Achmed KhammasTEIL E

DIE PR-JAHRE DER MUTTERMASCHINE

 

Ich bin eine Störung, ein Strudel in einer turbulenten Natur.

Lukrez, 99 – 55 v. Chr.

 

Spiralisiert euch!

China Miéville, 2004


„Am schwersten findet man den Weg zu den Wegweisern“
, meinte einmal Wittgenstein. Also haben wir in unserer 'Wegweiser-zum-Wegweiser-Funktion' die modernsten uns zur Verfügung stehenden Medien benutzt, um der nach sauberer Energie dürstenden Welt den Pfad zur Illumination zu weisen.


Und so begann es:

Am 03.08.1975 schickten Said und ich auf ausdrücklichen Wunsch des Messias die ersten zwei TELEGRAMME ab – an die Arabisch-Programme des BBC in London sowie des Senders Radio-Monte-Carlo. Inhalt: Die Verkündung des Messias nebst entsprechender Einladung an alle Wissenschaftler dieser Erde, sich die Maschine in al-Zabadani selbst anzuschauen. Ich war überzeugt davon, daß die Botschaft umgehend und begeistert begrüßt wird – schließlich haben auch schon die ‚Säulenheiligen’ des frühen Christentums auf dem Gebiet des heutigen Syrien gelebt...

Hunderte von BRIEFEN schlossen sich an (von denen ein Teil allerdings noch in Damaskus von dritter Seite abgefangen wurde, was ich aufgrund von Kontrollbriefen leicht feststellen konnte). Eines der wenigen Underground-Magazine, die unsere Botschaft veröffentlichten, war die ZERO – wobei ich heute zugeben muß, daß der Text unserer Einladung eine wirkliche Herausforderung darstellte...

REISEN – in meinem Fall besonders innerhalb Arabiens und der deutschsprachigen Länder – bezweckten das persönliche GESPRÄCH und den Gedankenaustausch.

Im Spätsommer 1975 drehten wir einen VIDEO-FILM in Syrien (vermutlich den ersten dort überhaupt), und engagiert hatte ich dafür die damalige Berliner Gruppe Future-Kids VAM (Video-Audio-Media) unter der Leitung von Michael Geißler. Finanziert wurde das Ganze von meiner Mutter. Hauptpersonen der Handlung: al-Masih Abu Muhammad und sein Dreheimer.

Dieser Film wurde im März 1976 im Berliner Reichstag anläßlich der Zukunftsforschungs-Konferenz Europa & 30 erstmals gezeigt, obwohl die technische Qualität nur das Prädikat ‚pionierhaft’ verdient. Trotzdem will ich versuchen, den Film in digitaler Fassung hier ins Archiv zu stellen, sobald ich ihn erhalte. Auf dem Foto stehen wir um das Maschinenmodell herum: der Messias mit seiner Tochter Mey, Said, ich, 'das wilde Leben' Carmen Geißler (Michael machte das Foto) sowie - leicht angeschnitten - Quentin, der Sohn des belgischen Botschafters, der uns oft nach al-Zabadani begleitet hat.

Der Messias und wir (1975)
Der Messias und wir (1975)

Es gab ferner einen FARBFILM in Super-8 (stumm) – und natürlich etliche FOTOS von denen hier einige abgebildet sind.

Die journalistischen VERÖFFENTLICHUNGEN begannen ebenfalls 1975, mangels Kontakten zu Beginn aber in nur sehr begrenztem Umfang. Ein Teil befindet sich hier im Archiv, andere Artikel finden sich auf meiner privaten Homepage.

Daneben leistete das TELEFON seine teuren und wichtigen Dienste, und im Frühjahr 1979 sogar der Syrische Rundfunk und das Fernsehen: An einem schönen Freitagmorgen – und noch dazu an meinem 27. Geburtstag – wurde ein RUNDFUNK-Interview mit abu Muhammad und mir ausgestrahlt. Tenor: Ein einfacher syrischer Erfinder und sein junger, technisch interessierter, aber ebenso mittelloser Förderer werden vorgestellt. Das Wort Messias fiel dem Konsens einer Selbstzensur zum Opfer – eine Ausstrahlung wäre sonst unmöglich gewesen. Etwa eine Woche später wurde im Rahmen des Jungmiliz-Programms des syrischen FERNSEHENS auch eines jener messianischen Kleinmodelle mit Handantrieb vorgestellt, die einem die Hosenbeine naß spritzen. Hier lag der Tenor auf der Behauptung, ein junger Mann hätte die geniale Erfindung bei einem analphabetischen Mitbürger entdeckt.

Und so ging es bunt weiter. Ich habe mich entschieden, an dieser Stelle meine bisherigen Jahresbilanzen vorzulegen, die im Laufe der Zeit in steigendem Maße auch meine persönliche Entwicklung darstellen. Der Einblick in das subjektive Geschehen kann dem Verständnis nur förderlich sein, denn auch ich bin, wie so viele von uns, mit dem Handicap einer naturwissenschaftlichen Halbbildung behaftet – während ich gleichzeitig den Zwang fühle, unbedingt versuchen zu wollen auf „irgendeine Weise die wissenschaftliche Untersuchung mit der mystischen Offenbarung zu vereinen“ (Lyall Watson).

Der Philosoph und Naturforscher A. N. Whitehead (ILLUMINATUS!-Lesern fällt der Name sicherlich auf <g>) formulierte den Bezug unserer Arbeit zur Realität sehr einprägsam – und lange bevor sie, zumindest für mich, tatsächlich auch begann: „Die Erhellung der Bedeutung des Satzes ‚Alles fließt’ ist eine der Hauptaufgaben der Metaphysik.“ Nun denn, auf zu neuen Ufern der Erkenntnis...!

Im Rückblick scheint 1975 überhaupt ein Schlüsseljahr gewesen zu sein. Und keineswegs nur für mich, denn es ist wirklich erstaunlich, was in jenen 365 Tagen alles so passierte:

Nicht nur, daß die Unternehmen Microsoft und Apple gegründet werden, deren globale Wirkung damals kaum jemand ahnen konnte. Auch die Grüne Bewegung in Deutschland wird in diesem Jahr durch die Gründung des BUND aus der Taufe gehoben – initiiert durch den Widerstand gegen das geplante Atomkraftwerk im südbadischen Wyhl. Außerdem wird am 17.08.1975 die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie gegründet. Und auch das Logo 'Atomkraft? Nein danke', eine Ikone der Folgejahre bis heute, wird 1975 von der 21-jährigen dänischen Studentin Anne Lund entworfen. 

Die Vereinten Nationen erklären den 8. März offiziell zum Internationalen Frauentag, rufen das 'Jahr der Frau' aus und gründen gleichzeitig das 'Internationale Forschungs- und Trainingsinstitut für den Fortschritt der Frau'.

Der erste digitale Photoapparat der Welt wird der Öffentlichkeit vorgestellt, ein von dem Ingenieur Steve Sasson entwickelter Prototyp von Kodak - während Volvo (Philips) in diesem Jahr die letzte Rundfunk-Empfängerröhre fertigt.

Der Kosmonaut Alexei Leonow fliegt im Rahmen der Apollo-Sojus-Mission zum ersten Rendezvous der beiden Supermächte im Erdorbit, während gleichzeitig die europäische Raumfahrtagentur ESA gegründet wird. Die KSZE-Schlußakte wird von 35 Staats- und Regierungschefs in Helsinki unterzeichnet. In der Bundesrepublik Deutschland wird kraft Gesetzes das Volljährigkeitsalter von 21 auf 18 Jahre gesenkt.

Der Vietnamkrieg endet mit der Einnahme Saigons durch die kommunistischen Streitkräfte, während die Regierung Südvietnams bedingungslos kapituliert und die letzten US-Amerikaner das Land fluchtartig verlassen. Dafür beginnt der 15-jährige Bürgerkrieg im Libanon, während sich ranghohe Repräsentanten Israels mit Vertretern des Apartheid-Regimes Südafrikas treffen – und diesen vollständige Atomwaffen zum Kauf anbieten (was allerdings erst 2010 herauskommt - und noch immer nicht geahndet ist).

Apollo und Sojuz koppeln aneinander an
Apollo und Sojus im Orbit

Herbert Gruhl veröffentlicht ein Buch mit dem Titel 'Ein Planet wird geplündert'  – und Hans Haber betitelt seines mit der Frage 'Stirbt unser blauer Planet?' Ebenso wirkungsvoll sind die 1975 veröffentlichten Bücher 'Ökotopia' von Ernest Callenbach und 'Das Tao der Physik' von Fritjof Capra. Betrüblich ist, daß in diesem Jahr Rolf Dieter Brinkmann in London überfahren wird, der durch seine Anthologie 'ACID' unvergessen bleibt.

Die bislang größte menschengemachte Katastrophe überhaupt findet in China statt: Nach einem Taifun mit sintflutartigen Regenfällen bricht der Banqiao-Staudamm, worauf in einer Kettenreaktion über 60 weitere Dämme bersten - insgesamt sterben dabei 231.000 Menschen!

Cat Stevens ertrinkt fast vor der Küste von Malibu, betet zu Gott und fühlt sich gerettet: Aus Steven Demetri Georgiou wird ein streckenweise etwas strenggläubiger Yusuf Islam, der erst wieder 2006 mit 'An Other Cup' eine wunderschöne Platte macht (während ich gerade die Erstversion vom Buch der Synergie beende). Und Werner Pieper zieht in die Alte Schmiede in Löhrbach, von der aus er die nächsten Jahrzehnte lang seinen Verlag Grüne Kraft - MedienXperimente betreibt.

Mitchell Feigenbaum stößt durch Zufall auf die Zahl DELTA, auch 'Feigenbaum-Konstante' genannt (4,66920160910299067185320...) - und damit auf eine Regel, nach welcher sich Ordnung in Chaos verwandelt. Der Mathematiker Mandelbrot prägt den Namen Fraktale (von fractus: lateinisch für gebrochen). Und Dr. Ernst Günther Minhorst läßt sich einen rotierenden Zylinder patentieren, mit dem man Meerwasser entsalzen kann (siehe im Archiv).

Im Rahmen einer Dissertation beweist der Parapsychologe Keith Hearne an der Universität von Liverpool, daß ein Mensch eine bewußte und verabredete Botschaft aus der Traumwelt senden kann, womit er erstmals belegt, daß man im Traum tatsächlich bewußt sein kann. Laut einem internen CIA-Memorandum ist das öffentliche Interesse an PSI-Phänomenen seit 1975 im Aufschwung.

Der britische Physiker und Nobelpreisträger Brian D. Josephson zieht die Existenz paralleler, mit unserer Welt berührungslos verschachtelter Universen in Erwägung und postuliert, daß wir sie normalerweise nur deshalb nicht wahrnehmen könnten, weil sie durch unser Wachbewußtsein ständig weggefiltert würden. Durch die Anwendung von Bewußtseinsverschiebungstechniken ließen sie sich jedoch schlagartig sichtbar machen.

Im Jahre 1975 geht für die Zeugen Jehovas zum dritten Male die Welt unter. Janosch erhält für sein Gesamtwerk den Literaturpreis der Stadt München. Der Ungar Ernö Rubik patentiert den von ihm erfundenen und nach ihm benannten Zauberwürfel.

ILLUMINATUS!-Autor Robert Anton Wilson kommt zu der Erkenntnis, daß „Primaten ihr Verhalten nur unter dem Druck einer neuen Technik ändern“. Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf stoppt den Bau des 1.200 MW Steinkohlekraftwerks in Voerde, da die maximal zulässige Schwefeldioxyd-Immission von 0,4 mg/m3 nicht eingehalten werden kann. Henry Kissinger unterzeichnet ein ’Memorandum of Understanding’, dem zufolge die USA in Krisenzeiten die Ölreserven und die Energieversorgung Israels garantieren.

Der amerikanische Arzt Raymond Moody veröffentlicht sein Buch ’Life After Life’. Zusammen mit anderen Autoren und Zeichnern gründet der französische Zeichner Moebius (Jean Giraud) das SF-Comicmagazin 'Métal Hurlant', und die Berliner Kultband Mythos veröffentlicht auf dem Album 'Dreamlab' ein Stück mit dem Titel ,'Dedicated to Wernher von Braun'. Außerdem wird 1975 die Heavy Metal Band Iron Maiden (Eiserne Jungfrau) gegründet – wobei ich eher den konstruktiven Aspekt des Namens sehe.

Der Song ’Welcome to the machine’ von Pink Floyd erscheint (natürlich!) 1975 – und im selben Jahr ’entdeckt’ der Gitarrist der Band David Gilmore die Sängerin Kate Bush, die dreißig Jahre später (während ich eben gerade diesen Teil überarbeite) ihren unnachahmlichen Song ’Washing Machine’ veröffentlicht.

Natürlich wird in diesem Jahr auch ein Film mit dem Titel 'Der Messias' gedreht – diesmal von Roberto Rossellini, der dabei auf alle Gewaltszenen verzichtet. Witzigerweise wird das ’Kind Jesus’ von einem muslimischen Schauspieler, Musthapha Ferchiou, gespielt.

Nicht ganz so gut geht die Rolle für Kaiser Haile Selassie von Äthiopien aus, der in den 1930er Jahren von den Jamaikanern als Messias erkannt wurde – woraufhin die Rastafari-Bewegung entstand. Denn 1975 wird der letzte König der Könige im Schlaf mit einem Kissen erstickt - und seine Leiche unter einer Toilette eingemauert. Und auch König Faisal aus Saudi-Arabien wird in diesem Jahr emordet – dessen Lieblingsband 'The Grateful Dead' gewesen sein soll. Höchstwahrscheinlich, weil er sich der Hegemonialmacht USA entledigen und den saudischen Riyal vom US-Dollar lösen wollte.

Andrej Sacharow erhält den Friedensnobelpreis. Von dem SF-Autor M. John Harrison erscheint das Buch ’Die Centauri-Maschine’, in dem sich unter anderem auch eine 'Israelische Weltregierung’ mit revoltierenden Arabern herumschlägt. Die ’Gruppe der Sechs' wird während eines Kamingesprächs in Schloß Rambouillet bei Paris gegründet - aus der später die ’bösen' G8 werden. Dafür überfallen Ilich Ramirez Sanchez und seine Genossen Ende Dezember 1975 die Konferenz der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) in Wien und nehmen mehrere Erdölminister und deren Mitarbeiter als Geiseln.

In den USA erscheint der SF ’The Female Man' von Joanna Russ (in deutsch 1979: ’Planet der Frauen’ – bzw. 2000: ’Eine Weile entfernt’). John Brunners 'Der Schockwellenreiter' sorgt für Aufsehen und nimmt den Cyberpunk der 1980er Jahre vorweg. Den sowjetischen Raumsonden Wenera 9 und Wenera 10 gelingt es, auf der Venus zu landen und erstmals Bilder von der Oberfläche des Planeten zur Erde zu senden.

Und die NASA veröffentlicht gemeinsam mit der Universität Stanford eine Studie, der zufolge bis 2008 bis zu 10 Millionen Menschen im Weltraum angesiedelt sein werden (...wir scheinen wohl irgendwas verpaßt zu haben!?).


Also das paßt doch wirklich alles sehr gut zur Messiasmaschine, oder?!!

Es folgen nun die jährlichen Arbeitsberichte, die ich regelmäßig über 14 Jahre hinweg verfaßt habe. Einige Informationen aus diesen Bilanzen sind im Verlauf des vorliegenden Textes schon erwähnt worden; um die Berichte inhaltlich jedoch nicht zu verändern verzichte ich auf Streichungen. Ich konnte mich allerdings nicht zurückhalten, den einen oder anderen Kommentar neu einzuflechten.


Weiter...