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Solaranlagen in Syrien


Dieser Text erschien unter der Rubrik 'Absolventen berichten' in der Publikation 'TU Berlin International' Nr. 8/9 Dezember 1989. Obwohl ich streng genommen gar kein 'Absolvent' bin, war den Herausgebern der Erfahrungsbericht von der '3.-Welt-Front' wichtig genug, ihn trotzdem zu veröffentlichen.


Solaranlagen in Syrien

von Achmed Khammas, Damaskus/Syrien

Die wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen Syriens seit Mitte der 70er Jahre - Stagnation auf dem Industriesektor und ein langsames Vorankommen auf dem Agrarsektor - gaben den Anstoß, unser Ingenieurbüro in Damaskus um die Abteilungen für neue Agrartechnologien und Alternativtechnologien zu erweitern. Nach der Ölkrise 1973 begannen wir über Nutzungsmöglichkeiten von Alternativtechnologien zu sprechen. obgleich kaum jemand damit etwas anfangen konnte, und eröffneten nach Jahren voller Ideen, Planungen, wissenschaftlichen Arbeiten 1980 eine Werkstatt zur Herstellung von Brauchwasser-Solaranlagen. Die erste Anlage bauten wir im selben Jahr. Sie besteht aus einem Kupferabsorber, ist 8 m, groß und arbeitet bis heute problemlos auf dem Dach unseres Wohnhauses.

Natürlich gab es auch Schwierigkeiten. Kupferrohre waren schwer zu bekommen, so mußten wir Stahlrohre benutzen. Beim Kupfer hatten wir uns mit dem Problem der elektrolytischen Korrosion auseinanderzusetzen, beim Stahl dann mit der Verkalkung. Das große Eigengewicht unserer zwischen 4 und 8 qm großen Anlagen mit wahlweise 200 - 300 l Heißwasserspeichern ließ uns im Laufe unserer Tätigkeit in Richtung der neuen EPDM-Absorber (Ethylen-Propylen-Dienmonomer) arbeiten.

Eine ganz andere Schwierigkeit bereitete uns das Wüstenklima in Damaskus, konkret die Kälte. Im Winter sinkt das Thermometer in den frühen Morgenstunden oft weit unter Null. Das stellten wir an unserer ersten Kupferanlage fest, das gefrorene Wasser hatte fast die Hälfte der Rohre gesprengt.

Auf den Flachdächern der Häuser konnten wir bequem und sicher arbeiten und die Ausrichtung der Kotlektoren bereitete keine Schwierigkeiten, doch auf Häusern mit mehr als vier Stockwerken zeigte sich, daß deren Dächer für die Warmwasserversorgung eine nicht ausreichende Kollektoraufstellfläche hatten.

Von Anfang an rechneten wir mit Akzeptanzschwierigkeiten, denn in Syrien war die Sonnenenergienutzung noch so gut wie unbekannt.

Zwar hatte die Elektrifizierung ländlicher Gebiete - eine Haupterrungenschaft der Revolution - das Versorgungssystem verbessert, doch tägliche Stromsperren gehörten noch immer zum Alltag. Die meisten Haushalte kochen mit Flüssiggas und heizen mit Heizöl. Wir errechneten, daß es möglich sein müßte, bis zu 80 Prozent des gesamten Warmwasserverbrauchs solar aufzuheizen. Auf dem Agrarsektor sahen wir auch eine gute Absatzchance, wenn man durch Regierungsförderungen der solaren Beheizung von Gewächshäusern auch in den Wintermonaten erhöhte Aufmerksamkeit schenkte. Auf diese Bereiche konzentrierte sich unsere Arbeit.

1989 führten wir eine Revision unserer Arbeit durch und stellten fest, daß die erhofften positiven Resultate ausgeblieben waren. Die Konsequenz war, daß wir unsere Solarwerkstatt schließen und die gut ausgebildeten und inzwischen erfahrenen vier festen Mitarbeiter entlassen mußten.

Wir fragten nach den Gründen des Scheiterns und waren nicht glücklich darüber, bei einer Diskussion der Gründe in eine politische Richtung abzuschweifen. Nur das aber konnte einen realistischen und ungeschminkten Einblick in die derzeitige Situation meiner Heimat Syrien bieten.

Ich habe schon die ersten Erfolge unserer Arbeit in Damaskus kurz genannt. Nachdem ein ausgewogenes Verhältnis zwischen (westliche') Theorie und (nahöstlicher) Praxis hergestellt war, was nichts anderes heißt, als das wir fast täglich improvisieren mußten, begann uns der Ruf vorauszueilen, daß die AL-FAIHA-Sonnenkollektoren wirklich das halten, was auch alle anderen Produzenten versprechen, nämlich heißes Wasser auch in den kühleren Monaten, keine oder nur sehr geringe Anfälligkeit für Schäden aller Art (Frost, Hitzestau, Luftblasen usw.), ein prompter Service, einwandfreie Verlegung der Rohre und was da eben noch so alles zählt. Wir hatten versucht. so nah es ging, an die sogenannte "Deutsche Wertarbeit" heranzukommen. Für uns war es wichtig, daß wir fühlten, daß unsere Arbeit über den täglichen Broterwerb hinausging und etwas zur Steigerung der Lebensqualität und zur Reduzierung der Umweltbelastung beitrug. Als kleiner und freier Industriebetrieb konnten wir theoretisch auf bestimmte Quoten um Materialien zu staatlich festgesetzten Preisen zurückgreifen, da nur der Staat diese Materialien herstellt (Glas. Aluminiumprofile) oder importiert (Fittings, Rohre. Stahlwinkel). Erschienen wir nun zu den monatlichen Ausgabeterminen in den Stahllagern, hörten wir von den lächelnden Beamten nur "mafi", d. h. "es gibt nichts". Entweder mußten wir hohe Beträge unter dem Tisch reichen (dann wurde kurz "gezaubert"), oder uns auf dem sogenannten freien Markt eindecken. Dort aber lagen die Preise bis zu dem Zehnfachen über den regulären, was sich dann beim Endpreis unseres Produktes bemerkbar machte.

Selbstverständlich tätigten wir auch eigene Importe. Eine Ladung EPDM-Absorber lag dann fast vier Jahre im Zoll, bis wir sie über Umwege bei einer Versteigerung endlich (nochmals) erstehen konnten. Überhaupt erforderte die legale Beschaffung von Devisen zum Import Nerven wie Stahlseile und eine ungeheure Portion Geduld. Hatte man einmal Erfolg, dann waren inzwischen die Wechselkurse so weit abgesackt. daß sich nun kaum jemand die Anlagen leisten konnte. Natürlich kamen wir auch auf die "geniale Idee", eine Substitutionspolitik gegenüber Importen zu betreiben; da jedoch gewisse Komponenten, wie z. B. Absorbermatten, lokal nicht produziert werden konnten, hatte auch dies seine Grenzen.

Auf dem reinen Vertriebssektor gab es auch Probleme, wie überall mit der Konkurrenz. Doch weit gefehlt, nähme jemand an, daß dies mit einer großen Produktion und einem engen, umkämpften Markt zusammenhänge. Was uns zu schaffen machte, war die fehlende Kontrolle seitens einer Institution wie des TÜV. Es würde Bände füllen, wollten wir alle jene "Frankenstein-Anlagen" beschreiben, welche uns auf unserer Odyssee über die Dächer von Damaskus begegnet sind.

Anfang der 80er Jahre gab der Industrieminister die Anweisung, eine industrielle Solaranlagenproduktion aufzunehmen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelang es dieser Fabrik. solide und aus passenden Komponenten zusammengesetzte Anlagen herzustellen. Auch die AL-SCHAAM Fabrik, die dem Industrieminister unterstand, mußte hochwertige Absorber importieren. Was die Sache aber tragisch machte war. daß es der Fabrik untersagt wurde, die produzierten Anlagen selbst zu installieren und zu warten. Als Resultat standen zuerst Dutzende, bald Hunderte von Anlagen nutzlos auf den Dächern herum. Die Klempnerbetriebe, die die Installation über-nommen hatten, wußten von Sonnenenergie nicht mehr, als daß man sich am besten davor schützt, indem man die Anlage in den Schatten setzt. Selbst die Anlage des Ministers, sie lief nach seiner Aussage nur drei Tage, haben wir reparieren müssen. Fast keine Leitung. die nicht entweder den falschen Durchmesser oder die falsche Neigung aufwies, in mehreren Krümmern sammelte sich die Luft, die Isolation wurde vom Wind zerfleddert usw. Auf die Idee, daß man den interessierten Klempnerbetrieben innerhalb von wenigen Stunden die grundlegenden Betriebs- und Installationsbe-dingungen beibringen könnte, kam niemand.

Man hätte die Beteiligung an einer Weiterbildung sehr leicht zur Bedingung für eine Instal-lationsgenehmigung machen können, in einem Staat, wo doch sonst fast jeder Hahnenschrei einer behördlichen Genehmigung bedarf.

Diese und andere behördlichen und büro-kratischen Hemmnisse zwangen uns schließlich zur Aufgabe und die meisten meiner Mitarbeiter zur Arbeitsplatzsuche im Ausland. Was bleibt, ist das Gefühl einer vertanen Chance.

Habe ich Solartechnik studiert, um sie im bewölkten Norden statt in meiner sonnigen Heimat anzuwenden'? Habe ich mich nicht in Syrien um lokale Innovationen gekümmert und war es nicht so. daß uns allen der Traum einer eigenen Entwicklungslinie vorschwebte'?

Zusammenfassend ist zu sagen, daß es nicht möglich ist. eine neue Technologie in ein Land einzuführen, wenn nicht die dort herrschenden Menschen und Verhältnisse wenigstens ein rudimentäres Interesse ans Erhalt der Umwelt und am freien wissenschaftlichen Denken haben.


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