenschaftlern um Prof. Raphaël P. Hermann und Sabrina Disch am Jülicher Zentrums für Forschung mit Neutronen (JCNS), einem Teil des Forschungszentrum Jülich, berichtet, die ebenso wie viele andere erarbeiten, wie sich thermoelektrische Materialien verbessern lassen, indem der Anteil der Wärmeleitfähigkeit aufgrund von Gitterschwingungen reduziert wird.

Gitterschwingungen

Gitterschwingungen

Die Gruppe untersucht die Gitterschwingungen und die Mechanismen des Wärmetransports, wobei z.B. die elastischen Konstanten und andere makroskopische Materialeigenschaften gemessen werden, die mit den Gitterbewegungen zusammenhängen. Um einen mikroskopischen Blick auf die Gitterschwingungen werfen zu können, nutzt die Forschergruppe die Meßeinrichtungen des JCNS am Forschungsreaktor FRM II in Garching, am Institut Laue-Langevin in Grenoble in Frankreich, an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF), ebenfalls in Grenoble, sowie an der Photonenquelle des Argonne National Laboratory in den USA.

Zum mikroskopischen Bild der Gitterschwingungen gehört, daß ihre Energie quantisiert ist, also immer nur in bestimmten Portionen auftreten kann. Die quantisierten Gitterschwingungen werden Phononen genannt, wobei drei Faktoren den Wärmetransport der Phononen bestimmen: Geschwindigkeit, freie Weglänge und Wärmekapazität. Die Forscher konnten bereits bei thermoelektrischen Materialien mit chemischen Formeln wie Yb14MnSb11, FeSb3 und Sr8Ga16Ge30 ermitteln, welcher der Faktoren die Wärmeleitfähigkeit der Phononen jeweils entscheidend begrenzt, was für die Suche nach thermoelektrischen Materialien mit höherem Wirkungsgrad wesentlich sei.

Die Forschungen hatten mit der im Juli 2008 in Kooperation mit der Universität Lüttich gegründeten Nachwuchsgruppe ,Lattice Dynamics in Emerging Functional Materials’ begonnen – enden tut die Förderung im Juni 2014.


Im Februar 2013 folgt die Meldung, daß unter dem Titel H2ESOT (Waste Heat to Electrical Energy via Sustainable Organic Thermoelectric Devices) ein europaweiter Forschungsverbund seine Arbeit aufgenommen hat, an dem Einrichtungen und Firmen aus Großbritannien, Deutschland, Litauen, Bulgarien und Moldawien beteiligt sind. Die EU finanziert das Projekt mit rund 1,3 Mio. €.

In den folgenden drei Jahren wollen die beteiligten Wissenschaftler untersuchen, ob organische Verbindungen eine Alternative zu den gegenwärtig verwendeten Materialien darstellen können, die mit etlichen gravierenden Nachteilen behaftet sind. Bei Bismut-Tellurid beispielsweise ist das Tellur zum einen giftig und zum anderen äußerst selten und damit entsprechend teuer. Organische Materialien können demgegenüber in großen Mengen synthetisiert werden und sind dementsprechend billig, außerdem leicht zu verarbeiten und Ressourcen-schonend.

Damit ihre physikalischen Eigenschaften und ihr technologisches Potential voll ausgereizt werden können, müssen die organischen Verbindungen allerdings bestmöglich aufbereitet werden, was zusammen mit den thermoelektrischen Untersuchungen in der Arbeitsgruppe von Prof. Jens Pflaum an der Universität Würzburg geschieht, die knapp 300.000 € der Fördersumme erhält. Hier sollen die Substanzen bestmöglich aufgereinigt und daraus einkristalline Proben hergestellt werden. Einkristallin bedeutet in diesem Gall, daß die Probe von jeglichen Verunreinigungen befreit ist, und daß sich die Moleküle nahezu fehlerfrei in extrem hoch geordneter Weise gruppieren.

Nach Ansicht des Physikers könnten thermoelektrische Generatoren auf organischer Basis einen deutlich höheren Wirkungsgrad erreichen als andere Systeme. Da sie sich aber nicht für Motorabgase eignen, die zu heiß sind für die Produkte, an denen der Forschungsverbund arbeitet, will man sich auf Temperaturen unter 200°C konzentrieren, d.h. auf Einsatzbereiche wie den Boiler im Badezimmer, den Heizkessel im Keller oder auch Wärmetauscher in der chemischen Industrie.


Im Mai 2013 berichtet ein Team der University of Michigan (U-M) über einen neuen Durchbruch bei der Bildung einer Kategorie verhältnismäßig preiswerter thermoelektrischer Materialien, die zudem flexibel, leichtgewichtig und haltbar sind. Sie basieren auf organischen Halbleitern, die aufgrund ihrer geringen Effizienz bisher eher das Leben eines Mauerblümchens in der thermoelektrischen Welt geführt haben.

Dies kann sich aber bald ändern, da das U-M-Team um Prof. Kevin Pipe eine drastische Steigerung der elektrische Leitfähigkeit sowie der Effizienz von organischen Halbleiter-TE-Materialien um fast 70 % erreicht und den ZT-Wert von 0,25 auf 0,42 steigert. Dabei ist das Material bei Temperaturen von bis zu 120°C effektiv.

Kernelement der Verbesserung ist eine Verbindung aus dem Polymer PEDOT und dem Polyelektrolyten PSS, der auch häufig als transparente Elektrode bei organischen LEDs und Solarzellen eingesetzt wird. Das Team hatte festgestellt, daß überschüssiges PSS in der Verbindung die Leistungsfähigkeit des Materials stark vermindert, und daher ein Lösungsmittel-basiertes Verfahren zur Entfernung von einigen der überzähligen PSS-Moleküle entwickelt. Die Arbeit wird vom U.S. Department of Energy unterstützt.


Zeitgleich meldet ein anderes Team der U-M um Prof. Pierre Ferdinand P. Poudeu, daß es durch die Konstruktion eines halbleitenden Materials auf der Ebene einzelner Atome gelungen sei, dessen Fähigkeit zur Wärmeumwandlung um 200 % und gleichzeitig seine elektrische Leitfähigkeit um 43 % zu steigern. Eine Verbesserung dieser beiden Zahlen zugleich stellte bislang eine große Herausforderung für die Forscher auf diesem Gebiet dar. Das von Poudeu verwendete Material ist eine Legierung aus Titan, Zirkon, Nickel und Zinn, die als kein besonders wirkungsvolles thermoelektrisches Material gilt.

Die neue Strategie unterscheidet sich von gängigen chemischen Techniken wie dem Dotieren, bei welchem dem Trägermaterial Verunreinigungen hinzugefügt werden, um seine elektronischen Eigenschaften zu ändern und es stärker leitfähig zu machen. Bekanntermaßen kann die Dotierung in thermoelektrischen Materialien jedoch gegen sich selbst arbeiten, wenn die Verunreinigungen die Wärme-zu-Strom-Umwandlung behindern.

Anstelle von Verunreinigungen – typischerweise fremde chemische Elemente –, führt das Poudeu-Team zusätzliche einzelne Nickel-Atome ein, d.h. eines der Elemente, die sich bereits im Material befanden. Dabei finden die Nickelatome ihren Weg in die Kristallstruktur des Trägermaterials und füllen einen kleinen Teil seiner leeren Atomstellen aus. Damit bilden sie Quantenpunkte – nanoskalige Strukturen, die den Gesetzen von Quanten statt denen der klassischer Physik folgen.

Diese Quantenpunkte wirken als Fallen und hindern niederenergetische Elektronen an der Reduzierung der Umwandlungseffizienz, während sie einen Weg für hochenergetische Elektronen bieten, um als elektrischer Strom zu passieren. Über eine praktische Umsetzung der Erkenntnisse ist bisher nichts bekannt.

Nanodraht-Film

Nanodraht-Film


Ebenfalls im Mai 2013 ist aus dem Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) zu erfahren, daß ein Team unter der Leitung von Jeffrey J. Urban und Rachel A. Segalman ein hochleitfähiges Polymerverhalten an einer Polymer/Nanokristall-Grenzfläche entdeckt habe.

Besonders interessant: Das zusammengesetzte organisch/anorganische Material ist ein Thermoelektrikum, das eine höhere Leistung aufweist, als es die Summe seiner Bestandteile erwarten läßt. Zudem ist ein effizientes thermoelektrisches Material aus Polymeren und Nanokristallen eine attraktive Perspektive, da es wesentlich kostengünstiger herzustellen ist als herkömmliche Thermoelektrika.

Die Forscher der ,Gruppo Urban’ synthetisieren Tellur-Nanodrähte mit PEDOT: PSS und gießen aus der resultierenden wässrigen Lösung dünne Filme. Dabei stellen sie fest, daß die Verbundfolien eine höhere thermoelektrische Leistung aufweisen als entweder das Polymer oder die Nanodrähte allein.

Um ihre ungewöhnlichen Ergebnisse zu erklären , modellieren sie den Film als einen Verbund von drei verschiedenen Materialien: Nanodrähten, Polymeren und einer neuen Grenzflächenpolymerphase mit erhöhter elektrischer Leitfähigkeit, die neue Wege aufzeigt, um die elektronischen und thermischen Eigenschaften von Hybridmaterialien und -vorrichtungen für die thermoelektrische Energieumwandlung und andere Energieanwendungen zu verbessern.

Die Ergebnisse könnten daher nicht nur die thermoelektrische Forschung beeinflussen, sondern auch die Entwicklung von Polymer/Nanokristall-Kompositen, die gegenwärtig für Photovoltaik, Batterien und Wasserstoffspeicher untersucht werden.

In einer weiteren Veröffentlichung vom April 2015 beschreiben die Forscher, wie einwandige Kohlenstoff-Nanoröhrchen durch konjugierte Polyelektrolyte (CPEs) selektiv dotiert werden können, um entweder p- oder n-Typ-Verbundwerkstoffe für hochleistungsfähige, flexible thermoelektrische Bauelemente zu bilden.


Im selben Monat stellen Forscher der Northwestern University um Prof. Matthew Grayson eine theoretische Lösung des Problems vor, daß thermoelektrische Vorrichtungen, die aus Standardmaterialien mit positiven (p-Typ) oder negativen (n-Typ) Ladungen bestehen, welche sich parallel zum Wärmestrom bewegen, in der Größe nicht wesentlich kleiner als ein Millimeter hergestellt werden können – und daß sie bei kryogenen Temperaturen unterhalb von -65°C aufhören zu arbeiten.

Transversale Thermoelektrika Grafik

Transversale Thermoelektrika
(Grafik)

Dem Team gelingt nun die Konzeption von Halbleitern, bei denen sich positive und negative Ladungen senkrecht zueinander bewegen (p n-Typ bzw. p-by-n-Typ), wodurch die Wärme quer zum elektrischen Strom fließt. Dies öffnet die Tür für neuartige thermoelektrische Anwendungen, insbesondere in kleinen Formaten, sodaß es möglich wird, Festkörperkühler auf einen Mikrometer-Maßstab zu verkleinern und in integrierte Schaltkreise einzubauen. Ebenso hat das neue Material das Potential für die Kälteerzeugung bis zu kryogenen Temperaturen.

Bei der Fokussierung auf ein Übergitter des Typs II mit abwechselnden Schichten aus Indiumarsenid (InAs) und Galliumantimonid (GaSb) hatte die Forscher festgestellt, daß das Übergitter orthogonale Eigenschaften vom p-Typ und n-Typ besitzt – und beschreiben nun, wie solche Materialien hergestellt werden könnten.

Mit ihrem neuen Ansatz brechen die Wissenschaftler das jahrhundertealte Paradigma, das besagt, daß der einzige wichtige Parameter für ein thermoelektrisches Material seine Güteklasse ist, d.h. der ZT-Wert, der alle Eigenschaften des intrinsischen Materials zusammenfaßt. Denn entsprechend geformte Transversale Thermoelektrika können die Leistungsfähigkeit übertreffen, die ihnen ihr ZT-Wert vorschreibt. Eine kohärente Strategie zur Identifizierung oder Konstruktion solcher transversalen thermoelektrischen Materialien fehlte bisher allerdings.

Die Forschung wird vom Office of Scientific Research der U.S. Air Force Office, dem Materials Research Science and Engineering Center (MRSEC) der NSF sowie der Initiative for Sustainability and Energy (ISEN), beide an der Northwestern University, gefördert.

Patent der Pyro-E Grafik

Patent der Pyro-E (Grafik)


Ebenso im Mai 2013 gewinnt die erst im April 2012 von Kevin Lu nach seinem Studium an der University of California, Los Angeles, gegründete Firma Pyro-E LLC (o. Pyro-E Technology) in Oakland, Kalifornien, 100.000 $ beim First Look West (FLoW), einem nationalen Wettbewerb des Department of Energy (DOE) im Bereich der sauberen Energie. Zudem ist die Firma einer der Finalisten der National Clean Energy Business Competition im Jahr 2013. Und auch von der NSF gibt es in diesem Jahr noch einen Zuschuß in Höhe von knapp 150.000 $.

Lu, der auch Inhaber der firmenspezifischen Patente ist (US-Nr. 9.012.185, angemeldet 2012, erteilt 2015; Nr. 20140191614, angemeldet und veröffentlicht 2014; sowie Nr. 20150013738, angemeldet 2014, veröffentlicht 2015), hatte sich mit seinen ehemaligen Abschlußklasse-Kommilitonen Phani Meduri und Sam Gharib zusammengetan, um die Technologie zu vermarkten – die später in seiner Firma aber nicht mehr in Erscheinung treten. Lu selbst forscht seit Mai 2014 an der University of California, Berkeley, weiter.

Die Pyro-E entwickelt ein kompaktes Gerät aus preiswerten synthetischen Festkörper-Materialien, die in der Fertigung mittels bestehender Dünnschicht-Herstellungsverfahren skalierbar sind. Die Technologie, die in der Lage ist, bei niedrigen Temperaturen von 100 – 250°C erneuerbare Energie unterbrechungsfrei und ohne Speicherung zu bieten, sei dadurch etwa acht mal leistungsstärker und billiger als die etablierten Geräte.

Als Hawaii auf einer Mission, bis 2030 einen Anteil von 70 % saubere Energie zu erreichen, vom  Office of Naval Research des U.S. Department of Defence 30 Mio. $ für ein neues Startup-Programm namens Energy Exceletor erhält, investiert der Bundesstaat umgehend etwa 5 Mio. $ davon in 15 innovative Unternehmen – zu denen auch die Pyro-E gehört.

Weitere Neuigkeiten oder gar Meldungen über Versuche bzw. Umsetzungen sind bislang nicht zu finden. Auch technische Details gibt es noch keine zu erfahren.


Im Juni 2013 bekommt die Handy-Firma Vodafone viel Presse, als sie auf dem Bonnaroo Music and Arts Festival in Tennessee, das von mehreren hunderttausend Menschen besucht wird, im Wortsinne tragbare Power Shorts vorstellt, die kinetische Energie aus den Körperbewegungen der Träger gewinnen und zum Aufladen ihrer Handys nutzen – sowie einen thermoelektrischen Schlafsack namens Recharge, mit dem ebenfalls elektronische Geräte aufgeladen werden können, sogar im Schlaf.

Vodafone hatte im Jahr zuvor einen LKW aufgefahren, an dem die Festival-Gänger bis zu 2.000 Telefone auf einmal laden konnten. Zeitgleich stellte das Unternehmen auf dem Isle of Wight Festival in Großbritannien einen gemeinsam mit dem University College London (UCL) entwickelten Sonnenschirm vor, der mit einer Reihe flexibler PV-Paneelen bestückt ist. Die neue thermoelektrische Lösung, die auf einen Prototyp namens Power Pocket basiert, ist allerdings viel bequemer.

Entwickler des Systems ist Prof. Stephen ,Steve’ Beeby an der University of Southampton, der sich auch mit Vibrationsgeneratoren und der Piezoelektrizität beschäftigt (s.d.). Sein Team arbeitet bereits seit den späten 1980er Jahren an gedrucktem ,Smart Material’, wobei es anfänglich um Hochtemperaturmaterial geht, das für die Verwendung auf Keramik bestimmt ist. Ende der 1990er Jahren werden die ersten intelligente Materialien für die Ernte von Energie gemacht, und ab 2003 befaßt sich die Gruppe auch mit thermoelektrischen Materialien.

Bis die gedruckten TE-Materialien aber zufriedenstellen funktionieren, dauert es noch einmal gut zehn Jahre. Bei ihrer Herstellung werden viele Paare von Thermoelementen gedruckt und dann zu einem thermoelektrischen Modul verbunden. Beeby behauptet, daß acht Stunden Schlaf in dem thermoelektrischen Schlafsack genügend Strom für 24 Minuten Gesprächszeit und 11 Stunden Standby-Zeit liefern. Ebenso wie die Power Shorts soll die Innovation nun während des Sommers auf dem Isle of Wight Festival und andere Events getestet werden. Auf den Markt gekommen ist sie bislang aber nicht.

Ionische Flüssigkeit Grafik

Ionische Flüssigkeit (Grafik)


Die nächste Meldung vom Juli 2013 stammt aus der Deakin University, wo Prof. Jennifer M. Pringle gemeinsam mit ihren Kollegen Prof. Douglas R. MacFarlane und Theodore J. Abraham von der Monash University, ebenfalls in Melbourne, eine technologische Verbesserung erreichen, indem sie ionische Flüssigkeiten, die Kobalt-Redox-Paare enthalten, als Elektrolyte in thermoelektrischen Zellen verwenden.

Wäßrige oder organische Lösungen bilden traditionell den Elektrolyten in thermoelektrochemischen Zellen (o. Thermozellen). Die Flüchtigkeit des Wassers und der meisten organischen Lösungsmittel beschränken die Arbeitstemperaturen kedoch, da das Lösungsmittel verdampfen kann, was die Langzeitstabilität und die Leistungsabgabe der Zellen verringert. Ionische Flüssigkeiten haben demgegenüber aufgrund der starken ionischen Wechselwirkungen extrem niedrige Dampfdrücke, so daß sie nicht so leicht verdunsten. Ihre geringe Wärmeleitfähigkeit im Vergleich zu Wasser hilft auch, daß ionische Flüssigkeiten den Temperaturgradienten im Gerät aufrecht erhalten.

Die herausragende Leistung des nun entwickelten Geräts ergibt sich aus der hohen Entropiedifferenz des Co2+/Co3+ Redoxpaares. Bei der Reduktion bewirkt der Übergang von Kobalt vom niedrigen zum hohen Spin eine große Veränderung der Metall-Ligand-Bindungslänge. Es wird angenommen, daß dies der Grund ist, daß dieses System, das Abwärme im Bereich von 100 - 200°C nutzen kann, die hohen Spannungen erzeugt.

Im Gegensatz zu klassischen thermoelektrischen Geräten haben die elektrolytischen Versionen aber bewegliche Teile, weil sie eine Fluidbewegung benötigen, wenn nicht gar eine Pumpe. Pringle zufolge gibt es nach diesem ersten Bericht noch viel über die Funktion des Ganzen zu lernen, was auch durch mehrere Veröffentlichungen in den Folgejahren belegt wird, die auch den Einsatz ionischer Flüssigkeiten zur Gewinnung von Sonnenenergie und bei der Wasserspaltung betreffen. Die Arbeiten werden vom Australian Research Council (ARC) unterstützt.


Im gleichen Monat melden die Fachblogs voller Aufregung, daß die 15-jährige Ann (Andini) Makosinski an der kanadischen St. Michaels University School eine mit Körperwärme betriebene Taschenlampe entwickelt habe. Beachtlich ist jedenfalls, daß sie für ihre Hollow Flashlight getaufte Taschenlampe lediglich Materialien im Wert von rund 25 $ benötigt: ein Peltierelement als thermoelektrischer Wandler, ein Aluminium-Rohr, etwas leitfähiges Metall und drei LEDs. Zu Betrieb bedarf es dann nun noch einer Hand, die wärmer ist als ihre Umgebung. Motiviert dazu wird sie durch eine Freundin auf den Philippinen, die zu Hause keinen Strom hat.

Makosinski, die auf der Canada-Wide Science Fair (CWSF) 2013 bereits mehrere Preise gewonnen hat, reicht ihre Erfindung im im Frühjahr zur globalen Wissenschaftsmesse Google Science Fair ein, wo sie sich gegen unzählige andere Ideen aus über 100 Ländern behaupten kann, unter die 15 Finalisten kommt und im September auf den Google-Campus im kalifornischen Mountain View eingeladen wird.

Tatsächlich gewinnt sie dort den 1. Preis der Altersklasse 15 – 16 Jahre, und auch auf der Intel International Science and Engineering Fair 2014 gewinnt sie mehrere Preise. Später macht sie weitere Verbesserungen an ihrem Gerät, einschließlich die Fähigkeit, den geernteten Strom zu speichern und das System an eine Stirnlampe anzupassen. Nach Meldungen vom April 2015 sei die Taschenlampe inzwischen in Produktion gegangen und soll demnächst auf den Markt kommen, was sich aber bislang nicht verifizieren ließ.

Und mit dem e-Drink stellt Makosinski – inzwischen im ersten Semester an der University of British Columbia – auch noch einen Becher für Heißgetränke vor, mit dessen thermoelektrischem Generator sich die Lebensdauer des iPhone um 10 – 30 Minuten verlängern läßt. Mit dieser ,Erfindung’ gewinnt sie im Dezember 2015 den Quest Climate Change Grant in Höhe von 50.000 $.

FlameStower

FlameStower


Im August 2013 erscheinen in den Blogs die ersten Berichte über ein einfaches und praktisches thermolektrisches Gerät, das auf die 2012 in San Francisco, Kalifornien, gegründete Firma FlameStower Inc. von Andrew Byrnes and Adam Kell zurückgeht, welche ihre Entwicklung begonnen hatten, als sie noch Materialwissenschaften an der Stanford University studierten.

Mit ihrem fast schon genial zu nennenden FlameStower (später auch Fire Charger genannt) kann man seine Gadgets überall dort aufladen, wo man eine Hitzequelle hat, wie z.B. ein Lagerfeuer, einen Solar-Ofen, einen Gaskocher oder sogar eine Acetylen-Flamme. Zugleich läßt er sich sehr flach auf 19,7 x 5,7 x 2,5 cm zusammenfalten, so daß er auch im Outdoor-Gepäck nicht viel Platz wegnimmt. Das Gewicht wird mit knapp 200 g angegeben, die maximale Leistung mit 3 W, und die durchschnittliche mit 2 W.

Um ein Gerät via USB-Anschluß aufzuladen, wird der FlameStower so an das Lagerfeuer gestellt, daß die Metallplatte des Ladegeräts in der Nähe oder sogar direkt im Feuer hängt und erhitzt wird. Auf der Oberseite befindet sich ein Gefäß, in das kaltes Wasser gefüllt wird, um den zur Stromproduktion benötigten Temperaturunterschied zu erhalten. Drei Lämpchen zeigen an, wie stark der momentan erzeugte Strom ist. Ein Smartphone vollständig aufzuladen dauert damit sechs Stunden, wobei das Wasser, das mit der Zeit verkocht, etwa alle Stunde durch frisches, kaltes ergänzt werden muß.

Um die erste Serie zu produzieren, deren Gerätepreis auf 70 $ beziffert wird, und deren Lebensdauer mindestens 5.000 Zyklen betragen soll, startet das Team eine Kickstarter-Kampagne, wo der FlameStower für umgerechnet rund 60 € vorbestellt werden kann. Was 812 Unterstützer auch in Anspruch nehmen, die zusammen 60.143 $ einzahlen (statt der erhofften 15.000 $), um das Projekt zum Leben zu verhelfen. Die Kickstarter-Unterstützer sollen ihre Geräte noch vor Ende des Jahres erhalten. Die Großserienproduktion beginnt im Mai 2014.

Als Kell das ländliche Kenia und Äthiopien besucht, um den FlameStower für die dortigen Benutzer anzupassen, wird ihm bewußt, daß zwar rund 65 % der Menschen in Afrika Mobiltelefone haben, aber nur 42 % Strom, um diese auch regelmäßig aufladen zu können. Im Oktober kündigt die FlameStower Inc. eine Partnerschaft mit der Grupo EBIS in Guatemala an, um für Familien in Mittelamerika Energie zu niedrigen Kosten zu liefern.

Candle Charger

Candle Charger

Die Gruppe arbeitet mit zentralamerikanischen Regierungen zusammen, um ländliche Familien in netzfernen Regionen mit hocheffizienten und lüftungsfähigen Biomassen-Öko-Öfen zu beliefern, welche den Holzverbrauch reduzieren und die Atemluft verbessern – und damit die Gesundheit der Familien, die mit Innenfeuern kochen. Die neue Partnerschaft soll nun das Laden von Mobiltelefonen in die Öko-Kaminöfen integrieren. Die von FlameStower entwickelten Ladesysteme sollen ab Anfang 2015 geliefert werden.

Nach den bisherigen Erfolgen wundert es nicht, daß das junge Unternehmen schon im Juli 2015 eine weitere Crowdfunding-Kampagne initiiert, bei der es diesmal um einen Candle Charger geht, der frühen Unterstützern zu einem Preis von 65 $ angeboten wird (der spätere Verkaufspreis wird mit 99 $ angegeben).

Wie der Name schon sagt, verbraucht dieses tragbare, Innenraum-freundliche Kraftwerk nur eine Kerze und rund 150 ml Wasser, um Energie für seine USB-Ladeeinrichtung zu erzeugen. Bequemerweise wird das Wasser während des Prozesses auch gekocht und sterilisiert, sodaß man sich keine Sorgen um die Qualität des Leitungswassers machen muß, wenn man sich Tee oder Kaffee machen möchte. Energetisch werden 2,5 W (500 mA bei 5 V) geliefert, wobei die Erfinder empfehlen, das Wasser alle 30 Minuten zu wechseln, um den Temperaturgradienten zu erhalten, was aber auf 10 Minuten verkürzt werden kann, um eine größere mittlere Leistung zu erreichen.

Und auch diesmal ist der Kampagne Erfolg beschieden, denn 860 Unterstützer steuern 71.281 $ bei - mehr als doppelt so viel der eigentlich gewünschten 30.000 $. Dem Stand von 2016 zufolge wird der Candle Charger inzwischen zu einem auf 90 $ reduzierten Preis angeboten.


Ebenfalls im August 2013 wird berichtet, daß ein internationales Team um Prof. Jon Goff vom Royal Holloway College an der University of London einen Weg gefunden hat, um die Wärmeleitfähigkeit in Natrium-Kobaltat zu unterdrücken und damit neue Wege für die thermoelektrische Energieumsetzung zu öffnen.

Die Wissenschaftler hatten eine Reihe von Experimenten an Natrium-Kobaltat-Kristallen durchgeführt, die in der Abteilung für Physik der Universität gezüchtet wurden. Die Röntgen- und Neutronenstreuexperimente erfolgten – ähnlich wie seitens der JCNS-Forscher (s.o.) – an der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) und dem Institut Laue-Langevin (ILL) in Grenoble, während die Berechnungen zu ihrer Interpretation mit der britischen nationalen Supercomputeranlage HECToR durchgeführt wurden.

Die Experimente verlaufen in bemerkenswerter Übereinstimmung mit den ersten prinzipiellen Dichtefunktionalrechnungen der Phonondispersion für thermoelektrische Superzellen aus Na0.8CoO2. Bei niedriger Energie wird ein ,Einstein-ähnlicher Rasselmodus’ (Einstein-like rattling mode) beobachtet, bei dem große anharmonische Verschiebungen der Natriumionen innerhalb von Multi-Leerstellen-Cluster auftreten. Dieser Rasselmodus unterdrückt die Wärmeleitfähigkeit um den Faktor 6 im Vergleich zu leerstellenfreiem NaCoO2.

Die Wissenschaftler glauben, daß ihr Ansatz leicht auch auf andere Substanzen angewendet werden kann, da er nur winzige Kristalle erfordert, was das Design vin thermoelektrischen Materialien der nächsten Generation erleichtert.


Im September 2013 erscheint auf dem IDTechEx Market Portal ein Bericht über den aktuellen Stand der der thermoelektrischen Energiegewinnung in Japan, wo intensiv an winzigen TEs für den Einsatz auf heißen Elektronikkomponenten bis hin zu großen Versionen für die Montage auf Ofenrohren etc. gearbeitet wird. Die erste Serienproduktion von ATEGs wird in etwa acht Jahren erwartet.

Das 2001 gegründete National Institute of Advanced Industrial Science and Technology (AIST), eine große öffentliche Forschungseinrichtung, die zu einem großen Teil von der japanischen Regierung finanziert wird, basiert auf Vorgängerorganisationen, die sich seit 1882 kontinuierlich mit der Weiterentwicklung der Technologien beschäftigt haben (s.o.). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, d.h. im Jahr 2013, befassen sich 20 Mitarbeiter, vier davon in Vollzeit, mit dem Thema der Thermoelektrik. Im Jahr 2012 war am AIST ein neues 10-Jahres-Programm ,Thermal Management’ eingeführt worden.

Nach Ansicht des AIST sollten für die verschiedenen Anwendungen auch unterschiedliche thermoelektrische Materialien verwendet werden. So arbeitet das AIST zusammen mit den Argonne National Laboratories und der NorthWestern University in den USA an PbTe-basierter Thermoelektrika, die sehr gute ZT-Werte hat und für einige Nischenanwendungen denkbar ist. Und da die Automobilindustrie das häufig verwendete toxische Bismut kaum tolerieren würde, und auch den instabilen Preis von Tellur fürchtet, untersucht man auch auf Zn4Sb3 basierene Thermoelektrik, die niedrige Toxizität und niedrige Preise mit akzeptablen ZT-Werten und zufriedenstellender Effizienz verbinden. Eine bevorzugte Anwendung ist die Nutzung der Erdwärme bei etwa 120°C.

Herkömmliche organische thermoelektrische Materialien sind äußerst ineffizient, dafür aber flexibel und sogar transparent und können zudem durch andere Formen der Energiegewinnung mit ähnlichen Eigenschaften, wie z.B. polymere Piezoelektrika, verstärkt werden. Am AIST wird ein zweifacher, in beiden Fällen flexibler Ansatz verfolgt: zum einen CNT-Verbundfolie, und zum anderen das bereits mehrfach erwähnte PEDOT: PSS.

Das AIST ist außerdem an zwei relevanten Konsortien beteiligt. Diese sind das seit dem Jahr 2010 bestehende Energy Harvesting Consortium, in dessen Rahmen Firmen wie Yamaha und Murata große Geräte entwickeln, sowie das Waste Heat Recovery Consortium, das sich hauptsächlich mit der automobilen thermoelektrischen Stromerzeugung befaßt (ATEG) und u.a. den oben erwähnten Prof. Tsutomu Iida von der Tokyo University of Science in seinen Reihen hat. Über die AIST-Ausgründung TES New Energy habe ich ebenfalls weiter oben schon berichtet. Yamaha bietet im übrigen neben thermoelektrischen Generatoren auch Ultra-kleine thermoelektrische Kühler an.


Im gleichen Monat September 2013 wird auch ein neuer wissenschaftlicher Bericht aus China bekannt, an dem neben Li-Dong Zhao vom Harbin Institute of Technology auch Kollegen drei weiterer chinesischen Universitäten sowie der Université Paris-Sud in Frankreich beteiligt sind.

Die Forscher beziehen sich auf BiCuSeO als vielversprechendes thermoelektrisches Material mit einem ZT-Wert von etwa 1,4 und melden, daß sie diesen Wert durch Optimierung von Dotierstoffen bei strukturiertem Bi0.875Ba0.135CuSeO noch übertroffen haben – aufgrund dessen geringer Wärmeleitfähigkeit und der verbesserten elektrischen Leitfähigkeit. Verwendet wird dabei ein Heißschmelzverfahren, bei dem Körner erzeugt werden, die entlang einer bevorzugten Achse orientiert sind.


Im Oktober 2013 wird von einem weiteren thermoelektrischen Gerät berichtet, das mit einem gut dotierten Preis ausgezeichnet wird – obwohl es ebenso gewöhnungsbedürftig ist, wie die oben gezeigte Strirnlampe. Entwickelt haben es die MIT-Ingenieurstudenten Sam Shames, Mike Gibson, David Cohen-Tanugi und Matthew Smith.

Das batteriebetriebene thermoelektrische Armband namens Wristify des Teams soll seinen Träger davor schützen, zu frieren oder zu schwitzen, indem es die Luft- und Hauttemperatur überwacht und durch kleine, maßgeschneiderte Impulse punktueller Kühlung oder Wärme die Körpertemperatur um ein halbes Grad Celsius verändert, was das Temperaturempfinden am ganzen Körper beeinflußt. Das einer Armbanduhr ähnliche Gerät kann mit seiner Lithium-Polymer-Batterie bis zu acht Stunden lang betrieben werden.

Wristify Design Grafik

Wristify Design (Grafik)

Kernkomponente des Wristify ist ein thermoelektrisches Festkörperelement. Übermäßige Hitze wird von einem stacheligen Kühlkörper ausgestrahlt - eine viel zu sperrige und unbeholfene Struktur, um auf dem Handgelenk getragen zu werden. Das Team hofft, den Kühlkörper schließlich so weit miniaturisieren zu können, daß die Technologie in intelligente Uhren oder andere Wearables integriert werden kann.

Bei der Making And Designing Materials Engineering Competition (MADMEC), einem von Intel, Saint Gobain, BP und Dow Chemical gesponserten zweijährlichen Wettbewerb für Materialwissenschaften am MIT, gewinnen die vier Studenten damit den ersten Preis samt 50.000 $. Das Team hatte zuvor 1.000 $ erhalten, um den Prototypen zu bauen, was allerdings 15 Versuche erfordert. Mit dem Preisgeld will das Team nun den Prototyp weiterentwickeln, unter anderem mit Hilfe moderner Algorithmen, um die thermischen Impulse besser automatisieren zu können. Und um ihre Entwicklung zu vermarkten, gründen drei der vier Innovatoren die Firma Embr labs.

Das Start-Up plant eigentlich Ende 2014 oder Anfang 2015 eine Crowdfunding-Kampagne, um die erste Generation der Wristify-Armbänder herzustellen, die sich über Bluetooth mit dem Smartphone verbinden. Dies scheint aber nicht erfolgt zu sein. Statt dessen bekommt die Firma eine nicht näher bezifferte Unterstützung durch die NSF. Zu einem marktfähigen Produkt hat es bislang aber noch nicht gereicht.

 

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