Intuition:
lat., 1) Unmittelbares Innewerden, 2) durch geistige Schau, intuitiv, gewonnene übersinnliche Erkenntnisse (Knaurs Lexikon)
„Doch Intuition ist mehr als ein spontanes Gefühl. Meist ist es die Folge eines geistigen Wachstums, das durch lange und eindringliche Beschäftigung mit einer Materie oder einem Problem zur Identifikation und zur Vergegenwärtigung aller bisher getrennt gebliebenen Einzelstücke des Gegenstandes der jeweiligen Betrachtung führt.“ (54)
Aber können wir denn überhaupt eine klare Trennungslinie ziehen zwischen Intuition und Inspiration? Oder sind es nur zwei verschiedene Begriffe für den gleichen Sachverhalt?
Inspiration:
lat., 1) Einatmung, 2) Einflüsterung, Eingebung, Anregung. Der Inspirationsglaube beruht auf der göttlichen Eingebung, welche die Grundlage der Heiligen Schriften Avesta, Bibel, Koran bildet. Inspirieren: zu etwas begeistern (Knaurs Lexikon)
...und
begeistern lassen muß sich auch ein Prophet für seine
Offenbarung – doch
will ich hier nicht den Teil E vorwegnehmen,
in dem dieser besondere Sachverhalt zur Sprache kommt. Betrachten
wir lieber die folgende, wohl uns allen bekannte Situation:
Plötzlich hält die Welt an. Irgendein bestimmtes und bestimmbares ‚Etwas’ nimmt uns gefangen. In diesem Sekundenbruchteil fühlen wir die Veränderung. Etwas ist in uns gedrungen, hat alle unsere Aufmerksamkeit für sich beansprucht. Und manchmal entwickelt sich dann aus diesem Moment eine Idee, eine Innovation. Oder eine neue Liebe ;-)
Daß uns ein derartiges Ereignis so stark packt liegt hauptsächlich daran, daß der Intuitions-Zufluß im allgemeinen arg verstopft ist, womit sein Eintreten eine herausragende Situation darstellt. Durch die ‚Verstopfung’ werden evolutionäre Fortschritte gehemmt oder zumindest verzögert. In den Analysen des derzeitigen Zustands (z.B. im Rahmen der Theorie der Innovationshemmnisse) wird leider nur selten die gegenseitige Beeinflussung des Systems elektromagnetischer Wechselwirkungen betrachtet, also die sensoriellen Funktionen, mit der wir unsere Umwelt ‚wahrnehmen’, und durch die wir mit ihr in ununterbrochener Kommunikation stehen, akustisch wie auch visuell (55). Als ich vor Jahren einmal in Syrien mit Abu Muhammad aus al-Zabadani über dieses Thema sprach, meinte er nur:
„Verfeinere Dein Gehör, verfeinere Dein Gehör, verfeinere Dein Gehör, verfeinere Dein Gehör...!“
Doch zurück zum Thema. Nehmen wir als Modellkonstruktion einmal an, daß die Inspiration ein ununterbrochener Fluß der Intuition sei. Dann wäre die Inspiration im Prinzip zwar ‚das Gleiche’ wie die Intuition, sie wäre aber gleichzeitig – weil ja ununterbrochen fließend – auch noch energieenthaltend. Salopp ausgedrückt: Die Energie zur Durchführung der Idee wird hier gleich mitgeliefert.
Wird die Geschichte des Menschen als eine Geschichte von Ideen betrachtet (56), wobei viele Soziologen in ihren Analysen exakt dies tun, so ist zu bemängeln, daß dabei viel zu oft die Betrachtung der Energieversorgung auf geistiger Ebene völlig unberücksichtigt bleibt, denn mit dem Begriff Idee allein ist es noch lange nicht getan. Der Inspirationsglaube sollte also erst einmal neu und wissenschaftlich definiert und erklärt werden. Erkenntnisforschung zu betreiben, ohne dabei jedoch früher oder später auf Religionen samt ihren Kulthandlungen zu stoßen, ist schwer, wenn nicht gar – wie im vorliegenden Fall – völlig unmöglich.
Und so traf ich dann auch die Wissenschaft an, etwas verloren dreinschauend, zwischen den Stühlen der Intuition und der Inspiration sitzend, hadernd sowohl mit der sachlich-technisch formulierten biokybernetischen Erkenntnistheorie – wie auch mit den religiös ummantelten Offenbarungen eines Noah, Moses, Johannes, Jesus oder Mohammed.
Und nun der Stufenwechsel:
Betrachte dieses ‚zwischen’ nicht als etwas Trennendes, sondern als etwas Verbindendes. Eine Münze besteht aus zwei Seiten, das ist richtig. Aber ‚dazwischen’ ist sie einfach nur ‚Münze’. Es hat mich überrascht und erfreut, daß auch die Deuter der Sternenzeiten ganz ähnliche Angaben über unsere gegenwärtige Lage machen:
„Der Weg des Wassermann-Zeitalters ist der Weg der Wissenschaft, (und) das Ziel ist Religio, bewußtes Ganzheitserfassen.“ (57)
Dieses ‚bewußte Ganzheitserfassen’ wird auch Erleuchtung genannt. Doch wie unnütz wäre es, wenn dies nicht auch erlernbar wäre,
wenn nicht die Aussage stimmen würde, daß „die Erleuchtung einem jeden zugänglich ist (...), der sich mit allen Kräften um sie bemüht, wobei die Übungsdauer bis zur völligen Befreiung von der Kraft abhängig
ist, die man aufzubringen vermag.“ (58). Oder anders gesagt: „Der
Erleuchtung ist es egal, wie Du sie erlangst“ (59), sofern du dich nur ehrlich darum bemühst.
Und vielleicht kann hierbei ja auch der sogenannte 6. Sinn helfen, insbesondere im Falle des Zutreffens der buddhistischen Beschreibung, daß das Denkbewußtsein – also der reflektierende Geist – jener 6. Sinn sei (60), und nicht irgendwelche spiritistischen Mätzchen. Doch leider ist es kaum möglich, die Entwicklung dieses 6. Sinnes als reines Hobby zu betreiben. In einem Bericht des Zeit-Magazins unter dem Titel ‚Nachdenken über das Denken’ kommt der Autor zu der ernüchternden Schlußfolgerung: „Das Hirn braucht offenbar sein gesamtes Wissen, um sich selbst zu erforschen und zu erkennen.“ (61). Wenn es denn mal reicht!
Ehe wir uns nun der Religion zuwenden, diesem – positiv wie negativ – so stark aufgeladenen Begriff, und dabei auch seinen Begriffsinhalt vor uns ausbreiten werden, noch ein tröstlicher letzter Satz für die Pessimisten unter den Lesern:
„Es gibt keine klare Trennungslinie zwischen dem Irrationalen und dem Intuitiven; und die Handhabung dieser ambivalenten Gaben ist (schon) immer ein Hauptproblem des Menschen gewesen.“ (62)
Wir können also ganz beruhigt unserem Damaskus-Erlebnis entgegenschreiten und unsere Vision empfangen, denn schlimmer kann es ja wohl kaum noch kommen...