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WINDENERGIE - Ausgewählte Länder

Deutschland (1981 - 1993)


Es gibt jedoch noch weitere interessante Projekte, die teilweise auch erfolgreicher sind. Die bereits genannte GKSS beispielsweise stellt Anfang der 1980er Jahre eine kombinierte und in einem Container eingebaute Windenergie / Meerwasserentsalzungs-Anlage vor, welche im Durchschnitt täglich 6.000 Liter Trinkwasser erzeugen soll, und auf der Hallig Süderoog - dem mit nur zwei Bewohnern wohl kleinsten Gemeindewesen der Bundesrepublik - aufgestellt wird. Bis dahin mußte das Trinkwasser mit Tankschiffen dort hintransportiert werden.

Die neue Anlage arbeitet nach dem Prinzip der umgekehrten Osmose, wobei salziges Nordseewasser unter hohem Druck an einer die Salzionen zurückhaltenden Membran vorbeigeleitet wird. Nur Süßwasser durchdringt die Membran und wird auf der anderen Seite gespeichert. Die Betriebsenergie hierfür liefert ein 3-Blatt­Rotor von 10 m Durchmesser, der bei Windstärke 5 etwa 6 kW abgibt.

Ein anderer Anwender der Windenergie ist die Deutsche Bundespost, welche Ende 1981 kombinierte Solar/Wind-Anlagen für Funkübertragungsstellen in Freiwill bei Flensburg und in Harnberge bei Bremen errichtet.

Doch auch auf individueller Ebene wird für die Windenergie etwas geleistet. Als eines von vielen möglichen Beispielen nenne ich hier den Grossmann-Rotor, der sich aus mehreren alten senkrecht durchgesägten Ölfässern leicht herstellen läßt (s.u. Savonius-Rotor). Auf dem Markt befinden sich auch diverse Kleingeräte für Segelboote und Wochenendhäuser, die zur Ladung von konventionellen 12 V Batterien gut geeignet sind und 1980 etwa 500 DM kosten.

1980 gründen Windfans den Deutschen Windenergieverein, der kurz darauf bereits 300 Mitglieder zählt.

Adler Windpumpe

Adler Windpumpe


Die Friedrich Köster GmbH & Co. KG in Heide, Holstein, die im Jahr 1861 gegründet hauptsächlich landwirtschaftliche Maschinen herstellt, beginnt unter der Leitung von Johann Friedrich Wilhelm Köster ab 1979 (?) auch Windkraftanlagen zur stationären Stromerzeugung und zur Be- und Entwässerung niedrig gelegenen Landes zu entwickeln und zu produzieren. Hier abgebildet ist beispielsweise das Adler-Windrad der Pumpstation auf dem Kaiser Wilhelm Koog.

1990 wird von Köster die Firma Adler Windkraftanlagen GmbH gegründet, welche umgehend mit der 3-Blatt Windkraftanlage ADLER 25 mit einem Rotordurchmesser von 25 m und einer Leistung von 165 kW auf den Markt kommt.

Diese Anlage war ursprünglich von der Deutschen Versuchsanstalt für Luft- und Raumfart (DFVLR) in Stuttgart entwickelt worden, wo sie den Namen DEBRA-25 erhalten hatte. Der erste Prototyp geht im Jahr 1984 auf dem Ulrich-Hütter-Testfeld in Betrieb. Eine Besonderheit dieser Anlage ist ihr Dual-Generator-System mit 30/45 + 55 kW, das auch bei wenig Wind einen guten elektrischen Wirkungsgrad gewährleistet und eine Nennleistung von 100 kW erreicht.

Bereits 1989 erfolgt die Inbetriebnahme von zwei ADLER 25 WKA auf dem Windenergiepark Westküste, die nach Anfangsproblemen mit der Steuerung und dem Auftreten von Resonanzen zufriedenstellend laufen, wobei die mit der Zeit zunehmenden Störungen einen wirtschaftlichen Weiterbetrieb unmöglich machen, sodaß 1996 die Außerbetriebnahme der Anlagen erfolgt.

Eine weitere Anlage scheint 1991 bei St. Michaelisdonn errichtet worden zu sein, und später wird eine ADLER 25 auch in der Antarktis eingesetzt (noch nicht verifiziert). Inzwischen ist die Firma nicht mehr existent.

Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik veröffentlicht im Jahr 2010 übrigens einen Endbericht unter dem Titel ,DEBRA 25 Projekt: Restfestigkeitsuntersuchung an Windenergieanlagen-Rotorblättern nach Erreichen der 20-jährigen Betriebszeit’.


1982 erhält die Firma MBB zwei Design-Preise für ihren Einflügler Monopteros, der im Auftrag des BMFT entwickelt wurde, und der erstmals im Dezember 1981 bei Bremerhaven-Weddewarder installiert wird.

Monopteros Windkraftanlage mit einem Rotorblatt und Gegengewicht

Monopteros

Mit 50 m Turmhöhe und einem Rotordurchmesser von 48 m ist er der weltweit größte Einblattrotor, seine Jahresleistung sollte 1,3 Mio. kWh betragen.

Der Rotor des Monopteros (von griech. mónos = eins und pterón = Flügel) ist auf der vom Wind abgewandten Seite des Turms montiert, und gegenüber dem einzelnen Rotorblatt wird ein Gegengewicht in Form eines relativ kleinen Metallkörpers verwendet.

Das Forschungsvorhaben wird mit 37 Mio. DM gefördert. Zwischen MBB, dem BMFT und der Stadt Bremerhaven entsteht anschließend jedoch ein Streit darüber, zu welchem Preis der Monopteros-Strom in das öffentliche Netz eingespeist werden soll.

Im August 1988 gehen in Cappel-Neufeld (Landkreis Cuxhaven) 15 Monopteros-Anlagen vom Tzp M33 mit 30 kW als Teil eines Pilotprojektes im Windpark Cuxhaven in Betrieb. Sie werden ab August 1992 wieder demontiert, weil einige technische Schwierigkeiten, wie der bauartbedingte starke Lastwechsel, nicht zu lösen waren. Die Anlagen erbringen auch nicht die zugesicherte Leistung, statt 1 GWh Strom pro Jahr zu erzeugen, stehen sie fast die Hälfte ihrer vierjährigen Lebensdauer still.

Weitere drei Monopteros-Anlagen werden bei Wilhelmshaven installiert, doch auch diese Anlagen werden aufgrund technischer Mängel bald darauf wieder demontiert. Eine Einzelanlage entsteht ferner im Norden von Bremerhaven. Diese erleidet durch eine Sturmböe einen Schaden, als das Blatt stark ausschlägt, und seine Spitze von einem Halteseil des Turmes abgetrennt wird. Da eine Reparatur zu teuer ist, wird die Anlage ebenfalls wieder abgebaut. MBB offeriert gleichzeitig dem Markt eine kleine M15 Anlage zu einem Preis von 80.000 DM.

Im Jahr 1993 wird von der Firma Riva Calzoni in Bologna eine erste M33-Anlage mit 300 kW errichtet – und im Laufe der Zeit folgen in Italien mehr als 100 weitere Exemplare, bevor das Unternehmen diese Technologielinie einstellt.

Auch das Ingenieurbüro Schoder GbRmbH aus Graisbach beschäftigt sich Ende der 1990er Jahre mit Einblatt-Rotoren, bislang habe ich jedoch noch keine weiteren Informationen über diese Entwicklung finden können – abgesehen von dem interessanten Foto einer Anlage, die auf einer Bergspitze installiert ist.

Weitere Einflügler sind danach nicht mehr installiert worden. Ende der 1980er Jahre experimentiert zwar auch die NASA mit einflügligen Windkraftanlagen, ein marktreifes Modell geht daraus jedoch nicht hervor.


Ebenfalls 1982 baut das Ingenieurbüro Schlaich eine 50 kW Aufwindenergieanlage in Spanien, welche die Machbarkeit dieser Technologie belegt (s.d.).


Zur breiten, lokalen Anwendung fehlt es in der Bundesrepublik allerdings an zuverlässigen meteorologischen Daten über Windaufkommen und -intensität, denn es gibt nur etwa 70 Stationen neben den rund 350 nebenamtlichen Windmessern, also weitaus weniger, als eigentlich notwendig ist (Stand 1980). Ebenso bilden die Archivierung und die Auswertung der hereinkommenden Daten ein neues Gebiet. Besonders über den fast stetigen Höhenwind liegen so gut wie keine Informationen vor. Das BMFT geht zu diesem Zeitpunkt davon aus, daß die Windenergie etwa 8 % des Energiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland decken könnte. Ein Forschungsauftrag zur Bestimmung des Windenergieangebots im Bereich der Deutschen Bucht und der Norddeutschen Tiefebene wird vom BMFT mit 1,4 Mio. DM finanziert.

Neben den Umsetzungen werden aber auch immer wieder neue Patente eingereicht. Eine besondere Version von WAEs bildet das Schwebering-Windkraftwerk, das von Christoph Schlobies vorgeschlagen wird und Anlagengrößen bis zu 1.000 MW möglich machen soll (DE-Nr. 3209347 von 1983).

Dieser Vorschlag stellt eine Weiterentwicklung des Segelwagen-Kraftwerks dar und besteht aus einem Rhönrad ähnlichen Doppelring, der mit senkrecht stehenden profilierten Windflügeln verbunden ist und auf einer Magnetschiene, quer zur Hauptwindrichtung, gleitet oder rollt. Er bildet damit indirekt auch einen Vorgänger der Maglev-Turbinen (s.d.) bzw. der Floating Vertical-Axis Turbine von Clive Murray Cocker vom Londoner Imperial College (WO-Nr. 2003/016714 von 2003).


Das 1983 von Dipl.-Ing. Sönke Siegfriedsen in Damendorf gegründete Ingenieurbüro aerodyn Energiesysteme GmbH aus Rendsburg steigert sich im Laufe der Jahre von 5 kW auf 5 MW Anlagen. Es repräsentiert auch die Entwicklung vom Land (Onshore) aufs Wasser (Offshore), und soll daher in seiner Geschichte ebenfalls kurz dargestellt werden, in welcher auch noch mehrere andere Unternehmen involviert sind. Ich hoffe, daß ich die verwirrenden Verflechtungen nachvollziehbar präsentieren kann.

Aeolus 11

Aeolus 11

Siegfriedsens Beschäftigung mit dem Thema beginnt 1978 mit einem Besuch auf dem Bauplatz der Tvind-Mühle in Dänemark, dem Zivildienst auf dem Hof Springe des Grünen-Mitbegründers Baldur Springmann, und einer Anstellung bei der Deutschen Gesellschaft für Windenergie e.V. (DGW), im Zuge derer er sämtliche WKA in der Bundesrepublik begutachtet – die fast alles improvisierte Selbstbauanlagen sind.

Im Jahr 1982 startet der Bau einer Anlage auf Hof Springe, die sich im Folgejahr aber als Fehlschlag erweist. Mit der gewonnenen Erfahrung wird daraufhin in dem neu gegründeten Unternehmen ab 1984 ein kompakter 2-Blatt-Rotor namens Aeolus 11 mit 30 kW entwickelt, der auf dem Testfeld der GKSS in Pellworm aufgestellt, und später in die Schweiz verkauft wird.

1986 und 1987 werden in Norddeutschland sechs weitere Anlagen errichtet, und zu Beginn der 1990er Jahre werden die Modelle HSW 750 und HSW 1000 auf den Markt gebracht, die im Auftrag der Husumer Schiffswerft (HSW) entwickelt worden sind und nun auch international zum Erfolg werden. In den darauffolgenden Jahren werden diverse weitere Entwicklungsaufträge für WKA mit Leistungen zwischen 100 kW und 1,2 MW durchgeführt.

Im Jahr 1998 folgt die Machbarkeitsstudie für eine 5 MW Offshore WKA, die M5000 des Windkraftanlagenherstellers Multibrid (s.u.), für die es 1999 den IF Design Award gibt.

Im Herbst 2000 verkauft aerodyn sämtliche Patente, Lizenzen und Namensrechte an der zukunftsweisenden Multibrid Technology an die im gleichen Jahr gegründete Pfleiderer Wind Energy GmbH (PWE) in Neumarkt, deren Offshore-Aktivitäten im Dezember 2003 wiederum an die Prokon Nord Energiesysteme GmbH veräußert werden (s.u.).

Ebenfalls 2003 erhält aerodyn von der BARD Engineering GmbH (s.u.) den Entwicklungsauftrag für eine weitere 5 MW WKA, deren erster Prototyp 2004 errichtet wird.

Ab 2004 wird China zum wichtigsten Markt für aerodyn, das dort in wenigen Jahren einen Marktanteil von 50 % erreicht, und 2006 in Shanhai ein Büro eröffnet.

Ein von Siegfriedsen entwickeltes einzigartiges Korrosionsschutzsystem, dessen Patentrechte 2007 von Multibrid erworben werden, wird vom Europäischen Patentamt mit dem European Inventor Award 2008 ausgezeichnet.

Ende 2012 basieren 11,5 % aller weltweit installierten Windkraftanlagen auf Designs von aerodyn. Die insgesamt 28.125 Anlagen erreichen zusammengenommen eine Leistung von knapp 35,5 GW.


Zu den anderen involvierten Firmen gehört als erstes die 1995 von Carsten Rodbertus gegründete Prokon Nord Energiesysteme GmbH in Leer (PROjekte und KONzepte), die sich zunächst ausschließlich mit der Projektentwicklung und dem Betrieb von Windparks befaßt. Ende 2001 erhält das Unternehmen die Genehmigung für die Errichtung des Offshore-Windparks Borkum West. Es ist die erste Genehmigung in der Nordsee und bildet später die Grundlage für das Offshore-Testfeldes Alpha Ventus.

Ende 2003 übernimmt Prokon daher die in Bremerhaven beheimatete und im Jahr 2000 gegründete Multibrid Entwicklungsgesellschaft mbH vom damaligen Besitzer Pfleiderer (s.u.), und kann dadurch schon ein Jahr später den Prototyp der innovativen M5000 Offshore-Windenergieanlage mit 5 MW in Bremerhaven aufstellen. Der Namen Multibrid basiert auf den Begriffen Multi-Megawatt und hybrides Design.

Die Vertragsunterzeichnung mit der Deutschen Offshore Test und Infrastruktur GmbH & Co. KG (DOTI) für die Errichtung der sechs M5000 im kommenden Jahr im deutschen Offshore-Testfeld Alpha Ventus nördlich von Borkum erfolgt Mitte 2007 – woraufhin Multibrid umgehend ein Montagewerk eröffnet.

Im September 2007 verkauft Prokon einen Anteil von 51 % der Multibrid für 150 Mio. € an die im Jahr 2000 gegründete Firma AREVA Wind GmbH, Teil von AREVA Renewables der AREVA Group, einem weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Kernenergie, Stromübertragung und -verteilung.

Die Rotorblätter werden in Stade bei der AREVA Blades GmbH gefertigt, die als PN Rotor ebenfalls von AREVA übernommen wurde.

Ende 2008 sollen auch die ersten von insgesamt 21 Anlagen für den französischen Offshore-Windpark Côte d’Albâtre ausgeliefert werden.

Alpha Ventus wird im September 2009 fertiggestellt und umfaßt 12 Windenergieanlagen mit einer Gesamtproduktion von 60 GW. Neben den sechs M5000 Modellen stammen die übrigen sechs von Repower.

Im Jahr 2010 erwirbt AREVA dann die restlichen 49 % der Multibrid. Außerdem wird die Firma ausgewählt, um 40 Stück M5000 für das 200 MW Offshore-Projekt Borkum West II von Trianel zu liefern. Auch der ab 2012 geplante 400 MW Global Tech Nordsee-Windpark nordwestlich von Cuxhaven soll mit 80 M5000 Maschinen für 800 Mio. € ausgestattet werden.

Im Mai 2011 unterzeichnet AREVA ein Partnerschaftsabkommen mit dem international tätigen Energieversorgungskonzern GDF Suez SA und dem französischer Baukonzern VINCI, um an der französischen Küste in Dieppe-Le Tréport, Courseulles-sur-Mer und Fécamp gemeinsam drei Windparks zu bauen. Im Juni folgt eine Absichtserklärung mit Iberdrola Renewables, ebenfalls zur gemeinsamen Entwicklung von Offshore-Windprojekten in Frankreich.

Die AREVA M5000 wird zur Offshore-Anlage des Jahres 2012 gekürt.

Der Windparkbetreiber Prokon Regenerative Energien GmbH wiederum, verantwortlich für 55 Windparks mit 316 Windenergieanlagen, meldet im Januar 2014 Insolvenz an, da viele der  gut 75.000 Anleger, von denen das Unternehmen insgesamt 1,4 Mrd. € eingesammelt hatte, ihre Papiere kündigen und das Investment zurückfordern. Die Entwicklungen beim jüngsten Update weisen allerdings darauf hin, daß die operative Sanierung des Unternehmens bereits erste Erfolge zeigt.


Eine ebenso wichtige Rolle spielt die im September 2003 von dem russisch-deutschen Investor Arngolt Bekker in Emden gründete Firma BARD Engineering GmbH (Bekker Arngolt Russland Deutschland), deren Ziel die Entwicklung und Errichtung von Offshore-Windparks ist.

Offshorefundament der Firma BARD

Offshorefundament
(BARD)

Vom Ingenieurbüro Aerodyn Energiesysteme läßt sich das Unternehmen eine 5 MW Windenergieanlage namens BARD 5.0 mit einer Nabenhöhe von 90 m und einem Rotordurchmesser von 122 m entwickeln, von der  2007 zwei Prototypen zu Testzwecken beim Windpark Rysumer Nacken, westlich von Emden, aufgestellt und erprobt werden. Die Generatorgondeln dieser Anlagen werden im Februar 2011 durch eine Neuentwicklung mit 6,5 MW Nennleistung ersetzt.

Der ursprüngliche Windturbinentyp geht im April 2008 bei der Cuxhaven Steel Construction GmbH (CSC) in die Serienfertigung, während die BARD Emden Energy GmbH & Co. KG in Emden die GFK-Rotorblätter fertigt und die Endmontage der Windkraftanlagen durchführt.

Im Oktober 2008 wird im ufernahen Offshore-Bereich vor Hooksiel nördlich von Wilhelmshaven die erste Anlage errichtet, die speziell für Wassertiefen von 2 - 8 m entwickelt worden ist und bei der zum ersten mal ein von BARD entworfenes Tripile-Offshorefundament zum Einsatz  kommt.

2009 beginnt die Errichtung des ersten kommerziellen 400 MW Windparks BARD Offshore 1 im Bereich der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AZW) in der Nordsee, rund 90 km nordwestlich der Insel Borkum, wo 80 Windenergieanlagen zu je 5 MW in den Einsatz gehen sollen. Bis zu diesem Zeitpunkt soll Bekker in Emden und Cuxhaven Eigenmittel in Höhe von rund 100 Mio. € investiert haben.

Die Installation des Windparks übernimmt die BARD Building GmbH & Co. KG, die für diesen Zweck bei den Western Shipyards in Klaipėda das Spezialkranschiff Wind Lift I in Auftrag gibt,dessen Endausrüstung bei den Nordseewerken in Emden stattfindet. Alleine hierfür werden rund 60 Mio. € investiert.

Hohe Kosten, unerwartete technische Schwierigkeiten und wetterbedingte Verzögerungen bei der Errichtung des Windparks führen zu hohen Verlusten und stark wachsendem Finanzierungsbedarf, sodaß die Unternehmensanteile Bekkers in Höhe von 87 % vor dem Hintergrund einer drohenden Insolvenz Ende 2010 auf einen Treuhänder übertragen werden und Bekker aus dem Unternehmen ausscheidet. Unter einem neuen Management kann die Finanzierung des Windparks trotz eines Verlustes der Gruppe von 164 Mio. € im Geschäftsjahr 2011 gesichert werden. Im August 2013 wird der Offshore-Windpark mit ca. zwei Jahren Verspätung eingeweiht.

Nachdem im September 2013 drei in Entwicklung befindliche Offshore-Projekte in der Nordsee für 17 Mio. € vom der PNE Wind übernommen werden, kündigt BARD im November an, aufgrund fehlender Folgeaufträge und Investoren den Betrieb einzustellen. Rund 300 Mitarbeiter werden in der neu gegründeten Gesellschaft Offshore Wind Solutions (OWS) übernommen, deren Aufgabe der Betrieb und die Wartung des Windparks BARD Offshore 1 ist, und welche auch die Immobilien und Schiffe des Konzerns übernimmt.

Mehr über Offshore-Windanlagen findet sich in dem entsprechenden Kapitel.


Ab 1984 werden auf dem Versuchsfeld in Schnittlingen diverse Windkraftwerke getestet, darunter die Debra 25, der MAN-Aeroman, die Flair, elektrOmat, WEC-52 und Optiwa. Gleichzeitig beginnt die Firma MAN mit der Produktion des einflügligen Monopteros, während die konventionellen 10 kW Anlagen der Marke Aeroman für etwa 70.000 – 100.000 DM verkauft werden. Bis 1986 werden davon über 500 Stück abgesetzt, rund 400 Exemplare gehen in die USA.


Ebenfalls im Jahr 1984 wird von Bernhard Aloys Wobben (der seine erste WKA bereits im Sommer 1981 entwickelt und gebaut hat) die Firma Enercon mit Stammsitz in Aurich gegründet. Die erste Entwicklung ist eine 30 kW Windenergieanlage mit einem 10 m durchmessenden Rotor, von der im Laufe der Zeit 158 Exemplare hergestellt werden, gefolgt von dem Modell E-15/16 mit 55 kW und 15 m bzw. 16 m Rotordurchmesser, das in einer Stückzahl von 186 Exemplaren produziert wird. Anschließend werden 80 kW (E-17/18) und 300 kW (E-32) Anlagen auf den Markt gebracht.

Frühe Enercon Anlage 1985

Frühe Enercon Anlage
(1985)

1991 wird eine eigene Produktionsstätte in Betrieb genommen, und 1992 erfolgt mit der E-40-Serie der Start der ersten getriebelosen Anlagengeneration mit 500 kW bzw. 600 kW. Im Jahr 1995 wird der erste Prototyp einer E-66 mit 1,5 MW installiert. Der Aufbau der E-66 Produktion beginnt 1998.

Zwischenzeitlich hatte 1994/1995 eine Spionage-Affäre stattgefunden, bei der die Manager des US-Unternehmens Kenetech Windpower im Verein mit der Washingtoner Spionagebehörde NSA geheime Codes abfingen, um die Enercon-Technik zu kopieren und in den USA patentieren zu lassen. Als Gipfel der Dreistigkeit werden die Deutschen auch noch verklagt - wegen angeblichen Abkupferns. Der Prozeß, obwohl fadenscheinig, geht zunächst verloren, und Enercon wird mit einem Exportverbot in die USA bis 2010 belegt. Die Kenetech geht trotz des Ideenraubs unter, und 2004 kann sich Enercon mit dem Rechtsnachfolger General Electric einigen.

Neue Einfälle läßt sich Wobben nun in so großem Stil schützen, daß Wettbewerber schon Übertreibungen beklagen. So habe Enercon exklusiv das Recht ergattert, die Türme von Windkraftanlagen farbig streichen zu lassen – und den anderen nur das fade Weiß übrig gelassen. Ich muß zugeben, daß ich volles Verständnis für den traumatisierten Wobben habe. Interessant ist, daß Arbeiten wie z.B. ,Methoden, Instrumente und Auswirkungen der Wirtschaftsspionage am Beispiel der Gesellschaft ENERCON von Daniel Trapp, die im Wintertrimester 2000 an der Universität der Bundeswehr München erstellt wurde, inzwischen im Netz nicht mehr zu finden sind.

Wobben bekommt im Jahr 2000 den Deutschen Umweltpreis verliehen, und baut in den Folgejahren in Magdeburg-Rothensee, Emden und Haren, sowie in Portugal, Frankreich, Brasilien und in der Türkei verschiedene Fertigungen für Windenergieanlagen, Rotorblätter und Betontürme auf. Außerdem werden Firmen wie die SKET Maschinen- und Anlagenbau GmbH in Magdeburg, oder der Stahlturmbau von Kockums Industrier AB, Malmö, übernommen. 2003 startet die Serienfertigung von Rotorblättern der E-112 Anlage.

Neben der laufenden Produktion werden die Anlagen auch weiter hochskaliert. Die Inbetriebnahme des 2 MW Prototypen E-82 erfolgt 2005, wobei zu diesem Zeitpunkt bereits an der Weiterentwicklung der E-112 zu einer 6 MW Anlage gearbeitet wird. Die Fertigstellung des Prototypen einer E-126 wird 2007 gemeldet (diese wird später bis 7 MW weiterentwickelt).

Im Jahr 2008 erhält Wobben die renommierte Rudolf-Diesel-Medaille – außerdem wird in diesem Jahr in Kiel die Schiffstaufe des E-Ship 1 gefeiert, dem ersten großen Flettner-Schiff der Neuzeit (s.d.). 2009 erfolgt die Inbetriebnahme des Enercon-Wasserkraftwerks in Raguhn/Sachsen-Anhalt mit zwei Enercon S-Rohrturbinen und 10 MW Nennleistung, und 2010 erweitert das Unternehmen seine Produktpalette um die Modelle E-82 (2,3 MW), E-82 (3 MW) und E-101 (3 MW). In diesem Jahr erfolgt auch die Einweihung der modernsten Gießerei Europas (Gusszentrum Ostfriesland GZO).

Enercons Marktanteile in Deutschland betragen 2013 genau 49,6 %, basierend auf der installierten Leistung. Der weltweite Marktanteil wird mit 9,8 % beziffert, womit das Unternehmen an dritter Stelle steht, nach Vestas (13,1 %) und Goldwind (11,0 %), gefolgt von Siemens (7,4 %), GE Wind (6,6 %), Gamesa (5,5 %) und de Suzlon Group (5,3 %). Besonders zu bemerken ist, daß Gründer Wobben auch Alleineigentümer seiner Firma ist. Außerdem besitzen Wobben und seine Enercon mehr Patente für Windenergieanlagen als General Electric und Siemens zusammen.

Der Erfolg basiert unter anderem auf der Einfachheit der Windräder, bei denen auf ein Getriebe verzichtet wird, was ihre Zuverlässigkeit enorm steigert. Üblicherweise gehen mehr als die Hälfte aller Ausfälle von Windkraftanlagen auf Schäden am Getriebe zurück. Und während die Vorstellung von riesigen Windparks auf hoher See immer mehr Produzenten motiviert, betrachtet Wobben diese als zu aufwendig, störanfällig und letztlich unrentabel. Größere Hoffnungen setzt er dagegen auf neuartige Speichertechniken für Elektroautos, an denen er ebenfalls intensiv forscht.

Dem Stand von 2014 zufolge hat Enercon bereits über 22.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von mehr als 32,9 MW installiert. Das Unternehmen, das inzwischen mehr als 3 Mrd. € umsetzt, wird uns in dieser Chronologie immer wieder begegnen.


Auch der Einstieg der im Jahr 1960 als Dorfschmiede in einer alten Scheune in Waigandshain gegründeten späteren Metallfirma Fuhrländer AG aus Waigandshain im Westerwald in die Windbranche erfolgt Mitte der 1980er Jahre durch den Gründersohn Joachim Fuhrländer - und die Übernahme eines renommierten Herstellers (noch nicht verifiziert), weshalb die Firma zu den Pionieren der Windenergie-Nutzung im Binnenland gezählt wird.

Durch Wartungsarbeiten an Windkraftanlagen gewinnt das Unternehmen an Kompetenz in diesem Sektor, 1991 wird die erste eigene Anlage mit einer Leistung von 30 kW verkauft, bald folgen Anlagen bis 250 kW, und bereits 1997 steigt man in die Megawatt-Klasse ein. Im Laufe der Jahre werden dann Windkraftanlagen mit bis zu 2,5 MW und Nabenhöhen bis 160 m hergestellt.

2001 wird das Unternehmen in eine AG umgewandelt, an der sich der Wella-Erbe Immo Ströher und der schwäbische Windparkprojektierer Willi Balz zusammen mit 20 % beteiligen.

Mit einem Jahresumsatz von über 240 Mio. € laufen die Geschäfte 2008 so gut, daß der Stammsitz in Waigandshain an die Kapazitätsgrenze stößt, worauf am 6 km entfernten Siegerland-Flughafen neue Produktions- und Verwaltungsgebäude errichtet werden. Doch 2009 ruinieren technische Mängel bei Getrieben einer Windanlagenserie den guten Ruf, und der Anteil des Absatzes im Inland bricht von rund 40 % 2009 auf 7 % im Folgejahr ein.

2010 kann Fuhrländer in Deutschland nur noch ganze fünf Windräder verkaufen, und 2011 hat sich der Umsatz auf rund 140 Mio. € fast halbiert. Der Auftragseingang bricht um 60 % ein. Trotzdem wird Ende des Jahres das auf die Entwicklung von Windkraftanlagen spezialisierte Ingenieursbüro W2E Wind to Energy GmbH mehrheitlich übernommen.

Im Oktober 2011 verlieren die Banken das Vertrauen in die unternehmerischen Fähigkeiten von Joachim Fuhrländer und schicken ihm Berater ins Haus, die feststellen, daß sich das Unternehmen verzettelt habe. Zuerst gibt es Personalabbau, Kurzarbeit und die Konzentration auf das Kerngeschäft, die Herstellung von Windkraftanlagen, dann legt Fuhrländer seinen Vorstandsvorsitz nieder und trennt sich von seinem Anteil von 64 % (während Ströher aussteigt, und Balz aufstockt).

FL 3000

FL 3000

Neuer Mehrheitsaktionär mit 75,1 % wird die Firma Windgröße GmbH aus Frankfurt, ein Konsortium aus ukrainischen Investoren um Maxim Efimow, der nun zusammen mit seinem Landsmann Gennadi Molchanov in den Aufsichtsrat rückt. Doch auch dies rettet das Unternehmen nicht.

Im September 2012 meldet Fuhrländer Insolvenz an, wobei als Grund ,kundenseitige Projektverschiebungen genannt werden, die zu Verzögerungen bei Projektzahlungen geführt haben. Auf der Webseite ist zu lesen: „Die Weltwirtschaftskrise und rasantes Wachstum führten das Pionierunternehmen 2013 in die Insolvenz“. Allerdings findet man in der Presse auch ganz andere Begründungen, wie beispielsweise, daß Fuhrländer-Aufsichtsratschef Rudolf Scharping (auch auf diesem Posten) heillos überfordert war.

Der Prototyp einer 3 MW Anlage für moderate Windgeschwindigkeiten mit einem Rotordurchmesser von 120 m und einer Nabenhöhe von 100 m, die sich mit der Bezeichnung FL 3000 bereits in der Entwicklung befand, kann trotzdem im Herbst 2013 in Kankel bei Rostock errichtet und ans Netz angeschlossen werden, da das Anlagenentwicklungsbüro W2E auch nach der Pleite das Recht behielt, weiterhin auf eigene Faust Entwicklungsaufträge auch anderer Unternehmen anzunehmen, sowie die eigenen Entwicklungen für Fuhrländer, wie die vorangegangene 2,5 MW Anlage, weiter voranzutreiben. Die Regie des Prototypenbetriebs führen W2E und Winergy.

Die neue Anlage enthält als Antrieb das bislang kompakteste Getriebe der Branche, das den Antriebsstrang um bis zu 50 % verkürzt.


Ab 1985 unterstützt das BMFT den Bau von Inselbetrieb-Windparks in Ländern der 3. Welt (mit je 10 Stück 20 - 30 kW Anlagen).


Ebenfalls  im Jahr 1985 entsteht die Firma Nordex A/S, die aus der von Flemming Pedersen und seinen Söhnen Carsten und Jens gegründeten dänischen Firma Brande Kedel og Beholderfabrik hervorgeht. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren verkauft Nordex die beiden Anlagentypen N27/250 und N27/150, später kommt der Typ N29/250 hinzu.

Die Aktivitäten in Deutschland beginnen 1991 mit dem Vertrieb durch die neu gegründete Nordex Energieanlagen GmbH, die im Folgejahr in Rerik eine eigene Entwicklung und Produktion aufbaut, welche später wieder in das Gesamtunternehmen eingegliedert wird. Hier entsteht 1995 mit dem Typ N52/1000 bzw. N54/1000 die weltweit erste Serien-Windkraftanlage der Megawattklasse, der die später entwickelten N60/1300 bzw. N62/1300 folgen.

Im Jahr 1996 übernimmt die zur Babcock-Borsig AG gehörende Balcke-Dürr 51 % von Nordex, weitere 26 % werden 1998 erworben. Da das bestehende Werk in Rerik zu klein ist, wird 1999 das ehemalige Rostocker Dieselmotorenwerk übernommen, das von nun an die Hauptproduktionsstätte der Nordex bildet. Im Februar 2000 wird deren Prototyp der N80/2500, eine völlig neu entwickelte Serienwindkraftanlage mit 2,5 MW im Windtestfeld Grevenbroich errichtet.

2001 bereitet Babcock-Borsig den Börsengang seines profitablen Windenergiegeschäfts vor, zu dem neben Nordex auch die Südwind und die 1999 gegründete Borsig Rotor gehören. Eigentümer der Übergangsgesellschaft sind zu 80,5 % die Borsig Energy GmbH, und zu 19,5 % die Nordex-Gründerfamilie Petersen. Die Aktien von Nordex werden erstmals im April 2001 an der Börse notiert.

Im Oktober 2001 gibt Babcock-Borsig seine verbleibende Beteiligung von 29,8 % an der Nordex für rund 140 Mio. € an die Westdeutsche Landesbank ab. Im Jahr 2003 gerät Nordex aufgrund des Rückgangs der Nachfrage nach Windkraftanlagen in eine Krise, der bis 2005 eine Restrukturierung des Unternehmens durch Kapitalherabsetzung und Refinanzierung folgt, worauf es zu einem erneuten Aufschwung kommt.

Bereits 2003 wird im Kattegat vor der dänischen Hafenstadt Frederikshavn eine Offshore-Testanlage errichtet, und 2006 folgt Deutschlands erste Offshore-Anlage im Breitling, einer lagunenartigen Erweiterung der Unterwarnow kurz vor deren Mündung in die Ostsee. Nordex stellt hier eine 2,5 MW Anlage vom Typ N90 mit einem Rotordurchmesser von 90 m auf. Anfang 2007 wird eine Rotorblatt-Fertigung in China eröffnet und 2010 eine neue Fertigungsanlage in Jonesboro im US-Bundesstaat Arkansas in Betrieb genommen. Außerdem wird die Rechtsform geändert, sodaß die Firma nun als Nordex SE agiert.

Anfang 2011 wird der Unternehmenssitz nach Hamburg-Langenhorn verlegt und in Rostock mit der Serienfertigung auf drei Montagelinien begonnen, wodurch die Jahreskapazität des Werks auf 1.000 Anlagen steigt. In diesem Jahr wird auch erstmals die neue N150/6000 Offshore-Anage mit 6 MW und 150 m Rotordurchmesser vorgestellt, von denen in der deutschen Ostsee ab 2014 rund 70 Stück installiert werden sollen.

Im Dezember 2012 schließt Nordex seine Rotorblattfertigung in China wegen mangelnder Auslastung im dort stark abgeschotteten Markt, und auch im Werk Jonesboro wird 2013 die Gondelproduktion aufgrund geringer Auslastung eingestellt.

N131/3000 auf Rotorblattadapter

N131/3000
auf Rotorblattadapter

Inzwischen geht es dem Unternehmen aber wieder besser, und im März 2014 übertrifft Nordex die Schwelle von 10.000 MW installierter Leistung, die von über 6.000 WKA stammen. Im April unterstützt die Europäische Investitionsbank (EIB) das bis 2017 laufende Forschungs- und Entwicklungs-Programm des Turbinen-Herstellers, bei dem zusammen mit Lieferanten und Forschungseinrichtungen in der Europäischen Union effizientere technische Lösungen gefunden werden sollen, mit einem ein Darlehen in Höhe von mehr als 100 Mio. €.

Einen Monat später verlautet, daß Nordex bis 2016 rund 50 Mio. € in die Serienfertigung von modernen, großdimensionierten Rotorblättern investieren will.

Auf der WindEnergy Hamburg im September 2014 zeigt das Unternehmen mit dem 64,4 m langen Rotorblatt N131/3000 eines der größten Rotorblätter für Onshore-Anlagen. Ebenfalls zu sehen ist der Rotorblattadapter der TII Group, mit dem das Blatt mit einem Neigungswinkel bis 70° nach oben bewegt, und somit auch durch engste Straßen transportiert werden kann.

Auch Nordex wird uns in der folgenden Übersicht noch häufiger begegnen.


Im Jahr 1986 stellt die Deutsche Gesellschaft für Windenergie bei einer Erhebung fest, daß es in Deutschland bereits etwa 500 Windkraftwerke verschiedenster Art gibt, davon seien aber nur rund 50 einigermaßen professionell. MAN und andere Firmen gründen daraufhin die Fördergemeinschaft Windenergie. Und in Eiderstedt will eine Stiftung Windenergie 90 Mio. DM zum Bau von 300 Windkraftanlagen zusammenbringen.

Eine 1,2 MW Dreiblatt-Anlage mit einem Rotordurchmesser von 60 m von MAN wird auf Helgoland installiert, deren Überschußstrom zur Meerwasserentsalzung dient.

Eine 30 kW Anlage inklusive Fundament und Mehrwertsteuer kostet zu diesem Zeitpunkt rund 110.000 DM. Offiziell technisch zugelassen ist außer dem Aeroman von MAN nur eine 20 kW Anlage der Firma Windkraft-Zentrale in Brodersby bei Kappeln (Kostenpunkt: 63.000 – 77.000 DM). Im Verkauf befinden sich aber auch die Enercon 55/15 der Gesellschaft für Energieanlagen in Aurich (ein 3-Flügler mit 55 kW für 136.000 DM), sowie die V-16 des dänischen Unternehmens Vestas, von dem sich weltweit schon etwa 1.600 Exemplare im Wind drehen (55 kW für 105.000 DM).

Ebenfalls 1986 betreibt Dornier eine 30 kW Darrieus-Windenergieanlage.


Im August 1987 wird mit dem Windenergiepark Westküste der erste deutsche Windpark eröffnet. Der Park im Kaiser-Wilhelm-Koog an der Elbmündung in Dithmarschen, der in Nachbarschaft zum GROWIAN aufgebaut wurde und dessen Infrastruktur nutzen kann (s.o.), ist mit 30 Windenergieanlagen verschiedener Hersteller ausgestattet, die zusammen eine Leistung von 1 MW erreichen.

Im einzelnen handelt es sich um 20 WKA des Typs Aeroman von MAN mit je 30 kW Leistung, 5 Anlagen des Typs elektrOmat von der Windkraftzentrale mit je 25 kW Leistung, sowie 5 Anlagen des Typs E-16 von Enercon mit je 55 kW Leistung. Später kommen noch weitere Anlagen hinzu. Die Darrieus-Rotoren, die auf dem Foto zu sehen sind, gehören allerdings nicht zu dem Park, sondern zu einem parallel entstandenen Testfeld für Windkraftanlagen (s.d.).

Das raue Klima an der Elbmündung, mit der salzhaltigen Luft und einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von rund 6,5 m/s bewirkt schon in den ersten Betriebsmonaten Korrosionserscheinungen an ungeschützten Metallteilen, dazu zeigen sich Isolationsfehler in den Generatoren und Probleme mit den Hydrauliksystemen. Außerdem wird erstmals deutlich erfahrbar, welche Schallemissionen von einem Windpark ausgehen.


Schon 1987 nehmen die allgemeinen Probleme mit Zulassungen und Baugenehmigungen zu, außerdem steigern sich die Ressentiments gegen die ‚Verspargelung der Landschaft’ aufgrund des Lärms und des häßlichen Aussehens der Windkraftanlagen (s.u. Grenzen der Windnutzung).


Ein weiterer Windpark entsteht 1988 bei Cuxhaven mit 10 Enercon 55 kW und 15 MBB 30 kW Anlagen. Die Investitionskosten von ca. 6 Mio. DM werden zwischen dem BMFT und dem Stromversorgungsunternehmen Überlandwerke Nord-Hannover geteilt.

Das BMFT fördert außerdem ein Forschungsvorhaben der Gesamthochschule Kassel mit 650.000 DM, bei dem auf dem 636 m hohen Knüll bei Bad Hersfeld zwei 10 kW Anlagen mit Netzeinspeisung aufgestellt werden. Bis Mitte 1988 werden BMFT-gefördert insgesamt 150 kleine und mittlere Anlagen mit zusammengenommen 5 MW errichtet.

1989 gibt die KfA Jülich bekannt, daß das BMFT die Maßnahme ‚100 MW Wind’ mit dem Ziel unterstützt, eine größere Zahl von Demonstrationsanlagen zu erstellen. Besonders auf der Halbinsel Eiderstedt werden daraufhin mehrere Windparks geplant, davon alleine 200 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 500 MW aus privater Initiative.


Auch der Deutsche Alpenverein engagiert sich und stellt am 1.765 m hoch gelegenen Rotwandhaus nahe Bayrischzell einen 36 kW Rotor auf, der so ausgelegt ist, daß er beim Betrieb nicht lauter ist als der Wind selbst. Der Dreiblatt-Rotor hat einen 10 m hohen Turm, die Blattlänge beträgt 10,4 m und die Kosten belaufen sich auf 120.000 DM.


Im Jahre 1989 kommt der ehemalige Seemann Carl von Canstein, einer der drei Gründer des Internet-Forums kleinwindanlagen.de,  auf die Idee, aus einfachsten Mitteln das kleine Modell eines Vertikalrotors nachzubauen. Dabei entdeckt er durch Zufall den vom Wind durchströmten sogenannten C-Rotor. Es ist der Beginn einer mehr als zehnjährigen Reihe von Versuchen, die in dem Forum gut dokumentiert sind.

Im Grunde gelingt es Canstein und seinen Partnern den Darrieusrotor mit einer anderen Flügeltechnik zu einer völlig anderen Leistungsentfaltung zu bewegen. Der entstandene Flügel mit einfachem Profil besteht im Prinzip nur aus einer halbrunden offenen ,Rinne aus Blech als Vorflügelteil, und einer einfachen gestreckten Leitfläche dahinter, die ebenfalls aus dünnem Blech hergestellt ist. Dabei ist die Leitfläche am Ende des Vorflügels so fixiert, daß ein breiter Luftspalt die freie Zirkulation der Strömung in beide Richtungen senkrecht zur Flügelsehne erlaubt.

In Zimmern (Baden-Württemberg) wird 1989 eine 30 kW WKA der Berliner Firma Südwind GmbH errichtet, die im Vorjahr von Jochen Twele und einigen Kollegen aus der Technischen Universität Berlin als Ingenieurbüro ausgegründet wurde (s.u.).


Der Interessenverband Windkraft Binnenland hat 1989 schon 550 Mitglieder, die sich mit nicht erteilten Baugenehmigungen und anderen behördlichen Auflagen und Einwänden herumschlagen. Seit 1987 ist kein einziger (privater) Antrag mehr genehmigt worden, obwohl sich der niedersächsische Regierungschef Ernst Albrecht (CDU) entschlossen hat, den Bau von Windkraftanlagen zu einem Drittel aus dem Landesetat zu fördern. Die Erfahrung zeigt, daß insbesondere die Strom-Giganten, die sich rein aus Image-Gründen mit Erneuerbaren Energien beschäftigten, mit ihren Anträgen für großangelegte Windparks das gesamte Förderkontingent abschöpfen.

Im Jahr 1989 erscheint auch die erste Ausgabe der BWE-Marktübersicht, des Jahrbuches des Bundesverbandes WindEnergie.

Zu diesem Zeitpunkt sind in Deutschland 293 Windenergieanlagen am Netz, die zusammen 27 MW leisten.


Die Bundesrepublik beschließt 1990 das Stromeinspeisegesetz – während in Husum und Bredstedt bereits erste Klärwerke mit Windkraft laufen, ebenso wie ein Wasserwerk in Gelting.

Nach vier Jahren Planungs- und Bauzeit geht 1990 in Inhausersiel bei Wilhelmshaven der zu diesem Zeitpunkt größte deutsche Windpark mit einer Gesamtleistung von 2 MW in Betrieb. Für eine Investitionssumme von  rund 25 Mio. DM werden auf dem Jade-Windpark - der gleichzeitig das BMFT-geförderte Versuchsfeld des Deutschen Windenergie-Instituts (DEWI) darstellt - u.a. auch drei Monopteros 50 Windturbinen von MBB (Einflügler, Nabenhöhe 60 m, Rotorblattlänge 56 m) mit jeweils 640 kW Leistung und 20 Jahren Lebensdauer errichtet.

In Kooperation zwischen den Firmen MBB und Kvaerner Turbine wird für den Jade-Windpark im Folgejahr außerdem eine deutsch-schwedische 3 MW Großanlage namens Aeolus II geplant.

Im März 1990 wird im spanischen Galizien in der Nähe des Ortes Cabo Villano und im Rahmen eines deutsch-spanischen EG-Projektes eine 1,2 MW Anlage mit dem Namen Awec 60 in Betrieb genommen, die 6,5 Mio. DM gekostet hat. Im Juli folgt auf Helgoland die bis dahin größte deutsche Windanlage (Turmhöhe 44 m, Rotordurchmesser 60 m), die pro Jahr rund 4 Mio. kWh Strom erzeugen soll.


Im Jahr 1990 erfolgt unter Leitung von Prof. Friedrich Klinger die Gründung der Forschungsgruppe Windenergie (FGW) an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken. Die weitere Geschichte ist recht interessant, sodaß ich sie stichpunktartig zusammenfassen möchte.

Als Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit geht 1997 im Saarland der Prototyp GenesYs 600 in Betrieb, und 2000 erfolgt die Gründung der VENSYS Energiesysteme GmbH & Co. KG in Saarbrücken als Spin-off der HTW.

Nachdem man 2003 in Sitzerath den Prototyp VENSYS 62/1,2 MW errichtet, wird die chinesische Firma Goldwind VENSYS-Partner und Lizenznehmer. 2005 ist der Entwicklungsstart der neuen 2,5 MW Plattform, 2007 erfolgt die Umfirmierung in VENSYS Energy AG, 2008 steigt die Goldwind GmbH als neuer Mitgesellschafter ein, und 2010 befinden sich weltweit bereits über 3.200 VENSYS-Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von rund 5 GW Netz.

2011 folgt die Einrichtung einer Stiftungsprofessur Windenergie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft im Saarland zusammen mit der Goldwind Windenergy GmbH, womit das Unternehmen ein Stück weit Unterstützung zurück an die Hochschule gibt, aus der es hervorgegangen ist. Neben anderen Firmen wird nun auch die Arab Organization for Industrialization (AOI) in Ägypten zum Lizenznehmer, die bereits im Folgejahr in Zafarana am Roten Meer die ersten 1,5 MW Anlagen errichtet.

Ebenfalls 2012 geht im Rahmen des Pilotprojektes Timber Tower (s.u.) die weltweit erste VENSYS 1,5 MW Windkraftanlage mit einem 100 m hohen Holzturm in Betrieb.

Ende 2013 sind weltweit schon 11.750 Anlagen mit 18,2 GW  am Netz, zusätzlich zu über 10.000 Anlagen, die auf den Lizenzpartner Goldwind zurückgehen.


Ebenfalls 1990 beginnt die Firma Südwind gemeinsam mit der Berliner Bewag eine erste Demonstrationsanlage auf der 40 m hohen Mülldeponie Wannsee zu errichten, die im Frühjahr 1992 in Betrieb geht; bei der Firma Dornier (die inzwischen zum Daimler-Benz-Konzern gehört) wird die Forschung am Darrieuskonzept eingestellt; in Hausen vor Wald entsteht auf Privatinitiative eine  95 kW Anlage; und in Wilhelmshaven wird das Deutsche Windenergie-Institut (DEWI) gegründet.

Bis 1990 fließen insgesamt 82 Mio. DM in die Förderung der Windenergie.

Genau am 31.12.1990 schaltet die konstruierende Husumer Schiffswerft ‚Europas größten Windpark’ im nordfriesischen Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog, an der Unterelbe bei Brunsbüttel, ans Netz – mit 35 MAN-Windkraftanlagen (30 m hoch, 12 m lange Rotorblätter) und insgesamt 8,75 MW Leistung. Ein späterer, zweiter Bauabschnitt umfaßt weitere 15 Anlagen mit zusammen 3,75 MW, die Kosten betragen insgesamt rund 28 Mio. DM.

Die Schiffswerft legt außerdem Pläne für einen weiteren Windpark auf der Halbinsel Eiderstedt oder an der dänischen Küste vor, bei dem für privat investierte 30 Mio. DM 52 Anlagen insgesamt 13 MW Strom erzeugen sollen.


Nach langen und mitunter schwierigen Auseinandersetzungen tritt am 01.01.1991 eine Novellierung der Bundestarifordnung über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz in Kraft. Demnach beträgt die Vergütung für regenerativ erzeugten Strom 90 % des Durchschnittserlöses je Kilowattstunde aus der Stromabgabe von den EVU. Das Gesetzt wird mit den Jahren mehrmals abgeändert, gilt aber als Investitionsmotor.

Im Dezember 1991 nimmt in Rapshagen bei Pitzwalk die erste große Windkraftanlage des Landes Brandenburg ihren Betrieb auf. Und in China werden in der Inneren Mongolei die ersten beiden aus Deutschland importierten 5 kW Anlagen installiert.

Bis 1992 gibt es ein 250 MW Förderprogramm für Windkraftanlagen (bis 1995 jährlich 50 MW), bei dem jede Windkraftanlage zehn Jahre lang im praktischen Einsatz überwacht wird. Danach will man überwiegend Großwindanlagen fördern. In Brandenburg sorgt eine Ampelkoalition durch einen Investitionszuschuß von 30 % - 50 % für die mit Abstand höchste Förderung.

Im März 1992 wird im Windpark der EWE AG bei Hamswehrum der Prototyp einer getriebelosen 400 kW Anlage von Enercon errichtet (E 36). Die dabei gewonnenen Daten fließen später in die Entwicklung eines 500 kW Serienmodells ein (E 40). Bei diesem Modell weist der neuartige, vom Rotor direkt angetriebene Synchrongenerator in Ringbauweise, einen mittleren Durchmesser von 4 m auf.

Im September nehmen die Stadtwerke Husum einen Windpark in Betrieb, der durch die Verwendung von Windkraftanlagen verschiedener Hersteller, verschiedene Turmhöhen (28 m und 55 m Nabenhöhe) sowie eine kompakte Aufstellung der Anlagen die optimale Ausnutzung des verfügbaren Geländes demonstriert. Es werden acht Anlagen der Husumer Schiffswerft (HSW 250) sowie sieben Anlagen der Firma Tacke (TW 250) mit je 250 kW Nennleistung errichtet. Die Gesamtleistung entspricht somit fast 4 MW.

Die Windsteuer, die 1992 vom dem ostfriesischen Bürgermeister Udo Reemstma ‚erfunden’ wird, kann sich nicht durchsetzen. Zu diesem Zeitpunkt stehen in Deutschland bereits 405 Windenergieanlagen mit insgesamt 75 MW Leistung.

Die Niedersächsische Landesregierung plant 1993, bis zum Jahr 2000 rund zweitausend Windmühlen mit etwa 1.000 MW Gesamtleistung zu erstellen. Theoretisch seien sogar 10.000 MW alleine an der Küste möglich – so die damalige Umweltministerin Monika Griefahn. Eine entsprechende Windstudie hatte 280.000 DM gekostet.

Im schleswig-holsteinischen Dithmarschen wird Anfang November ein weiterer Windpark mit sieben Anlagen und einer Nennleistung von 3,5 MW eingeweiht, die Kosten betragen 7 Mio. DM.

Bis 1993 hat man durch das BMFT-Projekt auf Borkum genügend Erfahrungen mit einer windbetriebenen Meerwasserentsalzung gewonnen, nun werden Pläne für eine größere 300 kW Anlage auf Rügen gemacht, die dort ihre speziell für den Einsatz im Ausland erforderliche Einsatzreife erlangen soll, wobei das Destillat in Anpassung an die Schwankungen im Windangebot durch eine mechanische Dampfverdichtung gewonnen wird. Als Trinkwasserleistung werden 15 Kubikmeter pro Stunde angegeben, die Projektkosten betragen etwa 3,4 Mio. DM.

Anfang Juli 1993 geht der ‚größte Windpark Deutschland’ auf der Ferieninsel Fehmarn mit 34 Anlagen und einer Gesamtleistung von 17 MW in Betrieb. Die Kosten hierfür betragen 40 Mio. DM.

Sprengung der Aeolus II

Sprengung der Aeolus II

Auch das neue Versand- und Logistikzentrum der Otto Versand GmbH in Haldensleben (Sachsen-Anhalt) wird mit mehreren Windrädern zur unterstützenden Stromversorgung ausgerüstet. Als ‚größter Binnenwindpark Europas’ gehen Mitte November neun von zehn Windräder im sächsischen Jöhnstadt (Landkreis Anaberg) ans Netz. Mit der Energie sollen 8 % des Stromverbrauchs des Landkreises mit seinen etwa 95.000 Einwohnern gedeckt werden.

Im Herbst 1993 wird an der Universität Bremen der erste Lehrstuhl für Windenergie eingerichtet.

Die für den Jade-Windpark geplante 3 MW Großanlage Aeolus II soll eigentlich schon ab 1992 pro Jahr rund sieben Millionen kWh für den Betreiber PreussenElektra erzeugen. Tatsächlich geht sie jedoch erst im Oktober 1993 in Betrieb. Die glas- und kohlefaserverstärkten zwei Rotorflügel haben einen Durchmesser von 80 m, der Turm ist 92 m hoch und gekostet hat die Anlage etwa 27 Mio. DM. Gebaut wurde die Anlage von der schwedischen Kvaerner AB, in Betrieb genommen wird sie von der deutschen Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB).

Die zu jenem Zeitpunkt größte Windkraftanlage Deutschlands übertrifft im ersten Betriebsjahr sogar die Erwartungen, alleine bis Oktober 1994 produziert sie rund 4 Mio. kWh Strom. Im Jahr 2000 wir die die Anlage zwei Ingenieuren übernommen, die damals bei MBB an der Entwicklung beteiligt waren, doch ein Schaden des Haupt-Rotorlagers Ende 2007 macht eine Reparatur unwirtschaftlich, worauf im Februar 2008 die Sprengung der Anlage erfolgt.


Weiter geht es mit der Entwicklung ab 1994 ...