Wir müssen die Tatsache
akzeptieren und gründlich verstehen lernen, daß diese unsere Welt das Ergebnis
von 3 Milliarden Jahren Evolution ist und daher unseren Bedürfnissen besser
entspricht, als sie irgend ein Technologe in seinem Laboratorium je erträumen
könnte. Der reine Vernunftglaube kann wohl nie mit dieser 3 Milliarden Jahre
alten Evolution konkurrieren. (102)
Zwar vollzieht sich der Evolutionsprozeß über einen längeren Zeitraum hinweg als wir ihn mit unseren Geräten messen können, aber als bewußte Wesen haben wir trotzdem die Möglichkeit in diesen Prozeß einzugreifen. Doch dazu müssen wir zuerst unsere Position in diesem Rahmen lokalisieren: Von der Ordnung über die Ortung zur Neuordnung:
„Das Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung sollte es sein, bewußt eine bessere Welt für Menschen zu schaffen. Freie Entfaltung der Persönlichkeit und optimales Wohlbefinden in geistiger, körperlicher und wirtschaftlicher Hinsicht sind Kennzeichen dieser Welt.“ (103)
Unter einer ‚bewußten Evolution’
können wir also nur einen gut koordinierten Entwicklungsprozeß verstehen, bei
dem die vorhandenen Ressourcen optimal genutzt werden um auf allen Fronten den
schnellstmöglichen Fortschritt im Sinne der gesamtgesellschaftlichen
Zielsetzungen zu erreichen.
Erst dann kann ein revolutionärer Umschwung stattfinden auf eine Gesellschaft hin, in der das wahrhaft einzige unersetzbare Element der Mensch ist, und in der mittels vollständig automatisierten Prozessen der einzige Rohstoff, der eingefüttert werden muß, Informationen sind – organisiertes menschliches Wissen. Die Automation überträgt den Wert dann wieder auf den Menschen zurück.
Nun sollte auch klar sein, daß ich mit ‚Eingriffen in die Evolution’ keineswegs genetische Manipulationen meine. Diese müssen zwar nicht unbedingt und immer schlecht sein, doch bilden sie keinen Teil dieser Arbeit und werden daher auch ausgeklammert. Ich konzentriere mich hier ja auf den Versuch, eine evolutionäre Lösung für die Energiefrage zu finden.
Die negativen kurzzeitigen Aspekte des heutigen ‚Staudrucks’ in den Bereichen Verkehr, Industrie, Umwelt und Politik sind weitgehend bekannt. Ihre Auswirkungen stimmen fast alle Prognosen bedenklich oder gar bedrohlich. Und da sich dieser Wandlungsprozeß mit extremer Geschwindigkeit vollzieht ist allen Beteiligten klar, daß etwas getan werden muß, und zwar bevor das System ‚umkippt’.
Der Eingriff des Menschen in den Evolutionsprozeß kann sich nur auf einer Kollektivebene vollziehen an der eine sehr große Anzahl von Menschen beteiligt ist. Solch ein Eingriff sollte eingliedernd sein und nicht trennend. Keine Reduzierung sondern ein Aufbau, keine Spaltung sondern eine Verschmelzung, und kein Nebeneinander sondern vielmehr eine echte Symbiose in allen Bereichen. Sogar die Trennung von Groß- und Kleintechnologie sollte auf diesem Weg abgebaut werden.
Wir müssen heute versuchen, den künstlichen Produktionskreis, der mit erschöpflichen Energie- und Rohstoffvorräten in Betrieb gehalten wird, (wieder) in den natürlichen Regelkreis des Planeten zu integrieren. Dieser Regelkreis wird durch die unendlichen Quellen der Sonnen- und Erdkernenergie gespeist. In der Natur werden diese Energien umgewandelt, ohne daß es zu belastenden Konzentrationen oder hohen Verlusten kommt. Und genau dahin müssen auch wir mit den von uns geschaffenen Umwandlungsmethoden kommen.
Der heutige Produktionskreislauf dagegen belastet die Natur, da er nicht den Erfordernissen eines offenen Systems entspricht welches sich harmonisch in den natürlichen Regelkreis einfügen kann. Um hier einen evolutionären Fortschritt zu initiieren brauchen wir viele Helfer. Komplexes, vernetztes Denken. Offenes, sozialisiertes und sozialisierendes Fühlen. Und den Logischen Positivismus. Denn ohne diesen wird es kaum klappen neue und erfolgreiche Konzepte zu entwickeln:
„Es ist wirklich zum Erstaunen, in welchem Grad maßgebende, aber zu ängstlich-konservative Wissenschaftler und Techniker sich verkalkulieren können, wenn sie mit der vorgefaßten Meinung beginnen, das, was sie untersuchen wollen, sei unmöglich. Es können keine, noch so eindrucksvolle und komplizierte Gleichungen richtige Ergebnisse liefern, wenn die Prämissen ihrer Ansätze nicht zutreffen.“ (104)
Uns wird langsam klar, daß
kein Platz mehr bleibt für technologiefeindliche und rückständige
Produktionsmethoden, ebenso wenig wie für umweltfeindliche, sogenannte moderne
Anbau- und Energiegewinnungsmethoden. Wir müssen statt dessen offene Systeme
schaffen die sich auf die Zukunft konzentrieren. Die Methoden und Erfahrungen
der ‚Sanften Technologie’ werden hierbei eine große Rolle spielen. Ebenso gilt
es die Bionik zu nutzen – als angewandte Disziplin der biologischen
Wissenschaften, mit ihrer schon in der Zielsetzung verankerten Tendenz zur
Integration.
Diese Disziplin hat hauptsächlich das systematische Studium von Lebewesen für die Lösung technischer und technologischer Probleme zum Inhalt. Dabei dienen Strukturen und Prozesse in ihren funktionellen Zusammenhängen in den Systemen der Organismen als Anregungen, um Modelle oder Vorlagen zu Konstruktionen und Verfahren vorzugsweise in den Bereichen der Industrie zu entwickeln (105). Die Energetobionik hat als Teildisziplin der Bionik die Untersuchung von Energiewandlungen in lebenden Organismen für die Entwicklung ähnlicher technischer Objekte zum Inhalt (darüber mehr in Teil C).
Die Natur umfaßt neben den biologischen Systemen der Organismen aber auch die Systeme des planetaren ‚Großorganismus’ Erde. Und die vorstehend aufgeführten Kernsysteme des Wasser- und des Wärmekreislaufs lassen sich sowohl global als auch zellular wiederfinden.
Eine makroskopisch verstandene Energetobionik hat daher die Untersuchung von Energiewandlungen innerhalb des planetaren Organismus zum Inhalt. Im Hinblick auf den Wunsch, mit dem gewonnenen Wissen technische Objekte zu entwickeln, hat die Energetobionik aber auch die vom Menschen installierten Systeme zur Energiewandlung mit zu berücksichtigen. Doch im Gegensatz zu diesen linearen Exergie-Separatoren ist die Natur umfassend synergetisch (106).
Wir haben lange gebraucht bis wir wieder bei diesem Wort angelangt sind. Dafür sollte es inzwischen auch verständlich geworden sein: Synergie verhält sich zu Energie wie Synthese zu Exegese – und die Synergetik wäre dann die Lehre vom Zusammenwirken mikroskopischer Ereignisse zur Herausbildung makroskopischer Strukturen. Dies sind möglicherweise neue inhaltliche Bedeutungen des Begriffes der Synergie, ich meine jedoch sie passen vortrefflich in den bisherigen Bedeutungsraum des Wortes hinein.
Zum Abschluß von Teil A
möchte ich daher noch auflisten, wo und wie das Wort Synergie, das ursprünglich aus dem Griechischen stammt (synergismós), bisher verwendet worden ist: (107)
Synergie wir genutzt ...
... in der katholischen Lehre, wo es die Mitwirkung des Menschen bei seiner Bekehrung bedeutet (Synergismus).
... von R. Buckminster Fuller, bei dem es die Verhaltensweise ganzer Systeme bedeutet, die nicht durch das Verhalten eines der Teile des Systems vorausbestimmt werden kann.
... von Professor Hermann Oberth, der damit Zielflüge von Raumsonden auf vorberechneten Bahnen des geringsten Energieaufwandes meinte (Synergiekurven).
... von J. G. Benett, bei dem es die Stufe eines Zusammenhangs darstellt, in welchem die Teile des Ganzen etwas von ihrer unabhängigen Existenz (einer tieferen Stufe) aufgeben, um an einem höheren Grad der Entwicklung teilzuhaben. Benett fährt fort: „Die Natur ist ein gutes Beispiel für synergische Prozesse. Alles nimmt in ihr seinen entsprechenden Platz ein und gewährleistet dadurch ihre dynamische Selbstregulationsfähigkeit.“
... in der Medizin, wo es die Wirkungssteigerung durch eine Kombination mehrerer Behandlungsverfahren und/oder -mittel bedeutet, die insgesamt größer ist als die Summe der Einzelwirkungen.
... von Nena und George O’Neill (in ihrem Buch Die offene Ehe), wo es das freiwillige und harmonische Zusammenwirken zweier Menschen bedeutet, die in Übereinstimmung leben: „Die Partnerschaft wächst mit der Persönlichkeit der Partner“. Das Autorenehepaar beruft sich hierbei auf die Anthropologin Ruth Benedict, die den Begriff der funktionellen Synergie erstmals für den Vergleich von Kulturen mit niedriger bzw. hoher synergetischer Aktivität formulierte.
... von Professor Hermann Haken am Institut für Theoretische Physik der Universität Stuttgart, welcher häufig auch als Begründer der Synergetik bezeichnet wird. Diese neue Wissenschaft soll ebenso neue Erkenntnisse erschließen indem sie aufzeigt, daß es auch bei der Erforschung ‚lebloser’ Vorgänge nicht immer genügt, ein kompliziertes System durch die beschreibende Untersuchung seiner Teilsysteme zu analysieren und es lediglich als die ‚Summe’ der Eigenschaften dieser Teilsysteme aufzufassen. Professor Haken spricht dabei von der ‚Selbstorganisation der Materie’ und arbeitet auch schon länger an einem synergetischen Computer.
... von Peter Corning in seinem Buch The Synergism Hypothesis, in welchem er biologische Betrachtungen auf soziale Probleme anwendet.
... von Ilya Prigogine, der durch seine Beschäftigung damit sogar den Chemie- Nobelpreis von 1979 erhielt.
... von Josef Schmithüsen und Erich Netzel, die in ihren Veröffentlichungen bereits 1962 den Begriff Geosynergetik geprägt haben (‚Vorschläge zu einer internationalen Terminologie geographischer Begriffe auf der Grundlage des geosphärischen Synergismus’).
... in den Büchern Synergetics und Synergetics II, in denen der Begriff bereits 1927 entdeckt und 1944 veröffentlicht wurde, und wo er das komplette All-Bildhafte (später sagte man holographisch dazu, Anm.) mathematische Koordinatensystem vorstellt, welches die Natur verwendet.
... von Gregory Bateson in seinem 1981 in deutsch veröffentlichten Buch Ökologie des Geistes. Dort schreibt er: „Das Prinzip ist synergetisch: Keine noch so große Zahl tiefschürfender Erörterungen eines gegebenen logischen Typus kann die Phänomene des höheren Typus ‚erklären’.“
... von diversen Industrieunternehmen, die immer häufiger damit Werbung für ihre vorgebliche Modernität machen: ‚Synergie schafft neue Energie’ – ‚Wir erreichen Synergieeffekte’ – ‚Haben Sie schon über Synergie-Fassaden nachgedacht?’ – ‚Synergy at work’ usw. usf. Auch wird andauernd von Synergieeffekten gefaselt, wenn wieder einmal Mitarbeiter entlassen werden. Und einige Firmen integrierend den Begriff sogar in ihre Namen, wie beispielsweise die Biotech-Firma Synergen oder das kalifornische Unternehmen Synergy Semiconductor.
... von Hans-Jürgen Eikmeyer von der Universität Bielefeld, der das Verstehen von Texten als synergetischen Prozeß ansieht.
... von verschiedenen Yoga-Lehrern und Lehrerinnen, die plötzlich von Synergie-Yoga sprechen und sich den Begriff sogar haben schützen lassen.
... von Weiterbildungsinstitutionen wie der ‚Akademie für synergetische Sozialarbeit’ in Reichelsheim.
... von der TFH Berlin, die 1993 zu einem Kongreß einlud: ‚Synergie durch Kommunikation’.
... von der Wirtschaftsförderung Berlin-Brandenburg die behauptet, hier sei ‚die Wirtschaftsregion der Synergien!’
... von Roger Walsh in seinem Buch Überleben, in dem er schreibt: „Der Grad der Synergie ist dadurch bestimmt, in welchem Ausmaß die Entscheidungen des einzelnen gleichzeitig ihm selbst und anderen Vorteile bringen. Je geringer die Synergie in einer Kultur ist, desto stärker sind die Konflikte.“
... vom damaligen Bundesumweltminister Jürgen Trittin auf der Internationalen Konferenz zu Erneuerbaren Energien BIREC2005 in Peking, dessen Vortrag den Titel trug: ‚Synergie der Erneuerbaren Energien’
... von Botho Strauß, der inmitten der politischen Konflikte von 2006 in einem Artikel an das goldene Toledo erinnert, wo im Mittelalter eine Blütezeit religiöser Toleranz und westöstlicher Synergien herrschte.
... und schließlich auch von einigen Menschen wie du und ich – die einfach mit ihrem Familiennamen so heißen: Synergius.
Nun scheint es allerdings zu
stimmen, daß sich „viele diese Form dynamischer, selbstregulierender
Synthesen kaum vorstellen können, jedoch nur, weil sie es gewohnt sind,
einseitig analytisch oder statisch dialektisch zu denken.“ (108) Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werde ich daher detailliert und hoffentlich auch
nachvollziehbar aufzeigen, daß nur ein synergetisches,
also ein der Natur abgeschautes System zur Lösung der Energie- und
Umweltprobleme führen wird. Zuvor werde ich in Teil B aber noch kurz die
Werkzeuge vorstellen, mit denen diese Analyse und Synthese bewerkstelligt
wurde.
Wesentlich ist der abschließende wie auch vorbereitende Hinweis darauf, daß der Begriff der Selbstorganisation eine zunehmende Rolle auch im Verständnis physikalischer Analysen findet, deren Protagonisten sich langsam dazu aufraffen aus dem selbstverursachten Gefängnis der sogenannten ‚thermodynamischen Grundgesetze’ zu entweichen. Geholfen hat dabei die in den vergangenen Jahrzehnten gewonnene Erkenntnis, daß auch in Systemen der unbelebten Natur, die – wie der Laser oder auch gewisse chemische Reaktionen – im Gegensatz zu den in der Thermodynamik untersuchten Gleichgewichtssystemen einen Energie-, Materie- und auch Informationsdurchfluß besitzen, eine selbständige, nicht durch äußere Einwirkung erzwungene Bildung hochgeordneter raum-zeitlicher Zustände eintreten kann, die auffällige Analogien zu den Strukturbildungsprozessen in der belebten Natur zeigen (109). Ok – das war jetzt etwas kompliziert – einfach noch mal lesen!
Das für uns Wichtige ist jedenfalls, daß die Synergie oftmals mit ungewöhnlichen physikalischen Geschehen einhergeht, mit deren Erforschung – geschweige denn Umsetzung – wir noch immer nicht richtig begonnen haben. Dabei gibt es wirklich genug Gründe, die ausnahmslos dafür sprechen. Auch Ansätze, Vorschläge, Methoden und Werkzeuge gibt es zu Genüge. Zu letzteren gehört zum Beispiel die sogenannte Renormierungstheorie, die stets damit zu kämpfen hatte, nicht wieder in Vergessenheit zu geraten, und dies, obwohl sie für eine sachliche und zielorientierte physikalische Analyse neuartiger Phänomene höchst angebracht ist. Es handelt sich dabei um eine Theorie, die zu einem vertieften Verständnis der Phasenübergänge geführt hat. Sie bietet eine einheitliche Beschreibung für ganz unterschiedliche Phänomene, wie das Einsetzen des Magnetismus in einem Eisenstab, das völlige Verschwinden des elektrischen Widerstandes bei Supraleitern, oder das Verhalten von Wasser am ‚kritischen’ Punkt. (110)
Und genau um solch ein ‚kritisches’ Verhalten wird es bei dem Vorschlag des Synergetischen Modells in Teil D dieser Arbeit gehen. Dort gibt es denn auch einen Absatz Entropie und Synergie, in dem weitere Aspekte dieses ungewöhnlichen physikalischen Geschehens behandelt werden.
Doch nun sollen erst einmal
die Werkzeuge vorgestellt werden, mit denen ich die vorliegende Arbeit
bewerkstelligt habe.
Weiter zu Teil B - Gesamtenergie-Konzeption